Ihr Name ist Chelsea

Foto , CC BY 2.0 , by Timothy Krause

[Es werden transphobe Äußerungen thematisiert.]

Am 22. August 2013 gab Private Manning bekannt, den Rest ihres Lebens als Frau zu leben und sich Chelsea Elizabeth Manning zu nennen: “I want everyone to know the real me. I am Chelsea Manning. I am a female.” (“Ich möchte, dass alle mein wahres Ich kennenlernen. Ich bin Chelsea Manning. Ich bin eine Frau.”) Für viele, die sich bereits intensiver mit Manning auseinandergesetzt und ihre Geschichte verfolgt haben, kam dies nicht überraschend: bereits während des Verfahrens hatten Mannings Anwälte ihre Transidentität zur Sprache gebracht. Wenige Tage vor Mannings Statement zu ihrer Geschlechtsidentität wurde sie zu 35 Jahren Haft für die Weitergabe geheimer militärischer Dokumente an die Enthüllungsseite WikiLeaks verurteilt. Anfang September hat sie ein Gnadengesuch an Präsident Barack Obama gestellt.

Manning war und ist im Zuge ihrer Verhaftung, Haftzeit und schlussendlich durch das Urteil bereits großem Unrecht ausgesetzt worden. Unabhängig davon, wie man die Weitergabe der Dokumente rechtlich einstuft, steht das Strafmaß in keinem Verhältnis zu Kriegsverbrechen, die sie dadurch z.T. aufdeckte, und die keine Strafen nach sich ziehen werden, oder zu den menschenunwürdigen Bedingungen, die sie phasenweise während ihrer Haft ertragen musste.

Chelsea Manning hat sich zu ihrer Geschlechtsidentität geäußert, in dem Bewusstsein, dass sich ihre Haftbedingungen dadurch nicht unbedingt verbessern würden – als Transfrau wird sie es vermutlich schwieriger haben (nicht leichter, wie einige Kommentator_innen wohl einfach mal annahmen). In den USA werden Menschen in der Regel nach dem biologischen Geschlecht, das sie bei der Geburt hatten, in Männer- oder Frauengefängnisse einsortiert und die Geschlechtsidentitäten von Transmännern und -frauen ignoriert. In den Gefängnissen sind sie zudem in hohem Maße Diskriminierung, Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Ob Manning hier durch ihren prominenten Status eher geschützt ist, fällt mir schwer zu beurteilen.

Ahnungs- und Respektlosigkeit in der deutschen Wikipedia

Und als wäre das alles noch nicht genug, fehlt vielerorts nach Chelseas Statement der Respekt, ihren Wünschen gemäß von ihr als “sie” zu sprechen und den Namen Chelsea zu verwenden. Dass viele Zeitungen und Sender hier zunächst schwerfällig und eher konservativ reagieren, überraschte mich weniger, auch wenn es deswegen natürlich nicht in Ordnung ist. Wirklich schockiert hat mich jedoch der Blick auf die Diskussionsseite der deutschen Wikipedia. Während einige engagierte Wikipedianer_innen sich bereits kurz nach Veröffentlichung des Statements daran gemacht hatten, den Artikel umzubenennen und umzuschreiben, rollte der Backlash heran und erging sich in Beschimpfungen auf die Änderungen und diejenigen, die sie vornahmen. Es folgten allerlei Begründungen, warum Name und Pronomen auf keinen Fall schon geändert werden dürfen, einige davon auf haarsträubendem Niveau: die Forschung über Transgender sei “Esoterik” und “Pseudowissenschaft”, man könne ja auch nicht einfach sagen, man sei jetzt Pilot, eine Schildkröte etc. Ich versuche in meinen Blogposts in der Regel, nicht zu emotional und ausfallend zu werden, aber was es dort zum Teil zu lesen gab und gibt, war einfach von widerlicher Ignoranz. “Gemäßigter”, aber nicht weniger problematisch ist das gebetsmühlenartige Wiederholen, dass Chelsea erst OFFIZIELL (mit drei Ausrufezeichen) Chelsea sein müsse. Welches “offiziell” hier gemeint ist, bleiben die meisten dann schuldig. In den USA zumindest gibt es nicht mal einen einheitlichen Personalausweis. Zumal es lange dauernd kann, bis eine Transition (also der ganze Prozess der geschlechtlichen Angleichung) “offiziell” abgeschlossen ist. Respekt gibt also erst mit gültigem Formular? “Bullshitbingo der Vorurteile” heißt es dazu treffend im Artikel von “Wann hört die unwürdige Behanldung von Chelsea Manning auf?” von Helga bei Femgeeks. In der Wikipedia wurde die Geschlechtsidentität Mannings in diskriminierender Weise zur Diskussion gestellt.

