Kind und Schlaf (4)

Himmel aus lichtdurchlässigem Stoff über einem Gitterbett aus Holz
CC BY-NC-SA 4.0 , by Nicole

Zu Kindern gibt es viel interessantes Zeug zu erzählen. Das Glück, dass ich mit einem Kind zusammenwohne und Zeug erzählen kann. Ein neuer Teil unserer Kinderkolumne.

Ein kleines Kind großziehen, oder zumindest dem Kind beim Wachsen die Hand hinhalten, kann eine sehr ermüdende Angelegenheit sein. Vor allem, wenn es um Schlaf geht. Den Schlaf, der fehlt.

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein und ist die oft beschriebene Anekdote, dass Eltern nicht ausreichend Schlaf bekommen. Dass das dazu gehöre, ein Kind zu haben. Verabschiedet euch erstmal von Schlaf. Und wenn die Kinder aus dem Haus sind, seit ihr so an den mangelnden Schlaf gewöhnt, dass ihr von selbst um 6 Uhr morgens aufwacht, auch wenn ihr nicht wollt. Screw your sleep life FOREVER! Auch Robert Smith von The Cure fiel das bei Freund_innen auf:

“Alle Leute um mich herum, die Kinder haben, können nichts mehr unternehmen. Sie sind immer müde.”

Ich sage nein. Ich sage, das muss nicht so sein. Nicht zwingend. Oder durchgängig. Wenn ich müde bin, dann liegt das daran, dass ich um vier Uhr früh ins Bett gegangen bin, statt um zwei Uhr, obwohl ich mir seit Wochen vornehme, mal wieder vor zwei zu schlafen. Nicht daran, dass das Kind mich am Schlaf hindert. Patentrezepte habe ich nicht, aber ich will erzählen, warum das (bei uns) anders geht, wie unser Schlafalltag aussieht. Und von den Dächern singen, dass Kinder haben und Ausschlafen sich nicht beißt. Jedenfalls wünsche ich das so vielen Eltern wie möglich.

DURCHBRUCH DURCHSCHLAFEN?

Einen kleinen neuen Menschen am Start zu haben, bedeutet meist einen ziemlichen Eingriff in das, was vorher war. Unter anderem die Nächte. Die am Anfang keine Nächte sind, weil auch das Kind erst mal lernen muss, was das eigentlich ist, Tag oder Nacht, und sich nicht darum schert, zu welcher Tageszeit seine Bedürfnisse erfüllt werden, HAUPTSACHE DIE ERFÜLLT ENDLICH MAL WER!!! (Ja, Säuglingsschreien ist ungefähr so angenehm wie Capslock.)

Alle möglichen Leute fragen “Schläft es schon durch?” Man tauscht sich selbst mit anderen Eltern darüber aus. Irgendwann muss er kommen, der gelobte Tag, oder besser die Nacht, ab der alles wieder gut wird. Als dieses Kind die erste Nacht “durch” schlief, hatte ich es gepuckt und saß die ganze Nacht wach neben der Wiege und kontrollierte seine Atmung, weil das so ungewöhnlich war. Klar ist aber: Auch Kinder, die vermeintlich durchschlafen, wachen nachts immer wieder auf. Die anderen Kinder machen sich nur bemerkbarer dabei und schlafen nicht so schnell wieder ein. Auch die Normen, ab wann von einem Kind zu erwarten sei, dass es durchschläft, sind von Land zu Land verschieden. Selbst Erwachsene schlafen nicht immer durch, manche reißt es sogar richtig aus dem Schlaf. Siehe “Mitternachtshunger, der”.

Trotzdem die Frage, wann es durchschläft, das Kind. In Krabbelgruppen auch als Konkurrenz, Stunden und Monate werden verglichen, Augenringe und Tränen dabei nicht verrechnet. Viel lieber und schöner finde ich es, die Eltern zu fragen, wie sie schlafen oder wie ihre Nächte sind, als im Smalltalk abzuchecken, ob das Kind endlich den Meilenstein Durchschlafen erreicht hat und ‘funktioniert’. Interessanteres zu erzählen gibt es auf die Frage wahrscheinlich auch. (Zum Beispiel wer am Lautesten schnarcht.)

In Schichten schlafen

Der Mythos, dass man mit Kind nicht mehr ausreichend schlafen oder ausschlafen könne, hat, glaube ich, weniger mit dem Kind zu tun, als mit den Umständen drumherum. Zum Beispiel ob ein_e Partner_in dabei ist und wie gut er_sie mitzieht. Oder welchen Spielraum Lohnarbeit gibt. Hier bin ich, zugegeben, in einer dreifach privilegierten Situation. Der Lohn meines Partners reicht erstmal für uns drei. Er ist ein sehr selbstverständlich engagierter Vater. (Wenn das Kind Mama sagt, deutet es meistens verlangend auf ihn.) Und mein Studium macht mir keine festen Vorgaben, wann ich damit fertig sein muss. (Zusätzlich habe ich gerade Semsterferien, in denen keine Hausarbeiten zu erledigen sind. Winwinwin.)

Im Moment gehe ich also zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens ins Bett und schlafe bis zehn oder zwölf Uhr mittags. Möglich wird das dadurch, dass er mit Kind abends um acht Uhr schlafen geht und morgens mit dem Kind aufsteht. Wir schlafen also mehr oder weniger in Schichten. Früher, als das Kind nachts noch nicht von selbst wieder einschlief, sprang ich bei Bedarf ins Schlafzimmer und tröstete das Kind, damit er weiterschlafen konnte. Und wenn er jetzt morgens aufsteht und das Kind füttert, wickelt, anzieht und in die Krippe bringt, kann ich weiterschlafen. Wir haben keinen festen Plan, teilen unsere Zeit nicht ein, sind babyverantwortlich nach Bedarf.

