Females are strong as hell: Eine Liebeserklärung an Unbreakable Kimmy Schmidt

Foto , by Netflix

Diesen Text habt ihr aus zwei Gründen Kimmy Schmidt zu verdanken: Zum Einen, weil ich die neue Netflix-Serie, in der sie Heldin spielt, einfach sehr lustig und unterhaltsam finde und solche neuen Fundstücke unter der Vielzahl neu produzierter Serien gerne mit anderen teile. Zum anderen, weil Kimmy Schmidt die Zähigkeit und den Optimismus verkörpert, die mich nach einer Woche wie der, die hinter uns allen liegt, überhaupt noch dazu bringt, neben meinen Alltagspflichten zu bloggen.

„Females are strong as hell“: Dieser Satz aus dem Introsong der Serie, die gut und gerne als ihr Credo gelten kann, hat mich in den letzten Wochen immer wieder begleitet und motiviert, wenn die Dinge schwierig wurden und die nervigen Dinge des Alltags sich ins Unendliche türmte. Wann immer ich müde und traurig lieber unter der Decke verschwunden wäre, hörte ich innerlich dieses „Females are strong as hell“. Gleich zu Beginn der Serie sagt Kimmys Nachbar in Indiana diesen Satz – als Reaktion auf die unglaubliche Geschichte, die Kimmy erlebt hat: Sie und drei weitere Frauen werden nach 15 Jahren aus einem unterirdischen Bunker gerettet. Dort hatte sie ein religiöser Fanatiker gefangen gehalten, der behauptet, er habe sie so vor dem drohenden Weltuntergang schützen wollen. Von den Medien nach ihrer Befreiung sofort zu den „Indiana Maulwurfsfrauen“ erklärt, reisen die vier nach New York, wo sie über ihr Schicksal im Fernsehen berichten sollen. Als es daran geht, nach Indiana zurück zu reisen, steigt Kimmy buchstäblich aus. Sie will in New York bleiben und ein neues Leben anfangen.

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Ein Leben, frei vom Urteil der Anderen

Kimmy will sich nicht über ihre Vergangenheit oder ihr Schicksal definieren lassen, sondern sehen, was passiert, wenn sie einfach so in eine neue Welt eintaucht. Gründe, sie abgöttisch zu verehren, ist der Mut, mit dem sie sich diesem Vorhaben stellt und die Kraft, mit der sie die Definitionsmacht über ihr Leben zurückgewinnen will. Kimmy ist stark wie die Hölle, das steht ab Folge eins fest.

Wunderbar ist der unverschämte Enthusiasmus, mit dem sie in diese neue Welt einfällt. Kimmy hätte allen Grund, sich nach 15 Jahren ohne Berührung zu einer Außenwelt, die mobiles Internet, soziale Netzwerke und Tinder erfunden hat, ängstlich und abwartend zurückzuziehen. Aber sie stürzt sich mitten hinein und, was besonders wundervoll ist, sie schämt sich keine Sekunde, die optimistische und ahnungslose Person zu sein, die sie ist.

Ein Prüfstein dieser Eigenschaft ist die von Dylan Gelula gespielte Teenagerin Xanthippe Voorhees, die immer wieder fassungslos ist, wie wenig Ahnung Kimmy hat. „Es ist, als würde ich mit einem Hühnchen reden!“, schleudert sie Kimmy irgendwann entgegen, als diese mal wieder nicht gecheckt hat, dass man jetzt am Computer telefonieren kann. Kimmy lässt sich selbst von der deprimierendsten und dunkelsten aller Kräfte nicht runterziehen und kleinmachen: Xanthippes Teenie-Mobbinganfällen.

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Mut zur Unverschämtheit und zur Oberflächlichkeit

In ihrem unerschütterlichen Enthusiasmus ist sie der Figur Kenneth sehr ähnlich, dem ewig herumgeschubsten und ewig lächelnden NBC-Tourguide aus „30 Rock“. Das ist sicher kein Zufall, denn hinter „30 Rock“ und „Unbreakable Kimmy Schmidt“ steht die gleiche Frau: Keine geringere als die großartige Tina Fey ist der Kopf dieser Shows. Ihre Handschrift zieht sich durch beide Serien: Sie zeigt sich im überdrehten, ins absurde gleitenden Humor, in dem Frauen nicht nur niedliche Stichwortgeberinnen sind, sondern genauso respektlos, ordinär und fies sein dürfen, wie männliche Charaktere.

Zu sehen beispielsweise in der Figur Jacqueline Voorhees, der von Jane Krakowski gespielten Chefin von Kimmy. Krakowski variiert hier meiner Auffassung nach auf großartige Art ihre Rolle der Jenna Maroney aus 30 Rock. Jenna und Jacqueline sind beide vollständig von sich selbst eingenommen, von ihrer Jugend und ihrem Status besessen und schonungslos offen hinsichtlich ihrer Vorlieben und Abneigungen. Das Großartige auch hier: Jacqueline entschuldigt sich nie dafür, was sie ist.

