Sieben Podcast-Empfehlungen

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Früher habe ich nur Musik gehört. Wenn ich heute in der S-Bahn sitze oder von A nach B gehe, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich Podcasts höre. Das ist relativ neu und liegt vor allem an einer Sache: ich habe endlich einen Podcast-Dienst, der sehr gut funktioniert, weil er sehr freundlich ist. Der klassische Client war für meine Zwecke nutzlos, weil ich zwar zuhause Folgen herunterladen, diese aber nicht speichern konnte, um sie mir später anzuhören. Oder aber es gab diese Funktion, aber sie war versteckt. Der Dienst, den ich nun nutze, heißt „Pocket Casts“ (Android | iPhone). Gibt bestimmt auch andere (empfohlen wurde mir auch „Instacast“ (iPhone)), aber ich habe Variante eins gewählt und war zufrieden – ich kann die Sendungen runterladen, wenn ich Wlan habe, sie speichern, bis ich sie angehört habe, und dann automatisch löschen lassen.

Ich weiß nicht, wie gerechtfertigt diese Unterscheidung ist, aber soweit ich das persönlich raushöre, gibt es zwei Formen von (längeren) Podcasts – journalistische und bloggigere Formate. Ich bevorzuge Variante eins, aber das ist größtenteils einfach meine Präferenz.

Um das kurz auszuführen: Ich glaube, der Unterschied zwischen beiden Varianten ist, dass journalistische Podcasts, die ich höre (längere Stücke, kaum klassische Interview-Gesprächssituationen), mehr auf meine Bedürfnisse abzielen. Sehr genau choreografierte Programme mit klarer (oder irgendeiner) Dramaturgie, wenig „spontaner Talk“. Ich glaube, das ist kein Qualitätskriterium, es ist nur eine andere Form davon, was man will. Ich kann mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, dass es genügend Podcasts gibt, die man sich anhört, weil man wissen will, was Person A, B und C dazu sagt. Ich glaube das vor allem deswegen, weil ich etwas Vergleichbares in Sachen LetsPlays mitbekomme. Ich spiele schon lange keine PC-Spiele mehr, schaue mittlerweile aber irre gerne zu, wenn andere spielen und das streamen. Ich glaube, das ist auch in Sachen Radio möglich (und ich habe es nur nicht für mich entdeckt bis jetzt).

Aktiv nach guten Podcasts suche ich übrigens seit diesem Post von map (thanks!). Ich habe ein paar Empfehlungen, nicht mehr, nicht weniger. Falls ihr Tipps und eigene Formate habt, gerne in die Kommentare. Der Post ist so aufgebaut, dass ich versuche, in wenigen Sätzen zu begründen, was mich an den Sendungen reizt. Vielleicht bietet das ein wenig Orientierungshilfe.

1.) n00bcore.de

Was mir gefällt:
Die Idee

Inhalt in einem Satz:
Ein Podcast über Computer und Technik, der bei null anfängt und (möglichst) “noobfreundlich” sein will.

Mehr:
Die Sendung ist so aufgebaut, dass in jeder Folge ein Experte oder eine Expertin auftritt und mit Fiona zu einem Thema diskutiert. Zumindest theoretisch, denn bis dato gibt es erst drei Folgen, also kann ich nicht grundsätzlich sagen, wie breit/eng dieses Thema gefasst ist. Erster Eindruck: Je enger es gefasst ist, desto besser ist es für den Podcast.

Am Konzept gefällt mir der DIY-Gedanke. Mit 60 Minuten (zumindest Folge 1 und 2) ist das noch in einem Bereich, der klargeht. Es erinnert mich von der Herangehensweise ein wenig an “Jung & Naiv” (ohne jedoch mit einer Unterstellung zu arbeiten, die man teilen oder ablehnen kann, im Fall von Jung & Naiv: “Desinteresse an Politik”).

2.) Snap Judgment

Was mir gefällt:
Der Aufbau

Inhalt in einem Satz:
Pro Folge ein Überthema, dazu mehrere Geschichten von einzelnen Personen.

