„Die versteckte Lust der Frauen“ oder „Sweet dreams are made of this“

Foto , CC BY-NC-ND 4.0 , by Lena Reinhard

“Zum Glück für die Gesellschaft ist die Mehrzahl der Frauen von sexuellen Gefühlen jeglicher Art kaum behelligt.” (William Acton, Gynäkologe und Sexualforscher, um 1860)

Seit ein paar Tagen leuchtet mir an jeder Feuilleton-Ecke eine weitere Rezension einer Neuerscheinung entgegen. Außerdem wollte ich ja schon länger mal wissen, wie das mit dem Sex und uns Frauen* so funktioniert. Also kaufe ich das Buch, in dem mir das endlich mal erklärt wird. Ein Buch über die “versteckte Lust der Frauen” – geschrieben von einem Mann*.

Nun ist es ja grundsätzlich zu begrüßen, wenn sich Menschen für die Sexualität anderer Menschen interessieren, und auch dem Interesse von Männern* an der Sexualität von Frauen* sei hier nicht die grundsätzliche Berechtigung abgesprochen. Aber, mal ehrlich: Schon im Vorwort lese ich von Wissenschaftlerinnen, Forscherinnen, allesamt Frauen*, mit denen der Autor gesprochen hat und deren Arbeit ihm als Grundlage diente. Und der, der final das Buch veröffentlicht, ist ein Mann*.

Sind wir hier wieder bei dem Klassiker, dass Wahrheiten erst wieder als gesetzt hingenommen werden, sobald ein Mann sie ausspricht? Brauchen wir da noch einen Mann, der uns erklärt, wie Sex für uns funktioniert?

Zum Thema

Aber kommen wir zum Thema: “Die versteckte Lust der Frauen – ein Forschungsbericht” heißt das Werk. “What Do Women Want” lautete bezeichnenderweise der Titel der im vergangenen Jahr erschienenen Originalausgabe. Das erste, woran ich dabei denken muss, ist “What Women Want”, dieser unsägliche Film mit einem Mel Gibson, der sich in das verwandelt, was man in Hollywood-Breitwandformat eben so für “typisch Frau*” hält.

Ich denke darüber nach, was Frauen* wollen. Ein kleiner Auszug, was manche (!) Frauen* unter anderem (!) so alles wollen:

  • bezahlbare Haftpflichtversicherungen für Hebammen
  • sichere Kinderbetreuungsplätze
  • eine Beseitigung des Gender Pay Gap
  • die Abschaffung sexistischer Werbung
  • Karriere machen
  • Unabhängigkeit
  • ach ja, und heißen Sex mit den Partner_innen ihrer Wahl.

Das Schöne daran ist ja, dass es durchaus auch Männer* gibt, die all das wollen – für sich selbst, für Frauen*, für alle Menschen. Aber bevor ich abschweife: um den letztgenannten Punkt aus der Liste geht es im vorliegenden Buch. Um heißen Sex, darum, warum Sex mit dem selben Menschen für Frauen* nach einiger Zeit eher lauwarm werden kann, um Partner_innen und um die Wahl.

„Versteckt“, so so

Aber was soll “versteckt” eigentlich heißen? Dass Frauen* durchaus Lust empfinden, ist ja inzwischen gemeinhin einigermaßen bekannt. Darüber, dass sie bisweilen keine Lust empfinden, hat Mario Barth mittlerweile alle möglichen und unmöglichen Witze gerissen. Aber sonst? Sonst geistern immer noch die Meinungen herum wie die, dass der weibliche Orgasmus evolutionspsychologisch nicht notwendig sei. Und Bergner zählt sie alle auf: dass Männer* mehr so die “wilden Tiere” seien, die ihr Sperma möglichst weit verstreuen müssten, da könnten sie auch nichts für, sie seien halt so. Dass Frauen* dagegen gerne in der passiven Rolle verharrten, sich eben begatten lassen müssten, und dass sie grundsätzlich auf emotionale Nähe und Vertrautheit aus seien.

