Shalalalala, Erotica! (2) – Käsekuchen

Foto , CC BY-NC-ND 4.0 , by Lena Reinhard

Nachdem bekanntermaßen Sex in meinem Leben in letzter Zeit eher nicht stattfand, dachte ich mir, ich gucke einfach, wie das bei anderen so aussieht. Also habe ich mal das Internet angeworfen (hier Zweitakter-Dieselmotorengeräusch einfügen) und nachgesehen.

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(Screenshot: Google Trends)

Man könnte also offenbar sagen: Sex liegt seit Jahren und immer noch im Trend. Weiter unten zeigt die Seite: noch beliebter als “Sex” ist eigentlich nur noch “Sex free”. Das trifft sich gut, das geht mir ähnlich: ich habe nicht nur keinen Sex, sondern auch kein Geld, um mir welchen zu kaufen.

Mein Problem gerade ist ja aber vor allem, dass ich das Gefühl habe, ich weiß nicht mehr genau wie das mit diesem Sex eigentlich geht. Und da das Internet gerade eh immer noch läuft, frage ich es einfach mal, wie genau das funktioniert (hier lauter werdendes Zweitakter-Dieselmotorengeräusch einfügen).

Meine Suche nach “wie geht Sex” liefert “ungefähr 11,7 Millionen Ergebnisse”. 11,7 Millionen, das ist ungefähr so viel wie die Gesamtbevölkerung Portugals oder 4 Mal die volljährige Bevölkerung Berlins. Puh. Die bloße Anzahl überfordert mich. Ich schließe das Fenster wieder. Denn, mal ganz unter uns gesprochen: ich will ja auch nicht irgendwelchen Sex. Klar, überhaupt welcher wäre schon ein echter Anfang. Nur: wenn ich da schon quasi wieder bei null anfangen muss, dann mache ich das auch gleich richtig und lasse mir erklären, wie guter Sex geht.

Ich mache nochmal Google auf und gebe ein: “guter Sex”. Immerhin sind es jetzt nur noch 544.000 Suchergebnisse. Besser, ich rufe erstmal meinen Chef an und nehme zwei Wochen Urlaub, damit ich das alles in Ruhe durchlesen kann.

Ich scrolle durch die Suchergebnisse. Drei Dutzend Foren-Beiträge. Foren sind ja, wie der_die gemeine Internetnutzer_in eigentlich weiß, nicht gerade der Hort der großen Weisheit und Erkenntnis und ich glaube nicht, dass mein Sexleben besser wird, wenn ich jetzt auch noch Foren lese.

Schließlich lande ich auf einer Seite mit “30 Sex-Tipps, die jede Frau bis 30 beherzigen sollte”. Warum eigentlich nicht “20 Sex-Tipps für Frauen bis 20”? Oder “50 für Frauen bis 50”? Über dem Text jedenfalls ist ein Bild: eine Frau liegt auf dem Rücken im Bett, das rechte Bein angewinkelt, sie trägt schwarze Unterwäsche und die Arme über dem Kopf. Halb auf ihr liegt ein Mann mit sehr kurzen Haaren, der weiße Boxershorts trägt und ihr mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht hält. “Guter Sex” ist also weiß, heterosexuell und die Frau liegt unten. Wenn das die Bedingungen sind, muss ich mir nochmal überlegen, ob ich diesen „guten Sex“ überhaupt haben will.

Ich schaue noch ein bisschen weiter und lese von life-changing sex und finde sogar Übungen dafür. Sex, schön und gut, aber gleich welcher, der mein Leben verändert? Na, ich weiß nicht. An sich finde ich mein Leben ja schon sehr gut so wie es ist. Dass da derzeit ein bisschen die Erotik fehlt, sind vielleicht ein paar kaputte Pixel im Gesamtbild.

So langsam frage ich mich allerdings, wieso ich mich überhaupt so anstelle. Mit guten Sachen kenne ich mich an sich nämlich schon ein bisschen aus: ich kenne gute Bars, ich kann gut Mathe und Blödsinn machen, außerdem weiß ich, wie man guten Käsekuchen macht. Aber gerade mit dem Käsekuchen ist das ja so eine Sache: manche mögen gerne Käsekuchen mit Quark und mit Boden, wie ihn meine Oma beispielsweise machte. Andere mögen am liebsten gar keinen Boden, dafür aber Rosinen. Viele andere Menschen hingegen hassen Rosinen. Wieder andere finden auch Schokoladen-Käsekuchen großartig, während ich schon beim Gedanken an Schokolade wegrennen möchte. Und dann gibt es ja auch noch die unzähligen Varianten von Käsekuchen wie New York Cheesecake, andere Versionen mit Frischkäse und welche mit Blaubeeren obendrauf.

