re:cap – Tag 1 der #rp13

Foto , CC BY 2.0 , by Tony Sojka

Wie so diverse andere Internetmenschen auch, sind Teile der kleinerdrei-Redaktion gerade auf der re:publica unterwegs. Während dieser drei vollgepackten Tage werden wir versuchen, euch von unseren Highlights zu berichten, genau so wie von den Enttäuschungen und wie oft wir an einer Mate-Üerdosis vorbeischrammen.

Lucie

Als erstes war ich bei Gunter Dueck, den ich vor zwei Jahren sehr spannend fand, dessen Foliengestaltung mir aber Übelkeit verursachte – so sehr, dass ich floh. Zur Vermittlung gehören halt auch Mittel. Ich habe mir sagen lassen, es war aber eh nicht so ertragreich (siehe map).

taschen

Für Besucher_innen gibt es dieses Mal eine wunderbar bunte Auswahl an Taschen.

Birgitta Jónsdóttir, isländische Politikerin und Vorsitzende der isländischen Piratenpartei Píratar, erzählte in ihrem Vortrag „Iceland could have been innovative: Participatory democracy“ nach, wie Island beinahe zum 1. Land wurde, in dem eine durch umfangreiche Beteiligung der Bevölkerung entstandene Verfassung verabschiedet wurde. Leider nur beinahe, denn trotz Mehrheit bei der Volksabstimmung verzögerte das Parlament die Abstimmung so lange, dass die Verfassung in der Wahlperiode nicht mehr verabschiedet werden konnte und damit faktisch gescheitert ist. Doch Jónsdóttir ist kämpferisch und so war ihr Talk auch trotz der Geschichte des Scheiterns sehr inspirierend: denn sie macht einerseits klar, dass Demokratie zwar Arbeit ist – Zitat: „People tend to forget that.“ – aber wieviel durch Einsatz auch von „Nicht-Expert_innen“ wie ihr (sie betonte ihren „Amateurinnen“-Status) erreicht werden könnte. In der Verfassung stünden die grundlegenden Regeln des Zusammenlebens einer Gesellschaft und jede Generation müsse diese neu verhandelnd. Die meisten Menschen hätten sie aber nicht mal gelesen. Mhm. Ertappt…

kleinerdreisticker

Haben wir mitgebracht und noch frisch vor Ort gestempelt: kleinerdrei-Sticker im besten DIY-Stil.

Die Autorin, Aktivistin und Beraterin für digitale Medien, Deanna Zandt, zeigte bei ihrem Vortrag „Ecstasy and Despair: How Powerful Emotions Trigger Digital Activism“ im besten Sinne, wie man Folien gestaltet – manchmal habe ich das Gefühl, in Deutschland sind wir da grundsätzlich unbegabt(er). Folien, die das Gesagte illustrieren und ihm einen Mehrwert geben und es nicht nur doppeln. Und das mit Humor! Es ließen sich zum Beispiel einige Dr-Who-Referenzen entdecken. Das passte auch zu ihrem Thema: Wie sich online durch das Teilen von Erfahrungen und Geschichten eine emotionale Teilhabe einstellen kann und Ad-Hoc-Bewegungen entstehen können, die sogar das Potenzial haben, hierarchische Macht zu durchbrechen. So geschehen etwa in den USA, als der Organisation Planned parenthood einer der wichtigsten Sponsoren, die Susan G. Komen Foundation, die finanzielle Unterstützung entzog, weil Planned Parenthood auch Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die u.a. über ein tumblr gesammelten Geschichten, über die von Planned Parenthood unerlässliche geleistete Hilfe, bewogen den Sponsor schließlich zum Einlenken und brachten Planned Parenthood außerdem viele neue Unterstützer_innen. Nur ein Beweis für die nicht zu unterschätzende Kraft emotionaler Verbundenheit in sozialen Netzwerken, die Zandt Relationship Management Tools nennt.

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Auf der Bühne leider nicht ganz so gut zu sehen gewesen, aber deswegen hier noch mal in aller Pracht festgehalten: Das Tattoo von Deanna Zandt.