Dass Frauen* halt mehr so die “Beziehungstypen” seien (“Beziehungstypen”! Wenn ich das schon höre!). Und dass man dringend eine luststeigernde Pille für die Frau* erfinden müsse, damit sie wieder Spaß am Sex hat, wenn der nach ein paar Jahren Beziehung mit dem selben Menschen eingeschlafen ist (der Spaß, nicht der Mensch).

“Die sexuellen Erkenntnisse der Evolutionspsychologie scheinen manchmal nichts als ein konservatives Märchen zu sein, … dem Geiste nach dennoch systemerhaltend, den sexuellen Status quo untermauernd“, schreibt Bergner, und er hat durchaus recht. Weiter führt er aus: “Frauen sind, so lehrt uns dieses Märchen, von Natur aus das zurückhaltendere Geschlecht; so lautet die angeborene Norm, das ist normal. Und dem Normalen wohnt schließlich stehts eine selbstbestätigende und sich selbst erhaltende Kraft inne. Einfach weil nur wenige Menschen davon abweichen wollen.”

Was dieses Buch macht

Was Bergner also tut, ist in erster Linie ein Entlanghangeln an der Historie, den verschiedensten Forschungsergebnissen der Wissenschaftler_innen, die er trifft (in erster Linie sind das Frauen*), sowie an den persönlichen Berichten von Frauen*. Darauf basierend setzt er sich mit den verschiedensten Vorurteilen zur weiblichen Sexualität auseinander, darunter der “Neigung” von Frauen* zu Monogamie, ihrer “Passivität” beim Sex, der Frage, was sie überhaupt anmacht und nimmt diese Klischees nacheinander auseinander.

Die Crux dabei

All das wurde natürlich längst nicht nur von Wissenschaftler_innen herausgefunden, sondern auch von der Frauenbewegung proklamiert. Dieses Buch ist weder die große Revolution, als die es häufig angepriesen und besprochen wird, noch erzählt es sonderlich viel Neues.

Das Buch in Kurzform: die Thesen

Was Bergner auf 256 Seiten ausführt, lässt sich recht knapp zusammenfassen: Frauen* seien über Jahrhunderte in die nun omnipräsente, ach so passive Haltung gedrängt und mit allen möglichen Mitteln (darunter krude Forschungsergebnisse) darin gehalten worden. Schon bei Versuchen mit Affen sei systematisch jahrelang die weibliche Sexualität einfach nicht über das „Männchen dringt in Weibchen ein“-Prinzip hinaus betrachtet worden. Grundsätzlich gehe es immer noch darum, wer die Kontrolle über deren Sexualität, aber damit die Frauen* insgesamt habe.

Frauen* seien in ihrer Natur genausowenig auf Monogamie ausgelegt wie Männer*. Frauen hätten manchmal nicht, aber manchmal doch Spaß am Sex.

Dass weltweit von Frauen* erwartet werde, das “sittsamere” Geschlecht zu sein, sage nichts darüber aus, wie ihre Disposition sei – sondern viel mehr darüber, dass weltweit männlich dominierte Gesellschaften, historisch bedingter Argwohn und Furcht vor weiblicher Sexualität vorherrschten. Redeten wir über Sex, müssten wir auch schnell über Beziehungen reden: über Macht, über Gefühle, und darüber, welchen Platz Monogamie im persönlichen Leben und im gesellschaftlichen Kontext haben könne und habe. Zwischen dem, was Frauen* tatsächlich sexuell errege und was sie selbst als gesellschaftlich akzeptable Erregung empfänden, klaffe ein Graben von der Gesamtbreite aller Sexratgeber dieser Welt.

Das Sexleben mancher Frauen* unterschiede sich stark von dem, was sie errege.

Frauen* hätten bisweilen wilde Sexfantasien.

Das Problem ist somit die entfesselte Frau*

Mal wieder. Oh ja. Aber egal wo wir in der Geschichte hinschauen (und Bergner schaut ganz genau hin): angefangen bei der zur Sünde verführenden Eva über die Vorstellungen von Hexen, unersättlichen Frauen* bis hin zur Heteronormativitäts-Romantische-Zweierbeziehungs-Proklamation unserer Tage: überall Schutzmechanismen gegen die selbe Angst. Die Angst vor der entfesselten, unbezähmbaren, nicht zu befriedigenden Frau*. Denn wehe, wenn sie losgelassen.

