Die Macht der Norm – Wie es ist, noch keinen Sex gehabt zu haben

Foto , CC BY-NC 2.0 , by Johannes Ortner

“In mir existiert eine Unsicherheit, weil ich gerne Sex hätte und ich bin neugierig. Ich fühle mich fremd, wenn es in Gesprächen um Sex geht.”    – Mincent

“Ich denke nicht, etwas Elementares zu verpassen, aber dann wiederum ist es sehr frustrierend, ständig implizit oder explizit zu erfahren, dass es eben so sei: dass ich eben doch etwas verpassen würde. Das bedeutet, dass ich selten „offenbare“, dass ich keinen Sex hatte und es auch weiterhin nicht vorhabe. Wohl auch aus Selbstschutz, weil ich mich nicht erklären will, und Argumente für etwas finden müsste, für das ich eigentlich keine Argumente brauche.“    – Weasley

“Ich finde es ganz furchtbar so unbegehrt und ungewollt zu sein.” – ohne Namen

“Was ich gerne hätte? Jemanden, der an meiner Seite ist. Der mich akzeptiert und mir zuhört. Der für mich da ist wenn ich ihn brauche. Und ja, mit dem ich mich auch sexuell ausleben kann und man zusammen dabei Spaß hat. Sex gehört für mich zwar dazu, allerdings ist mir der Mensch immer wichtiger.” – Mr Sempra

“Je länger ich noch keinen Sex hatte, desto schwerer fällt es mir, mit jemandem darüber zu reden. Tatsächlich spreche ich mit niemandem darüber.”    – Marko

“Sex ist überall, im Fernsehen, in Gesprächen, in Texten. Und ich kann nicht mitreden. Ich frage mich oft, wann oder ob es nochmal passieren wird. Nächstes Jahr werde ich 30 und die Vorstellung dann noch Jungfrau zu sein, ist ein sehr schlimmer Gedanke für mich. Ich komme mir vor, wie eine Versagerin.” – Ly

“Mir ist bewusst, dass ich ein vielschichtiger Mensch bin, der nicht auf seine sexuelle Erfahrung reduziert ist.”    – Elviana

“Leute sollen endlich aufhören Sex als etwas zu betrachten, was jeder mag und supertoll findet. Das nervt ähnlich krass wie Fußballfans mit ähnlicher Einstellung zum Fußball.” – Laura

“Spoiler Alarm: Sex ist _nicht_ überlebenswichtig. Wirklich nicht. Ganz sicher.”    – chaoticMind

Sex ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Aber das heißt nicht, dass auch alle erwachsenen Menschen Sex haben, bereits Sex hatten, oder das überhaupt möchten. Das Thema “kein Sex” hat mich aus vielen Gründen interessiert: Weil ich selbst zumindest die Erfahrung von Penetrationssex erst relativ spät gemacht habe, weil ich Freund_innen habe, die noch nie Sex hatten und mit denen ich häufig darüber spreche – schließlich auch, weil die Erfahrung davon, keinen Sex zu haben, für mich zum über Sex reden dazu gehört.

Um mehr darüber zu erfahren, und gleichzeitig die Leute, die es betrifft, selbst zu Wort kommen zu lassen, habe ich eine Umfrage dazu gemacht, wie es ist, (noch) keinen Sex zu haben. (Hier findet ihr den ersten Teil: „Bist du Jungfrau? Wie es ist, (noch) keinen Sex gehabt zu haben (Teil 1)“) Ich habe sie ausschließlich über meinen Twitter-Account verbreitet und hatte trotzdem innerhalb von zwei Tagen 30 Antworten, innerhalb von zwei Wochen über 50. Viele haben ausgedrückt, dass sie sich freuen, dazu befragt zu werden. Es scheint also ein drängendes Thema zu sein – let’s talk about not having sex!

Wer hat mitgemacht?

Wie bei Forschungsberichten üblich, möchte ich mir einer knappen Stichprobenbeschreibung anfangen, damit ihr euch vorstellen könnt, über wen ihr hier eigentlich lest.

An der Umfrage haben insgesamt 53 Personen teilgenommen.

