I ♥ Political Correctness!

Foto , CC BY-NC-SA 2.0 , by spunkinator

Egal ob Sexismus- oder N-Wort-Debatte, ein Vorwurf lässt nie lange auf sich warten: das sei alles Political Correctness. Aber was genau soll daran eigentlich schlecht sein? Ein Plädoyer.

Man kann sich eigentlich immer sicher sein: Sobald irgendwo antidiskriminatorische Sprache und Sprachverwendung zum Thema gemacht wird, stehen sie auf der Matte. Die Opfer der Political Correctness, die so verängstigt sind, dass sie kaum noch sprechen können. Mit letzter Kraft schaffen sie es noch zu rufen: „Zensur, Zensur!“, dann wird ihnen von den Wächter_innen der Political Correctness der Mund zugeklebt. Am Horizont hoffen sie bald die Reiter der Apokalypse ihre Lanzen recken zu sehen, um die gendergerechte Sprache zu zerschmettern. Mit Tränen in den Augen fallen sie auf die Knie und wähnen sich bald wieder im Paradies, wo man noch das N-Wort sagen und schreiben und wo man Frauen noch die schönsten Komplimente über ihre Oberweite machen darf und sie sich darüber freuen – alles im generischen Maskulinum, versteht sich.

Am liebsten würde ich sie ja da im Staub liegen lassen, denn diese Leute wirken auf mich wie eine lächerliche Sekte. Und unter der Märtyrertracht steckt doch sowieso wieder nur der weiße, heterosexuelle Mann (WHM), der voller Selbstmitleid sein Leid klagt. Wenn es nur nicht immer so viele wären. Er beschwert sich über seinen Machtverlust, denn es fuchst ihn total, dass er nicht mehr durch unreflektiertes Sprechen die Menschen diskriminieren darf, die nicht seinen Attributen entsprechen: nicht-weiß, nicht-heterosexuell, nicht-männlich. Die Argumentation ist dabei schon ziemlich perfide: Sie sehen sich selbst als Opfer eines Instrumentes, das Diskriminierung verhindern soll, die aber größtenteils ursprünglich von ihnen ausging – das ist schon ein starkes Stück. Der weiße, heterosexuelle Mann war schon immer gut darin die Rollen von Täter und Opfer zu vertauschen, das sehen wir gerade mal wieder bei der #aufschrei-Debatte. Abertausende von Frauen berichten von ihren Erfahrungen mit Alltagssexismus und das, worüber geredet wird, sind mal wieder die Befindlichkeiten des weißen, heterosexuellen Mannes – hier ein kleines Beispiel (mit Triggerwarnung vor eigentlich allem).

(Natürlich pauschalisiere ich an dieser Stelle maßlos, das nennt sich Übertreibung, unter Fachleuten auch Hyperbel, und ist ein rhetorisches Mittel, um meinen Standpunkt besser klar zu machen. Natürlich sind nicht alle weißen, heterosexuellen Männer so und nicht alle, die sich so verhalten, sind weiß, heterosexuell und männlich. Aber das ist nicht der Punkt, es geht nämlich, wie immer, um dominierende Tendenzen. Rhetorische Mittel sind übrigens ein tolles Beispiel für die Macht von Sprache – falls an die mal wieder einer nicht glauben will.)

Aber was ist Political Correctness jetzt eigentlich und warum sollten wir sie lieben und keine Angst vor ihr haben? Political Correctness soll die Sprache weniger diskriminierend machen. Ja, Sprache ist diskriminierend. Und das ist auch kein Wunder, hängt sie ja schließlich trotz allem irgendwie mit der Realität zusammen und wie sollen sich bitte z. B. Jahrhunderte mangelnder Gleichberechtigung und Verachtung von Frauen, Homosexuellen und Schwarzen nicht in der Sprache niederschlagen? Aber seit einigen Jahrzehnten ist das ja zum Glück ein wenig anders. Wir werden zunehmend sensibler für sprachliche Diskriminierungen – allen voran die Betroffenen. Die halten nämlich nicht mehr den Mund, wenn sie diskriminiert werden. Dann wirft sich der WHM an der Kasse des Sprachsupermarktes auf den Boden und brüllt, weil er sich das N-Wort nicht mitnehmen oder „schwul“ nicht als Schimpfwort benutzen darf. Und sie schimpfen auf all die, die sie dafür zur Rechenschaft ziehen.

