Stadt, Hanf, Genuss – Über die Serie „Broad City“

Screenshot , by Comedy Central

Großartig abwegiger Humor, eine Liebeserklärung an Freundschaft sowie New York: Willkommen bei „Broad City“! Die 2. Staffel ging gerade zu Ende. Grund genug sich die viel gefeierte Serie etwas genauer anzuschauen und schon mal auf die 3. Staffel vorzufreuen.

Wenn man „Broad City“ langweilig zusammenfassen möchte, müsste man sagen, dass es sich um eine Sitcom mit zwei Frauen handelt, die in ihren Zwanzigern sind und in New York City leben. Joa. Klingt jetzt nicht so, als wäre dort das Rad neu erfunden worden und doch ist „Broad City“ eben angenehm anders als zum Beispiel Shows wie „Girls“ oder „Sex and the City“ mit denen sie natürlich öfter verglichen werden (und die sicher auch als Wegbereiterinnen zu sehen sind), obwohl die Schöpferinnen und Hauptdarstellerinnen und -autorinnen Ilana Glazer und Abbi Jacobson eher Serien wie „Curb your enthusiasm“, „Seinfeld“ und „Louie“ als ihre Vorbilder und Einflüsse benennen.

Ich würde noch Filme wie „The Big Lebowski“ und „Clerks“ mit in den Beschreibungs-Mix schmeißen und wusste jedenfalls gar nicht, wie sehr (sehr!) mir eigentlich weibliche Slacker in der Serienlandschaft gefehlt hatten, bis ich „Broad City“ sah. Sie heißen, ganz so wie ihre Erfinderinnen, Abbi und Ilana und sind, ganz so wie ihre Erfinderinnen, mit einander befreundet. Wobei Freundschaft eigentlich kaum die Innigkeit, Herzlichkeit und Ehrlichkeit beschreiben kann, die beide in jeweils knackigen 22-Minuten-Episodenfenster zelebrieren: Sie ist auf jeden Fall der dritte Star der Serie und tut nicht zuletzt deswegen verdammt gut, weil der ganze angeblich „typisch weibliche“ Wettbewerbs-Bullshit rund um Aussehen, Typen, Karriere und Kinderkriegen einfach keinerlei Rolle spielt.

Abbi und Ilana sind dafür dauerpleite, hängen in ätzenden Jobs fest, kiffen gerne, sind auf der Suche nach der nächsten besten Party, nach Sex, und ja, auch mal nach Dates. Sie schließen sich versehentlich aus der Wohnung aus, müssen einen Hurrikan in NYC überstehen oder rechtzeitig zu einer Hetero-Hochzeit kommen: Pro Folge bekommen wir meistens einen groben Einblick in 24 mal mehr und mal weniger durchschnittliche Stunden ihres Lebens und können kichernd mitverfolgen wie sie es selbst unabsichtlich verkomplizieren und der Humor auch gerne mal ins Absurde abdriftet. Die Serie lebt sehr davon, dass die Freundschaft zwischen den beiden eben echt ist und man ihnen anmerkt, dass sie einfach jeden Scheiß zusammen machen können.

Von Impro zu TV

Glazer und Jacobson lernten sich 2006 beim „Upright Citizens Brigade Theatre“ kennen, einer Institution für Stand-Up und Improvisationstheater, die unter anderem von Amy Poehler gegründet wurde. In einer Übungsgruppe des Theaterkurses für den sie sich angemeldet hatten, waren beide die einzigen Frauen und fielen nicht nur einander auf, sondern wussten direkt, dass ihre Liaison keineswegs bloß beruflich bleiben würde.

Ursprünglich als (gar nicht mal supererfolgreiche) Web-Serie auf YouTube gestartet, die von 2009 bis 2011 lief, schafften es Glazer und Jacobson „Broad City“ durch unermüdliche Pressearbeit und eine starke Community auf Facebook auf ihr Format aufmerksam zu machen. Für ihr Finale der Web-Serie sprachen sie Amy Poehler für einen Gastauftritt an, die sich nicht nur bereits als Fan der Show entpuppte, sondern auch leitende Produzentin der TV-Adaption wurde. So konnten Glazer und Jacobson ihre SEO- und Social-Media-Jobs schließlich an den Nagel hängen und zeigen uns seit Januar 2014 ihre ganz eigene Vision der „Broad City“ New York City.

Ilana + Abbi = <3

Ilana ist wunderbar hedonistisch, schnarcht dem neoliberalen Mantra der Selbstoptimierung ins Gesicht und perfektioniert dagegen lieber das des „Komm‘ ich heut‘ nicht, komm‘ ich morgen“ – während sie an einem Joint zieht, natürlich. Sie „arbeitet“ bei einem E-Commerce-Unternehmen namens „Deals, Deals, Deals“ und bringt ihre Kolleg_innen regelmäßig an den Rand der Verzweiflung. Ihr Graskonsum hat bereits zu einem lückenhaften Gedächtnis geführt, weswegen sie gerne mal Telefonate (meistens mit Abbi) inmitten eines Gesprächs mit ganz anderen Personen beginnt. Die Freundschaft mit Abbi ist das Allerwichtigste in Ilanas Leben, auch – aber nicht nur – weil sie ihrerseits nicht rein platonisch ist. Ilana ist queer und das ist ganz einfach Bestandteil ihrer Identität, statt irgendein billiger Running Gag zu sein. Sie bereut nichts, probiert dafür aber umso mehr aus, wobei sie die etwas zurückhaltendere Abbi immer wieder aus deren Komfortzone holt und Mottos prägt wie: „Reduce! Re-use! Recycle! Rihanna!“

