Und was guckst du so? – Zu Besuch beim PorYes-Award 2017

Foto , © , by PorYes Award

Welche Pornographie uns gefällt – darüber spricht man nicht. Oder doch? Die Frage danach, was die anderen sich gerne ansehen, könnten wir in Bezug auf Porn öfter stellen – auch den eigenen Kindern. Das findet Forscherin und Aktivistin Laura Méritt, Mitbegründerin der PorYes-Bewegung. Diese vergibt alle zwei Jahre einen Preis: Der PorYes-Award will darauf aufmerksam machen, dass es auch fair produzierten Porn gibt, der weibliches Begehren genauso wie ausdrücklichen Consent darstellt.

Über Sex reden ist ja ein bisschen wie Sex haben und deswegen finde ich das auch ziemlich aufregend. Entsprechend wuschig hat es mich gemacht, anlässlich der Vergabe des PorYes-Awards einen guten Teil des Wochenendes mit tollen Menschen zu verbringen, die feministischen Porn produzieren, promoten, schauen und sich darüber informieren.
Hier ist für euch eine kleine Berichterstattung.

Feministische Pornographie, was ist das?

Das kann vieles sein.

Im Laufe der PorYes-Preisverleihung habe ich verschiedene Positionen gesammelt, die zusammen spielen, sich gegenseitig ergänzen und von unterschiedlichen Protagonist*innen unterschiedlich stark betont werden:

Die zentralen Kennzeichen sind Diversity, Consent und Fairness. Für PorYes geht es darum, unterschiedliche Körper, Geschlechter, Identitäten, Vorlieben und Praktiken zu zeigen – ein viel größeres Spektrum von dem, was Sex sein kann, als in konventionellem Porn. Der Sex auf dem Bildschirm ist ausdrücklich einvernehmlich. Oft werden beispielsweise Interviews mit den Beteiligten angefügt, in denen deutlich wird, dass sie sich auch die Szenen ausgesucht haben, in denen sie etwa ausgepeitscht werden. Außerdem werden die Darsteller*innen fair bezahlt und können ihre Arbeitsbedingungen mitgestalten. Als Zuschauer*innen können wir sicher sein, dass die Beteiligten Arbeitsverträge haben und damit einverstanden sind, dass ihre Bilder und Filme gegen Bezahlung im Internet angesehen werden.

Es geht darum, Porn explizit für Frauen zu machen und zu zeigen, was sie interessiert. Speziell weibliche Lust soll gezeigt werden, denn um die geht es im Mainstream-Porn viel zu wenig.

Feministischer Porn hat einen Bildungsauftrag. Weil heute viel Aufklärung für Kinder und Jugendliche über den Konsum von Pornographie funktioniert, ist es vielen Produzent*innen wichtig, ein differenzierteres und realistischeres Bild von Sex wiederzugeben. Aber nicht nur Kinder sollen aufgeklärt werden, sondern auch Erwachsene. Hier geht es um eine emanzipatorische Unterstützung für Frauen, die sich in einer patriarchalen Kultur wenig mit dem eigenen Körper und der eigenen Lust auseinandergesetzt haben und um vielfältige Rollenvorbilder abseits der Stereotype für Menschen unterschiedlichen Geschlechts.

Feministischer Porn unterscheidet sich weniger in den Inhalten oder in der Ästhetik von Mainstream-Porn, sondern mehr in den Produktionsbedingungen. Wichtig ist, dass alle Beteiligten freiwillig ohne Zwang mitmachen und dass sie fair bezahlt werden. Performer*innen gestalten die Szenen oft inhaltlich mit und bringen eigene Fantasien ein, die sie gerne verfilmen möchten.

 

 

„paying for porn is feminist“ – Zitat von Chanelle Gallant, eine der Preisträgerinnen. Wenn wir wollen, dass die Performer*innen und andere Personen, die an der Produktion beteiligt sind, freiwillig arbeiten und fair bezahlt werden, ist eigentlich klar, dass der entstandene Film am Ende nicht kostenlos zu haben sein kann. Es ist wichtig, für fair produzierten Porn zu zahlen, genauso wie für fair produzierten Kaffee.

 

 

Mein Eindruck war, dass so ein vielfältiges Spektrum dessen, was feministische Pornographie sein kann, auch in der Preisverleihung von PorYes wiedergegeben werden sollte. So ganz klar wurden die Vergabekriterien in der Veranstaltung aber nicht. Auf der Webseite von PorYes ist zwar eine Jury zu finden (5 weiße Frauen aus der Generation der zweiten Welle der Frauenbewegung), sichtbar war allerdings vor allem Laura Méritt, die den Abend prominent gestaltete, unterstützt von der charmanten Journalistin und Comedienne Janina Rook als Co-Moderatorin.

