Hack’s selbst!
Seit ich lesen und basteln kann, haben Bastelbücher einen besonderen Platz in meinem Herzen und Schrank. Ich sitze an verregneten Nachmittagen zwar nicht mehr an meinem Schreibtisch unter dem Medizini-Pferdeposter und bastle mich durch ein dickes Kinderbastelbuch statt Hausaufgaben zu machen – jetzt sitze ich an nassen Novembertagen eher vor dem Bildschirm. Aber, das ist geblieben, ich arbeite mich durch Anleitungen. Stricke, statt meine kleinerdrei-Texte zu schreiben Uni-Hausaufgaben zu machen, zum Beispiel Katzenhandschuhe. (You’re welcome.) Ich mag, wie nützlich Anleitungsbücher sind, selbst wenn sie ausgelesen sind, liebe, wenn es ihnen gelingt, mir so Lust darauf zu machen, etwas zu basteln, dass ich es auch wirklich tue.
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Als 2012 Mach’s Selbst – Do It Yourself für Mädchen herauskam (herausgegeben von Chris Köver und Sonja Eismann), war ich aus dem Häuschen – Bastelbuch mit feministischem Anspruch, sozusagen das Beste aus allen Welten. (Der einzige Beef, den ich mit diesem Buch hatte, war, dass das große G in den Fließtexten so aussah wie ein C.)
Jetzt ist, ebenfalls bei Beltz & Gelberg das Nachfolgebuch Hack’s selbst! – Digitales Do It Yourself für Mädchen erschienen, herausgegeben von Chris Köver, Daniela Burger und Sonja Eismann, die auch das MISSY Magazine herausgeben. Das sind circa 140 fadengeheftete (!) Seiten voller Anleitungen, Interviews/Portraits und Erklärtexte, nach Themen aufgeteilt, die von Spielen und Erzählen über Hacken, Senden, Vernetzen hin zu Programmieren, Designen und Verschlüsseln gehen. Die Anleitungen beschränken sich nicht auf digitales DIY und sollen Lust machen alles zu hacken “vom Fahrradlicht bis zu den Regeln der Gesellschaft”.
Und warum für Mädchen? Darauf gibt Chris Köver hier Antwort. Wie Zugänge zu Technik und Digitalem für Mädchen erschwert werden, darüber hat außerdem Lucie hier schon ausführlicher geschrieben.
Ich hackte es selbst
Ich habe die Gelegenheit genutzt und mich an veregneten Nachmittagen mit Buch und Material hingesetzt (leider kein Pferdeposter in der Nähe), um ein paar Anleitungen zu testen. Nicht nur, weil ich gucken wollte, ob sie aufgehen, die Anleitungen, sondern auch, weil ich das, was dabei rauskommen sollte,so gut fand.
Zum Beispiel smartphonetaugliche Handschuhe. Da hatte ich noch am Tag bevor ich der Anleitung folgte, darüber nachgedacht, wie nützlich es wäre, bei der Kälte die Handschuhe beim Scrollen einfach anbehalten zu können. Wie es geht? Mit leitfähigem Garn ein Muster auf Zeigenfinger und Daumen des Handschuhs sticken. Die Anleitung im Buch ist von Jennifer Rieker, die unter dem Label Craftimoko für ca. 8 € kleine DIY-Kits mit diesem Garn, Nadel, Stickanleitung und einem super praktischen Pappfinger zum leichteren Sticken verkauft, und kleinerdrei freundlicherweise ein Exemplar zum Testen zur Verfügung gestellt hat.
Es funktioniert sogar! Ich habe die Schneeflocke auf meiner Fingerspitze doppelt bis dreifach sticken müssen, bis sie so war, das sie mir gefiel, aber jetzt ist sie perfekt und macht sich total gut auf meinem (wer hätte das erraten) selbst gestrickten Handschuh. Ich habe auch versucht, ein kleinerdrei auf einen anderen Handschuh zu sticken, aber das sieht nicht nur nicht so schick aus, wie ich das haben will, ich habe es auch so gestickt, dass das leitfähige Garn nicht da liegt, wo ich mit dem Finger draufdrücke, sondern genau außenrum.
Ich empfehle jedenfalls, wenn ihr ein anderes Muster als in den Anleitungen ausprobieren wollt, das mit einem günstigen Ersatzgarn vorher auszuprobieren, damit das nicht frustrierend ist, wenn es nicht gleich klappt.