Kurz gesagt

Vieles (eigentlich alles) von dem, was Bergner erzählt, ist längst nichts Neues mehr.

Und ich würde mir sehr wünschen, es wäre anders – dass thematisch ähnliche Veröffentlichungen von Frauen* viel stärker wahrgenommen würden, dass die Wissenschaftlerinnen, die Bergner zitiert, stärker in den Fokus rückten. Und dennoch, trotz seiner deutlichen Schwächen finde ich es, offen gestanden, nicht ganz übel, dass es dieses Buch gibt. Es hat Potential, sich gut zu verkaufen, und wenn es dann noch einige Leute tatsächlich lesen, lesen sie ein passabel recherchiertes Buch zu einem sehr, sehr wichtigen Thema. Und das wäre ja schon einmal was.

Was mich dennoch sehr ärgert

Bergner handelt seiten- und kapitelweise die Forschungsergebnisse von Frauen* ab. Er gibt aber zu fast allen von ihnen vor Betrachtung ihrer Arbeit noch eine mindestens kurze, wenn nicht gar detaillierte Beschreibung ihres Äußeren ab. Ein Beispiel: “Als ich Meredith Chivers … [traf, trug sie] schwarze, hochhackige Stiefel, … Ihr blondes Haar fiel bis zum Ausschnitt eines schwarzen Tops.“ Wozu? Solche Beschreibungen sind beispielsweise beim Schreiben einer Reportage als Stilmittel interessant, ja. Doch in Bergners Buch geht es nicht um die Wissenschaftlerinnen als Personen, sondern um ihre jahre- und jahrzehntelange Arbeit und daraus resultierende Forschungsergebnisse. Und in diesem Kontext empfinde ich Bergners männlichen Blick auf die Figur, Frisur und Kleidung seiner Protagonistinnen als sehr unpassend.

Und noch etwas: das Buch geht ausschließlich auf homo- und heterosexuelle Cis-Frauen* ein, wo es doch eine Auseinandersetzung mit “Frauen” im Allgemeinen verspricht. Auch die Ausprägungen von Sexualität verschwinden. Im Buch geht es in erster Linie um eine Art „an“ und „aus“ („Lust“ und „keine Lust“). Wie all das aber zum Beispiel für asexuelle Frauen* aussieht und sich anfühlt, passt aber offenbar nicht in Bergners Konzept von der „wilden, animalischen Frau“ Frau und fällt leider völlig unter den Tisch.

In wirklich kurzer Kurzform

Wir sind also wieder angelangt dabei, dass die von Bergner abgebildete gesellschaftliche Meinung sowohl der Forschung, als auch der Realität vieler Frauen* weit hinterherhinkt. Und dass das Bild, das Frauen* zu ihrer eigenen Sexualität und ihrem Beziehungsverhalten lernen, in weiten Teilen ihrer Veranlagung widerspricht. Kurzum: Evolutions- und Küchenpsychologie aus dem Hause “Männer* sind anders, Frauen* aber auch” trifft Realität trifft Forschung. Dabei kommt raus, was wir alle längst wussten.

Bergner zeigt vor allem auch, dass die Spielarten weiblicher Sexualität über das gesellschaftliche Bild derselben weit hinausgehen. Dass Frauen* viel mehr Spaß an Sex haben, wenn sie sich nicht in gesellschafliche Normen und Muster fügen müssen. Und dass Frauen* bei der Ahnbahnung von Sex und beim Sex selbst weit aktiver sind, als viele immer noch glauben.

Das ist alles auch kalter Kaffee? Für viele von uns glücklicherweise, ja.

Zum Schluss etwas Praktisches: der G-Punkt

Und wie in jedem ordentlichen Sexbuch geht es auch hier irgendwann um ….

den G-Punkt. Puh. Ja. Nur habe ich die ganzen G-Punkt-Diskussionen der letzten Jahre ehrlichgesagt so ein bisschen über. Ich finde es wichtig, dass Frauen* ihre eigene Anatomie kennen. Aber davon abgesehen hatte ich bisweilen das Gefühl, dass es medial, wenn es dann überhaupt einmal um weibliche Sexualität geht, nur noch um diesen Punkt geht, als sei dort der Schlüssel zur sexuellen Erfüllung verborgen (um jetzt mal nicht vom heiligen Gral der Gynäkologie zu sprechen).

