“It’s a bird… it’s a plane… no. It’s a girl!”

Foto , by CBS

Die Geschichte des “Mann aus Stahl” kennen die meisten: er kam als Baby vom Planeten Krypton, hat Superkräfte, trägt blau und rot und beschützt die US of A! Weniger bekannt ist, dass er seine Reise mit einer Beschützerin antrat, und zwar mit seiner Cousine Kara Zor-El, die bereits ein Teenager ist, als beide in Raumkapseln ihren sterbenden Heimatplaneten verlassen. Aber ach, wie das so ist mit intergalaktischen Flügen – Karas Kapsel nimmt eine ganz andere Route als geplant und bleibt in kosmischen Anomalien stecken, und als sie die Erde endlich erreicht, ist ihr Baby-Cousin längst erwachsen und ein Superheld aka der Reporter Clark Kent, und auf den Schutz seiner jugendlichen Verwandten nicht mehr angewiesen. Kara wächst also erstmal als durchschnittliches amerikanisches Mädchen in einer Pflegefamilie auf.

Dies sind die Anfänge von “Supergirl”, deren Geschichte aktuell in einer Fernsehserie (Start war der 26.10.) durch den US-Sender CBS neu erzählt wird. Die Figur Supergirl aus dem Hause DC Comics ist allerdings schon weitaus älter, sie erblickt das Licht der Welt bereits 1959 in einem Heft der Reihe “Action Comics”. Seitdem wurde sie, wie in der Welt der Superheld_innen-Comics nicht unüblich, allerdings zwischenzeitlich auch wieder aus dem Superman-Kanon herausgeschrieben – um das Narrativ des “einzigen Überlebenden von Krypton” zu bedienen. Glücklicherweise bezieht sich die CBS-Serie jedoch auf die ursprüngliche Geschichte der kryptonischen Verwandtschaftsbeziehung, denn die Heldinnen-Genese im Schatten des überlebensgrossen Cousins bietet natürlich vielerlei Gelegenheit für Story- und Charakter-Entwicklung. Zu Beginn der Pilotfolge lebt Kara (Melissa Benoist) nämlich ein normales, nicht aussergewöhnlich aufregendes Leben. Sie arbeitet für das riesige Medienunternehmen “CatCo” als Assistentin der dominanten und scharfzüngigen Chefin Cat Grand (Calista Flockhart), wirkt dabei immer latent überfordert und kann ihrer Chefin nichts wirklich recht machen. Doch Kara hat beschlossen, ihre Superkräfte geheim zu halten, denn die Welt hat ja schon einen Superhelden!

Aber natürlich kommt alles ganz anders: ein Flugzeug mit Stiefschwester Alex (Chyler Leigh) an Bord droht abzustürzen, Kara rettet die Maschine und präsentiert sich dabei unweigerlich der Welt als Superheldin. Und hier fangen die Probleme erst an: plötzlich stellt sich heraus, dass Kara auch über ihre Schwester nicht alles weiss, und sie zudem bei ihrer intergalaktischen Reise ein Sträflings-Raumschiff mit sich gerissen hat, dass auf der Erde gebruchlandet ist und einen Haufen böser Aliens freigesetzt hat. Cat Grand will natürlich die Gelegenheit nutzen, endlich für das sonnige National City (quasi Los Angeles) eine eigene mediale Supermensch-Story zu stricken, nachdem Metropolis (quasi New York) und die Zeitung “Daily Planet” ihr mit Superman jahrelang die Schau stahl. Dann ist da auch noch Karas neuer umwerfend charmanter Kollege, der Fotoredakteur James Olsen (ehemals Supermans jugendlicher Sidekick “Jimmy” Olsen), und die nicht unerhebliche Schwierigkeit, dass auch Kara nicht von einem Tag auf den anderen weiss, wie das eigentlich geht mit dem Superheldinnen-Job.

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Das sind ohnehin schon alles sehr gute Ausgangsbedingungen für eine unterhaltsame Serie. Aber sie schafft zum Glück noch mehr als das: trotz eines tendenziell eher leichten, heiteren Grundtons bleibt die Erzählung nicht oberflächlich, sondern entpuppt sich bald als clever, dynamisch und sehr up-to-date. Ihr habt es vermutlich schon geahnt, ich bin inzwischen ein ziemlicher Fan.

War das gerade eine feministische Pointe?

Die Autor_innen der Serie, so hat man das Gefühl, sind auf der Höhe der Zeit mit den medialen Debatten. Das äussert sich vor allem in kleinen Dingen, zum Beispiel wenn Kara in ihrem ersten Interview als Supergirl anmerkt, dass ihr berühmter Cousin bestimmt niemals nach seiner Familienplanung gefragt würde. Supergirl sieht sich mit Problemen konfrontiert, die etwa Politikerinnen sehr bekannt vorkommen dürften. Umgekehrt lernt auch Supergirl noch dazu: als sie versucht, Medienmacherin Cat Grant zu bewegen, doch statt “Supergirl” lieber irgendwas mit “Woman” als Namen zu prägen, belehrt diese sie, dass an “Girls” ganz und gar nichts Negatives dran ist. Überhaupt Cat Grant: die Serie lässt hier die Zuschauer_innen erst in die “Karrierezicke”-Klischeefalle tappen, um sie dann gemeinsam mit Kara eines besseren zu belehren. Cat offenbart schnell mehr Tiefe und hat als alleinerziehende Mutter und Herrscherin eines Medienunternehmens mehr als eine Sache zum Thema harte Arbeit und Männerwelten zu sagen. Das klingt bisweilen ein wenig nach Sheryl Sandbergs “Lean In”, spielt aber gleichzeitig humoristisch mit dem Bild der Karrierefrau.

