Podcasts: Von Ohr zu Ohr durchs Herz

Foto , CC BY 2.0 , by Paul Hudson

Wusstet ihr schon, dass wir eine neue Podcast-Unterseite haben? Für eine Übersicht aller kleinercast-Folgen, die wir bisher gemacht haben, bitte hier lang.

Was Radiosendungen und Podcasts so schön macht, davon schwärmte Map schon vor über drei Jahren. Jetzt, Mitte 2016 gibt es einen richtigen Podcastboom, ausgelöst spätestens durch den durchschlagenden Erfolg von Serial. (Und die Erkenntnis, dass sich mit gut gemachten Podcasts durchaus Geld verdienen lässt.) Ich erinnere mich, vor 11 Jahren, als ich noch beim Schülerradio [sic] in ein Mikro sprach, waren Podcasts in Deutschland the New Shit. Doch bei diesen Podcasts und darum, was an ihnen toll war, ging es gefühlt weniger um Inhalt, eher um die neue Distributionsform. Also, sich zuhause am Computer Radiosendungen herunter zu laden und sie dann dort zu hören. Die einzige Schülerradiosendung, die ich aus dieser Zeit noch habe, ist übrigens auf Audiokassette aufgenommen.

Jetzt, mit Smartphones und Tablets, die nicht nur viel mehr Speicherplatz haben und möglich machen, Sendungen auch unterwegs zu hören, und mit Apps, die bereits gehörte Folgen selbstständig löschen, ist alles einfacher und komfortabler. Davon, Podcasts auch unterwegs zu hören schrieb Hakan kurz nach Map hier, und schob seine Empfehlungen hinterher.

Kopfhörerin

Ein Jahr und und ein paar Monate nach Hakans Text, bekam ich ein neues digitales Gerät geschenkt, mit passender Podcast-App inklusive. Seitdem ist mein Leben so viel nicer. Ich höre ständig Podcasts. Und das Gute ist, dass ich dabei eine Menge anderes nebenher machen kann. Ich kann Podcasts hören und aufräumen. Ich kann Podcasts hören und kochen. Ich kann Podcasts hören, während ich von A nach B komme. Ich kann Podcasts hören und stricken, während ich auf einen Zug warte, der mich von A nach B bringt. Ich höre Podcasts in Situationen, wo ich mich früher langweilte und fühle mich jetzt super produktiv dabei. Und das finde ich ganz schön befriedigend.

Okay, okay, ich seh auch, dass es auch, dass es Nachteile hat, sich rumsitzend nicht einfach gönnen zu können, außer man verscrollt die Zeit aus Versehen, mit einem schlechten Gewissen. Ich sehe, dass das auch was mit Neoliberalismus zu tun hat, jede Minute super effizient nutzen zu wollen, aber hey, ich räume plötzlich gerne auf. Wenn das mein Teenage-Me wüsste! Und hätte ich ein Jahr früher angefangen Podcasts zu hören, wie fantastisch und gechillt wäre Stillen gewesen.

Gut, der Mehrwert ist ist fraglich, so sehr kann ich eh nicht verwerten, was ich höre: Podcasts, die allein informativ sind, bringen mir oft nichts. Wärend ich mir bei Büchern genau merken kann, wie die Seite aussah, auf der ich eine bestimmte Information fand, gehen die Informationen bei Podcasts bei mir meistens zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Aber wenn sie gut gemacht sind, mit sympathischen Hosts, und Geschichten dabei erzählen, dann gehen sie auf dem Weg von Ohr zu Ohr mitten durchs Herz.

Aber was höre ich da eigentlich? Fast alle Podcasts in meinem Feed sind feminist-friendly, sind aware und empathisch in Sachen strukturelle Ungerechtigkeit. Nicht alle sind explizit feministisch, aber alle, die ich hier empfehle, haben einen feministischem Vibe, viele mit einem intersektionalen Blick, sind dabei unterhaltsam und gehen ins Herz. Und ich will sie euch ans Herz legen, von Ohr zu Ohr.

Let’s get information

Angefangen habe ich damals, über die Hinweise von Hakan, mit Stuff Mom Never Told You und Stuff You Missed in History Class von der Seite How Stuff Works.

Die beiden Podcasts sind informativ und fundiert, die Hosts (Cristen Conger & Caroline Ervin für Stuff Mom Never Told You und Tracy V. Wilson & Holly Frey für Stuff You Missed in History Class) haben zu den Themen, über die sie sprechen, nicht nur eine Meinung, die auf Hören und Sagen beruht, sie benennen ihre Quellen und geben einen guten Überblick über Kontext und Geschichte. Vor allem SYMIC zitiert regelmäßig aus wissenschaftlichen Journals, und das mit großer Leichtigkeit. Das hat den Vorteil, dass ich, wenn ich mir was merken will, es auch easy peasy nachlesen könnte.

Freundinnengespräche

Was ich mittlerweile nicht mehr so leicht wegschnabuliere sind so genannte “Laberpodcasts”, vor allem, weil mein Feed so voll ist. Eher snacke ich kurze Episoden zwischendurch weg. Die große Ausnahme ist, wenn ich die Sprechenden ins Herz geschlossen habe und ihre Gäste oder Themen spannend finde.

Ein Podcast, den ich schon am Browser des Desktop-PCs regelmäßig hörte, ist Distelflieges Urbane Spinnstube, die Handarbeitsthemen mit Fragen von Gesellschaftskritik und aktivistischen Themen verwebt und eh one of my favorite internet people ist.