  • 29 von ihnen sind weiblich, 15 männlich, 9 gehören zum nicht-binären Spektrum.
  • Das Alter der Teilnehmenden liegt zwischen 17 und 45 Jahren bei einem Durchschnitt von 24.
  • 29 der Teilnehmenden sind heterosexuell, 10 sind bi- oder pansexuell, 8 sind asexuell und 3 sind lesbisch. 3 haben keine sexuelle Orientierung angegeben oder sind (noch) unsicher.
  • Die Namen hinter den Zitaten sind Pseudonyme, die sich die Befragten selbst ausgesucht haben, also nicht die Pass-Namen der Teilnehmenden.

In einem ersten Bericht zu dieser Umfrage habe ich mich damit beschäftigt, was Jungfräulichkeit alles (nicht) ist und welche Gründe es gibt, noch keinen Sex gehabt zu haben. Im zweiten Teil soll es heute darum gehen, wie es Leuten mit ihrer Jungfräulichkeit geht.

Von “schrecklich” bis “egal”

Wie fühlt man sich als erwachsener Mensch, der noch nie Sex hatte? In der Umfrage finden sich viele unterschiedliche Positionen. Manchen ist Sex egal und entsprechend unwichtig ist für sie die Tatsache, noch nie Sex gehabt zu haben. Doch auch asexuelle Menschen berichten von dem Druck, Sex gehabt zu haben und von dem Gefühl, etwas verpasst oder nicht erreicht zu haben.

Bei manchen Menschen, die gerne Sex hätten, lässt sich aber auch ein großer Leidensdruck spüren. Sie wünschen sich sexuelle Erfahrungen und sind dabei unsicher, ob sie diese (jemals?) machen können, da es sich bisher nicht ergeben hat.

Keinen Sex gehabt zu haben, wird als “Makel” empfunden, als etwas, das Einsamkeit deutlich macht. Teilweise wird es als Ablehnung der eigenen Person gelesen: Es besteht die Befürchtung, nicht liebens- oder begehrenswert zu sein.

“Es ist inzwischen eine starke, psychische Belastung. […] Ich denke inzwischen ständig daran und fühle mich als „Freak“, noch keinen Sex gehabt zu haben.” – ohne Namen

“Es ist schrecklich. Ich habe das Gefühl, dass mir eine grundlegende menschliche Erfahrung fehlt und ich deshalb nicht ganz sein kann. Es bedeutet auch, dass ich mich im Vergleich zu Gleichaltrigen immer jünger und unerfahren fühle. Ich habe Sorge, dass jemand Verdacht schöpfen könnte, dass ich noch nie Sex hatte, denn es wäre mir sehr unangenehm, wenn die Leute das wüssten. Wahrscheinlich würden sie mich dann anders sehen.”    – Ly

“Es ist auf eine Art und Weise belastend und bedrückend. […] Es ist doch eine absurde Sehnsucht von mir. Die Frage ob ich als Jungfrau sterbe steht doch öfter im Raum als das es mir lieb wäre” – Benks A.

Gesellschaftliche Normen werden an den Stellen am deutlichsten, wo gegen sie verstoßen wird. Hier sehen wir eine Norm sehr deutlich: Es ist nicht vorgesehen, dass Menschen im Erwachsenenalter noch ohne Sex durchs Leben gegangen sind. Es gibt eine Art Sex-Norm und diejenigen, die sie nicht erfüllen, spüren das teilweise schmerzhaft. Insbesondere, wenn sie sich eigentlich sexuelle Kontakte wünschen würden, geraten sie in einen Konflikt: Denn wenn es normal und gleichzeitig auch noch persönlich erwünscht ist, sexuelle Erfahrungen zu haben, drängt sich die Vermutung auf, dass die Betroffenen etwas “falsch” machen würden, wenn sie selbst noch wenige oder keine sexuellen Erfahrungen haben.

Statistisch normal ist hingegen, dass Menschen Erfahrungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten machen. Es mag ein typisches Alter geben, in dem die meisten sexuelle Erfahrungen gemacht haben, aber eben nicht alle. So wie Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem Leben kochen oder schwimmen lernen, Kinder zeugen oder mit dem Tod konfrontiert werden. Anders als beim schwimmen oder kochen lernen ist es aber wenigstens nicht lebensgefährlich, keine oder wenig sexuelle Erfahrung zu haben. Und anders als beim Kinder zeugen gibt es für das Sammeln sexueller Erfahrungen keine “biologische Uhr”, kein Alter, in dem es körperlich unmöglich wird.

