Herzerwärmend und komisch: „Yes Please“ von Amy Poehler

Foto , by Harper Collins

In Hollywood Karriere zu machen, ist hart. In Hollywood als Frau über 30 mit zwei kleinen Kindern und einem Sinn für Komik Karriere zu machen und die eigene Hit-Comedy nicht nur zu spielen, sondern auch zu produzieren, ist so etwas ähnliches wie ein winterfester Bahnfahrplan: Möglich, aber von vielen angezweifelt. Amy Poehler – sie möge mir dieses Bild verzeihen – ist der durch den Schnee fahrende ICE. Und ihre Autobiografie “Yes Please” erzählt, wie es dazu kommen konnte.

Hierzulande ist Poehler manchen als Hauptdarstellerin der großartigen Serie “Parks and Recreation” bekannt, in der sie die enthusiastische und dem Feminismus regelmäßig huldigende Leslie Knope spielt. Andere kennen sie als Co-Moderatorin der Golden Globes der Jahre 2014 und 2015, wo sie mit Tina Fey und den gemeinsamen Witzen auf Kosten der versammelten Hollywood-Topgarde bewiesen, dass Frauen in der Tat mit selbstgeschriebenen Witzen einen Saal an den Rande des Sich-Einpullerns bringen können. Ja, es gibt Menschen, die das bezweifeln – bedauernswerte Kreaturen wie Jerry Lewis gehören dazu. Allerdings gehörte zu seinem größten komischen Geheimtipp auch der Einsatz eines Spaßgebisses, was nun nicht für die allergrößte Vorstellungskraft eines Menschen spricht.

Vom Zauberer von Oz zu Saturday Night Live

Die Zusammenarbeit mit Fey kommt nicht von ungefähr: Poehler und sie haben eine lange gemeinsame Geschichte, die in den frühen 90ern mit der Improvisations-Comedy-Truppe “Inside Vladimir” in Chicago begann. Poehler schildert ihren Weg nach Chicago witzig und unprätentiös: Sie entdeckte schon als Kind ihre Lust am Verkleiden und dem Theaterspiel, aber vor allem an der Improvisation. Das passierte, als sie in einer Schulaufführung des “Zauberer von Oz” die Dorothy spielte und bemerkte, dass die aus der Not geborene Textzeile viel besser funktionierte, als das Original. Die Freude an der Überraschung des Publikums brachte sie dazu, die Komik zum Beruf machen zu wollen.

Anders als Fey ging dies bei Poehler allerdings nicht über das Schreiben, sondern vor allem über die Schauspielerei. Dementsprechend schrieb Fey oft Rollen, die Poehler dann zum Niederknien spielte – zum Beispiel in “Mean Girls” oder “Baby Mama”. In “Yes Please” beschreibt Poehler Fey vor allem im Zusammenhang ihrer gemeinsamen Zeit bei “Saturday Night Live”, wo die beiden das erste komplett weibliche Duo im Segment “Weekend Update” waren, einem satirischen Nachrichtenüberblick.

Karriere = Der Typ, der nie zurückruft

Poehler erzählt, wie sie damals manchmal hinter den Kulissen der größten Satiresendung der USA Tina Fey einen verschwörerischen Blick zuwarf und sie einander sagten: “Wir haben sie alle reingelegt!” Die Selbstironie, die Poehler damit zum Ausdruck bringt, ist kein Ausdruck von Unsicherheit, das eigene Können als Humoristin betreffend, sondern ein Ausdruck ihrer recht nüchternen Betrachtung von Karriere: “Behandle Deine Karriere wie einen miesen Freund”, rät sie ihren Leserinnen und Lesern.

Damit meint sie, es sei nicht gut, sich die Vervollständigung des eigenen Lebens durch Karriere zu erwarten. Statt darauf zu warten, den Anruf mit dem Traumjob zu erhalten oder fantastische Kritiken zu lesen, sei es wichtig, den eigenen Qualitäten zu vertrauen und einfach immer weiter zu machen. Und dann kommt eine in Zeiten exzessiver Selbstoptimierungsratgeber geradezu revolutionäre Handreichung. Sie lautet: “Care less.” – “Lass Dir Karriere vollkommen wurscht sein.” Das begründet Poehler so:

“Your career won´t take care of you.(…) Your career will openly flirt with other people while you´re around. (…) Career is something that fools you into thinking that you are in control and then takes pleasure in reminding you that you aren´t.”

