Kranksein mit Kindern ist der Endgegner

Foto , CC by 2.0 , by epSos

Eigentlich wollte ich in meinem Januartext über den Drang von jungen Eltern nach dem Vorort schreiben. Oder über das Konfliktfeld zwischen Abtreibung, Pränataldiagnostik, Inklusion und Selbstbestimmung, das mich gerade sehr bewegt. (Wegen diesem Interview, wegen dem Tod der kleinen Kaiserin und wegen einiger Geschichten in meinem persönlichen Umfeld.)
Oder ich hätte meine zwei Cents in die Debatte über #koelnbhf, #ausnahmslos, Rassismus und Sexismus werfen können. (Auf kleinerdrei hat Juliane schon klug drüber geschrieben.)
Aber ich bin seit vier Wochen krank. Und deswegen gibt es statt etwas Politisch-Polemischem einen Jammerlappentext übers Kranksein – denn das ist: Kacke.

Es folgt ein Vergleich von grippalen Infekten in diversen Lebensphasen. Ich habe alle Level durchgespielt.“

Level 1. Kranksein als Kind:
“Letz muass Letz vertreim”

Klar, auch als Kind tut eine Mandelentzündung sauweh, und es ist nicht schön, wenn man nicht durch die Nase atmen kann. Außerdem kriegt ein Kind noch nicht die gescheiten Medikamente, die so einen grippalen Infekt mal schnell wegballern. Doch in meiner Erinnerung ist Kranksein als Kind trotzdem irgendwie schön: Es gibt ganz viel Nähe, Aufmerksamkeit, Geborgenheit. Deine Oma kocht dir komischen Hustensaft aus Zwiebeln und Zucker, der irgendwie süßscharfeklig ist und höchstens einen Placeboeffekt hat (wie eigentlich jeder Hustensaft). “Letz muass Letz vertreim” sagt sie dazu, was auf Hochdeutsch in etwa heißt: Nur, was unangenehm ist, vertreibt das Unangenehme. Sie schmiert dich mit “WickWaporupp” ein (das sie auch genau so ausspricht) und macht Wadenwickel, Nudelsuppe und Tee.

Level 2. Kranksein als Jugendliche:
Fernsehen!

Das Kuschelige am Kranksein ist das erste, was weggeht. Irgendwann bist du zu alt, um wegen einem Schnupfen zu Oma ins Bett zu krabbeln. Doch ein paar Positiveffekte bleiben: Mama kocht Suppe, Mama wäscht den verschwitzten Schlafanzug, und du kannst den ganzen Tag fernsehen und muss nicht in die Schule. Gesund werden ist alles, was du tun musst – doch damit hast du es unter diesen Umständen nicht immer rasend eilig.

Level 3. Kranksein im Studium:
Hustensaft? Jägermeister!

Es tut immer noch alles genauso weh. Aber du wohnst jetzt alleine und keiner macht Suppe. Und selbst wenn nette MitbewohnerInnen dir Tee hinstellen, deine verschwitzen Bettlaken wäscht niemand. Immerhin: Ob du mal eine Wochen nicht im Institut auftauchst, ist irgendwie wurscht, solange du deine Hausarbeit irgendwann in ein paar Monaten abgibst. Und du bist gerade mal Anfang 20 und erholst dich noch einigermaßen schnell von einem Infekt. Am Donnerstag bei der nächsten Studi-Party krächzt du: “Jägermeister? Ist doch eigentlich auch Hustensaft!”

Level 4. Kranksein als Freie:
Ne, geht schon, danke!

Okay, jetzt wird es langsam unlustig, denn für nicht Festangestellte bedeutet Kranksein: Kein Geld. Du gehst also zu deinen Schichten, auch wenn du echt ins Bett gehörst. Deine KollegInnen und auch dein Chef sind total nett, alle wünschen gute Besserung und wollen dich nach Hause schicken: “Wir kommen schon klar ohne dich – echt, schon’ dich!” Und du denkst: Aber ich komm nicht klar ohne mein Honorar. Du gehst in die Teeküche, kochst die neunte Tasse widerlich schmeckenden Hustenbronchialtee und hoffst, dass das Wochenende reicht, um gesund zu werden. Für Schleimlöser, Halstabletten und Ibuprofen hast du nämlich gerade schmerzhafte 35 Euro in der Apotheke gelassen.