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Frauen, Frauen, überall Frauen

Mittlerweile gibt es ja zum Glück tolle Serien mit riesigem nicht-männlich-dominierten Cast (wie etwa OITNB), doch gerade im Comic-/SciFi-Unterhaltungssektor herrscht doch oft noch das Schlumpfine-Prinzip vor, wie etwa bei “Black Widow” in Marvels Avengers. In “Supergirl“ musste ich immer wieder mit Staunen (und recht erfreut) feststellen, dass einige Szenen sich komplett ohne die Beteiligung von Männern abspielen. Nun ist es ja nicht so, dass ich keine männlichen Figuren mag. Aber als langjähriger SciFi-, Superheld_innen- und Fantasy-Fan bin ich ausgehungert. Es ist immer noch gängig, gerade in SciFi und Fantasy, dass wir in den Erzählungen ständig nur Männer sehen, überall. Auch wenn meist eine oder zwei Frauen dabei sind, Men-only Szenen sind häufig und normal. Wir sind daran gewöhnt. Women-only? Fehlanzeige!

Nicht so in “Supergirl”: hier gibt es Kara und ihre ebenfalls überaus wehrhafte Schwester, Karas toughe Chefin Cat, Karas Pflegemutter (Wissenschaftlerin) und verstorbene Mutter (Richterin), die als Erinnerung und Hologramm auftaucht. Und nicht zuletzt: bis zur 5. Folge sind bereits zwei der Super-Villains ebenfalls weiblich – und mit mindestens einer davon wird Kara noch einigen Ärger haben. So entstehen natürlich auch viele spannende Beziehungen zwischen den Frauenfiguren, die wiederum wichtig sind für die jeweilige Charakterentwicklung – die eben auch mal ganz ohne männlichen Einfluss stattfinden kann. Genrebezogen ist das schon eine ziemlich tolle Sache, wenn es auch auf anderer Ebene leider im Mainstream verharrt: zumindest bis zur zuletzt ausgestrahlten Folge sind alle eingeführten Frauenfiguren weiss, cis, heterosexuell und hollywoodschlank.

Männer-Freundschaften

Der weiss dominierten Comic-Vorlage hat man zumindest mit der Figur James Olsen etwas entgegengesetzt, der mit dem Schwarzen Darsteller Mehcad Brooks besetzt wurde. Eine Änderung gegenüber der Vorlage, die bestimmt irgendwo im Internet für Empörung sorgte, ich habe es nicht recherchiert, wen kümmert’s! Brooks ist hinreissend als Superheldinnen-Versteher, Freund und Love Interest von Kara. Überhaupt, die Freundschaften: für mehr platonische Freundschaften zwischen Männern und Frauen! Karas beste Freunde, James und “Winn” Scott, ein angenehm un-klischeeiger Computer-Spezialist, sind uneingeschränkt für sie da und stehen an ihrer Seite ohne die Intention, in den Vordergrund zu wollen. Auch wenn bei beiden noch tiefere Gefühle im Spiel sein mögen – ihre Hilfe und Freundschaft bleiben selbstverständlich unbeeinflusst davon, ob Kara diese erwidert.

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Eine Superheldin aus 2015

Ihre Freunde sind auch einer der Aspekte, die Kara als Superheldin spannend machen. Denn die Superheldin weiss heutzutage: sie kann und muss nicht alles alleine machen. Sie kann sich helfen lassen, sie macht Fehler, sie lernt dazu und macht doch wieder Fehler. Kara ist herrlich nahbar. In ihrem Alltag als Assistentin tritt sie immer wieder in Fettnäpfchen und manövriert sich ins Chaos, und wirkt viel mehr wie ein liebenswerter Geek denn wie das all-american Girl (Schöne Reminiszenz an die “Verkleidung” Supermans: natürlich trägt Kara eine Brille, und niemand erkennt sie als “Supergirl” wieder). Und diesen nerdigen Eindruck legt sie auch mit wallendem Blondhaar und rotem Cape nicht wirklich ab. Doch weder hadert sie mit ihrer Andersartigkeit, die sie von den Menschen trennt, noch brütet sie über ihr Schicksal. Sie weiss, was sie kann, aber muss nicht um jeden Preis eine Einzelkämpferin sein. Dafür muss sie sich mit einigem rumschlagen, um dass sich Superhelden in der guten alten Zeit™ nicht sorgen mussten: ihrer medialen Ausschlachtung zum Beispiel. Auch dabei fühlt sich die Serie sehr aktuell an.

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Einigen wird Kara vielleicht zu süsslich erscheinen – ich empfinde sie als angenehmes Gegengewicht zu den vielen düsteren Held_innen, und noch dazu ist sie auch für eine jüngere Zielgruppe geeignet. Obwohl bereits eine junge Erwachsene, macht sie im Prinzip eine Coming-of-Age-Story durch, während sie ihre Kräfte und Grenzen austestet. Das geht nicht ohne ein bisschen Rebellion einher, aber vor allem auch mit sehr viel sympathischer Awkwardness!
Das macht sie zu einem leicht zugänglichen Vorbild, was auch Darstellerin Melissa Benoist schon erfreut festgestellt hat:

So, ich hoffe ihr habt auch Lust bekommen, “Supergirl” eine Chance zu geben. Bis jetzt sind fünf Folgen erschienen, die ihr euch auf der Seite des Senders oder in den dunklen Internetkanälen eurer Wahl ansehen könnt.

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