“Deine Karriere kümmert sich nicht um Dich. Deine Karriere wird in der Öffentlichkeit mit anderen flirten, während du daneben stehst. (…) Karriere redet dir ein, dass du die Kontrolle hättest, um dich dann genüsslich daran zu erinnern, dass es nie und nimmer so ist.”

Statt also zu versuchen, etwas zu kontrollieren, was unkontrollierbar ist – nämlich zum Beispiel die Wahrnehmung der eigenen Person von außen – sollten wir loslassen und unsere Leidenschaft auf die Arbeit selbst lenken, nicht die Spekulation darüber, welche Türen sie öffnet. Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf unsere Arbeit stolz sein dürfen: Poehler erwähnt auch, wie falsch ihrer Erfahrung nach der Traum vom schnellen Ruhm über Nacht sei und dass es für Leute, die nach vielen Jahren der Arbeit tatsächlich großen Erfolg haben, oft weitaus weniger überraschend käme, als für deren Umfeld. Aber dennoch gilt dieser wunderbare Satz:

“You have to care about how good you are and how good you feel, but not how good people think you are or how good people think you look.”

“Kümmer dich darum, wie gut du bist und wie gut du dich fühlst, und nicht darum, ob andere Leute dich gut finden.”

You live, you learn

Dankenswerterweise teilt Poehler nicht nur diese Momente großer Gelassenheit mit uns, “Yes Please” lässt uns auch an ihren weniger stolzen Momenten teil haben, beispielsweise, als sie bei “Saturday Night Live” in einem Sketch mitspielt, der auf Kosten eines Mädchens mit Cerebralparalese geht. Einen wütenden Brief von einer Bekannten des Mädchens ignoriert sie, nur um Jahre später doch zu antworten und dem Mädchen eine Entschuldigung zu schicken. In diesem Kapitel spricht Poehler davon, wie schwierig es sei, als Komödiantin den richtigen Mittelweg zwischen dem Brechen von Tabus und dem Berücksichtigen der Gefühle anderer Menschen zu finden. Was die Situation verkompliziert, ist, dass Poehler sieht, wie an Frauen in Sachen sozialer Konventionen andere Maßstäbe als an Männer gelegt werden: “It takes years as a woman to unlearn what you have been taught to be sorry for.” – Es braucht Jahre, bis eine Frau aufhört, sich für all das zu entschuldigen, was ihr immer als notwendig eingeredet wurde. Damit liegt sie richtig – wissenschaftlich gesehen.

Die Tatsache, dass Frauen sich häufiger entschuldigen als Männer, begründet eine Studie aus dem Jahr 2010 damit, dass sie auch schlicht häufiger das Gefühl haben, sie lägen falsch. Als Grund sieht die Studie, dass Frauen eher als Männer glauben, dass sie eine harmonische Umgebung schaffen müssen. Um dies zu bewerkstelligen, müssen auch kleine Konflikte vermieden werden, indem ständig “Entschuldigung” gesagt wird. Dieses Bedürfnis wird Männern und Frauen in der Erziehung vollkommen unterschiedlich vermittelt, wie diese Studie aus dem Jahr 2007 sagt. Dort ist auch die Rede von einem “Double Bind”, in den Frauen dadurch kommen: Bleiben sie höflich und still, verlieren sie sozialen Status. Handeln sie entgegen ihrer Sozialisation und setzen sich durch, statt auf Harmonie zu setzen, werden sie dafür gesellschaftlich geächtet.