Dünner, krümeliger Boden, und eine auf keinen Fall zu süße Füllung mit ein wenig Zitronensaft. Sexuell gesehen bin ich ja der Typ New York Cheesecake. Und im Sommer mag ich auch gerne Erdbeeren dazu (zum Kuchen). Aber, ganz ehrlich: der Kuchen muss nicht perfekt sein. Die Füllung kann Risse haben oder geronnen sein, der Boden kann angebrannt und der Kuchen kann auch ganz schlecht sein, das ist alles völlig in Ordnung. Ich esse auch anderen Kuchen (jedenfalls, so lange keine Rosinen oder Schokolade drin sind). Und ich habe überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn es mal keinen Kuchen, sondern nur Butterbrot gibt oder das Essen ganz ausfällt.

Jetzt sitze ich hier und habe Käsekuchenfantasien, während ich eigentlich an Sex denken wollte. Ich höre ein bisschen Musik und mache erstmal das Internet zu, das war nämlich bei all meinen Überlegungen nicht gerade hilfreich. Und womöglich sorgt es nur dafür, dass ich mich hier noch verrückt mache. Denn am Ende ist Sex doch wirklich einfach wie Käsekuchen – schlicht und einfach Geschmackssache. Und es gibt nicht nur Menschen, die keine Rosinen mögen, sondern auch Menschen, die keinen Käsekuchen mögen. An sich finde ich die Idee von Sex ja immer noch gut. Ich habe im Moment einfach nur das Gefühl, dass Käsekuchen etwas leichter erreichbar ist, und dass ich mir da sicherer bin, wie das geht.

Ich sollte einfach aufhören, mir großartig Gedanken um guten Sex zu machen. Es ist nämlich ohnehin schon Blödsinn, dass ich unbedingt “guten” Sex finden wollte. Als wäre das etwas, was sich aus dem Nichts planen lässt. Als wäre es eine prima Idee, mit genau dieser Erwartung ans wieder-Sex-Haben heranzugehen. Als wäre es nicht so, dass es häufig erst hinterher klar ist, ob es gut war, und ob es nicht auch schön gewesen sein kann, wenn es nicht „life-changing“ war. Und als wäre guter Sex alles, was zählt. Vielleicht reicht es doch schon, Olli Schulz’ “Wenn es gut ist, wird es schön sein” umzukehren – zu „wenn es schön ist, wird es gut sein”.

Wirklich gestellt habe ich mir zuletzt die Frage, wie Sex eigentlich ist, bevor ich das erste Mal welchen hatte. Was Sex für mich beinhalten kann (aber nicht muss), habe ich nach und nach herausgefunden und irgendwann nicht mehr darüber nachgedacht. Das, was ich so mit der Zeit herausgefunden hatte, ist zwar im Moment so ein bisschen vergraben. Aber je mehr ich in den letzten Tagen überlegte, umso klarer wurde mir, dass ich im Prinzip schon sehr gut weiß, was Sex für mich “gut” macht und was ich will: Menschen welchen Geschlechts_welcher Geschlechter ich attraktiv finde, und zwar so attraktiv, dass ich mit ihnen ins Bett oder sonstwo hin will; was mich anmacht; was ich nicht möchte; auf welche Praktiken ich stehe; wie ich zu safer sex stehe; wie ich mit meinen Sexpartner_innen umgehe und was ich mir von ihnen wünsche. Im Vergleich zu damals, vor meinem ersten Sex, bin ich also eigentlich schon ein ganzes Stück weiter, und dass ich weiß, was ich will, ist auf dem Weg zu schönem Sex doch schon einmal kein ganz schlechter Anfang. Jetzt muss ich eigentlich nur noch Menschen finden, die ähnliche Sachen mögen wie ich und ein bisschen Käsekuchen Sex mit mir haben.

Es sieht gerade einfach so aus, als müsste ich das mal gebacken bekommen (hierfür 5 Euro in die Wortwitz-Kasse).

Wir lesen uns in zwei Wochen. In der Zwischenzeit habe ich zwar womöglich keinen Sex, aber immerhin auf jeden Fall Käsekuchen.

5 Antworten zu “Shalalalala, Erotica! (2) – Käsekuchen”

  1. abrapalabra sagt:

    Ich weiß nicht ob du auf so perverses Zeugs stehst, aber hast du schon mal, du weisst schon…hast du schon mal funky Käsekuchen mit Tofu gemacht? Ich weiß, beim ersten Mal ist immer..ja…alle sagen, da steht doch schon K Ä S E im Titel… aber meine Oma sagt immer: No Risk, No Funk!

  2. […] mehr Käsekuchen bei kleiner […]

  3. Dunkelzahn sagt:

    make my day! Warum kann ich hier nicht direkt drucken? (Klemmgeräusch alter Heidelberger Maschine einfügen)

  4. […] darüber, wie ich letztens aus Versehen in eine Reißzwecke gelegt wurde oder warum ich seit der letzten Folge dieser Kolumne ständig nach Käsekuchenrezepten gefragt […]

  5. Schegge sagt:

    Danke! Ich lag gerade unterm Tisch vor Lachen. :D