Level 5. Kranksein als Angestellte:
Immer mal die Mails checken

Offensichtlich hast du in Level 4 genügend Goldmünzen und Globuli freigespielt, denn im Vergleich zu vorher ist Kranksein jetzt fast paradiesisch. Finanziell bist du abgesichert. Du bist krank? Du rufst an: “Ich bin krank.” Die KollegInnen wünschen gute Besserung, sagen “Wir kriegen das hin” – und kriegen es hin. Klar hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du durch deine Erkältung wichtige Termine verpasst oder Deadlines reißt. Wahrscheinlich ruft dich auch mal jemand an und hat zu irgendwas irgendeine Frage oder du checkst aus Langeweile Mails und lässt dich doch in irgendwelche beruflichen Themen reinziehen. Doch ansonsten gehst du zum Arzt, schickst die Krankschreibung spätestens am 3. Tag an die Assistenz und schonst dich ein paar Tage. Eine Mandelentzündung ist DIE Gelegenheit, sich in dicke Decken gewickelt auf die Couch zu legen und alle Folgen “Orange is the new Black” in einem durchzuschauen. Im Haushalt macht keiner was, aber das macht nichts. Du lässt dir eine Pho Ga liefern und einfach mal ein paar Tage alles liegen – und schon bist du wieder fit.

Level 6. Kranksein mit Kindern:
Für Grippeprofis

Wäre ein Virusinfekt ein Game – Kranksein mit Kindern wäre das Level für die absoluten Profis. Denn schlimmer geht es eigentlich nicht (oder doch: Magen-Darm-Infekt für die ganze Familie). Nicht nur, dass sich niemand um dich kümmert. Da sind noch zwei kleine Menschen, die wollen, dass du dich um sie kümmerst, und die ein “Ich bin krank, ich kann nicht” missverstehen als “Die Mama ist böse auf mich”. Der Papa kann sich auch nicht kümmern, der hat auch Mandelentzündung, also spielt ihr Beamtenmikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert – und muss sich kümmern.

Haushalt? Liegenlassen und sich schonen wäre schön, aber wenn du nicht saugst, isst das Baby alle Tannennadeln vom Christbaum (wer entsorgt den jetzt eigentlich?). Auch die Wäsche einfach mal ein paar Tage liegen lassen ist bei auslaufenden Windeln und Kleinkindern, die sich die Nase am Ärmel abwischen, keine Option. Also heißt es auch mit 39 Grad Fieber: Waschmaschine an, Wäsche aufhängen, Wäsche abhängen. Immerhin werden so deine verschwitzten Sachen auch regelmäßig gewaschen.

Hühnersuppe? Klar, gerne – wer geht los und kauft ein? Wer kocht? Die Kraft reicht eigentlich nur für Tee (und Nudeln mit Pesto für die Kinder). Der Wasserkocher läuft und läuft. Gesund werden geht so eigentlich gar nicht, denn – Überraschung! – so ein grippaler Infekt ist ansteckend, innerhalb kürzester Zeit bist du nicht nur krank mit Kindern, sondern krank mit kranken Kindern. Wohl denen, die auf ein paar Omas oder Opas zurückgreifen können (die habt ihr allerdings auch schnell angesteckt).

Du kannst nur hoffen, dass die Kinder nach den Weihnachtsferien fit genug für die Kita sind und du dich im Büro erholen kannst. Level 5 spielst du nämlich schon lange nicht mehr, sonst wärst du – Teilzeit-Angestellte mit Kindern und nur so mittelstabilem Immunsystem – fast nie da.

Eine Antwort zu “Kranksein mit Kindern ist der Endgegner”

  1. Giliell sagt:

    Mein aufrichtiges Beileid.
    Die Steigerung von „Magen-Darm-Infekt für die ganze Familie“ ist „Magen-Darm-Infekt für die ganze Familie und der Papa klemmt sich den Finger so in der Autotür, dass der Knochen absplittert und du hast so gar kein Mitleid mehr übrig“.
    Die gute Nachricht: es wird besser. Irgendwann funktioniert auch krank sein mit Kindern: In KiTa und Schule abliefern, Tiefkühlschrank mit Pizza etc. füllen, Bett. Kinder abholen, viereckigen Babysitter anschalten, Bett. Pizza in den Ofen, Kinder Zähne putzen schicken, Bett.