Poehler streift in “Yes Please” die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter bei einer weiteren Anekdote aus ihrer Arbeit. Als sie in einer Sendung auftrat, machten die Techniker einen Fehler und nahmen den Ton nicht auf. Daraufhin bat der Produzent der Sendung sie, die Aufnahme noch einmal zu machen – vor leeren Rängen, denn die Aufzeichnung war vorbei. Poehler sagte Nein. Das hörte der (männliche, über 60jährige) Produzent offenbar nicht, denn er fragte sie noch einmal. Als Poehler erneut verneinte, hatte er den Nerv zu fragen, ob er sie dann wenigstens umarmen dürfe. In einer perfekten Welt würden wir nun die inspirierende Geschichte lesen, wie Amy Poehler diesem gruseligen Sack in den Hintern trat. In der Realität ließ sich auch die großartige Amy Poehler stocksteif und schockiert von dem Mann umarmen – und das, obwohl sie über die Jahre gelernt hatte, kein Problem mehr mit Ablehnung zu haben.

Steh für dich selbst so ein,
wie du es für deine Freunde tun würdest

Was Poehlers Buch ausmacht, ist dass sie nicht so tut, als habe sie die Lösung zu allen Probleme gefunden, die Frauen im Berufsleben haben. Aber sie gibt uns in “Yes Please” den Trost, dass wir nicht die einzigen sind, die Ungerechtigkeit erleben – und dass wir an verschiedenen Stellen versuchen können, aus Fallen (selbstgestellten und fremden) zu entkommen.

Besonders beeindruckend ist in diesem Zusammenhang, wie sie mit Selbstzweifeln umgeht. Wenn sie die kleine nörgelnde Stimme der Selbstkritik in ihrem Kopf hört – “Du bist nicht dünn genug, Du bist nicht schlau genug, Du bist nicht nett genug.” – dann stellt sie sich einfach vor, sie betrachte sich von außen. Sie stellt sich vor die nörgelnde Stimme und sagt “Amy ist meine Freundin. Hör auf, so beschissen über sie zu reden.”

Das klingt vielleicht etwas schräg, ist aber erstaunlich wirksam im Umgang mit Selbstzweifeln. Dieses große Wort Selbstliebe ist schwierig zu erreichen. Das gilt vor allem, wenn wir uns permanent unter Druck setzen, perfekt zu sein oder Anerkennung zu erreichen. In diesen Momenten den Druck rauszulassen und sich selbst erstmal zum Verbündeten, und nicht zur verabscheuungswürdigen Feindin zu machen, kann Wunder wirken.

Prädikat: Komisch und wertvoll

Ein weiterer Grund für mich, “Yes Please” wirklich uneingeschränkt als Lektüre zu empfehlen, ist die unkoventionelle Art, in der Poehler nicht nur über sich selbst schreibt, sondern auch anderen das Wort erteilt. Seitenweise kommen beispielsweise ihr Ex-Kollege Seth Meyers oder ihre Mutter zu Wort. Natürlich wird da keine schmutzige Wäsche gewaschen, aber es gibt einen interessanten Perspektivenwechsel. So berichtet Poehlers Mutter darüber, wie es war, in den 1970ern in den USA Mutter zu werden, eine postnatale Depression zu haben, als niemand diesen Begriff benutzte und die eigene Rolle in einer Welt, die gerade die zweite Welle der Emanzipation in den USA hervorbrachte, zu finden.

Dieser Perspektivenwechsel zeichnet ein noch umfassenderes Bild von Poehler und dem Teil der US-Gesellschaft, in der sie aufgewachsen ist.

Fazit: “Yes Please” wärmt das Herz, gibt gute Ratschläge und tut an keiner Stelle so, als sei es der ultimative Lebensratgeber. Genau dies macht es allerdings zu einem hervorragenden Kandidaten für diese Aufgabe.

2 Antworten zu “Herzerwärmend und komisch: „Yes Please“ von Amy Poehler”

  1. Claire sagt:

    Ich möchte auch unbedingt auf das Hörbuch verweisen, dass von Amy Poehler selbst eingesprochen wird (+ Guest Stars!!), es hat mir mehrere Arbeitstage versüßt :) weil: AMY

  2. Bearnerdette sagt:

    Danke danke danke für diese tolle Rezension. Das Buch ist wirklich wärmstens zu empfehlen!

    lg
    Bearnerdette
    http://www.bearnerdette.de/