Die Abenteuer von „Konservatives Feuilleton Man“ – Ein exklusives Interview

Foto , CC BY-NC-SA 2.0 , by Ines Seidel

Ein Interview mit „Konservatives Feuilleton Man“, dem Mann hinter all den Print- und Online-Kolumnen, die euren Blutdruck in die Höhe schnellen lassen. „KFM“, wie er sich selbst auch nennt, enthüllt hier erstmals und exklusiv seine Motivation und Arbeitsweise.

kleinerdrei: Konservatives Feuilleton Man, viele denken ja, du wärst mehrere Personen. Wie kommt es zu diesem Eindruck?

Konservatives Feuilleton Man: Also ich agiere unter verschiedenen Decknamen. Für diese Namen lasse ich mich vom ganzen Alphabet inspirieren, aber erfahrungsgemäß kommen solche, die zum Beispiel mit M oder F beginnen am besten an. Da setze ich natürlich auch bewusst auf solche Erfolgsrezepte.

kleinerdrei: Deine Identitäten sind also austauschbar, aber deine Stimme bleibt einheitlich. Du sagst von dir selbst, dass dein Mantra „Man wird ja wohl noch sagen dürfen!“ lautet. Wie kamst du dazu?

Konservatives Feuilleton Man: Das habe ich mal vor Jahren an einem Stammtisch aufgeschnappt und es sprach direkt mein Innerstes an. Seitdem ist es mein Leitsatz, um alles zu verteidigen. Ich wechsle mich da aber auch mit meinen anderen Slogans „Wir sind doch schon viel weiter!“ und „Jetzt ist’s auch mal gut“ ab – man will ja schon ausgewogen in der Argumentation bleiben. Insgesamt geht es mir aber immer nur um den Erhalt der Meinungsfreiheit, da bin ich ganz ehrlich.

kleinerdrei: Man könnte fast meinen, sie ist deine Damsel in distress, dein Jungfräulein in Nöten…

Konservatives Feuilleton Man: Pfffft! Ich sehe sie halt eindeutig bedroht, wenn sich niemand mehr Schuhcreme ins Gesicht schmieren darf, um einen schwarzen Menschen zu spielen oder wenn es einem Politiker nicht mal mehr erlaubt ist, ungefragt Journalistinnen-Dekolletés zu kommentieren. Ich meine, wo kommen wir denn da hin?!

Daher: Gut, dass es mich gibt. *nickt und klopft sich auf die Schulter*

kleinerdrei: Wie muss man sich deine Arbeitsweise denn so vorstellen?

Konservatives Feuilleton Man: Nun, ich lasse mich regelmäßig von meinem Assistenten „Internetkommentator Boy“ durch einen Pager über laufende gesellschaftliche Debatten informieren und analysiere daraufhin messerscharf, wo ich die Meinungsfreiheit und zum Beispiel die Entfaltungsmöglichkeit heterosexueller Menschen gefährdet sehe.

Dann mache ich mich geschwind ans Werk und tippe in 50 Sekunden einen neuen Artikel runter, den ich anschließend nur noch im Medium meiner Wahl veröffentlichen muss. Boom! „KFM“ strikes again! *macht verwirrende Handgeste*

Manchmal habe ich aber auch gar keine Lust, einen neuen Text zu schreiben. In dem Fall erstelle ich einfach ein Best Of meiner alten Kolumnen und verkaufe diese als neu. Das merkt kein Mensch! Geld gibt es natürlich trotzdem. *kichert verschmitzt*

kleinerdrei: Klingt nicht gerade so, als wäre da viel Rechercheaufwand dabei?

Konservatives Feuilleton Man: Ja, voll praktisch, oder? Echte Fakten brauche ich nicht, schließlich habe ich eine Meinung. So fühle ich mich als ganzer Mann! *blickt mit stolz geschwellter Brust in eine undefinierte Ferne*

kleinerdrei: Was ist denn deiner Meinung nach schuld an d…

Konservatives Feuilleton Man: … DER FEMINISMUS! UND HIER, ÄHM, DIE GUTMENSCHEN! So!

kleinerdrei: Du weißt doch gar nicht, was ich fragen wollte?