Bevor mich gegen Abend das Socializing (und das Bier) komplett abgelenkt hat, war ich noch in der Session „Muslimische BloggerInnen schaffen Gegenöffentlichkeit“, in der Stine Eckert eine qualitative Studie über muslimische Blogger_innen in Deutschland vorstellte. Ein (weiterer?) interessanter Beweis, wie im Netz Gegenöffentlichkeit hergestellt und der falschen Darstellung in den etablierten bzw. „alten“ Medien entgegengewirkt werden kann. Die 23 Blogger_innen (gleich viele Frauen und Männer zwischen 18 und 71 Jahren) bloggen mitnichten nur über das muslimische Leben (warum auch?), haben aber im Grundsatz ähnliche Beweggründe: die eigene Identität positiv zu definieren, zu betonen, dass auch sie untereinander nicht immer einig sind – und es eben viele Arten gibt, muslimisch zu leben, und unterschiedliche Bedürfnisse, es zu erklären – oder eben nicht. Denn natürlich ist es für die meisten nur ein Aspekt ihres Lebens.

Sehr wichtig ist generell das Aufzeigen von Missrepräsentationen in der Presse, wobei nicht nur über „große Themen“ wie Sarrazin sondern auch übe lokale wie bspw. Fehlinformationen über die neue Moschee usw. gebloggt wird. Der skandalisierenden Medienlogik, die für Muslime oft negativ ausfällt, kann so etwas entgegengesetzt werden. Einige Blogger_innen sind auch über das Bloggen bereits mit der Presse in Kontakt gekommen, sie werden zunehmend als Interviewpartner_innen etc. wahrgenommen, werden auffindbar und sichtbar. Aber leider, wie das so oft ist, wiederum nur als Expert_innen zu Themen wie Islam, muslimisches Leben in Deutschland oder Integration – und nicht in ihrer ganzen Vielfalt. Da ist also noch Luft nach oben.

Insgesamt sieht mein Fazit zum 1. re:publica-Tag eher so aus:

 


 

Vielleicht wäre weniger mehr. Das Überangebot von Sessions hat mich jedenfalls etwas erschlagen.

Map

Gunter Dueck redete im wesentlichen großflächig um den Brei herum und ergänzte seinen Talk – Mario Barth nicht komplett unähnlich – mit Klischees aus (s)einem Eheleben. Seinen Punkt habe ich in der ersten Hälfe des Talks nicht gefunden. Vielleicht gelang ihm das ja später noch, ich habe den Talk auf jeden Fall frühzeitg verlassen, weil etwas die Substanz gefehlt hat.

Birgitta Jónsdóttir hatte einige interessante Gedanken zur isländischen Verfassung die sich ihrer Aussage zur Zeit „im Koma“ befindet. Dass man eine Verfassung mit jeder Generation neu verhandeln sollte, als Gesellschaftsvertrag fand ich dabei am interessantesten.

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Mark Rendeiro, aka bicyclemark.

Mark Rendeiro, im Internet auch bekannt als bicyclemark, hatte viel Spannendes zu berichten von seinen Radioreportage-Reisen durch Nordafrika. Zusammen mit dem etablierten Radiomacher Chris Lydon finanzierte er Interviews mit Künstlern über den arabischen Frühling via Kickstarter. Ein schönes und spannendes Projekt.

Anne

Da ich in diesem Jahr selber wieder einen Vortrag auf der re:publica halten werde, bin ich als Besucherin leider gerade ungefähr so entspannt wie das weiße Kaninchen aus „Alice im Wunderland“. Trotzdem habe ich es mir am ersten Tag natürlich nicht nehmen lassen und mir ein paar Vortragsperlen angesehen. Darunter zuerst den meiner sehr guten Freundin Deanna, „Ecstasy and Despair: How Powerful Emotions Trigger Digital Activism“. Sie dieses Jahr bei der re:publica sehen zu können, bringt zwei Welten zusammen, die schon lange zusammen gehören sollten und macht mich wirklich sehr stolz.

