kleinerbye – Wir hören auf und das sind unsere Abschiedsworte
Anne
Es ist wieder so weit. Eine Frühschicht, um noch diesen Text fertig zu machen. Wie klassisch und im Grunde von Anfang an für mich auch Teil von kleinerdrei. Sehr spät oder ganz früh – manchmal auch zu beiden Zeiten – noch das Ehrenamtliche in den Tag quetschen, that’s the kleinerdrei way. Das waren die letzten fünf Jahre. Fünf fucking Jahre. Wow.
Es scheint, als würde ich erst jetzt, nach diesen fünf Jahren und mit dem Abschied kurz vor mir, richtig erfassen können, wie sehr dieses Projekt meinen Alltag geprägt hat. Wie sehr ich es geprägt habe. Und nun sitze ich hier, tippe meinen letzten kleinerdrei-Text in die Tasten und bin wehmütig und vorfreudig zugleich…
Wehmütig, denn kleinerdrei ist genau das geworden, was ich mir vor über fünf Jahren erträumt hatte – aber schließlich auch so viel mehr. In den letzten Wochen versank ich immer wieder fasziniert im Archiv und obwohl ich all diese Texte bereits kannte – ja unendlich viele von ihnen sogar selbst in der Entstehung betreut hatte – machte mich der Schatz an Gedanken, Perspektiven und Vertrauen auf eine ganz neue Art und Weise unfassbar glücklich. Ich bin wirklich sehr stolz, was wir da geschaffen haben und welch ein besonderer Platz in diesem weiten Internet kleinerdrei für so viele Menschen sein konnte. (Wie das alles losging, haben wir übrigens mal für den kleinercast besprochen.)
Zu seinen besten Zeiten lief kleinerdrei enorm professionell ab. Und das ohne Geld, ohne Menschen die sich in Vollzeit um die anfallenden Aufgaben kümmern konnten, ohne irgendwelche Verlagsstrukturen im Hintergrund.
Dafür bauten wir aber unsere eigenen und brachten umso mehr Herzblut, unendliche Wertschätzung und den steten Willen mit, das Beste aus einem Text herauszuholen.
Dass so viele Menschen ihre Stimme hier weiter entwickeln konnten oder vielleicht sogar erst gefunden haben, erfüllt mich mit großer Liebe und Ehrfurcht. (Nein, weniger Pathos geht nicht.)
Diese Magie, wenn aus einer Twitter DM und „Könntest du dir vorstellen über XYZ bei uns zu schreiben?“ ein erster Textentwurf und schließlich ein ganzer Artikel wurde, die war immer etwas ganz Besonderes.
Gleichzeitig ist da eben auch die Vorfreude auf die Zeit nach kleinerdrei. Darauf den Kopf wieder freier zu haben und damit vielleicht sogar wieder Platz für neue Ideen, who knows? Weniger Deadlines, die drängeln. Nicht in die Pause am Jahresende zu gehen, während man schon fiebrig planen muss, wie es Anfang des Jahres bei kleinerdrei weitergehen kann. Überhaupt weniger Druck und weniger schlechtes Gewissen haben zu müssen, darauf freue ich mich gerade am meisten. kleinerdrei, das war für mich auch viel „kleinerkram“, sozusagen. Eine Anreihung von „Schnell mal eben (Artikelbild raussuchen/ Feedback geben/Typos korrigieren/Layout fixen/auf Social Media verteilen…)“, besonders dann, wenn alle anderen keine Zeit hatten.
Vor allem im letzten Jahr hat sich unser Kernteam schließlich noch mal extrem gewandelt, weil schlicht this thing called life dazwischen kam. Aber damit blieben die immer noch vielen Aufgaben auf noch weniger Schultern verteilt und es wurde glasklar, dass sich etwas grundlegend ändern muss, damit kleinerdrei nicht irgendwann vor Erschöpfung einschläft. Ich habe zu viele Blogs so verschwinden sehen und der Gedanke daran, dass es kleinerdrei auf diese Weise treffen könnte, schmerzte mich sehr. Auch deshalb bin ich dankbar, dass wir nun ein selbstbestimmtes und liebevolles (also im besten Sinne des Wortes, voller Liebe) Ende finden können.
