Mein erster Talk auf einer Tech-Konferenz

Foto , CC BY-NC-ND 4.0 , by Lena Reinhard

Ende März, ein sonniger Dienstagvormittag. Ich sitze entspannt in meiner Küche, trinke Kaffee, arbeite und sehe eben meine Twitter-Timeline durch, als eine Nachricht auf meinem Rechner aufploppt: “Ich habe eben eine Anfrage für eine Konferenz bekommen. Frag doch mal, ob du dort auch einen Talk halten kannst!” Meine Arbeitskollegin und gute Freundin, eine erfahrene Software-Entwicklerin, schreibt. In eben diesem Moment sehe ich einen Tweet der Speakerinnen: die selbe Konferenz sei auf der Suche nach weiblichen Vortragenden.

Und dann geht plötzlich alles ganz schnell: ein kurzer E-Mail-Wechsel mit einer der Organisator_innen, eine kurze Beschreibung, wer ich bin, was ich so mache und worüber ich gerne reden würde, und nur zwei Stunden nach der Nachricht von meiner Kollegin schreibe ich diesen Tweet:

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(“Ich wurde eben für meinen ersten Talk auf einer Konferenz für Entwickler_innen bestätigt. ICH BIN SO AUFGEREGT!”)

Wer, was, warum?

Seit ein paar Jahren bin ich in der Tech-Branche tätig, hauptsächlich mache ich dort Marketing, Kommunikation, Projekt- und Community-Management. Seit einem Jahr arbeite ich hauptberuflich an Open Source-Software-Projekten und bin seit kurzem Geschäftsführerin einer kleinen Firma. Und: ich kann nicht programmieren.

Ganz ehrlich, ich will es auch gar nicht. Es gibt einige Dinge, in denen ich ganz gut bin, und viele Dinge, die ich sehr gerne mache. Aber Programmieren gehört einfach nicht dazu. Und ich finde das völlig okay, weil ich denke, dass es auch für Menschen wie mich einen Platz geben muss – im Tech-Bereich, aber auch in der Entwicklung von Open Source-Software (ich schreibe ab jetzt einfach “Open Source”, das macht es etwas einfacher).

Mein Talk auf der Konferenz soll sich um etwas drehen, was mir mehr als ein persönliches Anliegen ist: sehr viele Open Source-Projekte drehen sich immer noch zum allergrößten Teil um Programmierung. Das ist wichtig, da nunmal das “Produkt” dieser Projekte in der Regel Software ist. Ich glaube aber, dass es darüber hinaus noch andere, sehr wichtige Dinge zu tun gibt: zum Beispiel Fehler in der Software finden, alles dokumentieren, Benutzeroberflächen und -interaktionen entwerfen, über das Projekt schreiben und es vermarkten (damit möglichst viele Menschen die Software am Ende benutzen), Konferenzen oder regelmäßige Treffen organisieren und vieles mehr.

Meiner Erfahrung nach fallen einige dieser Aspekte bei ganz vielen Projekten noch zu häufig unter den Tisch – schon alleine deswegen, weil sich die meisten Mitwirkenden auf den Kern des Projekts, die Software, konzentrieren, und kaum Zeit für anderes bleibt. Hinzu kommt, dass Programmierer_innen in diesen Projekten meist auf einer gemeinsamen Plattform arbeiten und es recht einfach ist, dort selbst Code zum Projekt beizutragen. Diese Form der Teilnahme ist aber für nicht-programmierende Menschen jedoch nicht so einfach möglich, vor allem, da sie meist schlichtweg nicht vorgesehen ist – und so machen hohe Einstiegshürden und fehlende Strukturen die Teilnahme für diese Menschen de facto schwierig bis unmöglich.

Einen sehr ähnlichen Talk habe ich erst vor wenigen Wochen in Berlin gehalten – bei der up.front, einem monatlichen Treffen von Frontend-Entwickler_innen und Designer_innen. Das hat mir viel Spaß gemacht, die Rückmeldungen waren toll, ich fühle mich bereit für etwas Größeres. Für meine erste Konferenz.

