Make-Up zum Dazugehören

Foto , CC0 1.0 Universal (CC0 1.0) , by Grid Engine

Als Nicht-Weiße das richtige Make-Up zu finden, ist in Deutschland gar nicht so einfach. Amina berichtet von den Schwierigkeiten und darüber, was Make-Up für sie bedeutet.

Ich sehnte mich sehr lange so auszusehen wie „alle Anderen“: mit heller Haut und dünnerem Haar. In meinem Umfeld sahen die meisten Menschen so aus wie die Models, die ich in den „Mädchen“-Zeitschriften zu sehen bekam: alle weiß, mit perfektem Make-up und langen, leicht wallenden, glatten Haaren.

In dieses Bild, in diese Welt passte ich mit meiner dunklen Haut und meinem schweren lockigen Haar einfach nicht rein. Gerade als Teenagerin war das ein echt hartes Gefühl. Das vorwiegend weiße Mainstream-Schönheitsideal ist so ja schon unerreichbar, aber für Menschen wie mich, für People of Colour, gilt das umso mehr. Die Kosmetikbranche ist eine der größten weltweit und trotzdem haben die meisten Make-up-Marken People of Colour lange Zeit überhaupt nicht als ihre Konsument*innen gesehen.

Ritterrüstung Make-Up

Als eine Woman of Colour, die in Deutschland lebt und hier aufgewachsen ist, kann ich sagen: Make-Up kaufen ist die Hölle! Ungefähr vergleichbar ätzend wie Jeans kaufen.

Als ich Teenagerin war, sind meine Freundin*innen einfach in die nächstbeste Drogerie gegangen und haben sich mit diversen Make-Up-Utensilien eingedeckt. Ich stand derweil nur daneben und konnte selbst die dunkelste Foundation nicht nehmen, weil die aus mir immer noch einen Geist gemacht hätte. Ich glaube ich habe in den gängigen Drogerien tatsächlich alle Make-Up-Marken ausprobiert und nie auch nur eine gefunden, die etwas im Angebot hatte, das halbwegs zu meinen Hautton passen würde.

Irgendwann hatte ich es so satt und bin ich dann mal statt zur Drogerie, in eine Parfümerie gegangen, um dort nach einer möglichen Foundation und Concealer zu schauen. Ich habe nämlich schon immer sehr dunkle Augenringe: selbst viel Schlaf hilft nicht, sie sind einfach immer da. Daher wollte ich unbedingt ein Make-Up haben, das ich auch gerade dafür verwenden kann.

Dabei entdeckte ich dann MAC! Ich war total begeistert von der Farbpalette und hatte die Hoffnung endlich auch ein Make-Up zu finden, was zu mir und meinem Hautton passt. Mit viel Glück fand ich dann eine Foundation und einen Concealer, auf die das zutraf. Leider traf mich dann wiederum der Schlag als ich den Preis hörte: Etwa 30 € für eine Foundation und nochmal 20 € für einen Concealer waren für mich einfach nicht drin. Am Ende habe ich also weiterhin auf Make-Up verzichtet. Schon damals fand ich das total ungerecht: Wieso sollte ich denn kein Make-Up kaufen können um „schön“ sein zu können? Ich selbst hab mich während meiner Schulzeit immer hässlich gefunden. Dabei war Make-Up nichts, was ich benutzte, um mich einem Schönheitsideal anzupassen, sondern ich wollte dazugehören, ausprobieren und mich ausleben. Aber da es kein passendes Make-Up gab, ist mir das sehr lange verwehrt geblieben.

Bis ich in der Oberstufe war, waren für mich dann maximal Mascara und Kajal angesagt, denn die konnte ich ganz einfach bekommen und mir vor allem leisten. Schön habe ich mich trotzdem nicht gefunden. In der Oberstufe dann biss ich in den sauren Apfel und kaufte mir das Make-Up von MAC. Jedes mal überlegte ich dann aber wieder aufs Neue, ob ich das jetzt wirklich verwenden soll oder nicht, schließlich war es ja so teuer. Ich habe mir gewünscht dazu zu gehören, als „schön“ wahrgenommen zu werden. Geschminkt zu sein gab mir damals das Gefühl dazuzugehören, stark zu sein. Es war meine ganz persönliche Ritterrüstung. Make-Up war, und ist bis heute, ein Accessoire, was ich nutze, um mich zu empowern.