Außerdem hat sich die deutsche Medienlandschaft in den letzten fünf Jahren noch mal einschneidend verändert was Feminismus angeht. Die Orte, an denen feministisch und über feministische Themen geschrieben wird, sowie die Autor_innen die das tun, sind immer noch nicht genug, aber doch zahlreicher geworden. Das ist wirklich richtig gut und auch wir haben hier schließlich unseren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen. In dieser Landschaft, die oft ganz andere Ressourcen hat, kann unser Blog aber nun mal nicht so weitermachen wie bisher. Auch das ist eine Konsequenz, die wir bewusst ziehen. kleinerdrei wird darüber hinaus immer der Ort bleiben, wo #aufschrei seinen Anfang nahm, mit Maikes Artikel und Nicoles Kommentaren. Hier wurde nun mal auch ein Stück Geschichte geschrieben.
Insofern möchte ich zum kleinerbye ebenso betonen, wie wichtig es ist, dass ihr den Projekten die ihr gut und wichtig findet, diese Wertschätzung immer und deutlich zeigt. Ich weiß schon nicht mehr, wie oft mich Leute nach einem neuen Projekt fragten, obwohl ich zeitgleich – über nun eben fünf Jahre – erfolgreich kleinerdrei am Laufen halten konnten. Als würde das nicht mehr zählen. Aber ein Projekt ist halt nicht nur wertvoll, wenn es new and shiny ist. Wertvoll heißt vor allem: Uns gibt es immer noch und wir leisten gute Arbeit.
Also redet mit anderen Menschen über die euch wichtigen Projekte/Vereine/Organisationen, teilt ihre Links auf Social Media. Wenn ihr könnt, unterstützt sie mit Geld. Gebt Credit, also benennt klar die Quelle und Autor_in/Aktivist_in, wenn euch die jeweiligen Gedanken wiederum in eurem Denken beeinflusst und eurem Handeln weitergebracht haben. Diese Form der Anerkennung ist absolut zentral, nicht zuletzt weil gerade die Arbeit von Feminist_innen/marginalisierten Menschen immer wieder klein geredet und unsichtbar gemacht werden soll. Mit ein paar einfachen Schritten dagegen zu halten, ist aber möglich – und dennoch machen es so viele von uns nicht (oft genug).
Überlegt außerdem, welche vielleicht eher unpassende Anspruchshaltung ihr solchen Projekten entgegenbringt. Gerade ehrenamtliche Projekte und solche, die einfach sehr prekär arbeiten, sind oft mit Ansprüchen konfrontiert, die sie kaum oder unmöglich erfüllen können. Ich glaube jedenfalls fest daran, dass wir alle hier mehr Nachsicht, Verständnis und Wertschätzung gebrauchen und trotzdem auf unsere jeweiligen Verantwortungen hingewiesen werden bzw. diese annehmen können.
So. Uff. Und jetzt bin ich bereit dieses Jahr loszulassen und damit auch kleinerdrei. Unser Archiv soll übrigens online bleiben. In diesem Sinne hört kleinerdrei gewissermaßen auch nicht auf, sondern es ist wie bei so vielen Dingen im Leben: Sie werden einfach nur anders.
Danke euch fürs dabei sein, dass ihr kleinerdrei gelesen und gehört, unsere Beiträge geteilt habt, diskutiert und Feedback gegeben habt. Macht es gut und passt auf euch auf.
Zuletzt möchte ich von ganzem Herzen allen Menschen danken, die zum Team kleinerdrei gehör(t)en. Danke, dass ihr an diese Idee geglaubt, sie weiterentwickelt und mitgetragen habt. Danke für eure Freundschaft, euren Rückhalt, eure unermüdliche Arbeit, den respektvollen Austausch und einfach all den großartigen Quatsch den wir zusammen machen konnten. Ich weiß, dass diese Kombination nicht selbstverständlich ist und dafür herze ich euch umso mehr. Team kleinerdrei forever <3
Wir sehen uns im Internet…
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Jule
Kameradinnenschaft. Einen publizistischen Ort, der feministische Debatten ohne akademisches Vokabular anstößt. Auf Augenhöhe mit Menschen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen wollen, aber nicht erst akademische Lektüre lesen wollen. Der lebende Beweis, das eine Redaktion dezentral arbeiten kann. Respektvoll im Umgang miteinander. Ernsthaft in der Sache, aber immer bereit für eine kleine Wortspielhölle im Redaktionshangout. Ein Ort, um sich über das Schlechte in der Welt im Allgemeinen und die Abgründe der deutschen Berichterstattung über progressive Ideen im Besonderen aufzuregen.