Die Wahrheit ist: Political Correctness ist super, weil sie dazu führt, dass weniger Leute diskriminiert werden. Das führt zu einem besseren und angenehmeren Zusammenleben für alle und macht die Welt zu einem besseren Ort. So einfach ist das. Darum ist jeder, der das N-Wort verteidigt, rassistisch. So einfach ist das. Jeder, der „schwul“ als Schimpfwort benutzt, ist homophob. So einfach ist das. Ja, auch wenn man es „nicht so meint“. Das ist auch für mich kein Problem mit der Redefreiheit, denn die hört da für mich auf, wo ich andere Menschen verletze bzw. verletzen kann. Es ist noch nicht einmal irgendeine Art der Selbsteinschränkung, denn Beleidigungen und diskriminierende Sprache sind nie unverzichtbar. Also lasst es mich einmal deutlich sagen: Jeder, der sich gegen Political Correctness stellt und darauf beharrt, ist für mich erstmal ein Arsch – bis zum Beweis des Gegenteils. Weil nur Ärsche nicht an einem friedlicherem Zusammenleben interessiert sind. Was das beliebte Gegenargument „Gibt es keine größeren Probleme?“ angeht: Natürlich sind Krieg, Hunger, Krankheiten etc. viel schlimmer – aber auf der Straße dauernd „Das ist so schwul!“ zu hören ist für mich auch schlimm und erstere Probleme verbieten es nicht über letztere zu sprechen. Political Correctness ist, um mich einer tollen Formulierung von Anne zu bedienen, ein „Hack für das System“, das sprachliche System. Ein Werkzeug, das nicht immer perfekt funktioniert, aber mit dem wir trotzdem besser arbeiten können als ohne.

Nun ist das aber mit den bewussten, normativen Sprachänderungen so eine Sache – sie setzen sich meist nicht durch, wenn eine Institution von oben herab bestimmt, wer wie zu sprechen hat. Hier in Frankreich wäre das z. B. die Académie française, die sich vor kurzem den Begriff „mot-dièse“ für Hashtag ausdachte – und das Gelächter war groß. Nein, sprachliche Veränderungen setzen sich ganz simpel nur dann durch, wenn die Mehrheit (oder zumindest eine ausreichend große Anzahl) der Sprecher_innen sie benutzt. Deswegen ist es an uns die Political Correctness durchzusetzen, indem wir sie benutzen und sie im Alltag umsetzen. Es hängt also nur von uns ab. Natürlich ist es schwierig und oft kompliziert und ich bin selbst weit entfernt davon politisch korrekt zu sprechen (z. B. bin ich noch weit davon entfernt gendergerecht zu schreiben). Aber ich denke viel darüber nach und versuche mich von Tag zu Tag zu bessern. Ich finde es großartig: Niemand kann jemandem vorschreiben, wie er zu sprechen hat. Ich kann aber meine eigene persönliche Revolution starten, indem ich versuche durch mein eigenes Sprechen und Schreiben mithilfe der Political Correctness einer nicht-diskriminierenden Sprache ein Stückchen näher zu kommen. Eine Sprache, durch die niemand mehr verletzt und ausgeschlossen wird – wäre das nicht toll? Ist das kein gutes Ziel?

Der oben genannte Vorteil ist aber auch ein Nachteil: Niemand kann jemandem vorschreiben, wie er zu sprechen hat. Ich kann also nicht wirklich jemanden davon abhalten „schwul“ als Schimpfwort zu benutzen, wenn er_sie es wirklich will – genauso wie ich es nicht verhindern kann, dass mir jemand aus dem Fenster einen Blumenkübel auf den Kopf wirft, wenn er_sie es wirklich will. Und es gibt sie ja wirklich, die Leute, denen mal etwas rausrutscht, von dem sie sich gar nicht bewusst waren, dass es für andere verletzend sein kann. Dann kann man sie darüber aufklären und vernünftige Menschen werden immer daraus schlauer – und dann ist gut. Kübra Gümüsay (offensichtlich kein WHM) beschrieb diese Woche in ihrer Kolumne einen solchen Vorfall und ebenfalls die Konsequenzen, die sie aus der Kritik an ihr zog: „der Schaden, den diese Wörter verursachen, ist größer und ernster zu nehmen als mein vorübergehend verletzter Stolz. Und wäre die Kritik sanfter gewesen, hätte ich sie dann wahrgenommen? Ich weiß es nicht. […] Hätte ich mich damals mit der rassistischen Sprache auseinandergesetzt und versucht, aus meinem Fehler zu lernen? Vermutlich nicht.“

Fehler zu machen ist also nicht das Problem. Wichtig ist nur, dass denen zugehört wird, die auf die Fehler hinweisen und die Hinweise nicht aus Stolz, Ignoranz oder Angst weggewischt werden. Wir müssen uns aber auch trauen auszusprechen, dass es einfach überhaupt gar nicht geht, wenn jemand ernsthaft an dem Verbleib rassistischer Wörter in Kinderbüchern festhält. Wir dürfen keine rassistischen Witze mehr dulden – auch nicht, wenn sie von engen Freund_innen kommen und erst recht nicht, wenn sie „nur ironisch“ gemeint sind. Wenn wir keinen Rassismus mehr wollen, brauchen wir keine rassistischen Begriffe mehr – Euphemismus-Tretmühle hin oder her. Wenn wir keine Diskriminierung mehr wollen, dürfen wir keine diskriminierende Sprache mehr benutzen.