Statistisch gesehen ist die Norm eine Kurve, auf der die verschiedenen Messwerte liegen. Bei natürlich vorkommenden Phänomenen ergibt sich etwas, was Normalverteilung genannt wird. Normal sind damit alle Punkte auf der Verteilung, auch wenn sie nicht alle typisch sind. Nicht normal im Sinne der Statistik wäre hingegen, wenn es keine Varianz gibt, also alle zum gleichen Zeitpunkt zum ersten Mal Sex hätten, pünktlich zum 18. Geburtstag zum Beispiel. Doch wenn die Verteilung als soziale Norm interpretiert wird, bekommen die weniger typischen Punkte eine Wertung zugeschrieben. So wie Menschen bewertet und häufig diskriminiert werden, wenn sie relativ früh oder relativ spät Kinder zeugen, suggerieren wir als Gesellschaft Menschen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, wenn sie in einem bestimmten Alter noch keinen Sex hatten. Die Norm schadet ihnen damit.

In Wirklichkeit wünschen sich gar nicht alle Menschen Sex, auch nicht alle befragten. Dass das gesagt werden muss, ist eigentlich ein bisschen seltsam, warum sollten das alle wollen? Es mögen ja auch nicht alle Menschen Eis oder Blumen oder Harry Potter, auch wenn das für mich als Potterhead schlecht vorstellbar ist. Und schließlich kann man auch ohne Eis oder ohne Sex ein gutes Leben führen. Doch die Sex-Norm führt zu der sehr weit verbreiteten Vorstellung, dass Sex zu einem erfüllten Leben zwangsläufig dazu gehören muss. Asexualität ist vielen Menschen gar nicht bekannt.

Die Vorstellung, dass alle Sex wollen müssten, verleitet auch zu der Annahme, dass erwachsene Menschen darunter leiden müssten, wenn sie noch keinen Sex hatten. Auch das ist nicht immer so. Obwohl ich deutlich das Leid mancher der Befragten sehe, habe den Eindruck, diese Tatsache betonen zu müssen, um den Eindruck zu korrigieren, den wir sonst oft in Artikeln zum Thema Jungfräulichkeit vermittelt bekommen. Die folgenden Aussagen aus der Umfrage stammen von Menschen, die grundsätzlich gerne Sex hätten:

“Es ist einfach so und stört mich im Alltag wenig.” – Sonja

“Es ist, als ob man eine fremde Sprache (noch) nicht spricht. Nichts dramatisches aber man kann halt nicht immer „mitreden“  – Janine

“Manchmal denke ich schon, dass es schön wäre die Erfahrungen zu haben oder jemanden, mit dem man sie regelmäßig sammeln kann, aber ansonsten ist es mir eigentlich recht egal.” – Mr Sempra

“Auf der einen Seite finde ich es vollkommen okay in der Hinsicht, dass ich mich bei niemandem bisher sicher gefühlt habe. Andererseits fühle ich mich viel zu spät dran, habe das Gefühl prüde zu sein oder fühle mich als würde ich ein Geheimnis mit mir rumtragen, weil es ja nicht okay wäre mit 21 noch Jungfrau zu sein.” – Enigami  

Aber drüber reden – nein danke.

Man könnte denken, dass es vielleicht hilft, über das Thema zu sprechen, damit es sich weniger schwer oder schwierig anfühlt. Auf einer abstrakten Ebene stimmt das sicherlich auch, deswegen schreibe ich ja diesen Artikel. Für die einzelnen Menschen, um die es hier geht, ist das anders. Fast alle möchten in ihrem Alltag nicht darüber reden, dass sie noch nie Sex hatten. Sie haben oft negative Erfahrungen damit gemacht. Auch hier zeigt sich die Sex-Norm sehr deutlich: Man muss mit negativen Reaktionen rechnen, wenn man zugibt, dagegen zu verstoßen.

Das ist als Ergebnis dieser kleiner Studie eines der deutlichsten: Während sich die Befragten in allen anderen Fragen deutlich unterscheiden und alles andere als eine homogene Gruppe darstellen – hier herrscht große Einigkeit: drüber reden, nein danke.