Das gemeinsame Herumfeilen an Ideen. Die Suche nach dem perfekten GIF für jede Lebenslage. Endlose Stunden der Arbeit, reingequetscht zwischen Lohnarbeit und offline Leben. Annes Geduld mit uns und ihre Kraft, das Projekt zu tragen und daran zu glauben. Unsere Offenheit füreinander als Team. Trost. Freundschaft. Die immerwiederkehrende Frage: Wie wird aus der guten Idee ein gutes Ergebnis? Eine Website, ein Podcast und ein Newsletter. Ein jährliches Offlinetreffen der Redaktion mit viel Lachen und noch mehr Essen. Liebe. Ein Platz für Stimmen, die sonst keinen Platz haben, aber einen verdienen. Das Sprungbrett für erfolgreiche Autor*innen. Der Grundstein für Buchverträge. Endlose Redigaturschleifen, bis Texte das sagten, was sie sagen wollten. Ein Rückzugsraum, in dem aus kleinen Ideenpflänzchen große Entscheidungen wurden – nicht nur für das Projekt, sondern für unser Leben. Ein Traum. Eine gute Idee. Eine Heimat.
Das alles und mehr war kleinerdrei für mich.
Es gibt noch viel mehr zu sagen. Darüber, wie stolz ich darauf bin, dieses Projekt begleitet und mitgestaltet zu haben. Über meine Lieblingstexte. Die Artikel und Podcasts über Freundschaft, Liebe, Familie, Ambivalenz, Krankheit, Angst. Texte und Gespräche übers Dazugehören und draußen stehen, über Lieblingsdinge und über schlimme Erfahrungen. Auf dass der eigene Rucksack leichter wird, wenn sie geteilt werden. Das ganze, pralle Leben.
Als wir anfingen, sangen wir “Don’t stop believing”. kleinerdrei lebt weiter in uns und der Art, wie es uns geprägt hat. “Don’t stop believing”. Das bleibt.
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Nicole
Den letzten Artikel für kleinerdrei habe ich einen Tag vor der Geburt meines letzten Kindes geschrieben, genauer gesagt in der Nacht davor. Ein bisschen geflucht habe ich während der Wehen schon, hätte ich dafür wirklich die Nacht durchmachen müssen? Aber das gehörte für mich ein bisschen zur Magic von kleinerdrei dazu. Während alle anderen schlafen, vor dem WordPress-Editor sitzen, den kleiner-Code-Tab offen für die richtigen Cheats zu Zwischenüberschriften und Zitaten. Vorm Schlafengehen noch mal alles hübsch machen und kontrollieren, Vorschautext, Kategorien, Headerbild, dann rechtzeitig vor 11 Uhr wieder wach, um die Kommentarmoderation im Blick zu haben, und – wider alle Selbstzweifel – sehen, dass ein Text aufgeht.
Nach dieser Geburt habe ich nicht mehr bei kleinerdrei geschrieben. Das war keine bewusste Entscheidung, eher ein: wenn Platz ist, ein paar Stunden in Ruhe regelmäßig am Laptop zu sitzen, ohne, dass sich jemand kleines beschwert, bin ich wieder am Start. Und anders als beim Kind davor habe ich gedacht: Lieber im ersten Jahr alles so entspannt wie möglich, ich falle schon nicht aus der Welt. Jetzt wieder angenähert an die Uni, an öffentlicheres Sprechen und Nachdenken, an Schreibtischzeiten, aber die Zeit von kleinerdrei ist vorbei, leider. Denn damit, dass stattdessen etwas aus meiner Welt fällt, das mir viel bedeutet, damit hatte ich nicht gerechnet.
Mittlerweile bin ich durch die Five Stages of Grief durch: Denial, Anger, Bargaining, Depression und Acceptance, oder eher 4, Anger kann ich nicht so gut. Passt hier auch nicht. Jetzt, bei Acceptance angekommen, bin ich zwar immer noch traurig, aber vor allem dankbar für die letzten fünf Jahre. In Internet- wie Katzenjahren ist das ja mehr als eine Generation.