6 Wochen bis zur Konferenz

Nach der ersten großen Aufregung tritt schnell erst einmal völlige Entspannung ein. Es ist ja noch wahnsinnig lange hin bis zum Konferenz-Tag. So viel Zeit! Ein paar vereinzelte Rückmeldungen zum Talk in Berlin trudeln noch ein, ich notiere sie ordentlich und nehme mir vor, sie vollständig in eine überarbeitete Version einfließen zu lassen, die ich dann auf der Konferenz halte. Das wird toll! Das ist ein super Thema! Ich freue mich so!

5 Wochen bis zur Konferenz

Ich spiele 2048.

4 Wochen bis zur Konferenz

Ich spiele mehr 2048.

3 Wochen bis zur Konferenz

“Ich kann das nicht. Ich kann nicht auf einer Konferenz einen Talk halten. Nicht zwischen lauter Entwickler_innen. Ich bin die einzige zwischen all den Speaker_innen, die nicht programmieren kann! Niemand wird sich für meinen Vortrag interessieren. Ich habe doch gar keine Ahnung von dem Thema. Es gibt so viele andere, die das viel besser können! Es hat gar keinen Sinn, wenn ich das überhaupt versuche!”

Völlige Verzweiflung, drei Tage lang. Dann: Selbstdiagnose – Impostor Syndrome. Das macht es nicht besser. Aber immerhin habe ich es jetzt eingeordnet. Nächster Schritt: “du musst da jetzt durch” als Mantra.

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2 Wochen bis zur Konferenz

GitHub, eine Plattform, auf der sehr viele (Open Source-)Software-Projekte ihren Code liegen haben, gibt die “Ergebnisse” seiner Recherchen rund um die Vorwürfe von Julie Ann Horvath bekannt. Julie hatte das Unternehmen einige Wochen zuvor verlassen und die Gründe dafür (Harrassment, Sexismus und viele mehr) öffentlich gemacht (Details zu den Vorfällen hat Map hier aufgeschrieben).

Nun ist es so, dass ich mich mit all diesen Themen allein schon deshalb seit Langem auseinandersetze, weil in „meinen“ Teams Frauen arbeiten, wir alle mehr Diversität wollen und ich auch noch selbst eine Frau bin – oder, wie kürzlich in einem Text beschrieben:

“Women in tech practically have to work on diversity issues. It’s a matter of survival, for us. An unpaid, under-appreciated second shift we’re all expected to work.” (Geekfeminism)

(“Frauen im Tech-Bereich müssen praktisch an Themen rund um Diversität arbeiten. Für uns ist es überlebenswichtig. Eine unbezahlte, zu wenig wertgeschätzte Nebentätigkeit, die zu übernehmen von uns allen erwartet wird.”)

Zu den Vorfällen rund um GitHub kommt hinzu, dass dies bei Weitem nicht der erste derartige Vorfall war – allein für dieses Jahr dokumentiert das Geek Feminism Wiki bereits 12 ähnliche Vorfälle in der Geek-Szene.

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Und ab und zu gibt es einfach Momente, da wird das alles zu viel. Da ist er nicht mehr zu ertragen, dieser tägliche Kampf um Sichtbarmachung von marginalisierten Menschen, um mehr Diversität, um eine bessere Kultur in Communities – während gleichzeitig immer wieder neue Vorfälle in scheinbar ach so tollen Projekten, Firmen und Communities ans Licht kommen. Es fällt mir dann unglaublich schwer, das zu trennen: einerseits die tollen Projekte und Menschen, mit denen ich selbst arbeite; andererseits die vergiftete Kultur, die vielerorts noch herrscht. Es ist auch kaum zu trennen, denn die Übergänge sind so fließend und die Gefahrenlage ist so akut, dass klar ist: selbst wenn wir alles tun, um das zu verhindern, kann es doch jederzeit überall passieren.

Manchmal überfordert mich das einfach.

Ganz genauso geht es mir jetzt. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich bin wütend, verzweifelt, ratlos. Tagsüber sitze ich in dieser Woche oft weinend vor dem Rechner, weil ich das alles nicht mehr ertrage. Abends lege ich mich ins Bett und weine wieder, weil alles so völlig außerhalb des jemals Änderbaren erscheint.

Mir wird klar, dass das so nicht geht: dass ich nicht guten Gewissens einen Talk darüber halten kann, wie Open Source-Projekte neue, nicht-programmierende Expert_innen als Mitwirkende gewinnen können – während gleichzeitig die Kultur in vielen Projekten dermaßen toxisch ist. Ich beschließe, meinen Talk komplett umzuschmeißen. Worüber ich nun reden möchte, ist, was alles in der Kultur dieser Projekte und Communities falsch läuft, und was sich ändern muss, damit Open Source als Konzept und Idee überhaupt eine Zukunft haben kann.