Morgens schlafe ich so tief, das ich das Kind nicht höre. Oder manchmal aus einer Ferne, bei der ich weiß, dass ich mich wieder rumdrehen kann, weil die beiden schon gemeinsam aufstehen. Je nachdem, wie spät ich ins Bett gegangen bin, erinnere ich mich an ihre Morgenroutinen nicht und habe höchstens einen verschwommenen Abdruck vom nassen Abschiedskuss des Kindes in Erinnerung. Wenn ich jedoch weiß, dass ich alleine verantwortlich bin, werde ich richtig wach. Oder wenn, während mein Partner unter der Dusche steht, es verdächtig platscht, weil das Kind etwas ins Klo geworfen hat oder mit den Händen darin plantscht. Da springe ich innerhalb von Sekunden aus dem Bett. Aber kann auch wieder ins Bett klettern und weiterschlafen, wenn die Situation gesichert ist.

Schlafe, wenn dein Kind schläft. LOL.

Meinem Partner war es von Anfang an wichtig, dass ich zu meinem Schlaf komme. Was besser ging, je öfter er das Kind fütterte und je mehr das Kind meine Brust verschmähte. Ich will nicht sagen, dass das ohne Konflikte vonstatten ging, aber die Idee dahinter war gut. Und funktionierte, auch langfristig. An Wochenenden holt er sich seinen Schlaf, indem er sich mit dem Kind zum Mittagsschlaf hinlegt. Was dem entspricht, was alle™ empfehlen, auch ich, aber mir nicht gelingt: “Schlafe, wenn dein Kind schläft.” In den paar Monaten, in denen ich Elternzeit hatte, waren das anfangs höchstens 20 Minuten, die mich schlafenderweise mehr zerstörten als erholten, sodass ich lieber die Gelegenheit nutzte, Fläschchen auszuspülen oder mal was zu essen. (Choose wisely!) Und auch jetzt erledige ich lieber Kram (oder scrolle sinnlos in der Gegend herum) als einen Mittagsschlaf zu machen. Oder mache Fotos von den beiden, wenn sie schlafen.

Was fast* unser aller Schlaf leichter macht: Das Kind schläft bei uns im Bett. Nicht, weil wir vorher ein Konzept dafür gehabt hätten. Neben unserem Bett steht noch immer ein großes Beistellbett, auf das ich abends meine Kleidung werfe. Ein Beistellbett, aus dem das Kind irgendwann nachts, als es das halt konnte, zu uns rüber krabbelte, wenn es wach wurde. Und in unserer Mitte weiterschlief. Ich freute mich, wenn es den Berg, der ich war, erklomm und auf der anderen Seite wieder runterpurzelte. Und freute mich, wenn ich spät ins Schlafzimmer kam, und es war schon rübergeklettert und ich konnte mich an das warme Kind kuscheln.

Während ich mich, als es noch miniklein war, nicht traute einen Mucks zu machen oder einen Zentimeter zu bewegen, wenn es schlief, habe ich jetzt keine Skrupel mehr, es zurecht zu schieben, wenn es sich quer auf meine Bettseite legt. Oder an meinen Brüsten abstößt. (Der einzige Vorteil, der es wäre, nachts einen BH zu tragen, als Rüstung.) Das Kind bevorzugt als Schlafposition übrigens eine Kombination aus “H is for Hell” und “The Neck Scarf”.
(*Wenn ich nachts noch wach bin höre ich manchmal ein Fluchen aus dem Schlafzimmer, wenn das Kind, halbwach, sich dafür auf den Kopf seines Papas wirft. )

Mittlerweile legen wir es zum Schlafen gleich in die Mitte des Bettes. Wenn die Ankündigung gemacht wird, dass es ins Bett geht, läuft es voraus und klettert rein, manchmal juchzt es auch dabei. Mein Partner oder ich legen uns dann daneben, er, weil er mit dem Kind ins Bett geht, um zu schlafen oder, wenn er lang arbeiten muss, ich, mit einem Buch, in dem ich lese, bis das Kind eine Viertelstunde später die warme Milch ausgetrunken hat und kurz nach den letzten Schlucken eingeschlafen ist. Dann steh ich auf und mache wieder meinen Kram. Und komme erst einige Stunden später erneut ins Schlafzimmer, um bis in den späten Vormittag rein zu ratzen.

Anders Tage, an denen ich Texte wie diesen schreibe. Dann gehe ich spät ins Bett, um rechtzeitig fertig zu werden und stehe für die Veröffentlichung früh und müde auf. Aber am Kind und seinem Schlaf liegt das nicht. Na gut, heute vielleicht schon.

Wie kommt ihr zu ausreichend Schlaf, wenn ihr mit Kindern zusammen lebt?

2 Antworten zu “Kind und Schlaf (4)”

  1. Rona sagt:

    Tja, ich habe das mit dem zweiten Kind fast von Anfang an allein gewuppt. Das ist nun nicht wirklich zu vergleichen. Der Kleine lag am Anfang auch viel bei mir am oder im Bett. Ab einem gewissen Punkt, war es mir aber wichtig, dass ich mein Bett für mich allein hatte und das finde ich auch völlig legitim. Sobald ich nicht mehr stillte, zog der Kleine zum Großen ins Zimmer. Beide schliefen wie die Könige. Und am Wochenende morgens mute ich ihnen schon länger zu, eine Zeit lang allein zu spielen oder noch mit mir zu kuscheln. Das genießen wir alle. Allerdings: seit ich Kinder habe, gehe ich früh ins Bett. Wenn nicht, rächt sich das.

  2. […] und Zeug erzählen kann. Ein neuer Teil unserer Kinderkolumne. Hier findet ihr Teil 1, 2, 3, 4, 5 und […]