Hang in there – Die Playlist fürs Durchhalten

Foto , CC BY-NC-SA 2.0 , by Kristina Alexanderson

Die Ironie der Tatsache, dass ausgerechnet ich eine Liste mit Songs zum Durchhalten schreibe, entgeht mir nicht. Schließlich bin die Frau, die heute in ihrer Yogaklasse anfing zu weinen, weil sie nach sieben Jahren Übung immer noch keinen Kopfstand hinbekommt. Ich bin auch die Frau, die entgegen aller Karriereratgeber sehr wohl schon mal im Job geweint hat – streng genommen bei jedem der Arbeitgeber, die ich bereits hatte. Vier Jahre aus dem Studium raus (wo uns niemand gesagt hat, dass die Fähigkeit, lautlos zu weinen, wichtig wird), schaffe ich es inzwischen, das eine Mal im Jahr, wo es notwendig ist, lautlos hinter der verschlossenen Klotür zu greinen. Ich betrachte das als einen der wichtigsten Entwicklungsschritte meiner Karriere.

Wo auch immer sie uns trifft – im Job oder in der Familie, ob aus Hilflosigkeit oder Wut oder Angst oder Trauer – die Krise gehört zu unserem Leben. Zu weinen und nicht zu wissen, wie es weitergehen soll, ist nichts, dessen wir uns schämen müssen. Zusammenbrechen ist manchmal einfach das, was uns bleibt. Und für die Zeiten, in denen das so ist, brauchen wir einen Soundtrack. Manchmal ist er einfach da, aus den Liedern, die wir vorher schon gehört haben. Manchmal finden sie uns, wenn es uns dreckig geht. Meine Liste für die Tage, wenn sich alles schwer anfühlt, hab ich hier gebaut. Ihr könnt sie gerne ergänzen.

1. Blur: “Tender”

“Come on, Come on, Come on – get through it” – „Komm schon, komm schon, komm schon – wurstel dich irgendwie durch“, singt Damon Albarn – frei übersetzt. Nicht zu empfehlen bei Durchhaltestörungen wegen Liebeskummer – schließlich singt Blur davon, dass Liebe die größte Sache ist, die wir haben. Naja, mag da der oder die verheulte Verlassene denken. Aber dieses Schlagzeug, der Chor, das Shoegazing an der Gitarre – das tröstet dann völlig unabhängig vom Text über so ziemlich jedes Ungemach.

 

2. Billy Joel: “Moving out”

Wir bleiben beim Thema “Verlassen” und “Verlassen werden”, wobei sich William Martin „Billy“ Joel in seiner Ode ans Abhauen eher über den Mittelklassetraum einer Beförderung, eines dickeren Autos und eines Hauses im Speckgürtel auslässt – und das in den Wind schießt, wenn das alles sein soll, worum es im Leben geht. Die Überstunden, die die anderen machen, verbringt er wohl lieber in dem Auto, das man bei Minute Drei losfahren hört. Denn Überstunden sind pure Lebenszeit. Und die gibt einem keiner zurück – auch nicht der verchromte Spiegel an der Luxuskarre.

3. Me and my drummer: “You´re a runner”

Mit diesem Song möchte ich zeigen, dass ich auch noch nach den 90er Jahren Musik konsumiert habe. Der Text: Ein einziger Mutmacher. Er sagt: Du kannst dich nicht darüber beklagen, dass dir keiner Licht auf dem Weg macht, wenn du doch noch gar nicht weißt, wo es hingehen soll.

Und er tröstet dich: Egal, wie ratlos und verloren du dich gerade fühlst, du bist nicht alleine. “There are more hearts pumping like your own”, singt Charlotte Brandi und Matze Pröllochs schlägt dazu den Takt.