Ich wäre ohne kleinerdrei nicht, wer ich jetzt bin. Ich konnte bei kleinerdrei immer ich selbst sein. (Was für ein Gewicht das hat.)
So viel gelernt, so viel geliebt. So viel gelacht und geschimpft und gesungen. Als Teil dieser fantastischen Redaktion, und darin alles genauso, wie Jule es beschreibt. Es fehlt mir. Wie es mir fehlen wird.
Es gibt einen Gruß, den ich immer tröstlich fand, wenn wir uns nach kleinertreffen getrennt haben oder auch am Ende der wöchentlichen Redaktionshangouts. Er gilt auch jetzt, more than ever, weil es uns alle über dieses wunderbare Projekt hinaus ja weiter gibt. Ich sag ihn mir leise immer wieder auf, ich werf ihn mit Dank allen zu, die uns lesen und gelesen haben:
Bis im Internet! <3
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Lucie
Ich kann es ohne Übertreibung sagen: ohne kleinerdrei wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin.
Als Anne mich 2012 einlud, an einem Gruppenblog-Projekt teilzunehmen, war ich plan- und ziellos – frisch nach Berlin gezogen, in einem Job, der mich nicht glücklich machte, ohne Ideen, was ich mit mir und meinem Leben nun anfangen könnte. kleinerdrei mit aufzubauen machte mich stolz, liess mich zu etwas zugehörig fühlen, brachte mich mit Menschen und Themen in Kontakt, die mich inspirierten und in mir den Wunsch weckten, etwas zu tun, was mich auch stolz auf mich machte. Im Sommer 2013, kleinerdrei war ein knappes halbes Jahr alt, schrieb ich einen Artikel über Initiativen, die Mädchen das Coden beibringen wollen – was ein Thema berührte, was seit Jahren in mir rumorte.
Noch im gleichen Jahr fasste ich einen Entschluss, warf meine bisherige Ausbildungs- und Berufslaufbahn über den Haufen und machte mich daran, Programmiererin zu werden. Eine der besten Entscheidungen meines Lebens! Für kleinerdrei hatte ich damit allerdings weniger Zeit (gerade musste ich leicht beschämt feststellen, dass mein letzter veröffentlichter Artikel von 2016 ist), und natürlich ist es immer schwer und traurig, solche Herzensprojekte gehen zu lassen. Meine Faszination über die aussergewöhnlichen, ehrlichen, berührenden und starken Artikel und Erfahrungen, die Menschen auf kleinerdrei geteilt und veröffentlicht haben, ist immer noch genauso hoch wie am Anfang. Ich bin sehr froh, dass es dieses Projekt gab und diese Dinge hoffentlich für immer im Netz stehen. Man darf die viele Arbeit, die darin steckt (und die meistens unsichtbar bleibt), nicht unterschätzen – daher an dieser Stelle nochmal ein ganz großer Dank an Anne, die es immer wieder mit Leidenschaft und Herzblut vorangetrieben und getragen hat. Und die mich mit einer unglaublich tollen Gruppe von Menschen zusammengebracht hat.
Blogs werden ja immer wieder totgesagt, aber ich bin da optimistisch. Ob nun in Blogs oder Online-Magazinen oder Podcasts, ich kann es euch nur dringend empfehlen, sich zusammenzufinden und im Internet die Dinge und Themen zu teilen, die euch am Herzen liegen. IT COULD CHANGE YOUR LIFE!
Byeeeee
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Kati
Ich weiß nicht mehr, was der erste kleinerdrei-Text war, den ich gelesen habe, aber ich weiß noch ganz genau, welcher Text mich in all den Jahren nicht mehr losgelassen hat. kleinerdrei war für mich eine Plattform für Gedanken anderer, die manchmal den meinen ähnelten oder sie ergänzten.
Eine Plattform für Denkanstöße, für “Hey, ich bin damit nicht allein”, eine Plattform für Austausch und Zugehörigkeitsgefühl.
Ich blickte zum Team auf, das es verstand, Dinge zu erkennen und in Worte zu fassen, manchmal den Finger in die Wunde zu legen und dann wieder Texte zu veröffentlichten, die sich anfühlten wie eine Kuscheldecke an einem regnerischen Herbsttag.