Der Artikel wurde wieder geändert, bis heute trägt Chelsea dort ihren Geburtsnamen, wird als “er” eingeordnet. Ist das jetzt transphob? Nun, lesen wir doch einfach in der deutschen Wikipedia nach:

“Aspekte von Transphobie sind, Transgender und transsexuelle Menschen nicht für sich selbst sprechen zu lassen, ihr Geschlecht zu ignorieren, sie nach ihrem Coming-Out weiter mit ihrem gegebenen Vornamen und dem entsprechenden Pronomen anzusprechen […].” (dieser Hinweis fiel ebenfalls in einer Wikipedia-Diskussion)

I rest my case.

Entscheidung in der englischsprachigen Wikipedia

Der Blick in die englische Wikipedia war da zunächst erfreulicher: hier wurde Namen und Pronomen sofort geändert, und Slate schrieb enthusiastisch: Wikipedia Beats Major News Organizations, Perfectly Reflects Chelsea Manning’s New Gender. Doch die Diskussion tobte auch hier, und sogar für die diskussionsfreudige Wikipedia in riesigen Ausmaßen. Nachdem für einige Zeit der Artikel in “Chelsea Manning” umbenannt wurde, ist er nun wieder unter “Bradley Manning” zu finden, im Text jedoch für das weibliche Pronomen und Chelsea benutzt. Besser als nichts? Da ja einfach bei der Suche nach “Bradley” auf den Artikel “Chelsea Manning” umgeleitet werden könnte, ist das nicht wirklich verständlich.

Nun hat sich Sue Gardner, Executive Director der Wikimedia Foundation, zu dieser Diskussion und Entscheidung in einem lesenswerten Blogpost geäußert: “How Wikipedia got it wrong on Chelsea Manning, and why”. Darin analysiert sie die Gründe, die zu der in ihren Augen schlechten Entscheidung bezüglich des Artikels geführt haben. Sie sieht durch die Strukturen der Wikipedia, deren Editor_innen in der Mehrzahl männlich, weiß, heterosexuell und cis seien, einen blinden Fleck bei Gender-Themen, der – ganz entgegen der üblichen Vorgehensweisen und Ansichten in Wikipedia-Entscheidungen und Diskussionen – dazu führt, dass etwa bei der Manning-Diskussion nach einen diffusen Gefühl (s.o. “Esoterik”, “Pseudowissenschaft”) und nicht nach existierender Expertise über Transgeschlechtlichkeit entschieden würde.

“What’s unusual here is that rather than deferring to people who had read and thought a lot about the article topic, as we normally do, instead a substantial chunk of the community seemed to let itself be swayed by prejudice and unexamined assumptions.”

(“Was hier ungewöhnlich war, anstatt Menschen den Vortritt zu lassen, die schon viel über den Gegenstand des Artikels nachgedacht und gelesen hatten, wie wir das normalerweise tun, ließ sich ein substantieller Teil der Community von Vorurteilen und unhinterfragten Annahmen beeinflussen.”)

Das dies nicht nur für die Wikipedia symptomatisch sein könnte, stellt ein Adrianna Wadewitz, die unter anderem als pädagogische Beraterin für die Wikimedia Foundation tätig ist, in ihrem Artikel “The struggle over gender on Wikipedia: the case of Chelsea Manning” fest:

“The Chelsea Manning discussion serves as a snapshot of what the public debate over gender looks like in 2013, but it is also a reflection of who contributes to Wikipedia.”