“In dieser Gesellschaft ist es ein Tabuthema und ich kann da nicht gut drüber reden. Meistens hoffe ich, dass das Thema nicht aufkommt.”    – anna

“Habe mich mal vor Kommilitoninnen geoutet, aber mir war deren Reaktion unangenehm.” PikAs

“ Meine Familie, die weiß, dass ich keine Beziehung hatte thematisiert das oft. Meine Schwester zieht mich gerne damit auf, mein Vater gibt mir Ratschläge, wie ich es angehen soll. Das nervt mich.”  – Katharina

“Vor allem wenn Freunde sich darüber lustig machen. Oder ihr Sexleben thematisiert wird. Dann fühlt man sich immer so, als würde man was verpassen, als würde was an einem nicht stimmen. Als sei was falsch mit einem. Ich finde es unangenehm darüber zu reden. Also nicht über Sex allgemein, sondern darüber dass man selbst keinen hatte.”  – ohne Namen

“Unter Freunden kommt das Thema manchmal auf und dann fühle ich mich doch ein wenig ausgeschlossen, weil man dann doch eine der Ausnahmen ist, wenn man noch keinen Freund oder Sex hatte. Ich werde zwar deswegen nicht seltsam angeschaut, aber wenn alle sich darüber unterhalten und man selbst nur neben dran sitzen und zuhören kann, fühlt man sich doch verunsichert und fragt sich, ob man vielleicht zu spät dran ist.”  – Natoli

“Bei sexuellen Anspielungen und Witzen von anderen werde ich zurückhaltend. Ich wundere mich auch oft, wie leicht anderen die Sexualität fällt und wie selbstverständlich es für sie ist.” – Walter Kaminski

“[Es spielt] eine größere [Rolle], als mir lieb ist. Beim Gesprächen über Sex, bzw. Bettgeschichten mit Freunden bin ich offensichtlich etwas außen vor. Ich rede auch nicht gerne darüber, dass ich noch keinen Sex hatte.” – Alexej

“Oft kommt das Thema mit Freunden auf und ich möchte mich aus dem Gespräch zurückziehen, da es mir unangenehm ist nicht mitreden zu können.” – drunkvirgin

“Ich finde es unglaublich irritierend, dass Sexualität in jeglichen Medien omnipräsent ist, da ich das Konzept einfach nicht verstehe oder nachvollziehen kann. Das bedauere ich manchmal, da es gefühlt für  jeden anderen Menschen eine der wichtigsten Komponenten des Lebens darstellt.” – Em

“Wenn ich mich mit Freunden treffe wird viel über Sex geredet. Ich muss dann lügen oder möglichst schnell hoffen, dass das Thema gewechselt wird, da ich nur ungerne meine Jungfräulichkeit bei nem gemütlichen Vorglühen als Thema haben möchte. Wenn jemand „Ich hab noch nie“ als Spiel vorschlägt, setzt die blanke Panik ein. Ich versuche es zu verschweigen, weiß aber gleichzeitig, dass viele gegenüber sich wohl fragen „ist sie noch Jungfrau oder nicht?“, und das lähmt bzw. beeinflusst mich dann auch sehr.” – Jule

“Es kommt nie auf. Ich unterdrücke [das Thema in Gesprächen] und halte mich wenn möglich raus.” – chaoticMind

Dabei ist es egal, ob die Leute gerne Sex haben möchten, ob sie ihre Situation stört oder nicht: Fast allen ist es unangenehm, zuzugeben und darüber zu reden, dass sie sexuell wenig erfahren sind bzw. bestimmte Erfahrungen noch nicht gemacht haben. Keinen Sex gehabt zu haben, wird als Tabu empfunden, etwas, das undenkbar und unsagbar ist.

Einige berichten auch von unangenehmen Erfahrungen wie Katharina und eine Person ohne Namen: von unerbetenen und nicht hilfreichen Ratschlägen und davon, aufgezogen zu werden.

Viele fühlen sich dann ausgeschlossen und empfinden Scham wie Jule, oder es geht ihnen wie Em und sie empfinden es als trennend, dass so vielen anderen Menschen das Thema so wichtig ist, während sie selbst das nicht verstehen. Manche sind auch einfach genervt davon, dass Sex ständig thematisiert wird, weil sie weder auf die Sache noch auf das Thema Lust haben.

Aber selbst wenn Menschen sich als asexuell bezeichnen und/oder mit ihrer Situation an sich zufrieden sind, mögen fast alle nicht darüber sprechen, dass sie noch nie Sex hatten.

Dabei drängt sich der Schluss auf: Vielleicht ist es gar kein Problem, keinen Sex zu haben. Damit geht es den Leuten jedenfalls unterschiedlich. Vielleicht ist das größere Problem wie die wir mit denen umgehen, die noch keinen Sex hatten. Das Problem ist, dass wir Menschen mit weniger sexueller Erfahrung ausgrenzen, wenn das Thema zur Sprache kommt. Dass es sie verletzlich macht, wenn sie über ihre Situation zu sprechen.