Teil von kleinerdrei zu sein, bedeutete – und bedeutet – mir unheimlich viel. Wenn ich es durch einen meiner Beiträge geschafft habe, dass sich jemand nicht mehr ganz so allein fühlte oder kurz lächeln konnte, habe ich alles erreicht, was ich mir je vorgenommen habe. Danke dafür und danke für all die Jahre Zugehörigkeitsgefühl. <3
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Anika
Danke, Anne! Danke, alle! Ich bin ganz schlecht im Abschiednehmen – statt noch am Bahnsteig winkend mit Rotz und Wasser im Gesicht das Taschentuch zu schwenken, verkriech ich mich am liebsten einfach unter der Bettdecke mit einem Stapel Schokolade und den guten Zeiten hinterherschmachtend.
kleinerdrei war für mich sowohl der längste Gruppenhug ever, als auch eine kreativer Redaktionsraum und riesengroße Quelle von Horizonterweiterung.
Outlet und Antrieb für meine Ideen (jede Woche einen Text schreiben und abschicken hab ich seit meiner “Vier Wochen auf einer schottischen Insel” nie wieder geschafft und die Texte erinnern mich an eine tolle Zeit in meinem Leben und ein Jahr ohne neue Kleidung zu kaufen, habe ich auch hier verewigt) und auch meine Ängste und Sorgen zum Mutterwerden. Hach, waren das noch Zeiten.
Also, kommt mit unter meine Decke und lasst uns zusammen schmachten! Hier einige der Texte, die mich sehr berührt und bewegt haben:
• Lena mit “Na, heute schon wen umgebracht?” – Einmal im Monat, wenn alles scheiße ist: Ideen gegen den Krampf
• Nicole mit „Kind und Zeug – tierisch gute Bilderbücher? (1)“
• kleinergast Janina mit „Unglücklich glückliche Schwangerschaft“
• Unsere anonyme Gastautorin mit „Tag X“
• kleinerkolumnistin Alice mit „Haare wie meine“
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Amina
Ich habe diesen Text ewig vor mir her geschoben, weil ich gar nicht wusste was ich schreiben soll.
Aber jetzt ist es soweit und ich habe die letzten Stunden damit verbracht tolle Texte noch einmal zu lesen. Mich noch einmal davon inspirieren zu lassen, Kraft zu tanken. Denn genau das war kleinerdrei immer für mich, ein Ort an dem ich inspiriert wurde oder wo ich einfach wieder Kraft tanken konnte.
Die Texte waren so unterschiedlich wie die Autor*innen, aber genau das war der Charme. Ich konnte immer das finden, was ich gerade brauchte. Ich bin dankbar einen kleinen Teil dazu beigetragen zu haben.
kleinerdrei hat mir den Mut gegeben, überhaupt zu schreiben und dafür werde ich für immer dankbar sein. Hätte es kleinerdrei, und allen voran Anne, nicht gegeben, hätte ich nie angefangen meine Stimme so zu nutzen wie ich es heute tue.
Deshalb ist es auch ein schmerzhafter Abschied, der mich sehr traurig macht. Aber da wo eine Tür geschlossen wird, wird auch eine andere geöffnet. An dieser Stelle bleibt mir nur übrig Danke zu sagen: Danke an das Team, Danke Anne, Danke den Leser*innen und Danke denen, die uns über Jahre begleitet haben.
Wir sehen uns im Internet <3
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Andrea
kleinerdrei war mir wichtige Begleiterin in einer der bisher spannendsten Phasen meines Lebens: Der Begleitung der ersten, später der zweiten Schwangerschaft meiner Frau, der Geburt unserer beiden Wunschkinder und der Auseinandersetzung damit, wie die Gesellschaft auf „so etwas“ reagiert. Im Sommer 2012 – die Ehe für alle war noch nicht beschlossen, die eingetragene Lebenspartnerschaft noch lange nicht gleich gestellt – erzählte ich begeistert, dass meine Frau und ich ein Kind erwarteten. Und erntete vielerlei – häufig freudige – Reaktionen. Dennoch gab es auch Unwissen und Ablehnung – je konkreter und je vertrauter die Personen waren, um so schmerzhafter war das.