Ich schreibe eine E-Mail an die Organisator_innen der Konferenz. Erkläre ihnen die Hintergründe und warum meine alte Vortrags-Idee zur Unmöglichkeit geworden ist und bitte sie, mich mein Thema und den geplanten Inhalt ändern zu lassen. Sie antworten schnell: alles kein Problem, sie freuten sich auf den Vortrag. Ich bin beruhigt. Und trotzdem immer noch völlig unsicher.

Ich setze mich hin und schreibe die ersten Notizen für den Vortrag herunter. Nach einiger Zeit merke ich, dass ich so nicht vorankomme: zu viel ist in meinem Kopf, und alles viel zu chaotisch. Ich bin zu wütend, und Wut lässt sich nicht strukturieren. Hinter meinem Kachelofen finde ich noch einen großen Zeichenblock im A2-Format.

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In die Mitte schreibe ich “Open Source-Kultur”. Und dann fange ich an: zunächst nehme ich den Kulturbegriff auseinander, wälze Wörterbücher, Studien und kulturwissenschaftliche Literatur, und beginne dann mit der Übertragung auf Open Source-Projekte. Die wichtigsten Punkte und großen Unterthemen trage ich auf dem Zeichenblock ein, zunächst lose, erst ganz zum Schluss werde ich sie in passender Reihenfolge verbinden.

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Nebenher recherchiere ich viel online, lese wissenschaftliche Publikationen, Blogs, die Artikel von Menschen und Organisationen, die an einer Verbesserung dieser Kultur arbeiten, kurz: alles, was mit meinen Themenideen zu tun hat. Die Recherche-Ergebnisse sammle ich alle in einem großen Dokument und versehe sie von Vornherein mit Quellen und Überschriften, damit ich sie später schnell zuordnen kann. Nach zwei Tagen habe ich drei Blätter auf meinem Block vollgeschrieben und zwölf Seiten mit Notizen auf meinem Rechner.

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Stimmung: uaaaah!

1 Woche bis zur Konferenz

Genau eine Woche vor der Konferenz treffe ich abends einige Kolleg_innen zum Arbeiten. Ich habe meine Blätter sorgfältig zusammengerollt, mitgebracht, bitte sie, sich meine Grundthesen anzuhören und notiere ihre Rückmeldungen.

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Stimmung: vielleicht wird es ja gar nicht so übel.

5 Tage bis zur Konferenz

Ich habe drei komplette Tage damit verbracht, meine ganzen Blätter zu sortieren und den Vortrag herunterzuschreiben.

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Jetzt setze ich mich an meinen Rechner und öffne das Präsentationsprogramm Keynote: neue Präsentation anlegen, die erste Folie basteln. Und dann schlägt meine hobbymäßig kultivierte Typographie- und Design-Liebe wieder zu: ich kenne das schon, diesen enormen Hang dazu, stundenlang über den Designs der einzelnen Folien in Präsentationen zu brüten. Diesmal muss ich mich zusammenreißen, dafür habe ich jetzt wirklich keine Zeit. Zwei Stunden später habe ich mich sogar schon für zwei Schriftarten entschieden (Rekord!).

Stimmung: das sieht gut aus!

4 Tage bis zur Konferenz

Ich habe 110 Folien gebaut. Für meinen Talk werde ich 30 Minuten Zeit haben. Das wird eng. Als ich ihn das erste Mal mit Stoppuhr durchgehe, sind 30 Minuten vorbei und ich habe noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Verdammt.

Stimmung: ich muss das Land verlassen.

3 Tage bis zur Konferenz

Tagesstatistik: Ich habe 40 Folien weggeworfen, alles neu geschrieben, all meine Lieblinge umgebracht, meine schönsten Quellen gestrichen und Regenbogen-Farbverläufe gemalt.

Stimmung: ich muss das Land verlassen. SOFORT!