Ihre Talks und Ausführungen über die Kraft und Macht von Ad-Hoc-Netzwerken finde ich nicht nur unglaublich inspirierend, sondern auch sehr hilfreich für meine eigene aktivistische Arbeit. Davon abgesehen, will ich einfach auch mal so souverän Talks halten können wenn ich groß bin. Hach.

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Deanna in Aktion. Sogar Darwin im Hintergrund kann nicht anders, als das zu unterstützen.

Direkt im Anschluss sah ich mir auch gleich noch die britische Bloggerin und Journalistin Laurie Penny an, die das kleinerdrei-Team ja bereits letztens zum Frauentag begeistert hatte. Sie hielt einen Vortrag über „Cybersexism“, was damit auch eine Zusammenfassung ihres nächsten Buchs war. Wichtigste Kernbotschaft hier – und zudem eine, die ich selbst immer wieder betone – lautete, dass sexistische Attacken, Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Frauen online nicht weniger real sind, als offline – denn auch das ist ein Lebensraum. Sehr gut fand ich ebenso ihren Punkt, dass diejenigen, die solche Attacken ausüben sich dabei stets auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung beziehen und damit nicht nur einerseits die Erfahrungen derjenigen lächerlich machen, die tatsächlich mit den Auswirkungen von Zensur zu kämpfen haben, sondern andererseits auch selbst Zensur ausüben, indem sie andere Menschen gezielt zum Schweigen bringen wollen.

Dabei zitierte sie auch aus einem Text von der ebenfalls tollen Helen Lewis, den diese im Zuge der Angriffe auf Anita Sarkeesian geschrieben hatte und der mich mit dieser Aussage nachhaltig beeindruckte:

What you fail to understand is that the use of hate speech, threats and bullying to terrify and intimidate people into silence or away from certain topics is a far bigger threat to free speech than any legal sanction. Imagine this is not the internet but a public square. One woman stands on a soapbox and expresses an idea. She is instantly surrounded by an army of 5,000 angry people yelling the worst kind of abuse at her in an attempt to shut her up. Yes, there’s a free speech issue there. But not the one you think.

Fazit: Wir müssen diese Attacken ernst nehmen und nicht als „Internet-Ding“ abtun. Das Internet kann aber eben auch dabei helfen und diese Probleme erst mal sichtbar machen und Frauen die Möglichkeit zum Austausch und für Vernetzung bieten – hier schloss sich damit ebenso perfekt der Kreis zu Deannas Talk vorher.

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Laurie Penny auf Bühne 1 und mit einem der besten Talks von Tag 1.

Ansonsten finde ich toll, wie im mittlerweile (verflixten) 7. Jahr (!) der Hof immer noch der heimliche Star der Veranstaltung ist. Dort muss man eigentlich nur kurz stehen bleiben, warten und wird dann mit vielen lieben bekannten und neuen Internetmenschen belohnt. Und um die geht es am Ende eben immer: Die Menschen hinter den Bildschirmen. Ich hoffe, ich treffe dieses Mal noch sehr viel mehr von ihnen. In anderen Worten: Sagt gerne hallo (auch wenn ich im Kaninchenmodus bin)!

3 Antworten zu “re:cap – Tag 1 der #rp13”

  1. […] 2013: Review Tag 1 mit Sketchnotes, Kathrin Passig, gemachten YouTube Stars und Sascha Lobo – Recap des ersten Tages bei Kleiner Drei – Tag 1 auf der re:publica bei moviepilot – Kleine re:trospektive – Die Plakate der […]

  2. […] neuen Menschen. Eine gute Zusammenfassung der Panels und Beiträge findet ihr u.a. bei kleinerdrei. Dieses Jahr durfte ich sogar meinen eigenen kleinen Beitrag geben mit einem Panel über Sportblogs […]

  3. […] unseren Zusammenfassungen der re:publica am Tag 1 und Tag 2 fehlt nun natürlich noch der krönende Abschluss. Wir kratzen also unsere letzten […]