Die Preise gingen an:

  • Sky Deep, die hauptsächlich als Musikerin arbeitet und einen Vampir-Pornofilm als Hobby-Projekt mit Freund*innen gedreht hat.
  • Dorrie Lane, die in den 90ern Frauen bei der Umsetzung ihrer Selbstbefriedigungs-Fantasien gefilmt hat und damit für einen hitzigen politischen Diskurs gesorgt hat.
  • Ms Naughty, die Porn für zunächst heterosexuelle Frauen auf ihrer Webseite sammelte und seit 2008 selbst vielfältige Filme produziert, in denen auch queere Identitäten und Begehren dargestellt werden.
  • Bishop Black als genderfluider Performer in ganz diversen Rollen und Kontexten.
  • Chanelle Gallant, die den Feminist Porn Award in Toronto initiiert hat und sich für Sex Worker einsetzt.
  • María Llopis für ihre Workshops zu Feminismus und weiblicher Sexualität.

Vor der Übergabe des Preises in Form einer gläsernen Auster wurden jeweils Clips zu den prämierten Personen bzw. Ausschnitte aus deren Filmen gezeigt. Ein rares Vergnügen, in einem vollen, schicken Theatersaal ejakulierende Vulven in Nahaufnahme, Spanking-Szenen, Bishop Black sehr offen und verletzlich in verschiedensten Gender-Expressionen mit ganz unterschiedlichen Partner*innen, queere BDSM-Vampire, sexy Kuchenschlachten und Pegging-Videos anzusehen. Ein wirklich interessantes Erlebnis, denn Porn sehe ich mir sonst selten mit so vielen fremden Menschen und sowieso nur in ganz bestimmten Situationen an.

Der “sowas-hab-ich-noch-nie-gesehen”-Moment

Ich schaue mir durchaus alternativen, insbesondere queeren Porn an. Wie sehr ich aber trotzdem auf eine bestimmte Ästhetik trainiert bin, haben mir insbesondere die beim Award gezeigten Videos von Ms Naughty und Dorrie Lane deutlich gemacht. Hier waren Körper zu sehen, die so unterschiedlich waren, wie Körper das eben sind. Aber nicht nur das, man sieht auch eine Menge Dinge, die man sonst beim Sex eben auch sieht, im Mainstream-Porn oder im sonstigen Film und Fernsehen aber eher nicht: Körperbehaarung, Verhütungsmittel, verzerrte Gesichter, rote Flecken am Hals, Dehnungsstreifen und Abdrücke von Kleidung auf der Haut. Außerdem viele Nahaufnahmen von vielen Vulven, die allesamt nicht wie Brötchen aussehen. Dinge, die ganz selbstverständlich zu Körpern dazu gehören, aber in der filmischen Darstellung mit Vorliebe ausgeblendet werden.

Obwohl sie also ganz natürlich sind, können solche Bilder überfordern.

Einerseits ist es so, dass es nicht unbedingt immer schön ist, Porn zu schauen, zum Beispiel, wenn man grade gar keine Lust auf Sex hat oder die gezeigten Vorlieben nicht teilt. Andererseits war im Laufe der Veranstaltung davon die Rede, dass insbesondere Frauen solche Bilder schwer ertragen – möglicherweise, weil sie mit sehr hohen Ansprüchen an einen “perfekten” Körper aufwachsen und gleichzeitig mit wenigen Darstellungen von weiblicher Lust. Dorrie Lane berichtete aber aus ihrer Arbeit auch davon, dass der anfänglich überfordernde Moment zu vielen neuen Gedanken und Erfahrungen geführt hat, und er im Nachhinein als befreiend erlebt wird.

Pornographie mit Bildungsauftrag

Im Anschluss an die Preisverleihung habe ich eine Podiumsdiskussion mit dem Titel “Brauchen wir Feministische Pornografie und hat sie sogar einen Bildungsauftrag?” besucht, an der Laura Méritt, Ms Naughty, Dorrie Lane, Prof. Ula Stöckl (feministische Filmemacherin seit den 60er Jahren) und Dr. Corinna Rückert (Kulturwissenschaftlerin mit Promotion über Pornographie von Frauen für Frauen) teilnahmen. Janina Rook war auch wieder dabei, diesmal als Übersetzerin.