2 Tage bis zur Konferenz

14 Uhr, Berlin. Wind. Die Präsentation sitzt. Und mit “sitzt” meine ich: mir fehlen „nur“ noch sämtliche Folien zu meinen Kernthesen. Aber egal, ich habe keine Zeit mehr – in 16 Stunden geht der Flieger! Ich starte einen Versuch und halte den Talk vor mir selbst. 33 Minuten. So langsam könnte das etwas werden. Zwei meiner Kolleg_innen haben dankenswerterweise angeboten, sich den Talk anzuhören. Wir treffen uns per Hangout, sie hören zu, notieren wichtige inhaltiche Rückmeldungen und all meine Aussprachefehler:

– “Du hast gesagt ‘one could see beer on the fields’ (‘man konnte Bier auf den Feldern sehen’), da müsstest du ‘bears’ (‘Bären’) sagen.”

– “Aber ich habe ‘deer’ (Hirsche) gesagt!”

Kurz darauf das selbe nochmal mit einem guten Bekannten. Das positive Feedback hat mich sehr aufgebaut. Das wird schon alles gut werden. Gegen 23 Uhr werfe ich ein paar Sachen in eine Tasche (vor allem einen ganzen Haufen Kabel und Adapter). Als ich schlafe, ist es gegen 1 Uhr.

Stimmung: ich will nur noch schlafen.

1 Tag bis zur Konferenz

Um 04:30 Uhr klingelt mein Wecker. Mein Gehirn sagt: “da musste jetzt durch, ne!” Mein Körper sagt: “Noooooiiiiin!”. 12 Stunden später bin ich endlich in Linz, wo meine Kollegin schon wartet. Wir setzen uns auf der Terrasse an meinem Hotelzimmer in die Sonne, tragen uns gegenseitig unsere Vorträge vor und ich nehme mir vor, ihr Feedback noch einzuarbeiten. Doch die Zeit wird knapp – nach dem Abendessen mit den anderen Speaker_innen sitze ich noch bis 2 Uhr morgens über meinen Folien.

Stimmung: ich bin sowas von erledigt.

Tag der Konferenz

06:40 Uhr. Mein Wecker klingelt. Ich fühle mich, als hätte ich nicht geschlafen. Draußen regnet es in Strömen. Um 7 Uhr treffe ich meine Kollegin zum Kaffeetrinken und zwinge mich, ein Brötchen zu essen. Es ist ein Körnerbrötchen mit Marillenmarmelade. Danach ist mir speiübel.

07:45 Uhr. Auf dem Weg zum Veranstaltungsort. Ich trage zwei Jacken. Mir ist kalt.

08:05 Uhr. Unterwegs spreche ich mit einer Person aus dem Orga-Team, die während meinem Talk anwesend sein wird. Ich fühle mich immer noch recht unsicher und habe Sorge, dass die Fragerunde im Anschluss an den Talk aus dem Ruder laufen könnte. Ich erläutere meine Befürchtungen, wir besprechen, in welchen Fällen das Orga-Team eingreifen wird. Bin danach etwas beruhigt.

08:30 Uhr. Beim achten Anlauf habe ich endlich den Raum gefunden, in dem ich gleich reden soll. Leider hat bei der Beschilderung der Räume etwas nicht so ganz geklappt – das einzig vorhandene “Schild” ist ein A4-Blatt, auf das jemand mit Kugelschreiber die Raumnummer geschrieben hat und das optisch zwischen Plakaten von Studierendenpartys untergeht.

08:31 Uhr. Überlegung: ist es möglich, diesen Raum ohne Hilfe zu finden?

08:32 Uhr. Panik. NIEMAND WIRD DEN RAUM FINDEN.

08:33 Uhr. Panik. ICH WERDE DA GANZ ALLEINE STEHEN UND NIEMAND WIRD MEINEN TALK HÖREN.

08:34 Uhr. Resigniertes Hinsetzen. Darauf erstmal einen Schluck Wasser.

08:34:30 Uhr. Ich brauche einen Schnaps.

08:35 Uhr. Aufstehen und der Versuch, den Beamer zum Laufen zu bekommen.

08:45 Uhr. Drölfzigster Versuch, den Beamer zum Laufen zu bekommen. Wenigstens wissen wir jetzt, wie man die Jalousien an den Fenstern herunterfährt.

08:54 Uhr. Außer mir sind drei Personen im Raum: meine Kollegin und zwei der Organisator_innen.

08:58 Uhr. Der Beamer läuft. Niemand weiß warum. Ich weise alle drei Anwesenden an, sich auf keinen Fall zu bewegen, damit der Beamer nicht wieder ausgeht.