Matthias Dusini und Thomas Edlinger machen in ihrem Essay auf ZEIT ONLINE (Triggerwarnung: Ausschreibung rassistischer Begriffe) auf einen viel zu unbeachteten Aspekt der Political Correctness aufmerksam: „Politische Korrektheit bedeutet auch, dass Menschen […] eine Stimme bekommen, die bislang keine hatten.“ Im Grunde schließt das ein bisschen an meinen letzten Artikel an; mit politisch korrekter Sprache bekommen marginalisierte Gruppen vielleicht eher die Möglichkeit zu sprechen, als ohne. Auch sollte man sich hier für einen Augenblick von dem ganzen Diskurs der Political Correctness lösen und sich einmal auf den wörtlichen Sinn von politisch korrekt besinnen: Was kann bitte schlimm daran sein, wenn etwas politisch korrekt ist? Als politische Individuen richtig und korrekt behandelt werden – wollen wir das nicht alle? Wir sollten uns diesen Begriff wieder aneignen und wieder das sehen, was gut daran ist. Wir sollten uns wieder trauen die Political Correctness als Konzept zu verteidigen und das Kokettieren mit politisch Unkorrektem vom Platz zu verweisen – und zwar dahin, wo es hingehört: zu Stammtischgelaber, zu Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen, zu deutschtümelnder Piefigkeit und der Angst vor Bedeutungsverlust. Und den brüllenden WHM an der Supermarktkasse? Den lassen wir erst einmal schreien, bis er sich beruhigt hat – danach erklären wir ihm, warum manche Wörter einfach schlecht für ihn sind. Ich bin mir sicher, dass er es dann verstehen wird.

Und wenn wir das getan haben, rufen wir alle: We ♥ Political Correctness!

41 Antworten zu “I ♥ Political Correctness!”

  1. tina sagt:

    Da seh ich noch ein Problem, und zwar im Begriff der „Political Correctness“ selbst. Dieser Text ist einer der wenigen, in denen er von einer Person verwendet wird, die sich selbst um nicht-diskriminierende Sprache bemüht. In den allermeisten Fällen kommt er mir als Kampfbegriff unter bei Leuten, die das nicht sinnvoll finden– ähnlich einzuordnen wie das Konzept der „Rassismuskeule“ und eng verknüpft mit dem der „Gedankenpolizei“. Die allermeisten Beispiele, die Menschen dafür einfallen, gehen in Richtung „Salzstreuer_in“, sind in schmähender Absicht erdacht worden, um die vermeintliche Unsinnigkeit dieser Idee zu betonen. Meine erste Assoziation ist die eines Reinwaschens, das gar nicht so gemeint ist, also das sture Befolgen irgendwelcher Regeln, ohne zu verstehen, warum das nun sinnvoll wäre, einfach, weil es „erwartet wird“ (von wem auch immer). Dieser Begriff ist also (zumindest im deutschen Sprachraum) recht stark vorbelastet und das könnte dem Aufruf im Weg stehen –
    Anders betrachtet:
    Ein wunderbarer Artikel zur Notwendigkeit gerechterer Sprachverwendung, der möglicherweise zur positiven Aneignung des PC-Begriffes durch die, denen er gerne vorgeworfen wird, führen kann. Vielen, vielen Dank.

  2. Lisa sagt:

    Ich danke dir von Herzen für diesen Artikel – du sprichst mir aus der Seele. :)

  3. Roma M. sagt:

    Vielen Dank für den Artikel – er spricht mir aus der Seele.

  4. dieKadda sagt:

    ja! unbedingt!
    vor über zehn Jahren habe ich angefangen, grüne politik zu machen (bei der Grünen Jugend <3) und benutze seither "PC" völlig ironiefrei – wenn ich z.B. frage "ist das PC?".

    daneben habe ich ihm "Guy's Guide to Feminism" gelesen, dass der Begriff an sich aus der feministischen Bewegung der zweiten Welle stammt und dort ursprünglich ein bisschen selbstironisch verwendet wurde. Was ich auch völlig okay finde – ein bisschen Selbstironie tut Weltverbesserer_innen immer gut :)
    aber wie er in den vergangenen Jahren immer weiter "okkupiert" wurde, um von politisch rechter und konservativer Seite als höhnische Denunziation benutzt zu werden… *kopfschüttel*.
    die Frage ist nur: In wie weit beschäftigt man sich lange mit solchen Idioten. Also warum so ein langer Artikel? Vor eben jenen zehn Jahren hat man mir halt immer die Bezeichnung "Gutmensch" an den Kopf geknallt. "Fein" habe ich gedacht "jemand bemerkt, dass ich mir Mühe gebe, ein guter Mensch zu sein" (jemand, der sich offensichtlich keine Mühe gibt – le sigh).

    nichts desto trotz: danke für deine Bemühungen, PC zu retten. Finde ich lohnenswert.