Tolle Gesellschaft ist auch Black Girls Talking, ein meist einstündiges Gespräch unter den Freundinnen Alesia, Fatima, Aurelia, Ramou. (Dass hier, im Vergleich zu anderen Podcasts nur die Vornamen stehen ist nicht Nachlässigkeit, sondern der Angabe auf der Internetseite von BGT geschuldet) Die vier lachen und reden miteinander oder mit Gästen, wie z.B. Janet Mock, über alles Mögliche zu Popkultur und Representation.

In eine ähnliche Kategorie gehört natürlich auch Call Your Girlfriend, das ich zu den Kleinerdrei-Weihnachtsferien bereits empfahl. “A Podcast for long distance besties everywhere” ist die Selbstbeschreibung, der Podcast selbst verdient das Prädikat BFF.

Body Politics

Zu den großen Überthemen sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung gibt es auch was auf die Ohren. CHOICE/LESS ist ein neuer Podcast von Rewire zu reproduktiven Rechten, der aktuell Interview-Geschichten zu Stigma und Restriktionen bei Abtreibungen in den USA erzählt.

The Heart (früher: AudioSmut) ist vor allem ein Podcast vor über Intimität. Sehr kunstvoll und in eher kurzen Episoden decken Mitra Kaboli und Kaitlin Prest alles ab, was unter und über die Haut geht. Selbstbefriedigung, sexualisierte Gewalt, Sehnsucht. Die Spanne der Geschichten, die erzählt werden, reicht von dokumentarisch zu short fiction, in der Regel NSFW.

Wer es ausführlicher möchte: Jaclyn Friedman nimmt bei Unscrewed (früher: The Yes Means Yes Show) die ganze Kultur und Politik rund um Sex auseinander, von Rape Culture über linguistische Fragen, von Sexarbeit bis hin zu Medienkritik. Entweder mit knackigen Rundumschlägen, in etwa 15 Minuten langen Quickisodes, oder ausführlicher mit Gästen. Dazu gibt es regelmäßig guten Rat zu Sexfragen von Hörer_innen, ein bisschen so, als hätte Captain Awkward eine Radiokolumne. Ein MUST-Hear.

Up to date

Für alle, die mehr über aktuelle feministische Debatten hören wollen: Popanganda und Backtalk sind die wöchentlich erscheinenden Podcasts des Bitch-Magazines. Popaganda geht etwa eine Stunde lang tiefer in ein Thema hinein, während in Backtalk die Hosts Amy Lam und Sarah Mirk diskutieren, was sie in der Woche Interessantes gelesen, gehört und gesehen haben.

Women of the Hour ist ein Podcast von Lena Dunham, in Zusammenarbeit mit Buzzfeed. Das sind insgesamt 5 Miniminiepisoden und 5 längere Folgen zu großen Themen wie Arbeit, Körper oder Freundschaft. Women of the Hour ist eine abgeschlossene Serie, für die es hoffentlich eine weitere Staffel gibt, und denn dieser Podcast macht sehr viel sehr richtig. Er ist dabei nicht so weiß, hetero, obere Mittelschicht wie GIRLS, vereint unterschiedliche Themen, rückt dabei marginalisierte Stimmen in der Vordergrund, z.B. die von Mindy Lind oder Meredith Talusan, oder stellt so coole Projekte vor wie die Radical Monarchs.

Seit März dieses Jahres hat auch Jessica Valenti einen Podcast beim Podcast-Network des Guardian, dessen Kolumnistin sie ist, und zwar unter dem Titel “What would a feminist do?

Pee Your Pants

Auch neu seit Mai und ein Knaller von Anfang an ist Two Dope Queens, ein Podcast von Phoebe Robinson und Jessica Williams (bekannt als Korrespondentin der Daily Show). Die Folgen sind Aufnahmen von Stand-Up Comedyshows, bei denen neben Phoebe und Jessica noch eine Reihe anderer Comedians (u. A. Hari Kondabolu und Ophira Eisenberg) auftreten, mit Geschichten über Analsex, Hair Politics und Leben in New York. So witzig, dass ich mir unter Umständen schon in die Hose machte vor Lachen. Manchmal nehmen Podcasts bei mir den Weg von Ohr zu Ohr auch über den schwachen Beckenboden.

4 Antworten zu “Podcasts: Von Ohr zu Ohr durchs Herz”

  1. Jana sagt:

    Danke für die Podcastempfehlungen! Ein paar davon kenne ich schon (Popaganda ist großartig!), durch den Rest werde ich mich jetzt mal Stück für Stück durchhören.

  2. Laurine sagt:

    Super, dass du diesen Text geschrieben hast, allerdings hören sich alle podcasts (ohne sie jetzt alle durchgeklickt zu haben) eher nach englisch an, was mir oft zu anstrengend zum hören ist. Gibts auch was empfehlenswertes auf deutsch?

    • Tinka sagt:

      In Deutschland gibt es halt den „Lila Podcast“. Aber der ist leider nicht empfehlenswert, auch wenn er sehr viel Raum einnimmt – surprise, da applaudieren die Mainstreammedien halt, wenn es nach deren altbekannten Schemen läuft:
      3 weiße Hetero-Cis-Frauen, die sich im Zweifel für so sexistische und rassistische Menschen wie @erzaehlmirnix einsetzen. Dazu ständig Geschichten von ihren Kindern, ohne zu reflektieren, was für ein Privileg das ist und was für Hetenperformance (außerdem: wen interessiert’s?!?, ernsthaft!). Dazu noch Barbie scheiße finden. Passt gut dazu, dass ständig Pinkstinks hochgejubelt wird.
      Von Intersektionalität offenbar wenig Ahnung.
      Dass mehrheitlich Cis-Männer den Podcast im Netz empfehlen, sagt eigentlich alles. Er kommt vor allem im CCC-Umfeld gut an – Applaus, den eins im Moment echt nicht haben will, siehe Appelbaum :/