4. Elton John: “I´m still standing”

Ein Klassiker für alle Phasen eines ausgewachsenen Nervenzusammenbruchs. Der Anfang: ich unterschätze das Problem, aber mir geht´s dufte. Die Mitte: Ich bin ganz unten, aber ich bin noch am Leben. Das Ende: Hey, ich hab´s überlebt. Bring it on, Leben. Bonuspunkte für die Bühnenoutfits Eltons, die einem vielleicht nicht den Lebenswillen wiedergeben, aber neugierig genug machen, um sich 3 Minuten vom eigenen Elend ablenken zu lassen.

eltonjohn1

5. The Beautiful South: “Good as Gold, stupid as mud”

The Beautiful South ist eine Band, die ich alleine aufgrund ihres Songs “Don´t marry her (fuck me)” immer in meinem Herzen tragen werde. Hier singen sie in beispielloser Fröhlichkeit von der traurigen Wahrheit “The hill to happiness is far too steep” und wollen alles, und zwar sofort: “I want my sun-drenched, wind-swept Ingrid Bergman kiss – Not in the next life I’ll have it in this, I’ll have it in this”. Nichts für Buddhist_innen also. Aber für Menschen, die manchmal traurig und trotzig auf einem Stuhl im Pub sitzen und dem Glück hinterhertrinken.

6. Robbie Williams: “Something beautiful”

Wunder kann man nicht erzwingen – was deine Großmutter dir schon immer halb tröstend, halb resigniert gesagt hat, singt Robbie Williams hier mit Verve. Eine fetter Bläsersound unterlegt die lässige Botschaft von der frohen Hoffnung, die der an Entziehungskuren und Trennungen nicht arme Ex-Boybandler zu verkünden hat. Inzwischen lebt er in L.A., glaubt an UFOs, führt eine Ehe mit Kind, macht noch immer Musik und hat sich sogar mit seinem Ex-Intimfeind Gary Barlow versöhnt – inklusive Brokeback Mountain-eskem Versöhnungssong. Also bei ihm stimmt’s irgendwie mit der Hoffnung, trotz “feeling lost, hurt, tired and lonely.” Und was ein Multimillionär kann, das … oh wait.

7. Jake Bugg: “Two Fingers”

Jake Bugg geht noch etwas weiter als sein Landsmann Robbie Williams: er gibt nicht nur irgendwie ideelle Hoffnung auf ein Leben nach dem Down, er gibt praktische Hinweise, wie es zu erreichen ist: “I drink to remember, I smoke to forget”, singt er in “Two Fingers”. Das sind die Körperteile, die er der Vergangenheit zeigt – und das ist nicht als Friedensangebot gemeint. Obwohl “Hey, hey it´s fine, I left it behind” – ist egal, was war. Es ist vorbei.

8. Superpunk: “Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen”

Das schlechteste, was ich über dieses Lied sagen kann, ist, dass es sich nur an Männer richtet. So rein von der Wortwahl ausgehend. Aber ich habe den Song adoptiert, da mein Fundort ein gänzlich unmännlicher war – ich hörte das Lied das erste Mal auf dem Sampler der längst eingestellten Sendung “Fast Forward”, die auf dem längst eingestellten Fernsehsender “Viva Zwei” lief und von der damals noch nicht-schreibenden Charlotte Roche moderiert wurde. Pluspunkt: Im Video wird mit Eiscreme Selbstverteidigung geübt. Also auch pädagogisch sehr wertvoll.

9. Florence and the machine: “Shake it out”

Eigentlich selbsterklärend. Schüttel dich durch, schüttel es ab, schüttel es aus dir raus. Alles, was nervt, belastet, stört. Schüttel, was du has(s)t.

10. Ane Brun: “Lullaby for grownups”

Wenn das Schütteln nichts genutzt hat, das Heulen auch nicht und das Schimpfen, dann schlaf doch einfach mal ne Nacht drüber. Hör dir vorher Ane an: “Rest your head / It´s just as well / You can´t keep the skies from falling anyway.” Welches Problem löst du noch, nachts um drei? Außer, genügend Schlaf zu bekommen, wenig. Also kannst du´s gleich sein lassen, mit dem Zaudern und Zögern und Wachliegen. Trost zu spenden durch unsere manchmal gefühlt riesige Ohnmacht hindurch, ist eine Kunst. Dieser Song beherrscht sie.

Bonustrack 11

Eigentlich ein Song für das Drüber-weg-sein. Was mich daran erinnert, dass wir hier dringend auch Songs für die Momente brauchen, in denen man sich unbesiegbar fühlt.