(“Die Chelsea Manning-Diskussion kann als Momentaufnahme für den Stand der Debatte um Gender in 2013 dienen, sie spiegelt außerdem wieder, wer in der Wikipedia beiträgt.”)

“Na dann geh doch in die Wikipedia und ändere das!”

Der Vorschlag, sich doch selbst an der Wikipedia zu beteiligen, wenn einer die Inhalte nicht gefallen, fällt in der Regel sehr schnell bei Diskussionen um die Frage, wer dort schreibt, Themen und Gewichtungen setzt. Das ist auf den ersten Blick naheliegend: vom Konzept her sollen sich alle an der Wikipedia beteiligen, dort beitragen und mitbestimmen können. Grundsätzlich ist das natürlich richtig und sollte als Aufforderung verstanden werden. Doch würde ich heute sagen “Ich gehe jetzt da rein und ändere Chelsea Mannings Artikel!” hätte dies keinen Effekt – meine Änderungen würden als die eines “Newbie” ohnehin bei einer Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt. Was ein sinnvolles System ist, um etwa zu verhindern, dass Artikel beschönigt und Kritisches gelöscht wird, führt bei unausgewogenen Strukturen zum Stillstand, es wird undurchlässig für Neue und Neues.

Und warum hacke ich jetzt nur auf der Wikipedia so rum?

Natürlich sollte auch in der Presseberichterstattung Chelsea richtig adressiert werden, was leider noch keine Selbstverständlichkeit ist. Immerhin ist hier im Zuge von Mannings Gnadengesuch schon Bewegung hineingekommen, Tagesschau, Zeit Online und AFP (und über die Agenturmeldung noch einige andere) haben aktuell über Chelsea Manning berichtet und dabei weibliche Pronomen verwendet. Dies wird hoffentlich Signalwirkung auf andere haben. Vielleicht auch auf Wikipedia?

Und natürlich will ich mit meiner Kritik nicht all das schmälern, was viele viele Wikipedianer_innen schon geleistet und an Arbeit in diese gigantische Enzyklopädie gesteckt haben, oder die Arbeit, die die Wikimedia Foundation für freies Wissen leistet. Aber trotzdem empört und bestürzt es mich bei der Wikipedia besonders, wie mit den Artikeln über Chelsea Manning umgegangen wird. Weil ich hier einfach mehr erhoffe. Mit der Wikipedia haben viele Menschen die Mittel in die Hand genommen, Wissen selbst aufzuschreiben, zu verwalten, zu erweitern, und damit selbst zu bestimmen, was in der zugänglichsten und am weitesten verbreiteten Enzyklopädie unserer Zeit dokumentiert wird. Das ist innovativ, fortschrittlich, sensationell. Und auch alles andere als “offiziell”, in dem bürokratisch-obrigkeitsabhängigen Sinne, wie er nun beim Streit um Chelsea zu Tage tritt. Es hat den Anschein, als würde hier die inhaltliche und gesellschaftliche Entwicklung der strukturell-technischen arg hinterherhinken. Die Regeln sagen, ihr müsst weiterhin Bradley Manning schreiben? Dann sind die Regeln vielleicht einfach falsch. Dann müssen sie geändert werden.

Und dann kann vielleicht die Prominenz von Chelsea Manning auch dabei mithelfen Diskriminierungen, Vorurteile und Fehler bei der Berichterstattung über Transidentität (und nicht nur darüber) abzubauen. Die Wikipedia mit ihrer unglaublichen Reichweite hat dabei eine Verantwortung, der sie aktuell noch nicht gerecht wird.

Hilfe dafür findet sich sicher genug, wenn man denn danach sucht. Der Verein TransInterQueer hat etwa einen kleinen Ratgeber für Journalist_innen herausgegeben, die dabei helfen kann, kompetent und respektvoll über Trans* und Transgeschlechtlichkeit zu berichten. Für ein besseres Verständnis von Chelsea Manning und einen neuen Blickwinkel auf das, was sie da am 22. August der Weltöffentlichkeit mitgeteilt hat, würde es nämlich schon sehr helfen, sich diesen Satz aus dem Ratgeber in Ruhe durchzulesen. und ihn zu verstehen.