Vielleicht liegt das Problem also mehr darin, wie wir als Gesellschaft über Sex reden und welche Normen und Erwartungen daran geknüpft werden.

Freie Sexualität gibt es nur,
wenn es eine vollwertige Option ist,
keinen Sex zu haben

Es gibt, das ist bisher sehr deutlich geworden, für Menschen in unserer Gesellschaft einen gewissen Druck, Sex zu haben, der sich aus der Sex-Norm ergibt. Das führt dazu, dass wir nicht ganz frei entscheiden können, ob wir gerade Sex haben möchten oder nicht.

Ich selbst habe den Druck auch wahrgenommen. Gar nicht unbedingt (nur) als Druck von außen, auch als Druck meiner eigenen Erwartung an mich selbst. Mein Selbstbild war das von einer Person, die viel Sex hat. Ich habe mich slutty im besten Sinne gefühlt, dabei hatte ich den offiziell so definierten Penis-in-Vagina-Sex noch nicht. Und auch nach dem “ersten Mal” lange immer noch wenig Erfahrung damit. Leider hat das ab und zu dazu geführt, dass ich mich in sexuelle Situationen gebracht habe, in denen ich eigentlich lieber nicht sein wollte oder die mir nicht gut getan haben.

Viele der Antworten, die ich in der Umfrage bekommen habe, haben mir Hoffnung gegeben und mich gleichzeitig ein bisschen beschämt. Denn ich lese in den Entscheidungen (noch) nicht zu machen, was anscheinend von allen erwartet wird, einen sehr guten Umgang mit sich selbst. Gegen einen Widerstand, mit Zweifeln verbunden, aber dennoch: auf die eigenen Bedürfnisse acht gebend und die eigenen Grenzen wahrend:

“Früher wollte ich keinen Sex ohne Liebe. Und die Liebe kam nie. Und jetzt ergibt sich das einfach nicht mehr, Sex einfach nur so. Und ich glaube auch, das wäre nicht gut für mich. Zumindest wüsste ich niemanden, dem ich vertraue und den ich mag, mit dem ich gerne Sex hätte.”  (Ly)

“letztlich ist es so bestimmt besser, als wenn ich schlechte Erfahrungen mit einer mich nicht wertschätzenden Person gemacht hätte, so wie es auch denkbar wäre.”  – Elviana

“Früher (manchmal auch heute noch) habe ich mir die Fernbedienung so vor die Augen gehalten, das sie Küsse zensiert. So ähnlich mache ich das immer noch wenn ich unter Menschen bin, die intimer werden. Ich schaue weg und versuche auszublenden was da passiert, wobei ich ziemlich oft auch zusehen und verstehen will was in den Köpfen der Menschen abläuft.” chaoticMind

“meistens fühlt es sich gut an, weil ich nicht etwas gemacht habe was ich noch nicht machen wollte/wofür ich noch nicht bereit war.” – Emery

“Ich weiß, wenn ich wollen würde, könnte ich mir beim Feiern jemanden mit nach Hause nehmen und es ‚hinter mich bringen‘. Aber all diese Jahre warten, nur um es dann mit jemand (vermutlich) Fremden zu machen?! “ Jule

Und, eines meiner Lieblingszitate: “(…) trotzdem sollte halt klar sein, dass es nicht für alle ein einfaches Thema ist (aus verschiedensten Gründen). Das gehört für mich auch zur Sexpositivität dazu.” (anna)

Ja! Genau! Sexpositivität schließt ein, dass wir uns der Verletzlichkeit und der Verantwortung, die mit dem Thema Sex einhergehen, genauso bewusst sind, wie der Leidenschaft.

Denn eine freie Entscheidung gibt es nur, wenn es tatsächlich genauso gut möglich ist, es nicht zu machen. Wenn das Nein eine vollwertige Alternative ist, egal ob es sich auf den Moment bezieht oder ob es ein grundsätzliches Nein ist.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die an der Umfrage teilgenommen haben und ihre Erfahrungen und Gedanken geteilt haben. Zum Schluss möchte ich euch die gesammelten Ratschläge (teilweise gekürzt, aber nicht redigiert) weitergeben, die die Teilnehmenden anderen geben, die auch noch keinen Sex hatten:

Eine Antwort zu “Die Macht der Norm – Wie es ist, noch keinen Sex gehabt zu haben”