Neben dem Foundation/Concealer-Problem gibt es ja noch ganz andere Bereiche des Make-Ups. In jeder Jugendzeitschrift oder jedem Fashionmagazin gab es bestimmte „Vorgaben“ welchen Lidschatten man als Mensch mit dunkler Hautfarbe nutzen sollte. Da hieß es immer: Benutzt Gold- und Brauntöne, das passt zu deinem Hautton! Wenn es unbedingt Farbe sein muss, nimm Lila. Ich merke auch heute noch bei mir, dass ich eigentlich immer nur in diesem Spektrum nach Lidschatten schaue. Es ist manchmal wie eine Schere im Kopf, die dazu führt, dass ich mir andere Farben gar nicht erst anschaue. Vor einigen Wochen hat Ninia LaGrande ein Foto bei Instagram gepostet wo sie nach 18 Jahren das erste Mal wieder blauen Kajal ausprobiert hat (und das sah GRANDIOS aus). Ich habe mir dann nur gedacht, dass ich ja ein Blau gar nicht tragen könne und mir deshalb bis heute keinen blauen Kajal gekauft – obwohl ich ihn so schön fand.

Rote Lippen, weil ich es liebe

Seit ich denken kann, liebe ich roten Lippenstift. Meine Mama hat schon immer einen Lippenstift in einem ganz dunklem Rot getragen, ich wollte gern immer was Knalligeres. In der Schule habe ich nie wirklich Lippenstift getragen, auch wenn ich wollte, aber ich hatte immer das Gefühl Make-Up ist nicht für mich gemacht. Inzwischen habe ich unzählige knallige Lippenstifte und trage die auch im Alltag. Ich trage sie für mich und weil ich mich damit wohl fühle. Roter Lippenstift hat für mich etwas Positives – da weiß ich, dass es toll aussieht und mir ist egal, was Andere davon halten. Bei anderen Dingen bin ich noch nicht so weit. Vielleicht ändert sich das auch noch und ich traue mich auch mal an blauen Eyeliner, aber bis dahin nutze ich das, was mich glücklich macht und mit dem ich mich wohl fühle.

Viele, wenn nicht alle, Marken testen und präsentieren ihre Farben nur an hellhäutigen Menschen. Wenn ich sie dann mal benutzte, sah es ganz anders aus. Es ist eigentlich an der Zeit, dass auch deutsche Firmen endlich erkennen, dass es nicht nur drei „dunklere“ Hauttöne gibt. Im Vergleich zu den USA oder Großbritannien, wo inzwischen auch Firmen ein vielfältiges als auch günstigeres Angebot bereitstellen, gibt es in Deutschland nur einige „high-class“ Make-Up-Firmen. Diese haben zwar inzwischen ihr Sortiment erweitert, aber leider kann sich das nicht jede*r leisten und so bleibt es damit auch immer noch etwas Exklusives. Jede Person sollte aber die Möglichkeit bekommen halbwegs günstig Make-Up zu kaufen. Jede*r von uns sollte, wenn sie*er möchte, sich so schminken können wie sie*er möchte. Dafür bedarf es Änderungen in einer der größten Branchen der Welt. Ich wünsche mir, dass Teenager*innen mit den verschiedensten Hautfarben einfach in die Drogerie gehen und sich Schminke kaufen können. Ich wünsche mir, dass sich niemand ausgeschlossen fühlt.

Eine Antwort zu “Make-Up zum Dazugehören”

  1. mauerunkraut sagt:

    Über diese Thematik stolperte ich erst kürzlich per Zufall. Als Weiße war mir nie bewusst, dass die Make-Up-Auswahl für Menschen mit dunklerer Haut so begrenzt ist. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso unverständlicher ist es für mich, dass das bislang so gar nicht auffallen konnte.
    Vielleicht kennst du schon den Blog von pseudoerbse, dort hat sie vor einiger Zeit eine Liste mit veganer Kosmetik für dunkle Hauttöne gepostet (allerdings sind auch diese leider im höheren Preissegment) http://www.kosmetik-vegan.de/erbse/liste-vegane-kosmetik-fuer-dunkle-haut/