    • Daniel sagt:

      Kannst Du erklären, warum es „Weltverbesserer_innen“, aber „Idioten“ heisst?

      • Kinch sagt:

        Der Artikel spricht doch primär WHM an. Und dieKadda bezieht sich eben auf den Artikeln.

      • dieKadda sagt:

        jupp. kann ich: weil ich nicht perfekt bin.

        LG

        kleines PS: die Unachtsamkeit könnte unbewusst auch daran gelegen haben, dass es in meinem Fall wirklich alles Männer waren.

  5. Rudi Lux sagt:

    Ich habe neulich einem Ami erzählt, dass PC in Deutschland zur Selbstbeschreibung verwendet wird und das Leute drauf stolz sind. Der ist fast umgefallen vor lachen.
    PC ist eigentlich ursprünglich Selbstironie unter Linken, und dann Schlachtrhetorik der Rechten. Wer PC jetzt ernsthaft für sich selber als erstrebenswertes Ziel einfordert, hat da historisch ein paar Sachen nicht verstanden.

    Inklusion und gewaltfreie Sprache sind ja hehre Ziele, die ich durchaus teile, aber bitte, bitte, bitte, hört auf das als PC zu verkaufen, Ihr macht Euch damit zu Deppen.

    • map sagt:

      Der „Ami“ scheint da ein bisschen in Kategorien der Siebziger zu denken. Neue Linke und so. Ich nehme Daniels Text als Aufruf sich den Begriff neu anzueignen nach dem er seit den Neunzigern zunehmend von recht-konservativen Stimmen als Kampfbegriff vereinnahmt wurde. Das finde ich gut, auch wenn es mich in deinen Augen zu einem „Deppen“ macht.

  6. Alex sagt:

    „Nein, sprachliche Veränderungen setzen sich ganz simpel nur dann durch,
    wenn die Mehrheit (oder zumindest eine ausreichend große Anzahl) der
    Sprecher sie benutzt.“

    Müsste es nicht Sprecher*innen heißen?

  7. Rico Grimm sagt:

    Spannend zu sehen, dass mal jemand PC offensiv verteidigt. Die Argumente stimmen ja auch. Aber ich glaube, dass wir einen noch viel längeren Weg gehen müssen: PC-Formulierungen sollten so normal werden, dass sie abgeschafft werden können. Es ginge dann explizit nicht darum, mit der Stammtischkeule um sich zu schlagen, sondern eine Sprache zu entwickeln, die es zulässt über Unterschiede zu sprechen ohne diskriminierend zu werden. Das halte ich für eine Grundvorraussetzung für eine ethnisch und kulturell diverse Gesellschaft, die nicht auseinanderdriften soll.

    (Fast) jedes Gespräch beginnt mit der Suche nach Gemeinsamkeiten und schreitet mit steigendem Vertrauen zu den Unterschieden fort. Ich fühle mich als WHM gut in der Lage über das erste zu reden, komme aber immer ins Stocken, wenn es um die wahrgenommenen Unterschiede geht. Was sage ich jetzt? Wie sage ich es richtig? Bei informellen Treffen läuft das wesentlich entspannter ab als bei beruflichen, ergo journalistischen Treffen.

    Ein Artikel hat das kürzlich gut auf den Punkt gebracht:

    „Furthermore, the German public needs to come to terms with the fact that one doesn’t have to buy into fascist or eugenic theories of race in order to talk about the effects of perceived racial difference. Germany needs a new language for dealing with racism—one that advances the idea of a diverse Germany.“

    http://qz.com/39325/germanys-knowledge-of-its-racist-past-has-blinded-it-to-its-racist-present/

  8. Mike sagt:

    Das Problem ist, dass die PC-Sprache von Weißen Randgruppen aufgezwungen wird ohne auch nur mal im Ansatz sich mit den Gruppen zu beschäftigen oder gar in einen Dialog zu treten. Es haben wiedermal Weiße eine Definitionsmacht über Minderheiten erlangt und klopfen sich dann noch selbst auf die Schulter, dass sie ach so tolerant und menschenfreundlich seien.
    Zumal PC eben rein gar nichts an den Problemen löst, es ist einfach nur eine Verschleierung. Siehe „erweiterte Befragungsmethoden“ anstatt das Wort „Folter“. Klingt nett, erweitert, ist bestimmt besser als normale Methoden…Dabei ist der Vorgang 1:1 der Gleiche. und eine Sprache, in der einige festlegen was richtig und falsch ist wird nur noch für mehr Diskriminierung sorgen.