Für alle, die die G-Punkt-Diskussion immer noch nicht über haben, hier eine kurze Anleitung zu dessen Stimulation:

“Nachdem mit der Handfläche nach oben einer oder zwei Finger in die Vagina eingeführt wurden, machen Sie damit die ‘Komm her’-Geste.“

Spoiler: das funktioniert im Selbstversuch hauptsächlich für Menschen, die ihr Handgelenk rotieren können oder eine sehr flexible Wirbelsäule haben, mit Partner_in könnte es aber klappen. Das aber nur so am Rande. Und jetzt viel Spaß beim Ausprobieren.

Gelernt

  • Fantasie bietet oft eine klarere Sicht auf das Verlangen als die reale Begegnung mit College-Student_innen.
  • Der weibliche Orgasmus sorgte bei unseren Vorfahrinnen dafür, dass die Frauen* sich freizügiger verhielten. Erst recht, weil sie multiple Orgasmen haben konnten (und können! ha!).
  • Viele Behauptungen und Botschaften zur Sexualität von Frauen* weisen starke Ähnlichkeit mit den Lehren fundamentalistischer Christen auf.
  • Affenweibchen laden Affenmännchen zu sexuellen Zwecken ein. Die Männchen – begehrt, aber auch entbehrlich – bleiben dann, bis die Weibchen das Interesse an ihnen verlieren. Nach spätestens drei Jahren werden sie verjagt und ersetzt.

Haltungsnoten

Gesamtnote: <3<3<3<3<3 Drei von fünf Kleinerdreis (kalter Kaffee mit etwas saurer Milch, könnte aber schlimmer sein).

Kaufen? – Nein. Das Geld lieber für Sexspielzeug ausgeben.

Bereicherung für die Partykonversation?***** Vier von fünf Sternen (Sex geht immer).

Lieblingssatz 1: “Männliche Freunde lösten, obwohl sie breitschultrig waren, quasi gar nichts aus; die vaginale Erregung lag de facto bei null.”

Lieblingssatz 2: “Die Lust der Frauen ist nichts anderes als durch und durch animalisch.”

Das Buch: “Die versteckte Lust der Frauen – ein Forschungsbericht” von Daniel Bergner, übersetzt von Henriette Zeltner, 256 Seiten, Albrecht Knaus Verlag 2014

Originaltitel: “What do women want? Adventures in the Science of female desire”, Daniel Bergner bei Ecco, 2013

Alle Zitate sind, sofern nicht anders angegeben, der deutschsprachigen Ausgabe entnommen. Lediglich Originalzitate wurden unverändert übernommen.

Zum Sternchen*: Ich möchte mit dem Sternchen darauf hinweisen, dass ich Frau und Mann als soziale Kategorien verstehe und nicht als unveränderliche “biologische” Wahrheiten. Wenn ich „Frauen*“ und „Männer*“ schreibe, meine ich alle, die sich mit dieser Kategorie (auch) identifizieren.

Weiterführende Links

zu den Arbeiten einiger im Buch genannter Forscher_innen (Texte auf Englisch):

  • Meredith Chivers: Publikationen, im Interview über „Arousing questions about female sexuality“ und auf Twitter
  • Nancy Cott hat sich mit dem viktorianischen Standpunkt zur weiblichen Sexualität befasst. Einen Text darüber gibt es hier im Blog „Sexuality in American History“.
  • Kim Wallen veröffentlichte unter anderem dazu, wie unterschiedlich Frauen* und Männer* explizit sexuelle Fotos betrachten – hier gibt es dazu mehr Infos (Englisch).
  • Beverly Whipple hat zusammen mit Barry R. Komisaruk und Carlos Beyer-Flores ein Buch über „The Science of Orgasm“ (hier auf Amazon) geschrieben. Komisaruk erzählt in diesem Text etwas über ihre Arbeit daran und die Ergebnisse.