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Auch Kimmy macht das nie, egal, ob ihr aufgrund ihrer Naivität gerade der Rucksack von der Tanzfläche gestohlen wird, oder sie sich von zwielichtigen Typen in Transportern ihre „BH-Größe ausmessen lässt“. Die Stimme der Vernunft, die sie in all ihrer Ahnungslosigkeit auch vor Schaden bewahrt, ist dabei der von Titus Burgess gespielte Titus Andromedon, ihr Mitbewohner. Titus ist ein verkrachter Schauspieler und Sänger, der den Sprung auf den Broadway nicht geschafft hat und nun als verkleideter Superheld auf dem Times Square Flyer verteilt. Kimmy motiviert ihn, es noch einmal mit seinem Traum vom Leben auf der Bühne zu versuchen, was dem Publikum Perlen wie seinen selbstgeschriebenen Song „Pinot Noir“ beschert (alleine für den Reim „Pinot Noir – Myanmar“ sollte diese Serie sämtliche Preise bekommen).

Die Serie packt über Titus auch Themen wie Homophobie oder Rassismus an. So zum Beispiel, wenn Titus sich weigert, sein Werwolfskostüm auszuziehen, weil er auf den Straßen New Yorks als Werwolf besser behandelt wird, als als Schwarzer Mann. Eine These, die mit den häufigen Meldungen über Alltagsrassismus korrespondiert, der in US-Polizeigewalt gegen Schwarze Männer in den USA gipfelt.

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Kritische Stimmen

Kritiker werfen der Serie aber auch vor, an anderen Stellen selbst ein Problem mit Rassismus zu haben, beispielsweise bei der Darstellung von Dong, Kimmys vietnamesischem Lernpartner, in den sie sich später verliebt. Dieser wird ziemlich eindimensional und stereotyp dargestellt, beispielsweise über verbale und gestische Missverständnisse zwischen ihm und Kimmy. Auch der Umgang mit den amerikanischen Ureinwohnern in der Serie wird von manchen kritisiert. Da ich nicht zu viel spoilern möchte, verlinke ich lieber nur auf einen Artikel, der das ausführlich thematisiert.

Trotz dieser Kritikpunkte ist „Unbreakable Kimmy Schmidt“ eine echte Bereicherung unter den neuen Serien dieses Jahres. Das glauben wohl auch die Macher bei Netflix, denn sie kauften das Format NBC ab, wo es nach wenigen Folgen eingestellt werden sollte. Für uns ist der Wechsel zum Streamingdienst ein großes Glück. Wie schon „House of Cards“ bewies, gibt es jenseits der großen Netzwerke die Möglichkeit, neuen Serien Zeit zu lassen, ein Publikum zu gewinnen, und sich als Geheimtipp zu verbreiten – anstatt permanent unter dem Druck zu stehen, allen sofort gefallen zu müssen. Für „Unbreakable Kimmy Schmidt“ geht dieses Rezept auf, die Serie hat  grünes Licht für eine zweite Staffel bekommen. Frauen sind halt stark wie die Hölle.

4 Antworten zu “Females are strong as hell: Eine Liebeserklärung an Unbreakable Kimmy Schmidt”

  1. ulli sagt:

    ich sehe diese serie bei weitem nicht so positiv. neben den rassistischen aspekten – die meiner meinung nach auch wesentlich stärker betont werden sollten – zeichnet die serie auch eine fatphobische tendenz aus. so betont jacqueline voorhees (rolle der chefin*) mehrmals, dass ihr ehemann* sicher keine affäre mit seiner assistentin* ist, schließlich ist sie fett. und auch die xanthippe (figur der tochter*) regt sich darüber auf, dass sie von ihrer mutter* und kimmy „gemobbt“ wird, was sie nicht versteht, da sie doch nicht fett ist. hier wird nicht nur mobbing klein geredet, hier wird auch noch festgestellt, dass es „normal“ sei dicke menschen zu mobben

    • julianeleopold sagt:

      OK, danke, dass du diese Sicht hier teilst. Meine Sicht: Weder Jacqueline noch Xanthippe werden anfangs als sympathisch oder Heldinnen der Serie dargestellt. Natürlich verhalten sie sich zum Teil total fürchterlich, das ist ja Teil des komischen Charakters ihrer Rollen. Für mich geht das auf, weil beide ja nicht als problemfrei in dieser Haltung dargestellt werden. Jacqui, als sie Kimmy zwingt, für sie stellvertretend zu essen, zieht ja das Fatshaming oder das Abwerten von Essen generell ins Lächerliche. Meine Meinung.

  2. Anne Wizorek sagt:

    À propos females are strong as hell: Ich stolperte über diesen schönen Artikel, der meiner Meinung nach sehr gut den Aspekt herausarbeitet, dass Kimmy eine Überlebende ist und ihr Trauma nicht einfach weggewischt wird (was ich persönlich bei der Serie auch einen der spannendsten Punkte finde): http://www.newyorker.com/magazine/2015/03/30/candy-girl (Außerdem wird darin auch gut auf die Diskussion um die stereotypen Witze in Sachen Rassismus eingegangen.)

  3. […] will, was in den neuen Folgen passiert, sollte lieber nicht weiterlesen. Die erste Staffel habe ich hier […]