08:59 Uhr. Ich habe die Gesamtsituation vollständig angenommen und akzeptiert. In mir herrscht eine Art Zen-ähnlicher Ruhe. Ich fühle mich so entspannt wie das Watt bei Ebbe, wie die Schnecke im Erdbeerfeld, wie ein Kornblumenfeld im Frühsommer. Dann halte ich den Talk eben vor den drei Anwesenden. Das ist auch schön, dann kann ich wenigstens in Ruhe aufwachen.

09:00 Uhr. Jemand sagt, wir begännen doch 10 Minuten später.

09:10 Uhr. Plötzlich sind doch irgendwie über 25 Menschen im Raum. WIE KONNTE DAS PASSIEREN?

09:11 Uhr. Und dann heißt es: “Good morning! Our first talk today is from Lena who will be talking about …” (“Guten Morgen! Der erste Talk heute ist von Lena, die darüber sprechen wird …”) – und dann bin ich dran. Ich stehe auf.

09:52 Uhr. Es lief super. Glaube ich. Meine Kollegin ist begeistert (was soll sie auch anderes sein? <3 ), die Fragerunde war in Ordnung, ich werfe meinen Rechner und alle Kabel in den Rucksack. Erstmal raus hier, ab in die Sonne und auf die Wiese legen. Einmal tief durchatmen. In einer Stunde schon ist meine Kollegin mit ihrem Vortrag dran.

Der Tag danach

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Ich sitze wieder im Flieger nach Berlin und atme tief durch. Der Konferenztag gestern war noch sehr schön. Ich habe tolle Menschen kennengelernt und großartige Gespräche geführt. Und trotzdem (oder genau deswegen), ich bin völlig erledigt. Den Großteil des gestrigen Tages habe ich damit verbracht, mit anderen Konferenzteilnehmer_innen und Speaker_innen über viele Punkte aus dem Talk zu sprechen.

Das meiste davon waren sehr gute Gespräche, bei denen trotz alledem wieder vieles noch einmal deutlich wurde, was ich kritisiert habe: dass viele privilegierte Menschen in dieser Branche sich keinerlei Gedanken über Marginalisierung und Diskriminierung machen; keine Ahnung davon haben, dass Belästigung und mehr alltäglich sind; dass Victim-Blaming und Tone Policing für manche immer noch als normal gelten; und schließlich, dass Inklusion und Diversität im Hinblick auf Geschlecht, Ethnizität und Fähigkeiten noch für längere Zeit Großbaustellen bleiben werden. Ich bin froh, dass es so viele Menschen gibt, die sich bereits dafür einsetzen, dass sich daran etwas ändert. Und die wissen: es gibt noch viel zu tun.

Mein erster Talk auf einer Tech-Konferenz – gelernt:

  • Tech-Konferenzen können tolle Orte sein
  • … mit ganz großartigen Menschen
  • Sie können auch ein toller Ort sein für Menschen, die nicht programmieren können
  • Tech-Konferenzen brauchen mehr Menschen, die nicht programmieren können
  • Es hilft sehr, sich wirklich gut vorzubereiten (da habe ich noch etwas Nachholbedarf)
  • Gut ist, den Talk im Vorfeld mindestens ein, zwei Mal durchzuspielen und um ehrliches Feedback zu bitten
  • Für die Packliste: Adapter für den Beamer nicht vergessen
  • Bei der Vorbereitung der Präsentation immer schön Daten sichern, am besten eine Kopie extern ablegen (zweite Festplatte, USB-Stick, Server, …)
  • Sobald die Präsentation fertig ist: im Originalformat (z.B. Keynote) sowie als PDF (nur die Folien) und als zweite PDF (nur die Moderator_innennotizen) auf einem USB-Stick abspeichern und mitnehmen – für den Fall, dass der eigene Rechner nicht funktioniert. Achtung: wurden keine Standard-Schriftarten verwendet, diese ebenfalls auf dem Stick speichern.
  • Animierte GIFs sind super, passen aber nicht zu jedem Thema
  • Wichtig: Self-Care – darauf achten, dass es einer_einem gut geht; von vornherein Rückzugsmöglichkeiten einplanen (zum Beispiel Vorträge gezielt nicht besuchen und stattdessen in der Sonne sitzen)
  • Sehr hilfreich: mit einer Person hingehen, die man mag und der man vertraut
  • Eigene Befürchtungen / Sorgen gegenüber den Organisator_innen ansprechen, so dass diese eine_n unterstützen können
  • Alles wird gut.