    Ein weiteres Problem ist, dass überhaupt gar kein Lernprozess einsetzt. Unterhaltet euch doch mal mit ganz normalen Menschen. Der Großteil sagt, dass man bestimmte Worte nicht benutzen soll. Warum wissen sie allerdings nicht. Sie haben schlicht Angst ausgerentzt zu werden, gerade auf Twitter wird sobald jemand ein „falsches“ Wort benutzt gefordert, dass derjenige den Job verliert. Damit hilft man niemanden, ein Klima der Angst ist kontraproduktiv.
    Des weiteren sollte endlich mal damit aufgehört werden, jede Ansicht die man nicht mag sofort in eine Rechtsradikaleecke zu drängen. Damit werden Rechtradikaleidee verharmlost und ihr kennt bestimmt die Geschichte vom dem Jungen, der immer „Feuer“ ruft und ihm am ende niemand mehr glaubt.

    Das einzige was PC bisher gebracht hat ist Spott und Hohn und Begriffe, die sich alle paar Jahre ändern (Farbige, Schwarze, Poc usw) ohne, dass sich irgendwas ändert.
    Das ist einfach ein sich selbst bescheißen.

    • map sagt:

      Ich denke du verwechselst im ersten Absatz Euphemismen und Political Correctness. Was deinen anderen Exkurs angeht, kann ich „Deutschland Schwarz Weiß“ als Lesetipp empfehlen.

  9. daniel doublevé sagt:

    ich verstehe nicht, warum jemand politisch unkorrekte, aka rassistische, homophobe, frauenfeindliche etc. kunst machen möchte. diesen selbstantrieb versteh ich einfach nicht.

    • Anne Wizorek sagt:

      hm, ich glaube nicht mal, dass es so gemeint war. kunst kann ja genau das auch sehr gut, nämlich rassismus, sexismus etc. bloßstellen.

      wenn es jedoch darum geht, kunst lediglich für die verbreitung solcher attitüden und botschaften zu nutzen, finde ich eine ausnahme auch nicht nachvollziehbar.

      • daniel doublevé sagt:

        ich meinte genau letzteres.

        denn wie du ja sagtest: kunst, die z. b. rassismus dar- oder bloßstellt, kann das auch, ohne rassistisch zu sein.

        • Thomas Rohr sagt:

          Und wer bestimmt ab wann Kunst oder Satire rassistisch ist? Ich erinnere an die vielen Diskussionen die Titanic-Autoren bzw. Zeichner ertragen mussten. Bernd Pfarrs Negerradio, Karikaturen über Alice Schwarzer… alles rassistisch, chauvinistisch, im Geiste des Julius Streiches etc.

  10. q____q sagt:

    aua aua aua, wer keine kotztüte parat hat sollte den verlinkten wiwo-artikel nicht lesen. gruselig

  11. daniel doublevé sagt:

    grundsätzlich hast du recht.
    die norm des WHM ist aber – in meinen augen – gesellschaftlich un- bis schwach markiert und deswegen habe ich mir diese polemik erlaubt, um die norm stärker sichtbar zu machen. und weil er im zentrum dieser norm steht, lässt sich das verhältnis nicht einfach umdrehen. diskriminiert ein WHM nun einen nicht-weißen, nicht-sexuellen, nicht-männlichen menschen, ist das nicht dasselbe, als wenn das umgekehrt wäre, weil die machtverhältnisse andere sind.
    das heißt aber nicht, dass das wünschenswert wäre.

    darüber hinaus: ich habe doch mehr als deutlich ausgestellt, dass die pauschalisierung ein stilmittel ist, sie als solche entlarvt und später sogar noch ein beispiel zitiert, das von keinem WHM kommt. verstehe also das problem nicht ganz, wenn man den artikel gelesen hat.

  12. Markus_Th. sagt:

    Was mich stört, was viele Leute stört, ist die Art wie „Political Correctness“ ad absurdum geführt wird. Z.B. wenn ein Reporter im Interview mit Samuel L.Jackson den Gebrauch des „N-Wortes“ strickt verweigert – obwohl Jackson ihn dazu auffordert.
    Ich befand mich vor Kurzem im Gespräch mit einem Freund, dessen Eltern aus Nigeria stammen. Als ich (sinngemäß) sagte: „… Du als Schwarzer…“, wurde ich von jemandem uns beiden völlig Unbekannten zurechtgewiesen, ich solle doch bitte die korrekte Bezeichnung „Afro-Amerikaner“ verwenden. Übereifer gepaart mit Dummheit: Weder mein Freund noch seine Eltern sind jemals in Amerika gewesen. Mal völlig abgesehen davon, dass die Zurechtweisung derart promt kam, dass der Herr am Nebentisch offenbar gelauscht und auf eine Gelegenheit zum Eingreifen gewartet hat.
    Solche Zeitgenossen und ihr übereifriger Umgang mit der PC versauen selbiger ihren durchaus wichtigen Sinn.