ICE vs. IC
Die zweite Anleitung, die ich unbedingt ausprobieren wollte, war die, wie man mittels einer seriellen Schaltung ein Megaphon baut. Also bin ich mit meinem Elektrobauteile-Einkaufszettel in das nächste Elektronikfachgeschäft gelaufen, super optimistisch, bis ich (die einzige Frau im ganzen Stockwerk) gefragt wurde, ob man mir helfen könne, und alles, was an Gender-Implikationen da rein passt, mitschwang. Neinnein, ich finde mich schon zurecht, danke.
Wo ich mich kurz darauf fand: am Schalter, an dem die Elektrokleinteile ausgegeben werden. Vor mir ein anderer Mann, der seine Kleinteile von einem Verkäufer herausgesucht bekam. Ich wurde immer nervöser, weil mir klar wurde, wie allgemein die Liste der für mein Projekt notwendigen Dinge war. Ein “Lautsprecher”, z.B, das kann alles Mögliche bedeuten. Während ich wartete, ahmte ich die Körpersprache des Mannes vor mir nach, wie er stand, wie er sich hielt. Als ob es mir nützen könnte.
Als ich dran kam, verhaspelte ich mich prompt, stand auf dem Schlauch, als ich vom Verkäufer nach der Spannung meines Projektes gefragt wurde, und so weiter. Das für das Projekt benötigte Piezomikrofon gab es nicht, aber ich bekam ein Ersatzmikrofon. Mein Auftrag, das war eher niedlich, wurde abgeschlossen von dem Kollegen, der mir vorher seine Hilfe angeboten hatte. Er fragte mich, ob ich selbst bastele. Während klar ist, dass er bei dem Mann vor mir oder dem Mann nach mir sicher nicht infrage gestellt hätte, ob die ihren Kram für sich selbst kaufen und für sich selbst basteln, war die Frage doch eine Versicherung für mich: das ist Basteln. Basteln kann ich. Ich komme aus einer Bastler_innenfamilie. (“Basteln” hier bitte schwäbisch aussprechen.) Und er erzählte, dass er selbst aus der Modellbauabteilung komme, also sicher nicht Elektrovollchecker sei. Und als sei ich Checkerin und würde es verstehen, sagte er lachend über sich: “Erst ICEs, jetzt ICs”. (Ich musste das jedenfalls googlen.) Gekostet hat das übrigens ungefähr 25€. Im Buch angegeben waren circa 18€.
Aber warum bin ich eigentlich selbst keine Vollcheckerin in dem Gebiet? Ich meine, ich war in der Elektronik-AG meiner Schule. Ich habe zuhause für ein Taschengeld Schaltungen gelötet. (Und mir in einem achtlosen Moment die gemeinste Verbrennung am Lötkolben geholt.) Ich war, seit ich ein kleines Kind war, fasziniert von Platinen mit ihren Widerständen, Kondensatoren und so weiter, und wollte verstehen, wie sie funktionieren, was diese kleinen Teile können und wie sie machen, was sie können.
Zuhause angekommen also back to the roots, nur ohne Lötkolben, stattdessen das erste Mal mit einer Steckplatine gearbeitet. Die Anleitung, geschrieben von Stefanie Wuschitz, einer Mitbegründerin von Miss Baltazar’s Laboratory in Wien, ist gut nachzuvollziehen, aber manches blieb trotzdem unklar für mich. Muss man bei einer Steckplatine die Hülle des Litzenkabels abknibbeln wie beim Löten, ehe man die Drähte des Kabels in die Platine steckt oder ist das egal? Und: was, wenn das Plus und Minus meines Mikrofons nicht rot und schwarz sind, sondern eins Weiß und das andere Silbern? Ist es wirklich egal, welchen der beiden Kondensatoren ich an welche Stelle setze?
Letzter Schritt: Batterie anschließen. Die Spannung (LOL) steigt. Und oh! Es knackt. Der Lautsprecher rauscht, da funktioniert was! Aber leider nicht alles. Das Mikrofon trägt keinen Ton zum Lautsprecher. Auch als ich Plus und Minus des Lautsprechers vertausche. Es tut sich nichts. Bei vertauschten Kondensatoren ändert sich ebenfalls nichts. Schade.
Hätte es geklappt, ich hätte kein Megaphon aus Pappe gebaut, auf dem ich meine selbstklebende Platine mit Lautsprecher, Mikro und Batterie befestigt hätte, sondern eine große, weiße, gezackte Sprechblase aus Pappe. Das mache ich ich erst, wenn es wirklich funktioniert. Ich habe jetzt noch ein Piezomikrophon bestellt und hoffe, das löst das Problem, das ich nicht verstehe.