 

16 Antworten zu “„Die versteckte Lust der Frauen“ oder „Sweet dreams are made of this“”

  1. Bianca Immel sagt:

    Vielen Dank für diese Rezension, auch wenn ich von dem Buch persönlich noch nichts gehört hatte.

    „Ich finde es wichtig, dass Frauen* ihre eigene Anatomie kennen.“

    Dazu kann ich nur wärmstens Laura Méritts „Frauenkörper neu gesehen“ empfehlen. Wunderbar geschrieben, reichlich bebildert und höchst informativ. Wer dazu noch mehr über den weiblichen Zyklus wissen will sollte sich „Natürlich und sicher“ der Arbeitsgruppe nfp noch dazu legen.

  2. kathy sagt:

    danke für diesen Text. Ich möchte gerne (neben dem schon erwähnten Frauenkörper-Buch von Laura Méritt) noch Lisa Wade empfehlen und insbesondere diesen Text zum Orgasm Gap: http://www.alternet.org/sex-amp-relationships/orgasm-gap-real-reason-women-get-less-often-men-and-how-fix-it

  3. Kathi sagt:

    Danke für die sehr lesenswerte Rezension!
    (Ein kleiner Hinweis am Rande: So sehr ich unterhaltsame gifs auch mag, so haben sie in dem Text meinen Lesefluss gestört und mich abgelenkt. Vor allem die, die sich sehr schnell bewegen.)

  4. lotta sagt:

    Danke für den erhellenden Text. Aber diese Flimmerbildchenstrecke nervt wirklich extrem beim Lesen — wie visuelle Kirmesmusik! (Habs fast nicht bis zum Ende geschafft.) Bisschen weniger wäre mehr.

  5. Karin sagt:

    Schöner, lesenswerter Text. Ich möchte mich in einem Punkt den zwei Vorrednerinnen anschließen: Bei den animierten GIFs wäre weniger wirklich mehr.

  6. Leser sagt:

    Die angeblichen Theorien der Evolutionspsychologie hören sich eher nach Meinungsumfragen vom Stammtisch an. Ich bezweifele doch stark daß diese aus echten wissenschaftlichen Publikationen stammen („Frauen sind mehr so Beziehungstypen“ – wirklich, das steht in Biologiebüchern?). Empfehlen würde ich z.B. mal „Why is Sex Fun“ von Jared Diamond. Da steht allerdings nix über den G-Punkt drin, auch nix über sonstige Sextechniken.
    Auch „der weibliche Orgasmus ist unnötig“ klingt nicht wirklich sehr wissenschaftlich. Berechtigt ist aber wohl doch die Frage nach dessen Funktion.

    Das tolle ist daß es vermutlich komplett egal ist was in dem Buch hier steht – bei dem Titel wird es sich auf jeden Fall wie geschnittenes Brot verkaufen.

    • giliell sagt:

      Das Problem ist dass „Evolutionstheorie“ ihre eigenen wissenschaftlichen Publikationen hat. Und nein, ich hb bislang nichts sinnvolles aus der ecke gehört. Das meiste sind „just so stories“ à la „Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können“. Wir nehmen ein aktuelles Phänomen und denken uns eine nette Geschichte dazu aus, wie Frauen stehen auf pink weil sie in der Steinzeit Beeren sammeln mussten (die nun mal alle pink sind. Blaubeeren, z.B. und wir haben uns auch gerade erst vor 50 Jahren oder so wieder dran erinnert).
      Es ist übrigens gar nicht wichtig, ob der weibliche Orgasmus evolutionsgeschichtlich eine Funktion hat(te). Evolution is nunmal kein Designprozess. Ob er tatsächlich eine Funktion hat oder hatte spielt keine Rolle dafür, wie das Konzept heute behandelt und konstruiert wird.
      Oder um den alten Witz rauszukramen:
      Warum haben Frauen einen Orgasmus? Weil sie können!