In meiner Ohnmacht ob der stockenden gesellschaftlichen Debatte, ob „das“ überhaupt geht, und ob meiner Rolle als begleitende Beobachterin – die manche_r Partner_in von Schwangeren sicherlich nachempfinden können wird – suchte ich ein Ventil. Und fand es, dank kleinerdrei und vor allem dank der Menschen dahinter. Ich schrieb auf, was uns widerfuhr, schrieb von der Absurdität, mein Wunschkind adoptieren zu müssen, von der alltäglichen Diskriminierung als Mutter in einer Regenbogenfamilie, und von der Angst vor und dem Einsatz gegen Diskriminierung unserer Kinder. Später veröffentlichte kleinerdrei noch meinen Text über die Demenzerkrankung meiner Mutter, der lange in der Schublade gereift war – ein weiteres „Familienstück“ aus einem etwas anderen Blickwinkel.
Über die Jahre wuchsen und gediehen unsere Kinder – und tun es weiter – und zusammen mit anderen lesbischen Eltern gründete ich Anfang 2018 den Verein „Lesben Leben Familie“. Und je mehr Energie dahin ging, umso weniger ging zu KleinerDrei. Das bereute ich öfter, brachte aber trotzdem nicht die Kraft auf, es zu ändern. Und so passt ein offizielles Ende von kleinerdrei für mich ganz gut zur aktuellen Entwicklung im Engagement für die lesbische Sichtbarkeit, die ich jetzt vor allem in und mit unserem Verein befördere.
Eine Voraussetzung dafür war, bei kleinerdrei frei und mit toller Unterstützung vom Team veröffentlichen zu können – herzlichen Dank dafür!
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Alice
Am 24.9.2017, nachdem ich meinen Wahlzettel an der Grundschule um die Ecke abgegeben hatte, war ich komisch nervös. Der Tag fühlte sich viel zu normal, viel zu schön an für das, was er bringen würde. Ein gutes Wahlergebnis für die AFD. Das lag mir auf dem Herzen. Doch wohin damit? Ich wählte eine moderne Lösung, etwas, was ich wirklich selten mache, nur dann, wenn mein Kopf zu explodieren droht. Ich schrieb einen Facebookpost. So persönlich wie selten, über meine Großeltern und Fluchtgedanken. Schickte ihn los ins Netz und fühlte ich danach sofort schlecht. Selbstzweifel: Wen interessiert meine Meinung schon? Warum bin ich so exhibitionistisch und muss anderen Menschen meine Gefühle aufdrängen? Jetzt weiß das jede*r über mich. Ich übertreibe. Stelle mich als Opfer dar. Was erwarte ich jetzt? Hätte ich lieber nichts geschrieben.
Doch die Likes, die Herzchen, die Kommentare, die mich aufbauten und Verständnis zeigten, die Menschen, die den Post teilten – es spendete mir wirklich Trost und half mir durch den Tag. Auch durch den nächsten. Es machte mir Mut. Dass dieses Risiko sich verwundbar zu zeigen, nicht ausgenutzt wurde. Und dann, eine Nachricht von Juliane. Sie hatte meinen Post gelesen und fragte, ob ich daraus einen Artikel für kleinerdrei machen kann.
Es hätte genug Gründe gegeben, keinen Artikel zu schreiben. Zu wenig Zeit, neben Vollzeitjob und Podcast. Kein Geld. Wollte ich die Journalistin of Color sein, die über Rassismus schreibt? Noch mehr Selbstzweifel, noch mehr Angst vor Unverständnis, vor emotional labour und Hass im Netz.
Doch ich wollte sie auch schreiben. Ich wollte nicht mehr auf die Nachrichten schauen, Talkshowrunden sehen, die die immer gleichen Themen durchkauten und keinen Schritt weiterkamen – dennoch nie auf die Idee kamen, einfach mal andere Leute einzuladen. Und diesen ganzen Frust nur meinem Spiegelbild zu erzählen und niemand anderem. Also schrieb ich.
Was dabei heraus kam, war schon wieder anders als gedacht: Positive Reaktionen, Verständnis, Leseempfehlungen. Auch von Menschen, bei denen ich es nicht erwartet hätte. Menschen, die meinten, ich spräche ihnen aus der Seele. Unverständnis auch, Hass auch, klar. Doch die große Erkenntnis war: Der war mir egal. Ich hatte endlich meine Wahrheit ausgesprochen, liess sie los in die Welt und das machte mich so viel selbstsicherer.