Mehr:
Die Show beginnt damit, dass Glynn Washington, der Host, eine Anekdote aus seinem Leben erzählt, die thematisch gut zu der Sendung passt und den Ton vorgibt.

Die Folgen sind extrem gut aufbereitet und die Geschichten durchgehend spannend. Gut aufbereitet bedeutet in dem Fall, dass es sehr wenige Momente gibt, in denen man eine Person ‘nur’ reden hört. Im HIntergrund passiert viel; die Erzählungen werden mit entsprechenden Sounds unterlegt. Dadurch, dass das konstant passiert, wirkt es nicht cheesy und/oder nervig, sondern als gut dazu passendes Element. Funktioniert sehr gut, wie ich finde.

3.) Radiolab

Was mir gefällt:
Siehe Snap Judgment

Inhalt in einem Satz:

Siehe Snap Judgment, nur anders.

Mehr:
Von der Art, wie man Radio machen kann, ist das in meinen Augen der kreativste Umgang von den Sendungen, die ich hier empfehle. Es gibt ein grobes Grundgerüst und dazu werden Protagonisten getroffen und deren Geschichten erzählt.

Eine Standard-Einführung von Protagonisten geht so: “Hier, jetzt kommt Hakan Tanriverdi, er schreibt für kleinerdrei einen Blogbeitrag über Podcasts: (O-Ton) Hakan: Ich wollte den Artikel schon vergangenen Freitag bringen, aber dann kam die Twitter-Sperre in der Türkei dazwischen”

Radiolab eher so: “Das ist Hakan (“Hi”), er mag Podcasts (“Es ist schwer, welche zu empfehlen, wo fängt man an”), aber wie das eben so ist, er entscheidet sich, setzt an und dann wird in der Türkei (“Twitter gebannt. Also habe ich abgebrochen.”).

Durch die Art, die Protagonisten so spielerisch einzuführen, ist das alles sehr dynamisch. Kann man sehr gut zuhören.

4.) Stuff You Should Know

Was mir gefällt:
Die Personen

Inhalt in einem Satz:
Der Anspruch

Mehr:
Wenn ihr wissen wollt, wie eine Black Box funktioniert oder ob Zombies existieren, könnt ihr den Hosts zuhören, wie sie diese Fragen beantworten. Es ist eine Gesprächssituation, die beiden reden also miteinander und kommen deswegen hin und wieder vom Thema ab beziehungsweise machen Witze eher für sich selbst als für die Menschen, die zuhören. Aber da sie auch von diesen Punkten auf das Thema zurückkommen, geht das gut klar.

Geht am ehesten in die Richtung der Podcasts, die davon leben, dass man ihre Protagonisten cool findet.

5.) Einhundert

Was mir gefällt:
Das Konzept

Inhalt in einem Satz:
Einhundert Minuten pro Thema, viele Geschichten, ein Host, der durchführt.

Mehr:

Einhundert ist ein neues Format von Dradio-Wissen. Der Host führt eine lockere Unterhaltung mit dem Hörer. Sehr entspannend ist dabei, dass seine Art zu reden recht nah an der gesprochenen Sprache ist. Dadurch wirken die Gespräche nicht hölzern, sondern so, als ob man zufällig dabei ist, wie jemand in der S-Bahn mit einer anderen Person redet. Die Folgen variieren thematisch sehr stark; mal geht es um Risiko, mal um Syrien. Im Bestfall wird ein Thema in mehrere Untergeschichten gesplittet – also was Risiko bedeutet für die traditionelle Geburt eines Kindes zum Beispiel. Funktioniert oft sehr gut – teilweise ist es mir persönlich noch einen Tick zu sehr interview-lastig, aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt.

6.) Feature-Formate (Dok 5, ARD-Radiofeature, Langstrecke, BBC-Documentary)

Was mir gefällt:
Die Themen

Inhalt in einem Satz:
Klassisches Longform-Radio.