Abbi ist eigentlich Illustratorin, schlägt sich aber wegen des noch ausstehenden Durchbruchs als Reinigungskraft im Luxusfitnessstudio „Solstice“ durch, wo sie regelmäßig heikle „Schamhaarsituationen“ lösen muss – was von ihrem Chef jedes Mal als superwichtige Mission verkauft werden soll. Sie träumt davon, wenigstens mal als Trainerin arbeiten zu dürfen und scheitert doch immer wieder an den absurden Regeln des Studios, die irgendwo zwischen New Age und Corporate Identity angesiedelt sind. Abbi ist in ihren Nachbarn Jeremy verknallt und ich liebe ihren Charakter allein dafür wie großartig tollpatschig sie in seiner Gegenwart wird und immer wieder versucht, sich aus den peinlichen Begegnungen zu navigieren, während sie natürlich alles nur noch schlimmer macht. Abbi ist vielleicht eher die „Stimme der Vernunft“ im Ilana-Abbi-Gespann zu nennen: So erinnert sie sich zum Beispiel per Post-It auf ihrem Dildo ans Masturbieren, sammelt Coupons für die von ihr heißgeliebte Haushaltskette „Bed, bath and beyond“ und hat zumindest eine Ahnung davon wie das mit dem Bezahlen von Steuern so geht.

Aber auch wenn Abbi an manchen Punkten vielleicht etwas verklemmter wirkt als Ilana, beruhen Dynamik und Witz zwischen den beiden nicht ausschließlich darauf, dass die eine stets das graue Mäuschen ist und die andere die extrovertierte Flirtmaschine (zumal Abbi dem Graskonsum auch nicht abgeneigt ist). Ilana und Abbi haben bei aller Albernheit verschiedene Facetten und oft auch nicht diejenigen, die man von Anfang an vermuten würde. Der Humor der Serie findet dabei nicht nur in den Dialogen statt, sondern wird vor allem auch körperlich ausgedrückt, was für weibliche Comedy-Charaktere leider immer noch als eher besonders gilt. Ein sehr großartiges Beispiel hierfür ist die Szene, in der Abbi entdeckt, dass der nervige Freund ihrer Mitbewohnerin (Running Gag hier: Sie ist nie da, er dafür immer, obwohl er nicht mal in der Wohnung wohnt) nicht mehr da ist und sie vor Freude in einen Nackttanz zu Lady Gagas „The Edge of Glory“ ausbricht:

(Wer das nicht nachvollziehen kann, hat offenbar noch nicht lang genug in WGs gelebt.)

Also keine Sorge, wir erleben Abbi und Ilana wirklich in allen wortwörtlich möglichen Lebenslagen, wofür unter anderem gesorgt ist, da die beiden sehr oft miteinander videochatten.

Am unschlagbarsten sind sie natürlich trotzdem wenn sie zusammen unterwegs sind und zum Beispiel auf Belästigungen wie „Hey Mädels, lächelt doch mal!“ antworten:

Nebendarsteller_innen

Besonders bereichert wird die Konstellation von Ilana und Abbi durch die Figur des Lincoln, gespielt von Hannibal Buress (wenn euch der Name bekannt vorkommt, liegt es vermutlich auch daran, dass sein Sketch über die Vergewaltigungsanschuldigungen gegen Bill Cosby dafür sorgten, dass diese wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rückten). Er ist Ilanas „fuck buddy“ und stürzt sie immer mal wieder in die Krise wenn sie feststellen muss, dass ihre Beziehung tatsächlich einer monogamen Heterobeziehung ähneln könnte, was er sich sogar wünscht. (Außerdem hat er das ansteckendste Lachen, das ich seit langem gehört habe. <3) Dazu kommen zahlreiche Cameos anderer Berühmtheiten: von Amy Poehler über Amy Sedaris bis Kyp Malone (TV on the radio) ist alles dabei und macht besonders Spaß, da sie gerne mal die noch abgedrehteren Charaktere übernehmen.

Die wichtigste Haupt-Nebendarstellerin ist und bleibt aber natürlich: die Stadt New York! Wer die Macken der Stadt ein bisschen kennt, wird umso größere Freude haben, aber es geht natürlich auch ohne dieses Hintergrundwissen, zum Beispiel wenn Abbi und Ilana sich jederzeit nach Harlem aufmachen würden, sich aber vor der stinkreichen Upper East Side gruseln. Oder wenn wir mit ihnen in der U-Bahn fahren:

Broader City context

Glazer und Jacobson sind Feministinnen und reden auch nicht um den heißen Brei, wenn sie danach gefragt werden, ob sie es sind. Leider bedeutet das nicht, dass „Broad City“ frei von problematischen Inhalten ist und es lohnt an dieser Stelle mal wieder die Lektüre von „How to be a fan of problematic things“. Besonders grausam ist das natürlich, da in ein und derselben Folge beispielsweise herrlich entlarvende Witze über rassistische Stereotype stattfinden können und in der nächsten Szene dann leider transfeindliche Bemerkungen gemacht werden. (Wiesooooooo??)

Dranbleiben für die 3. Staffel lohnt in meinen Augen aber dennoch, nicht nur weil ich glaube, dass die entsprechende Kritik durchaus bei Glazer und Jacobson ankommt, sondern auch weil die Serie an den meisten Stellen diskriminierende Kommentare eben dann doch sehr schlau und quasi oft im Vorbeigehen auseinandernimmt. Sogar, wenn diese von den Hauptfiguren selbst kommen sollten, so merkt Abbi einmal gegenüber Ilana zu Recht an: „Sometimes you’re so anti-racist that you’re actually really racist.“ („Manchmal bist du so antirassistisch, dass du am Ende total rassistisch wirst.“)

Bonus:

Broad City und Sleater-Kinney im Gespräch

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