Aus einem Artikel wurde eine regelmäßige Kolumne. Oft saß ich vor meinem Computer und dachte: Ich kann das nicht. Oft wusste ich nicht, ob ich nicht völligen Mist fabriziert hatte. Am meisten ging es mir bei dem Text „Anleitung gegen Ignoranz in Rassismusdebatten“ so. Juliane schaffte es irgendwie mir Mut, aber keinen Druck zu machen. Gerade auf diesen Text, meldete sich eine Agentur bei mir und fragten, ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch zu schreiben. Und jetzt soll es schon im Herbst nächsten Jahres herauskommen. So schnell kann es gehen. Das wäre ohne kleinerdrei nicht passiert.
Viele Menschen, die etwas zu sagen haben, deren Perspektive nicht repräsentiert wird, bleiben still. Aus Angst, dass sie nicht verstanden oder instrumentalisiert zu werden. Es reicht nicht, die Türen aufzumachen und zu warten, bis jemand kommt.
Es braucht Menschen, die aktiv einladen, die Hand ausstrecken, die vergewissern, dass man am richtigen Ort ist. Das hat kleinerdrei, das haben Juliane und Anne für mich gemacht.
Über den eigenen Schatten springen, ist dann immer noch schwer genug. Doch das kann keine*r abnehmen.
Das, was im Internet steht, bleibt. Im Fall von kleinerdrei ist das ein großes Glück. Viele Gedanken, die ich nicht formulieren konnte, viele, auf die ich nie gekommen war und andere, die ich genauso hätte schreiben können, habe ich auf dieser Seite gefunden. Ich bin sehr froh, dass ich ein Teil dessen sein konnte.
Ich danke euch und ich werd euch vermissen!
Kleinerbye, <3, Alice
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Levi
Wenn ich nun sage, dass mein Schreiben für kleinerdrei mich wirklich ganz essentiell weitergebracht hat, ist das weder eine höfliche Sentimentalität noch eine Übertreibung.
Vor fünfeinhalb Jahren durfte ich hier einen Gastbeitrag schreiben, der mich zwar einen Job kostete (was ich Anne und den anderen nie gesagt habe; nun ja, bis jetzt zumindest), aber mir zum ersten Mal recht bewusst machte, wer ich eigentlich bin. Ich begriff das also tatsächlich erst, als ich meine eigenen Worte in eben jenem Gastbeitrag las. Ich hatte schon immer Film- und Romanfiguren besser verstanden als Menschen; vielleicht musste ich selbst von mir als Figur im Text lesen, um rekapitulieren zu können, wie Ereignisse aus der Vergangenheit mich zu dem machten, der ich geworden bin.
Die Essays für meine kleinerdrei-Kolumne haben mich Dinge erinnern lassen, die ich vergessen hatte und die ich wohl noch immer nicht erinnern würde, hätte ich nicht etwa einen Text darüber geschrieben, wie sehr mir beim Großwerden Fernsehserien halfen. Oder wie es Pocahontas einmal tat. Ich lernte über die Kolumne viele interessante, liebenswerte Menschen kennen und darunter auch eine Agentin, die mich mitsamt einer Buchidee zu einem Verlag brachte. kleinerdrei hat mir am Ende also einen ziemlich großartigen Job verschafft.
kleinerdrei war mir oft Anlass und Antrieb, über Dinge aus Gegenwart und Vergangenheit nachzudenken und ihnen nachzufühlen. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Denken und Fühlen, vor allem dem Erinnern, fiel mir manches Mal schwer, berührte sie doch oft Sensibles, mir Inniges. Soll heißen, dass mich das Schreiben mitunter sehr sentimental oder nostalgisch werden ließ. Manches Mal, wenn es etwa um Politik ging, machte mich das Schreiben wütend; oder ich kicherte beim Tippen.
Und jetzt enden Kolumne und kleinerdrei und mit ihnen die Erfahrungen auf diesen Seiten. Ich bin Daniel dankbar, dass er mich hierher holte. Ich bin Anne für diese Möglichkeit, diesen Raum und ihre stete Hilfe dankbar. Und ich bin allen Lesenden dankbar. Ich verstehe mich leider schlecht auf Verabschiedungen. Ich denke, ich werde daher diesen letzten Text einfach beenden, meinen Stuhl vom Tisch wegschieben, kurze innehalten, aufstehen und