Katzenfunk
Vieles, was im Buch vorgeschlagen ist, eignet sich für mich nicht (mehr) so zum Nachmachen, z.B. weil ich es schon abhaken kann:
• Mit Podcast auf Sendung gehen – check, check
• an der Wikiepdia mitschreiben – LOLnope (aber Props an alle Frauen und Mädchen, die ihre Zeit dafür investieren, die deutschsprachige Wikipedia besser zu machen. <3) • Ruby on Rails ausprobieren – check! (High Five übrigens auch für den Bezug von Strickschriften und Code)
• Online-Petition starten – LOLnope. (Gehört zu den Sachen, an die zu denken mich jetzt nur müde und apathisch machen, aber als Teen wäre dieses Mittel perfekt für mich gewesen. Also, petitiont away!)
• Websuche – äh, Check?
Letzteres ist mehr oder weniger ein Kritikpunkt, den ich habe: Die Erklärung, wie sich Sachen online finden lassen, kommt mir nicht so nützlich vor. Wie man Fragen formuliert, um bei einer Suchmaschine passende Antworten auf sie zu bekommen, ist ja selbsterklärend, erst Recht in Zeiten von Autocomplete. Besser hätte ich an der Stelle konkrete Tipps gefunden, wie sich Suchmaschinen besser als Werkzeug nutzen lassen. Zum Beispiel was man vor einem Suchbegriff im Textfeld eingeben kann, um den Begriff ausschließlich auf einer bestimmten Internetseite zu finden. Oder wie sich Google am Bequemsten als Taschenrechner oder Übersetzungsprogramm nutzen lässt. Von solchen Kniffen gibt es doch sicher mehr, die online hilfreich wären.
Diese Anleitung, ebenso wie die Privatsphäre- und die WLAN-sicher-machen-Anleitung kommen übgrigens auch in Mach’s selbst – Do It Yourself für Mädchen vor, wurden für das Digitale Do-It-Yourself aber ein wenig umformuliert.
Wozu ich ebenfalls gerne mehr gelesen hätte, wäre zum Punkt “Kampagne planen”. Wie schreibt man eigentlich eine Pressemitteilung? Aber das ist vielleicht etwas, das in einem Fortsetzungbuch ausführlicher drankommen könnte: Politik-DIY für Mädchen, mit ausführlichen und ähnlich fancy gestalteten Anleitungen zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung.
Schwierig fand ich auch, dass an einigen Stellen Zugänge zu Zeug vorausgesetzt werden, das gar nicht so selbstverständlich ist. Zum Beispiel ein Fablab. (Und wenn es eines in der gleichen Stadt gibt, geht das echt so leicht, einfach hingehen und machen?) Und wenn man keinen/wenig Plan hat, ist Material kaufen unter Umständen peinlich oder nicht so ergiebig. Ein Guide, wie man an Gadgets kommt, hätte gut ins Intro gepasst. Oder Photoshop – Woher nehmen, wenn nicht klauen. Wie man an dieses Programm herankommt, wenn man die Lizenz nicht bezahlen kann, dafür wäre ein How-To super sinnvoll, aber na gut, ich seh schon ein, warum das nicht gedruckt in einem Buch steht. Ein Mädchen wird auch mal träumen dürfen…
Fazit
Was ich selbst unbedingt noch ausprobieren will:
• Eine Story mit Twine schreiben
• Ein Soundtagebuch führen
• Gifs machen
• Tor benutzen
Übertrieben cool, aber ich habe leider keinen Bedarf dafür:
• Eine funkgesteuerte Katzenklappe bauen. (Ernsthaft, wie cool ist das denn?)
Hack’s Selbst! – Do It Yourself für Mädchen ist ein sehr schickes Weihnachts- und sonstwas-Geschenk für Teenager- und Postteenager-Mädchen. Je jünger das Mädchen ist, dem ihr das Buch schenken wollt (schenkt es jungen Mädchen!), umso mehr empfehle ich, Bastelmaterial zu den Anleitungen gleich mitzuverschenken, damit die Schwelle dazu, gleich loszulegen, so niedrig ist wie möglich.
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Wenn ihr selbst etwas gehackt habt, ob nach Anleitung aus dem Buch oder darüberhinaus – bis Ende des Jahres gibt es beim Beltz-Verlag dafür etwas zu gewinnen.
Disclosure: im Buch sind auch zwei Beiträge von Lucie und Jule enthalten.
Uuuh, das mit den leitbaren Handschuhen is natürlich superfein!
Die Idee mit den Handschuhen ist cool, die Kritikpunkte leider nicht so? Irgendeine Buchempfehlung für tollen Selbstbastelkram für ein erwachsenes weibliches Individuum das gerne bastelt? Ich muss noch ein Geschenk für sie fertig machen :) Vielleicht gibts ja auch einen coolen Blog?