      • Leser sagt:

        Hört sich für mich so an als hättest Du nur populär“wissenschaftliche“ Bücher wie „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ gelesen, oder vielleicht gar keine Bücher in der Hinsicht? Aber mehr als die Empfehlung aufschreiben kann ich wohl nicht. Nimm aber auf keinen Fall die Bücher von Richard David Precht… Ich kann einfach nicht glauben daß Du Deine Meinung aus irgendwelchen Quellen mit Anspruch hast (zumal durch Googeln leicht die Geschichte von „Pink“ herauszufinden ist).

        Übrigens ist „Männer sind Jäger, Frauen sind Sammler“ noch nicht mal eine sinnvolle „Evolutionspsychologische“ Argumentationsweise. Wenn dann muss so ein Argument begründen warum genau diese Verhaltensweisen erfolgreicher waren als andere (warum waren Männer Jäger und Frauen Sammler, wenn es denn so war).

        Sinn des Orgasmus wichtig: es geht doch gar nicht darum Frauen die Berechtigung zum Orgasmus abzusprechen, sondern darum die Welt zu verstehen. Genauso wie es interessant ist nach dem Sinn von Sex allgemein zu fragen. Aber klar, es muss nicht jeden interessieren. Man muss auch nichts von Mathe verstehen, nicht Programmieren können, nicht stricken können, nicht kochen können etc. Eigentlich muss man gar nix.

        Jeden Kommentar der sich auf Evolution beruft und daraus normatives Verhalten ableitet kann man übrigens von vorne herein verwerfen. Natürlich schreibt Evolution nichts vor. Aber sie kann helfen die aktuellen Zustände zu verstehen.

        • giliell sagt:

          Bist du dir ganz sicher dass wir nicht gerade völlig aneinander vorbei reden? Das kann durchaus an meinem Geschreibsel liegen, aber da ich so gar keinen Zusammenhang zwischen meinem Post und deiner Antwort sehe würde ich mal von einem Missverständniss ausgehen

  7. Lea sagt:

    Hatte schon an mehreren Orten von dem Buch gehört, aber nie großes Interesse am Kauf bekommen. Danke für die Rezension! Werde mir das Buch nicht kaufen. Derlei „neues Wissen“ kann ich mir auch bei BuzzFeed und Co. reinziehen…
    PS: Transdiziplinär recherchierte Ratgeber betrachte ich eh erst einmal kritisch. Ich will halt nicht von einer medizinisch ausgebildeten Person etwas über Kulturgeschichte hören etc.

  8. giliell sagt:

    Naja, lass es mich mal so sagen: Ich habe bisland noch wenig brauchbares aus der Evolutionspsychologie gehört.
    Was den Ursprung des weiblichen Orgasmus angeht ist es sicher eine wissenschaftlich interessante Frage.
    Das Problem bei genau DER Frage ist für mich, dass da oft ideologische Aussagen dran geknüpft werden.
    So scheint es für die einen wichtig zu sein zu behaupten, er sei ein Nebenprodukt wie männliche Brustwarzen, damit man sich anschließend ganz intensiv NICHT mit weiblicher Sexualität beschäftigen kann.
    Für andere scheint es ganz furchtbar wichtig zu sein, dass er eine Funktion hat um damit irgendwie Legitimität zu erhalten.
    Beide Positionen halte ich für nicht wissenschaftlich und die ganze Debatte darum halte ich für wenig zielführend bei der Diskussion darum, wie weibliche Sexualität heute und im Laufe der Geschichte konstruiert und interpretiert wurde

  9. […] wieder seltsam: Beziehungsratgeber. Bei Kleinerdrei wird das Buch „Die versteckte Lust der Frauen“ (natürlich von einem Mann erklärt) […]

  10. […] so: “Die versteckte Lust der Frauen” – eine Rezension “Explizit ist das neue […]