  13. pruWord sagt:

    Schlecht daran ist, dass man Werke der Vergangenheit, beispielsweise Tim im Kongo, nur noch unter dem Aspekt des Rassismus sehen will, auch wenn darin bewusst Afrikaner als Spiegel der weißen Eindringlinge benutzt werden. Es ist eben nicht immer alles so einfach. Sicher muss man nicht bei jeder Gelegenheit ein Tabu brechen, wie z.B. Hendryk M. Broder aber man sollte sich halbwegs ernsthaft damit auseinandersetzen dürfen, was Tabuisierung verdient und was nicht.

  14. Wie würdest du Schriftsteller wie z. B. Boris Vian oder Charles Bukowski einordnen, die gegen den Mainstream ihrer Zeit angeschrieben und das ganz bewusst in „inkorrekter“ Sprache getan haben?

  15. Daniel sagt:

    Political Correctness ist ein ziemlich dehnbarer Begriff. Für mich fällt da nicht jegliches Beanstanden rassistischer oder sonstwie diskriminierender Begriffe darunter, sondern vor allem Denk- und Sprechverbote, die keinen anderen Sinn haben als den Selbstzweck der Political Correctness. PC ist also so ne Art moderne Form der preußischen Disziplin um der Disziplin willen. Wenn der Sarotti-Mohr entfernt wird oder ein Mänergesangsverein seine Vereinsmitteilungen gendern muss, wenn Zeitungen bei Fahndungsaufrufen die Personenbeschreibung weglassen, weil da was mit dunkler Haut drinsteht, dann ist das für mich „Political Correctness“.
    C abzulehnen bedeutet aber nicht, dass man sich aus Prinzip „inkorrekt“ verhalten sollte, klar.
    Übrigens:
    Ich kenne nicht wenige Leute, die dich für diesen Text an die Wand nageln würden, weil Du nicht ordentlich genderst. Deine Schreibe ist definitiv nicht politisch korrekt. Merkste was?

  16. Spricht auch mir aus der Seele. :)

  17. Der Artikel wirft – erstens – Dinge zusammen, die nicht zusammen gehören. Mit einem bestimmten Begriff bewusst zu beleidigen, betrifft nicht P.C. Diese Verwendung verurteilt jeder. Zweitens verabsolutiert er eine rein persönliche Wertung zu einer objektiven. Der Artikel wechselt ständig die Betrachtungsebene. Was als „rassistisch“ bezeichnet wird, wird anhand der heutigen und persönlichen Sicht des Autors als für alle Zeit objektiver Fakt hingestellt. Ausgehend davon spiele es keine Rolle, ob die Bedeutung damals „rassistisch“ war, heute vom Benutzer so intendiert ist oder von der Zielperson tatsächlich so empfunden wird. Es gilt die Verabsolutierung. Moral ist aber nicht zeitlos. Man kann unsere Maßstäbe nicht per se an frühere Zeiten anlegen. Man kann damit urteilen, aber nicht verurteilen. Heute verleihen wir der EU den Friedensnobelpreis und ehren mit dem Karlspreis … die EU und der Karlspreis sind blutbefleckt, sie basieren auf gefeierten – ganz selbstverständlichen – Kriegen, Mord und Elend. Wen stört das denn heute? (Tja, mich stört das tatsächlich mehr als unsere „diskriminierende“ Sprache.) Darüberhinaus, sogar das generische Maskulinum als „diskriminierend“ zu betrachten, ist geradezu grotesk. Die praktische sprachliche Verkürzung überwiegt, sie hat nichts (!) mit dem unterdrückten Frauengeschlecht zu tun. Gendergerechte Sprache ist das, was man mit Political Correctness geißelt – ein Wahnwitz.

    • Johannah Lea sagt:

      also ich als weiblicher mensch fühle mich vom generischen maskulinum beleidigt – willst du mir das jetzt absprechen??? ich bin bspw kein „student“, wenn also von „studenten“ die rede ist, fühle ich mich nicht gemeint, ausgelassen und unsichtbar gemacht. aber hey, zum glück, lieber tobias, hast du mal kurz die ganze debatte geklärt und uns allen gesagt, dass gendern schwachsinn ist. *ironie off*