Der Titel der Diskussion täuschte insofern, dass sich alle Diskutantinnen einig waren, dass feministische Pornographie wichtig ist einen Bildungsauftrag hat und eher darüber diskutiert wurde, wie dieser Auftrag aussieht. Da Jugendliche einen größeren Teil ihres Wissens über Sex aus Porn beziehen, war es den Diskutantinnen wichtig, dass hier Material verfügbar ist, das realistischen Sex zeigt – eben inklusive Konsens, Diversität, Verhütung und Ausdruck von echter Lust.

Wie sie jedoch an dieses Material kommen sollen, war dann wieder unklar. Denn Minderjährigen Pornographie zur Verfügung zu stellen ist strafbar. Laura Méritt schlägt vor, Kinder offen darauf anzusprechen, welchen Porn sie denn so konsumieren und diesen dann zu diskutieren – was das neben mir sitzende Elter sehr skeptisch sah.

Aber nicht nur für Jugendliche soll der Bildungsauftrag gelten – insbesondere erwachsene Frauen, die sich bisher wenig mit ihrer eigenen Lust auseinandergesetzt haben, sollen durch feministische Pornographie empowert werden. “We need to see ourselves” sagt Dorrie Lane dazu: Sie will noch vielen Menschen zu befreienden “sowas-hab-ich-noch-nie-gesehen”-Momenten verhelfen. Denn wie in anderen Bereichen auch, ist es wichtig und hilfreich, auf dem Bildschirm positive Vorbilder zu haben

auch für selbstbestimmten Sex, bei dem es nicht darum geht, möglichst glatt und gefällig auszusehen, sondern Lust zu empfinden und zu genießen, gegebenenfalls gemeinsam mit anderen.

Das Panel war wie die Jury des PorYes-Awards leider nicht sehr divers und auch nicht gut moderiert – Laura Méritt wollte lieber mitreden statt auch mal Fragen zu stellen, zu denen es vielleicht auseinandergehende Positionen geben könnte. Etwas befremdlich war der Moment, als die Diskutantinnen anfingen darüber zu spekulieren, wie es jungen Frauen heute in Bezug auf Körperbilder geht, statt mal eine der anwesenden jungen Frauen zu fragen.

Besonders spannend war es hingegen, über die Erfahrungen von Ms Naughty zu hören, die seit einigen Jahren in mehreren Ländern Filme dreht. Sie kommt eigentlich aus Australien, kann dort wegen der strengen Regulierung aber nicht gut arbeiten und kämpft gegen Zensierung auf Social Media Plattformen und Raubkopien auf großen Porn-Plattformen an. Gleichzeitig spricht sie wirklich mit Begeisterung darüber, wie wichtig es ihr ist, Leute so wie sie sind zu zeigen, beim Sex, der ihnen Spaß macht.

Und ich?

Für mich hat der PorYes-Award durch den Kontakt zu einigen Akteur*innen den Genuss ihrer Werke noch erhöht. Wenn ich nicht weiß, unter welchen Bedingungen die intimen Bilder, die ich anschaue, entstanden sind, macht mir auch das Anschauen weniger Spaß. Es bleibt oft ein Unbehagen. Hier aber konnte ich persönlich erleben, wie herzlich die verschiedenen Beteiligten miteinander umgehen und wie wichtig ihnen ihre Arbeit für bessere Alternativen ist – und dass sie sich auch freuen, wenn mir ihre Filme gefallen!

Es gab an dem Wochenende mehrere schöne Fangirl-Momente mit den anwesenden Performer*innen und neue Begeisterung für Akteur*innen, die ich noch nicht kannte. Ich bin nach Hause gegangen mit vielen Eindrücken von ganz tollen Menschen, ein paar persönlichen Ratschlägen von Dorrie Lane, vielen Fragen und Neugier auf mehr. Ich habe mir vorgenommen, mich mit Freund*innen mehr über die Pornographie auszutauschen, die wir konsumieren, und auch gleich damit angefangen – bisher bin ich auf ausschließlich positive Reaktionen gestoßen.

Am Verkaufsstand ist mir dann noch eine DVD zugelaufen, in der eine Person mitspielt, die ich mal auf einer Party kennengelernt hatte und sehr toll fand. Dass sie auch performt, wusste ich allerdings nicht. Ihr Film gefällt mir genauso gut wie sie selbst :)

Falls ihr nun auch auf feministische Pornographie neugierig seid: Hier sind einige Links gesammelt, bei denen ihr euch umgucken könnt. Viel Spaß! :)

2 Antworten zu “Und was guckst du so? – Zu Besuch beim PorYes-Award 2017”

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