Mehr:

Das sind klassische Radio-Formate. Sehr gut erzählte Geschichten, mit viel Hintergrund-Wissen und betroffenen Personen. Würde ich jeweils vom Thema abhängig machen, ob man sich eine Folge anhört. Aber wissen, dass es diese Formate gibt, hilft mir jedenfalls sehr bei der Entscheidung darüber, was ich hören will.

7.) Lawfare-Podcast

Was mir gefällt:

Gesprächs-Situation

Inhalt in einem Satz:

Podcast über die Bedeutung von Technik, Politik, Justiz.

Mehr:

Das ist einer der Podcasts, die ich am häufigsten höre. Da tauchen regelmäßig Leute auf, die in langen Gesprächen und Interviews ihre Sicht auf aktuelle Ereignisse werfen. Das kann sowohl der NSA-Technikchef sein, aber auch ein Mitschnitt der Podiumsdiskussion zwischen dem Chief der Bürgerrechtsbewegung der ACLU und einem Minister der Inneren Sicherheit der USA. Sehr tiefgehende Diskussionen, die man politischen nicht teilen muss, aber die spannend zu hören sind.

14 Antworten zu “Sieben Podcast-Empfehlungen”

  1. sesin sagt:

    coool – danke dafür. by accident: kennst du gute türkische podcasts? ich suche immer wieder, aber habe bis jetzt noch nichts gefunden, wo ich länger als eine sendung drangeblieben wäre.

  2. otto sagt:

    Auch sehr zu empfehlen: Love and Radio:
    http://loveandradio.org/

    Was mir gefällt:

    Gute und abseitige Geschichten, zum Beispiel berichtet eine Frau davon, wie sie Pädophile online erpresst hat. Oder eine Radiomacherin versucht in einer Folge mit Männern in einer Sexhotline ins Gespräch zu kommen.

  3. Miel sagt:

    Ich war letzte Woche mit Freund_innen in einer Bar und mir wurde empfohlen, beim Laufen Podcasts zu hören (und überhaupt mal Podcasts zu hören, irgendwie hab ich das noch nie gemacht). Und mir wurden dann schon 4 Podcasts genannt, die ich unbedingt hören sollte.

    Irgendwie hab‘ ich das dann über die letzten Tage wieder vergessen – und nach deinem Post heute endlich einmal eine Podcast-App installiert und zufällig die vier Podcasts aus der Bar in deiner Liste wiedergefunden. Danke dir für den Text! Ich bin jetzt jedenfalls sehr gespannt.

  4. Johannes sagt:

    In Kategorie 6 gehört unbedingt auch noch „Der Tag“ von HR2. Montag bis Freitag, knapp eine Stunde, ein Thema umfangreich aufbereitet mit vielen Gesprächspartnern und Beiträgen: http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=14224

    • hakantee sagt:

      Da hab‘ ich tatsächlich überlegt, das mit reinzunehmen. Habe ich aber nicht oft genug gehört gehabt, um da eine Empfehlung abgeben zu können.

  5. plique sagt:

    Und wer Humor á la Loriot, sowie den Podcast auch gern mal im Espresso-Format genießt, der sollte dringend mal bei 44sekunden vorbei schauen: http://44sek.de/

  6. Tobias sagt:

    Erst mal vielen Dank für deine Empfehlungen – wieder was dabei gewesen, was ich noch nicht kannte :-)