Links

… für alle, die schon einmal überlegt haben, auf einer Konferenz zu sprechen, und für alle, die noch nie darüber nachgedacht haben:

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(„No culture can live, if it attempts to be exclusive.“Ghandi)

Ach ja …

Eins noch – der Talk, um den es hier die ganze Zeit ging, heißt: “Building a future for Open Source”. Und das hier sind die Folien mit Notizen dazu.

10 Antworten zu “Mein erster Talk auf einer Tech-Konferenz”

  1. Nivatius sagt:

    gibt es kein Video?

  2. GregorMartynus sagt:

    Chapeau, liebe Lena. Du hast es geschafft, mich auf vieles Aufmerksam zu machen, dass mir nicht bewusst war es aber sollte. Danke!

  3. Auto_focus sagt:

    Hier kann ich mir eine Antwort nicht verkneifen: es kam sehr viel positives Feedback von Leser_Innen, die das als Erfahrungsbericht spannend fanden und daraus Schlüsse für sich selbst und (mögliche) eigene Talks ziehen konnten, eigene Erfahrungen widergespiegelt sahen, sich in Ängsten bestätigt fühlten usw. Von sich selbst automatisch auf andere zu schließen ist selten eine gute Idee. Was die Notizblätter angeht, kann ich dir das nicht genau sagen: ich könnte das vermutlich nicht so schön skizzieren, aber ich gehe nicht davon aus, dass andere nicht trotzdem dazu in der Lage sind.

  4. Mel sagt:

    Liebe Lena, ich finde es eine tolle Idee, transparent zu machen, was du zur Vorbereitung deines Vortrags so gemacht hast und was dabei in dir vor ging. Nur frage ich mich, warum hast du Nachholbedarf, was eine „wirklich gute Vorbereitung“ anbelangt? Klar, ist dein Eindruck, ist deine Entscheidung, war ja anscheinend auch ein besonders aufrgender Vortrag wegen der Tech-Programmier-Geschichte, aber aus meiner Perspektiv wirkt deine Vorbereitung wirklich sehr intensiv – inhaltlich und zeitlich. Mir kam einfach der Gedanke, dass es immer noch vor allem Frauen sind, die einem gewissen Perfektionismus nachgehen, immer weiter zweifeln ob sie gut genug vorbereitet sind. Letztlich steckt wohl dahinter die Frage, ob SIE gut genug sind. Ich bin jedenfalls genervt davon, dass ich so oft denke, ich bin nicht gut genug. Und ich finde es traurig und doof, wenn ich das bei meinen Freundinnen beobachte. Und dann wird oft so viel Zeit investiert, obwohl die Entlohnung das eigentlich gar nicht her gibt. Oder es wird lang aufgeschoben, so dass das Selbstwertgefühl noch mehr sinkt. Und zumindest in meiner Erfahrung ist es extrem selten so, dass etwas wegen meiner unzureichenden Vorbereitung gegen die Wand fährt. Könnte manchmal besser laufen, klar, könnte es ja meistens und hängt von so vielen Dingen ab. Wann ist also gut genug?

    • Miel sagt:

      Liebe Mel, danke für den Kommentar, und ich finde, es sind gute Fragen, die du da aufwirfst.
      Was mich persönlich angeht: ich habe ja geschrieben, dass ich „etwas“ Nachholbedarf habe, das meinte ich insbesondere in Bezug auf meine Zeiteinteilung und auch meinem emotionalen Umgang mit alledem, was so im Vorfeld der Konferenz passierte (und weniger inhaltlich, da fühlte ich mich an sich gut vorbereitet). Das ist weniger ein Selbstoptimierungsansatz, sondern vor allem ein Ansatz hin zur Wahnsinnsminimierung im Vorfeld. :)

  5. Miel sagt:

    Ja, das sind die „echten“ Notizblätter. Den Rest könnte ich nicht besser sagen als Auto_focus ihn schon gesagt hat.

  6. […] dann passierte auch mir das mit den ersten Wiedersehen: vor vier Monaten habe ich meinen ersten Talk auf einer Tech-Konferenz gehalten (und auch das erste Mal überhaupt eine besucht). In der […]