“Gestehen Sie Trans* die Kompetenz zu, die Expert_innen für ihre geschlechtliche Identität zu sein. Ihr Gegenüber kennt die eigene Geschlechtsidentität vorzüglich – besser als jede_r andere.”

Seien wir doch einfach mal so fortschrittlich, wie wir immer vorgeben zu sein. Ihr Name ist Chelsea.

13 Antworten zu “Ihr Name ist Chelsea”

  1. Philip Brechler sagt:

    Danke dafür und natürlich +1! Ich hoffe das dieser „Fall“ endlich zu einem besseren Umgang mit Trans*-Menschen führt.

  2. Thomas Huber sagt:

    Herzlichen Dank dafür! Besonders wichtig finde ich den Hinweis, dass
    Teile der Wikipedia-Community sich im Fall CM einer
    kalten bürokratisch-technokratischen Sichtweise bedienen – einerseits
    -, um andererseits „aus dem Bauch heraus“ die Trans*identität CMs zu verleugnen bzw. ihr die Selbstbestimmung abzusprechen. Das Verstecken hinter den Regeln hat für mich etwas von einer Flucht, und wer flieht, fühlt sich bedroht. Von was?

  3. NoCultureIcons sagt:

    Ich bin nicht zufrieden mit dem Einwand gegen das Einmischen. Das Problem an der Stelle ist doch gerade, dass viele niemals irgendwo angefangen haben. Klar, der Manning-Artikel ist dabei einer der schlechtesten Einstiege, die man sich vorstellen kann. An einer frustrierenderen Diskussion war ich bisher selten beteiligt.

    Aber das heisst doch nicht, dass man denen, die da im Moment die Deutungshoheit erobert haben, auf Dauer das Feld überlässt. Ich werde nie verstehen, warum es nicht selbstverständlich ist, bei Wikipedia mitzumachen. Wir alle lesen da täglich, und entdecken täglich Fehler, Ungenauigkeiten, Veraltetes. Ein winziger Bruchteil korrigiert das alles. Wenn 20 Leser dieses Artikels und die paar kleinerdrei-AutorInnen genauso selbstverständlich Wikipedia editieren würden, wie sie sich (vermutlich) auf irgendwelchen Social-Media-Kanälen austoben, wäre viel gewonnen. Bis dahin holen sich die drei feministisch engagierten BenutzerInnen eben weiterhin blutige Nasen beim Versuch, progressivere Erkenntnisse einzupflegen.

    Übrigens halte ich die Analyse unabhängig davon für verkürzt: Es sind vor allem auch unangemeldete und neue Nutzer gewesen, die sich gegen „Chelsea“ gestellt haben. Aus dem feministischen Twitterverse waren’s ganze drei Personen, denen man gar nicht genug danken kann. Aber ein paar mehr hätten wirklich nicht geschadet. War dann eben mehr Welt-Online-Forum als Gender-Studies-Seminar, und eher Gesellschaftsspiegel als Wikipedia an sich.

    • Auto_focus sagt:

      Nun, die Analyse beruht ja zum Teil auch auf den Worten von Sue Gardner und Adrianna Wadewitz, die sicher einen sehr viel besseren Einblick in die Wikipedia haben als ich und zu ähnlichen Schlüssen gekommen sind bzw. meine Eindrücke bestätigt haben. Zudem: Ressourcen sind begrenzt. Es gibt eben Menschen, die Blogs schreiben, und Menschen, die Wikipedia editieren, und beides sollte es geben. Ich zumindest habe neben meiner Lohnarbeit aber leider nur für eines Zeit. Ich verfolge aber Diskussionen in der Wikipedia schon länger, und es ist nicht unbedingt so, als würde dieses Problem zum 1. Mal auftreten (dazu sei auch noch mal auf Sue Gardners Artikel verwiesen).