    Vielleicht etwas zu Meta, aber dieses ganze Thema des „Storytellings“ bzw. dessen Revival in Radio/Audioformaten treibt mich schon eine ganze Weile um: Nach deinem Artikel hab ich die erste Folge DRadio Wissen „Einhundert“ (Reset) gehört; darin werden zu Beginn ganz konkret die US-Formate Radiolab und This American Life als narrationsbasierte Vorbilder genannt. Am Ende wird zudem auf Hörer*innen-Kritik eingegangen: Emotionalisierung und Einzelschicksale sollen Identifikationsfläche bieten. Das finde ich nicht ganz unproblematisch. Der US-Radioforscher Jason Loviglio hat das m.E. gut auf den Punkt gebracht: Die Ausrichtung am Identifikationspotenzial bedingt, dass ich für eine Zielgruppe produziere, und damit kurz gesagt nur noch Radio für das Weltbild dieser Gruppe mache. Damit bricht aber zwangsweise das „Public“ des Public Radio (NPR war mal nur die Abkürzung für National Public Radio, inzwischen nennen sie sich offiziell nur NPR) etwas weg. Ausführlich hat Jason Loviglio das bei seinem Vortrag dargelegt, den er letzten Sommer bei einer Radiotagung in Berlin gehalten hat: http://www.onlineradiomaster.de/radiosinne-programm/155-diskurs/210-radiosinne-loviglio

    [Disclosure: Ich arbeite für den Studiengang, der die Tagung veranstaltet hat]

  7. spicollidriver sagt:

    Finde ich interessant, daß überhaupt Menschen „unterwegs“ podcasts hören. wäre mir persönlich zu „unpraktisch“, weil ich dann ständig aufgrund von durch Außengeräusche nicht verstandener Passagen zurückspulen müßte.

    schließlich ist es anzuraten den mp3 player/… nur so laut zu haben, daß man sein „Drumherum“ für alle Fälle immer noch deutlich genug wahrnimmt ;). aber mal ernsthaft, habt ihr (dürfen sich alle angesprochen fühlen, die unterwegs podcasts hören) die Lautstärke so hoch, spult ihr tatsächlich ständig zurück oder was ist euer „Trick“?

    • Dr.Lan sagt:

      „Trick“ = halbgeschlossene Kopfhörer.
      Abgesehen vom Fahrrad fahren, warum „sollte“ mensch seine Umwelt in Bus / Bahn / zu Fuß zwingend deutlich wahrnehmen?
      [Im Auto natürlich über das Radio, nicht mit KH]

  8. Sofia sagt:

    Hakan, vielen Dank für die Empfehlungen, und vor allem die Kommentare dazu (dann weiß ich gleich, welche ich eher nicht ausprobieren möchte). Ich hör eigentlich nur einen podcast, den aber regelmäßig, und möchte ihn auch gleich mal empfehlen: und zwar den Zündfunk Generator vom Bayrischen Rundfunk. Ist eine Radiosendung, fällt also eigentlich in Kategorie 6, aber dadurch, dass der Zündfunk eigentlich mal eine Jugend/Musik Sendung war, ist der Ton der Sendungen nicht so formal. Verschiedene Leute machen Beiträge zu dieser Art Themen, die ein paar Tage in den Schlagzeilen sind, niemand hat Ahnung, aber alle diskutieren mit: Frauenquote, Extremismusklausel, „Internet der Dinge“… Der Generator greift die Themen nochmal auf und macht eine meistens gut recherchierte einstündige Sendung draus.
    Obwohl ich mich generell für besser informiert über diese (meistens irgenwie linken) Themen halte, als der Durchschnittsdeutsche, lerne ich jedes Mal ne Menge -> gut :)

  9. Lars sagt:

    Um ein bisschen den Fokus von Technik-Podcasts abzulenken, haben ein paar andere Podcastmenschen und ich vor eineinhalb Jahren damit begonnen unsere Empfehlungen auf einem gemeinsamen Kanal zu bündeln. Eigenwerbung stinkt zwar irgendwie, aber auf http://wir-hoeren-stimmen.de finden sich mittlerweile über 30 dieser Empfehlungen für andere Podcasts. Einige davon gibt es leider mittlerweile nicht mehr, aber gerade unter den neueren Empfehlungen sind tolle Formate dabei.

  10. […] Spiegel Online haben unter anderem feine Empfehlungen zusammengetragen, ebenso Mit Vergnügen, Kleinerdrei und Buzzfeed […]