  11. Meg sagt:

    Bisschen spät, aber ich wollte noch was loswerden: Interessante Rezension, aber ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass du sehr voreingenommen an das Buch rangegangen bist und dass die Rezension deutlich anders ausgefallen wäre, wenn es wortgleich von einer Frau käme. Es ist ein wenig albern, dem Autor sein Geschlecht zum Vorwurf zu
    machen. „Schon im Vorwort lese ich von Wissenschaftlerinnen,
    Forscherinnen,
    allesamt Frauen*, mit denen der Autor gesprochen hat und deren Arbeit
    ihm als Grundlage diente. Und der, der final das Buch veröffentlicht,
    ist ein Mann*“, sagst du, aber das finde ich ein wenig billig. Wenn er vor allem mit männlichen Wissenschaftlern gesprochen hättest, hättest du (zu Recht!) gemeckert, dass sich da ein Mann mit anderen Männern über die weibliche Sexualität unterhält. Und wenn man sich das mal vor Augen hält, dann bleibt von deinem „Vorwurf“ nur noch übrig, dass der Autor sich für sein Buch auf die vorhandene Forschung gestützt, recherchiert, kurz: wissenschaftlich gearbeitet hat, wenn auch von mir aus populärwissenschaftlich. Was kein Vorwurf ist, sondern ein Prädikat.

    Und in dem Kontext ist es halt auch ein wenig naja, zigmal zu erwähnen, dass das alles ja gar nichts Neues sei. Sag’s einmal, sag’s zweimal: ok, dann wissen die Eingeweihten, dass es in dem Buch für sie nichts Neues zu erfahren gibt. Aber danach nervt’s. Wild guess: An Menschen wie dich, die in dem Thema drin sind, richtet sich das Buch nicht. Sondern an die anderen, bei denen es tatsächlich noch für Erstaunen sorgen kann, dass der weibliche Sexualtrieb mindestens genauso random ist wie der männliche und nicht ausschließlich dazu da, sich einen Prinzen einzufangen und mit ihm für den Erhalt der Art zu sorgen. Es gibt weiß Gott noch genügend Menschen, die so was ernsthaft glauben, und wenn denen mal ein Bestseller in verständlichen Worten erklärt, dass sich Frauen nicht „von Natur aus“ nach einer festen Beziehung sehnen, dann sage ich: Bravo! Das kann gar nicht oft genug gesagt werden! Vor allem, da die Texte, die du empfohlen hast (danke!) bezeichnenderweise alle auf Englisch verfasst sind. Ist das nicht möglicherweise ein Hinweis, dass so ein Buch in deutscher Übersetzung nicht soooo ne olle Kamelle sein könnte, wie du es darzustellen versuchst?

    Die Beschreibungen von Wissenschaftlerinnen sind unnötig (wobei, wenn der Rest auch eher reportagig gehalten ist, dann gehört das dazu…und zumindest in deinem Zitat steht nichts über die Figur der Dame. Was ich unmöglich fände.) und auf andere Identitäten einzugehen als homo- oder hetero-cis wäre auch mal erfrischend, da stimme ich dir völlig zu.

    Aber insgesamt hatte ich den Eindruck, dass du das Buch wirklich gerne verrissen hättest, aber dann feststellen musstest, dass es irgendwie doch so’n bisschen ganz gut und richtig ist, was da geschrieben steht. An der Stelle, wo du von „deutlichen Schwächen“ sprichst, hast du für meinen Geschmack noch keine einzige genannt. Denn wie gesagt: dafür, dass die Wissenschaftlerinnen, die er zitiert, sonst nicht stärker im Fokus stehen (stimmt das überhaupt?), dafür kann der Autor beim besten Willen erst mal nichts.

    • Miel sagt:

      Interessante Punkte, die du da aufbringst. Was die Intention hinter diesem Text und meine Haltung zu dem Buch angeht, steht ja auch sehr deutlich zum Beispiel das hier drin: „… finde ich es, offen gestanden, nicht ganz übel, dass es dieses Buch
      gibt. Es hat Potential, sich gut zu verkaufen, und wenn es dann noch
      einige Leute tatsächlich lesen, lesen sie ein passabel recherchiertes
      Buch zu einem sehr, sehr wichtigen Thema. Und das wäre ja schon einmal
      was.“ Das sehe ich immer noch so. Natürlich ist es einfach, sich an manchen Stellen darüber aufzuregen oder Punkte zu kritisieren. Dennoch, ich finde gut, dass es das Buch gibt.