  18. Robin Kiwitt sagt:

    So sehr ich den Sinn, die grundlegende eigentliche Notwendigkeit des korrekten Genderns begründet durch sprachlich tief verwurzelte Präferenz der männlichen Bezeichnungen für Menschen generell verstehen und nachvollziehen kann, so überzeugt es mich (leider) dennoch nicht. Ich glaube, das liegt an der immensen Angriffsfläche, die sich auf tut, wenn jedes Wort, jede Wendung, all mein Sprechen und mein Ausdruck immerzu nur daraufhin abgescannt wird, ob ich gerade (und das geschieht, wie wohl bei den meisten, vollkommen unabsichtlich) wieder mal jemanden beleidigt oder gedemütigt haben sollte. Das erweckt auch in mir den Eindruck einer Art Zensur, die ich in dieser Form nicht hinnehmen will. Ebenso wenig wie das „Verbot“, mit Freunden Witze über Schwuchteln oder Schwarze zu machen (ich bin selber schwul und habe schwarze Freunde), das finde ich geht eindeutig zu weit und ich fühle mich auch nicht beleidigt, wenn man mich ironisch freundschaftlich eine Schwuchtel nennt. Um Gottes Willen, es ist doch ein stückweit wahr! Was wäre ich, ja, beinahe gar selbstverleugnend, wenn ich ihn zurechtwiese und ihm sagte, dass das ja mal gar nicht gehe und ich mich beleidigt fühle.
    Im gleichen Zug kann ich nicht verstehen, wieso es immerzu nötig ist, die für mich einen Text nahezu misshandelnde „Salzstreuer_in“-Unterstrich-Schreibweise zu verwenden. Himmel, i-gitt?! Das finde ich, um ehrlich zu sein, beinahe noch sexistischer, ist es demnach ja wohl nötig, auf auffallend herausstechende Weise zu betonen, dass man ja auch weiblich sein kann. Oder eben männlich. Und dass beide angesprochen und gemeint sind, aber betont werden muss, dass es nicht dasselbe ist.

    Das unterstreicht den Unterschied zwischen den Geschlechtern doch noch viel mehr. Etwas überspitzt könnte man diese lustige Unterstrich-Drangehänge ja auch noch mit anderen oberflächlichen Merkmalen koppeln, indem man Suffixe an die Worte hängt, so zB. für die Hautfarbe oder die Sexualität.

    Als ob es nun so wichtig wäre, ob ich eine Vagina habe oder nicht. Oder braun bin. Oder lachsfarben. Oder schwul.
    Aus meiner Erfahrung ist wirkliche Gleichberechtigung und Akzeptanz erst dann erreicht, wenn man nicht mehr das Gefühl hat, dass irgendjemandem Unterschiede auffallen bzw. diese für ihn so natürlich sind, dass er sie nicht mehr berücksichtigt. Gleichzeitig finde ich es aber schwachsinnig, das Bemerken von Unterschieden und Abgleichen mit den Klischees zu unterbieten, denn schließlich steckt ja (leider) in jedem Klischee auch immer viel Wahres, und man kann etwas nur akzeptieren lernen, wenn man ihm erlaubt, sich damit auseinander zu setzen, auf alle erdenklichen Weisen.
    Ich empfinde die Political Correctness in diesem Zusammenhang zu dogmenhaft, zu streng, zu undurchsichtig. Dabei betont sie die Unterschiede der Menschen, obwohl sie gleichzeitig für Gerechtigkeit strebt. Das finde ich paradox und verkehrt.

    Das einzige, worauf ich mich einlassen möchte (derzeit), ist statt des rein maskulinen Begriffes eine Mischform zu verweden, die gleichzeitig beide Geschlechter meint, ohne ihren Unterschied zu betonen („Studierende“ etc.).
    Ich bin streng für eine Möglichkeit, in einem Wort beide Geschlechter fassen zu können, was bisher (auch wenn es die männliche Form war) ja gut funktionierte. Mir kommt es dabei aber nicht auf die männliche Form an, sondern auf die Einheitlichkeit. Meinetwegen bin ich auch fortan mit allen anderen Männern weiblich, wir ersetzen „man“ durch „frau“ und alle jemande bekommen das „sie“ verpasst, solange ich dadurch nur dieses anstrengende Gegendere sein lassen kann.
    Ich kann mich in der deutschen Sprache ja auch als Mann nicht berücksichtigt fühlen, sobald ich mit mehreren Menschen zusammen bin, schließlich sind alle Pluralformen im Deutschen Femininum. Da könnte man doch auch gleich für alle Pluralformen, die männlich sind, die Artikel ändern. Also nicht „die Studenten“, sondern…ja, ähh, „der Studenten“? Verdammt, das ist ja schon Genitiv, bzw. klingt so…
    Oh, und die Akkusative im Plural bitte dann auch („den Studentinnen“) bei den Frauen femininum machen, immerhin ist „den“ ein maskuliner Artikel.

    Albern? Jap, das finde ich auch.