      Last but not least sehen wir bei kleinerdrei durchaus die Notwendigkeit, dass mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen in die Wikipedia sollten (Frauen, aber nicht nur die), wie du folgenden Artikeln entnehmen kannst, die sich alle mit dem Problem auseinandersetzen und stets mit der Aufforderung verbunden waren, sich in der Wikipedia zu engagieren.

      http://kleinerdrei.org/2013/02/wikipedia-women/
      http://kleinerdrei.org/2013/06/wie-geht-wikipedia-ein-erfahrungsbericht-teil1/
      http://kleinerdrei.org/2013/07/wie-geht-wikipedia-ein-erfahrungsbericht-teil/

      • NoCultureIcons sagt:

        Man kann die Vorgänge in der englischen und der deutschsprachigen Wikipedia vergleichen, aber man kann sie nicht gleichsetzen. Das waren zwei voneinander weitgehend unabhängige Diskussionen, insofern ist das dann halt analytisch wenig hilfreich, Gardner und Wadewitz heranzuziehen. Das ist übrigens eine der größten Schwächen vieler deutschsprachiger Blog-Artikel zu Wikipedia (neben dem Glauben, Wikimedia-Mitarbeiter hätten Expertise zu oder sogar Einfluss auf de-Wikipedia).

        Hab mich übrigens gerade an diesen Artikel erinnert, weil ich herzlich lachen musste, als ich in einem eifrei-Artikel (Link hier auffindbar: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:PS#September ) mal wieder die Warnungen vor der feministisch unterwanderten Linksfront-Wikipedia gelesen habe :)

  4. elnino sagt:

    Vielen Dank dafür! Ich hab hier grad sehr viel fürs Leben gelernt. Für mich war der Artikel ein „Augenöffner“. Sehr gut! Danke!

  5. ben_ sagt:

    Mal ganz davon abgesehen, dass ich von eine Enzyklopädie tatsächlich erwarte, nicht tagesaktuell zu sein und ihre Beiträge ruhig auch mit Verzögerung zu aktualisieren, dafür aber auf guten Gründen … davon also abgesehen sprichst Du ja in der Tat ein grundsätzliches Problem der Wikipedia (und im Grund jeden Versuches, Weltwissen zu objektivieren und zu formalisieren) an und nicht eines von Chelsea Manning: Selbst-ver-ständ-lich sind das ein politische Schlachtfelder! Vielleicht sogar das zweitwichtigste politische Schlachtfeld, nach der Dreieinigkeit von Legislative-Exekutive-Judikative. Es geht doch um nicht weniger als die Bedeutungshoheit in Wissensbereichen, die den Menschen nicht egal sind. Und selbst Wissenschaft scheint mir hier alles andere als ein idealer Ratgeber zu sein, bestegt doch der Wissenschaftsbetrieb selbst aus politischen Grabenkämpfen um die Deutungshoheit und in den Jahren, die ich dort verbracht habe, konnte ich nicht erkennen, dass es – in den Geistes- wie in den Naturwissenschaften – wenigsten die Hälfte der Zeit um die Überzeugungen der Menschen geht.

    Was ich eigentlich sagen will: Das wird nicht aufhören. Die Wikipedia wird selbstverständlich ein politisches Schlachtfeld bleiben, auf dem man manchmal gewinnt und manchmal verliert. Deswegen vertrete ich schon seit einer halben Ewigkeit zwei Positionen: Erstens muss die Wikipedia auf hören ihren pseudo-neutralen Anspruch vor sich herzutragen. Ein Projekt wie die Wikipedia mag danach streben, aber erreichen wird sie es nicht, kann es nicht. Und zweitens ist es wichtig, wichtig, wichtig, ja essentiell, die unterschiedlichen Positionen und Perspektiven auf Weltwissen auch getrennt darzustellen. Das Monopol der Wikipedia muss mit weiteren Enzyklopädien gebrochen werden, um der Realtiät da draußen auch nur irgendwie gerecht zu werden.

  6. ben_ sagt:

    Und: Dass ich meine Identität hier nur entweder über eine der anderen konzernalisierten Diskursfilterblasen oder als zwangs-anonymisierter Gast, ohne das Hinterlassen einer eigenen URL, ohne einen Verweis auf meine eigene Perspektive definieren kann, ist in dem Sinne vielleicht auch ein verbesserungwürdiger Zustand.