Konservatives Feuilleton Man: Ja und?

kleinerdrei: Oookay. Wie würdest du denn deine Mission überhaupt zusammenfassen?

Konservatives Feuilleton Man: Ich stelle mich furchtlos dem Gutmenschentum! Homophobie, rassistische Sentiments, Altherrenwitze, Transfeindlichkeit, Behindertenwitze… ich möchte sie einfach alle schützen! Sie alle sollen, wie einst auf Noahs Arche die Tiere, unter den Fittichen von „KFM“ überleben.

kleinerdrei: Noahs Arche? Ist das jetzt nicht ein bisschen übertrieben?

Konservatives Feuilleton Man: Hach ja, ich habe da so einen Faible für Bibelzitate und -vergleiche und überhaupt alles, was mich an die gute alte Zeit denken lässt. Vorwärts nimmer, rückwärts immer!

Oh, warte mal kurz… mein Faxgerät spuckt hier gerade eine neue Analyse aus… ich lese daraus einen Hilferuf der Heterosexualität, weil Facebook neue Optionen zu Geschlechtsangaben anbietet. Verdammt! Sie läuft schon wieder Gefahr zu verschwinden! Sorry, ich muss jetzt leider los und an die Arbeit!

kleinerdrei: Okay, danke für das Gespräch.

Nun wisst ihr also, was es mit „Konservatives Feuilleton Man“ auf sich hat. Wenn das Mimimi-Meter mal wieder gen 11 ausschlägt, ist jedenfalls klar, dass er erneut in Aktion getreten ist – obwohl ihn niemand rief.

„Konservatives Feuilleton Man“: ein Held von gestern, abgefeiert in den Medien von heute.

11 Antworten zu “Die Abenteuer von „Konservatives Feuilleton Man“ – Ein exklusives Interview”

  1. Tina Kroess sagt:

    „DER FEMINISMUS! UND HIER, ÄHM, DIE GUTMENSCHEN! So!“

    Dieses Pseudozitat trifft es sehr gut; ist doch die überwiegende Mehrheit der Autoren im deutschen Feuilleton eine Ansammlung von unartikulierten, unreflektierten Schreiberlingen, die reflexhaft auf Themen, die ihnen von selbsternannten Feministinnen diktiert werden, reagieren. Ohnehin ist das fiktive Interview sehr gut gelungen, denn es ist ja so viel ergiebiger, wenn man sich nicht mit den tatsächlichen, von der eigenen Meinung abweichenden Argumenten abgeben muß, sondern stattdessen ein auf die eigenen Projektionen reduziertes Gegenüber erfindet, dem man dann endlich einmal argumentativ gewachsen ist.

    Nicht zuletzt ist die nur halbherzig kaschierte Abneigung gegenüber der Meinungsfreiheit, die im Gewande der Ironie daherkommt, sehr entlarvend, weshalb ich Ihnen für dieses ganze Stückchen sehr dankbar bin.

    Glückwunsch zur Selbstdemaskierung!
    <3

    • Anne Wizorek sagt:

      Ach ja, Ironie, Humor und so… das liegt nicht allen Menschen, ich versteh’ das schon. Was ich dagegen nicht verstehe: Wieso ist es *meine* Selbstdemaskierung wenn ich mich – wie übrigens immer – offen gegen Diskriminierungen ausspreche, *Sie* aber wiederum Rassismus, Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit als puren Ausdruck von Meinungsfreiheit ansehen?

      Keine Sorge, Sie müssen darauf nicht wirklich antworten. :)

      • eigentlich_Lurker sagt:

        An welcher Stelle in der Antwort wurden denn die von Ihnen genanten Punkte als Meinungsfreiheit angesehen? Zugegeben, diskutieren geht anders und kritisieren ist immer einfacher als loben, jedoch empfinde ich das unterstellen von nicht belegbaren Aussagen auch als unschön.
        Was die Kommentare von den selbsternannten Intellektuellen mit religiösem Einschlag angeht sehe ich das etwas anders. Natürlich bekommt man vom ständigen an den Kopf fassen früher oder später einen Tennisarm. Ich möchte auch keine Verweise auf die Bibel oder sonst eine heilige Schrift als Argument für irgend etwas lesen müssen. Und die leidigen Verweise aufs Grundgesetz bezüglich des Schutzes der Familie, um nur mal einen Krümel aus dem Kuchen zu picken, sind schlichtweg ohne Substanz. An welcher Stelle steht denn bitte, dass die Familie aus Frau, Mann und Kind bestehen soll? Ich habe die nicht gefunden. Von mir aus kann doch jeder tun und lassen was er möchte, solange ich dadurch nicht eingeschränkt werde, könnte es mir nicht egaler sein.
        Jetzt kommt jedoch das leidige aber, tut mir leid. Ich sehe es genau wie René Descartes, welcher meinte: „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“
        Ich denke, Herr Rösler hat das in der Vergangenheit gut auf den Punkt gebracht mit seiner Bemerkung, dass man Dummheit nun mal nicht verbieten könne. Und so sehr ich mich dagegen sträube einem FDP-Politiker zuzustimmen, an dieser Stelle hat er leider den Nagel auf den Kopf getroffen.

        • Anne Wizorek sagt:

          Ich frage mal so rum: An welcher Stelle habe ich irgendwelche rigiden Verbote ausgesprochen, die mir wiederum bei einer kritischen Position *immer* (wenn im angesprochenen Fall auch eher implizit) unterstellt werden?

          Plus: Warum ist es stets eine Gefahr für die Meinungsfreiheit wenn rassistische/sexistische/homophobe/etc. Medienbeiträge von Menschen (die sich im übrigen eindeutig nicht zum Thema weiterbilden, geschweige denn auskennen) kritisiert werden – da wird dann z.B. gerne mal mit den Begriffen Zensur/Tugendterror/etc. gearbeitet.

          Andersrum ist es aber nie eine Gefahr für die Meinungsfreiheit (oder unseren Artikel 1) wenn rassistische/sexistische/homophobe/etc. Medienbeiträge überhaupt erscheinen? Wenn sie geradezu zum einzigen Geschäftsmodell diverser Autoren werden? Wenn diese Autoren so tun, als würden sie eine nie gehörte Minderheit darstellen, während sie lediglich zu den eh schon lautesten Stimmen gehören? Und während diese Autoren tatsächliche Minderheiten und bereits unterdrückte Menschen durch ihre Äußerungen nur weiter an den Rand drängen, derweil diese Menschen selbst kaum zu Wort kommen dürfen? Wenn dies alles wie im Fall Matussek eine neue „Qualität“ erreicht, da dann mit solchen Ressentiments sogar noch kokettiert und ein impliziter Godwin gepullt wird?

  2. Daniel Becker sagt:

    Interessant. Tolle Idee und der Gegenpart würde mich natürlich auch interessieren. ;)

  3. Martin sagt:

    Ich finde, das sollte man mit Sockenpuppen nachspielen.

    Im übrigen möchte ich immer den Menschen, die stolz auf ihre Meinung sind, den ersten Satz in der Wikipedia hinter die Ohren schreiben: http://de.wikipedia.org/wiki/Meinung

  4. Wolfgang Messer sagt:

    Tatsächlich hatten wir früher bei einer lokalen Tageszeitung einen Kommentardienst abonniert, bei dem mindestens einer der (konservativen) Autoren unter mehreren Namen schrieb – also gar nicht so abwegig.

  5. giliell sagt:

    Naja, die größte Freiheit ist doch offenbar immer noch die, andere unterdrücken zu können. Sorry, Frauen, nicht-30-Generationen Deutsche, LGBTQ, aber das Opfer müssen wir da schon bringen. Wo kämen wir denn hin, wenn man nicht mal mehr seine rassistische, homophobe, sexistische, transphobe, ableistische Kackscheiße publizieren darf OHNE dass andere was dazu sagen?

  6. […] Fragt Ihr Euch auch manchmal, wer hinter den dauernden „Feminismus bedroht xyz“-Kolumnen steckt? Kleiner Drei hat die Antwort. […]

  7. […] zu tun, gerade für all diejenigen unter uns, die derart privilegiert sind. Statt in der Ecke im Konservatives Feuilleton Man-Style auf dem hohen Privilegienross herumzusitzen und zu schmollen, ist doch jetzt erst recht eine […]