 

Hier alle Songs zum Durchhören als Youtube-Playlist

Und was sind eure Songs fürs Durchhalten?

16 Antworten zu “Hang in there – Die Playlist fürs Durchhalten”

  1. Marian Funk sagt:

    oooooooh, du hast nicht ernsthaft eine themenplaylist angefangen und dann den kommentarbereich offen gelassen?!?

    dir ist schon klar, daß jeder das geheimrezept für das perfekte mixtape kennt…

  2. Uwe Sinha sagt:

    They Might Be Giants – „Can’t Keep Johnny Down“. Schöner, fluffig-leichter Indie-Pop mit einem Text, der mich immer in eine Scheißegal-mir-kann-keiner-was-Stimmung versetzt. (Disclaimer: ich bin seit gut 25 Jahren glühender They-Might-Be-Giants-Fan und deswegen vielleicht ETWAS voreingenommen…)

  3. Anne Wizorek sagt:

    Ich brauche das meist so in drei Stufen: erst alles an Ärger rauslassen, wozu sich u.a. „New Noise“ von Refused bestens eignet (Ich sage nur „CAN I SCREAM?!“) – http://youtu.be/m3AoiVMQqX4 – dann Ausheulen, zum Beispiel bei „Therapy“ von Moderat – http://youtu.be/-5mjKD1mCi8 – und danach die Revanche planen, zum Beispiel mit „Gun“ von CHVRCHES – http://vimeo.com/68399181 – („You had better run from me, with everything you own, cos I am gonna come for you, with all that I have.“).

  4. Herr Facke sagt:

    Lou Reed -„Sick of You“
    „Well I know one thing that really is true
    This here’s a zoo and the keeper ain’t you
    And I’m sick of it
    I’m Sick of you“

    hilfreiches Eintauchen in globalen Leidenskontext

  5. neurosenthal sagt:

    das hier – muss ja auch mal ein bisschen hip hop dabei sein :-)
    https://www.youtube.com/watch?v=PGm0V6FBYD8

  6. Johanna sagt:

    Oh ja! Danke für die Liste. Und man kann nicht oft genug irgendetwas übers Weinen lesen.
    NOT DARK YET von Bob Dylan. http://youtu.be/RZgBhyU4IvQ „Behind every beautiful thing there’s always some kind of pain.“
    Ich hab den Text ehrlich gesagt nie so richtig verstanden, mal abgesehen vom Titel, aber Neil Youngs DON’T LET IT BRING YOU DOWN tröstet trotzdem: http://youtu.be/F7letrMf_nE
    „I’m gonna make it through this year if it kills me.“ THIS YEAR von John Darnielle/The Mountain Goats *seufz* http://youtu.be/8ZEE_Ng1YKg

  7. Martin B sagt:

    Incubus – The Warmth. Meine Hymne zum Kopf wieder hochbekommen. Kopfhörer, Lautstärkeregler auf 11 und die Nummer auf Endlosschleife.

  8. Natollie sagt:

    Ich komme – natürlich, was auch sonst – mit The Ark um die Ecke: It takes a fool to remain sane. https://www.youtube.com/watch?v=Uu5lFMXvcdc

  9. fröken von Horst sagt:

    Mir fiel ein Lied als Ergänzung ein, aber ehe ich das posten konnte, muste ich erst dazu durch den Raum tanzen. Furry happy monsters (furry sobbing monsters): https://www.youtube.com/watch?v=3BVSvjOY4g4

  10. Karin sagt:

    Für Krisen aller Art läuft hier derzeit: http://www.youtube.com/watch?v=yUQCmDfKFac

  11. Bratpfanne sagt:

    Big in Japan gesungen von Anne Brun
    Schwinger von Seeeed
    Here I am von SOJA
    We run it von Tarrus Riley

  12. Anna sagt:

    Ein Wohlfühl-Song für alle ReggaeLiebhaberInnen unter uns. <3

    http://www.youtube.com/watch?v=pZJFx30EABE

  13. Giliell sagt:

    Etwas spät zur Party, aber hin und wieder geht’s mir so:
    Get Set Go:
    I hate everyone
    https://www.youtube.com/watch?v=i3dY6aCUe9Y