    Eine feste Burg sei unser Blog!

    http://anmutunddemut.de

  7. Pavel Richter sagt:

    Mir war das Thema vorher ziemlich unbekannt, und ich habe durch die tatsächlich streckenweise unterirdische Diskussion innerhalb der Wikipedia und durch viele Posts ausserhalb der Wikipedia viel Neues gelernt. Und ich würde Sue Gardner auf jeden Fall zustimmen, dass dies (erneut) ein Fall ist, wo Wikipedia akut nicht funktioniert hat.

    Aber was nun? Wie weiter? So berechtigt die Kritik an der Wikipedia in solchen Fällen ist, so bleibt die Frage im Raum: Was tun? Und die Antwort kann doch nur sein: Was tun! Nein, sicher nicht in die aktuelle Diskussion einsteigen, in der man als Newbie sehr schnell unter die Räder kommt und frustriert wieder geht.

    Aber darauf hoffen, das „die Wikipedia“ sich schon ändern wird, ist vergebens. Auf „die Wikipedia“ einzureden und sie aufzufordern, sich zu ändern, scheitert daran, dass es da eben nichts Zentrales gibt, keine offiziellen Entscheider, keine Institution, die etwas durchsetzen kann. Die Wikipedia besteht nicht aus „denen“, sie besteht aus uns.
    Nur stimmt das halt aktuell nicht, sie wird hauptsächlich von Männern geschrieben, von Weißen, von Akademikern, von 20-40 Jährigen (Achtung, starke Vereinfachung!). Die allermeisten dieser Menschen sind freundlich, tolerant, weltoffen und rundweg tolle Leute. Aber als Gruppe, die sich selbst organisiert, wäre es viel besser, es würden viel mehr Menschen mitmachen, die eben nicht zu dieser derzeitigen Wikipedia-Mehrheit gehören.

    Das würde sicher nicht dazu führen, dass keine Fehler und keine falschen Entscheidungen mehr gemacht würden. Aber es wären andere Fehler und andere falsche Entscheidungen, und sie würden auf besserer, weil breitere Grundlage passieren.

    Also, was kann man tun? Mitmachen, sich engagieren, kontinuierlich. EInfach anfangen, sich mit anderen Leuten austauschen, dranbleiben. Ja, das kostet Zeit und Nerven, das ist auch anstrengend; aber es ist die einzige Möglichkeit, dass sich etwas verändert. Und in der Wikipedia mitzumachen macht unglaublich viel Spaß, man trifft tolle Leute, man lernt unglaublich viel – und man macht tatsächlich die Welt ein klein wenig besser. Edit für Edit.

  8. […] wird man von „Chealsea Manning“ zur Seite „Bradley Manning weitergeleitet… Kleinerdrei pflückt das Gestreite auseinander (Triggerwarnung wg. transfeindlichen […]

  9. Tim sagt:

    “ In den USA zumindest gibt es nicht mal einen einheitlichen Personalausweis“

    Aber Manning war Soldat. Und diese haben Truppenausweise.

    Unabhängig davon sollte man ihren Wunsch respektieren.

  10. ruhepuls sagt:

    Der Trans*begriff dient vielen Menschen auch als Selbstbezeichnung, hier ist wohl immer auch individuell zu entscheiden, ob das Wort verwendet werden kann oder nicht.

    Da der Begriff Trans* auch im extra für Journalist_innen herausgegebenen Infoblatt vom TransInterQueer e.V. (der selbst das Wort Trans in seiner Bezeichnung hat) genutzt wird, halten wir die Verwendung im og. Kontext für durchaus in Ordnung.
    Aber selbstverständlich ist Chelsea Manning eine Frau.

    Hier der Einfachheit halber hier noch mal die Links, die Lucie bereits in ihrem Text erwähnt hatte:
    http://www.transinterqueer.org/
    http://www.transinterqueer.org/download/Publikationen/Trans*%20in%20den%20Medien.pdf