    • Guest sagt:

      ._. _
      R-O-F-L-R-O-F-L-R-O-F-L-IOI-R-O-F-L-R-O-F-L-R-O-F-L / l
      ___________/LOL____ /: ]
      .__/° °___/° / ::
      /^^ ° ° _______.__________.____/: OO:
      .__./ j ________ _________________ ::OO::|
      ./ ^^ j____/° [______/] .____/ __:__/
      ._|____/° ° <{(OMG{< / ::
      / ° ° (OMFG{ /
      |° .___. ._____. /
      ====LMAO|_______|<WTF{|___________/
      °L| L|
      () ()

    • Markus Reutter sagt:

      „Ebenso wenig wie das „Verbot“, mit Freunden Witze über Schwuchteln oder Schwarze zu machen (ich bin selber schwul und habe schwarze Freunde), das finde ich geht eindeutig zu weit und ich fühle mich auch nicht beleidigt, wenn man mich ironisch freundschaftlich eine Schwuchtel nennt.“

      Glaubst Du ernsthaft, die Tatsache, dass Du homosexuell bist und Schwarze zu Freunden hast, ermächtigt Dich dazu, diskriminierende Witze über Betroffene zu reißen? Geht’s noch? Ich hab es oben schon einmal in einer Antwort geschrieben, und wiederhole mich gerne:

      „Die Argumentation „Ich darf Neger sagen, weil ich ja selbst einer bin“ ist Unsinn. Es kommt natürlich nicht nur auf die ureigensten Befindlichkeiten an, sondern auch auf die der anderen Betroffenen. Und solange sich auch nur ein Schwarzer durch den Gebrauch des N-Wortes diskriminiert fühlt, verbitte ich mir dessen Verwendung – egal durch wen.“

    • fraujohannson sagt:

      Einen Hinweis zur Unterstrichschreibweise: Bei dieser Schreibweise geht es gerade nicht darum die Unterschiede von männlich und weiblich besonders hervorzuheben, sondern darum menschliche Identitäten jenseits der normierten Zweigeschlechtlichkeit sichtbar zu machen. Der Unterstrich steht demnach für all jene Menschen, die sich weder als männlich, noch als weiblich definieren; er macht also das sichtbar, was durch unsere normierte Sprache unsichtbar ist und damit schlichtweg nicht existent ist. Sicherlich kann darüber gestritten werden, ob es unsinnig oder albern ist mit dem Unterstrich sog.Minderheiten wie Transgender oder Menschen mit völlig anderen Selbstdefinitionen (z.B. Cyborgs) zum sichtbaren Bestandteil unserer Gesellschaften zu machen. Repräsentiert wird immer nur der, der sprachlich auch benannt werden kann. Die Forderung danach ein streng zweigeschlechtliches Gesellschaftssystem zu öffnen für das grundlegende Recht der Selbstdefinition jenseits dieser beiden Möglichkeiten halte ich für den entscheidenen Punkt. Ich möchte nicht darüber entscheiden, ob es Menschen geben darf, die sich für Cyborgs halten und schon gar nichts darüber urteilen, ob das normal oder krank ist. Entscheidend ist, dass sich mit der Unterstrichschreibweise auch eine Utopie jenseits des Zwei-Geschlechterkampfes denken lässt; dass Fremdzuschreibungen durch Selbstdefinitionen ersetzt werden können und dass Identität jenseits von Geschlecht stattfinden kann. Mir jedenfalls gefällt die Vorstellung. Der Unterstrich ist daher für mich eine der wichtigsten sichtbaren Zeichen aktiv in die Sprache einzugreifen und darüber hinaus eine Möglichkeit jenseits der muffigen Mann-Frau-Debatten zur Kenntnis zu nehmen, dass unsere Spezies über eine größere Vielfalt verfügt, als die bipolaren Debatten das suggerieren.

  19. Kinch sagt:

    Bezüglich diskriminierender Sprache gibts halt verschiedene Hypothesen, wieso das objektiv problematisch ist. Es wird angenommen, dass eine diskriminierender Sprache sich unterbewusst und langfristig auf Meinungen und Wahrnehmung auswirkt, was zu gesellschaftsrelevanten Konsequenzen führt. Stefanowitsch, ich glaube selbst Sprachwissenschaftlicher ist etwa Vertreter, dieser Auffassung. Wenn dich die Position tiefer interessiert, ist hier ein Artikel von ihm: http://www.bpb.de/apuz/130411/sprache-und-ungleichheit?p=all

  20. Fabienne sagt:

    danke!

  21. […] Was ist eigentlich genau das Problem mit der Political Correctness? […]

  22. Karakas sagt:

    Danke für diesen großartigen, mutigen Artikel!

  23. […] dein Lieblingsartikel von einer anderen Person? ICHKANNMICHNICHTENTSCHEIDEN. Vielleicht ja Daniels Lob auf die Political Correctness, weil der Text es auszugsweise in einen SPD-Parteitagsantrag geschafft hat oder Lenas Ode ans […]