Hate speech ist keine freie Meinungsäußerung – Gedanken zur #idpet

Foto , CC BY 2.0 , by ernenn

Andrea lebt mit ihrer Frau und dem gemeinsamen Sohn in Berlin. Im Vergleich zu Baden-Württemberg ist die Stadt offenbar eine Insel der Glückseligen für LSBTTIQ-Menschen. Zumindest bekam ihr Sohn einen KiTa-Platz, WEIL er aus einer Regenbogenfamilie kommt.

@andreacmeyer

Die grün-rote Landesregierung In Baden-Württemberg hat sich vorgenommen, das Thema sexuelle Vielfalt in die Lehrpläne aufzunehmen. Die ZEIT schreibt: „Konkret steht in der Vorbemerkung zu den Leitprinzipien des Bildungsplans, es sei wichtig, ‚die Perspektiven anderer Personen und Kulturen übernehmen zu können, Differenzen zwischen Geschlechtern, sexuellen Identitäten und sexuellen Orientierungen wahrzunehmen und sich für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen zu können'“ . Eigentlich alles klar, zumindest für jene von uns, die sich mit dem Thema Diversität schon mal befasst haben. Wer allerdings anschließend versucht, die entsprechenden Überlegungen an weniger Eingeweihte zu kommunizieren, trifft in der Regel auf Unverständnis, Ab- und teilweise Gegenwehr. So auch in Baden-Württemberg: Gegen eine „Dominanz“ der LSBTTIQ-Interessen im neuen Bildungsplan richtet sich die Petition auf dem Portal von openPetition: „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“. (Anmerkung: LSBTTIQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell und queer – mehr Informationen dazu gibt es bspw. beim Netzwerk LBSTTIQ – hier vernetzen sich entsprechende Initiativen im Land.)

Die zweite Fassung der Petition – die erste verstieß gegen die Nutzungsbedingungen des Portals – ist online und wird massenhaft unterzeichnet – von Menschen in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland. Der Petitionstext ist offensichtlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Seit kurzem berichten – endlich, möchte ich sagen – auch die überregionalen Medien. Tenor der ersten Meldungen: Da sind Eltern gegen die Thematisierung sexueller Vielfalt im Unterricht und unterschreiben massenhaft, die Regierungsparteien sind weiter dafür. Es gebe Gegner/innen, aber die müssen eine demokratische Diskussion schon aushalten.

Die Kommentare

Das Problem dabei: Die Unterzeichner/innen der Petition hinterlassen Kommentare, die es in sich haben. Die Hauptbegriffe (vgl. Wordle) in den ersten 100 Kommentaren von Unterzeichner/innen sind „Kinder“, und „Familie“, dann aber auch schon „Gott“ und „Grundgesetz“, hier wird häufig der besondere Schutz von Ehe und Familie zitiert. „Bibel“, „christlich“, „Umerziehung“ und „normal“ folgen dicht auf, wobei bemerkenswert ist, dass in der Regel nicht von homo- vs. heterosexuell die Rede ist, sondern von homosexuell vs. normal. Bi-, Trans- und Intersexuelle, Transgender und queere Identitäten kommen gleich gar nicht vor. Ein erster Artikel in der ZEIT thematisiert jetzt immerhin auch die Kommentare.

Wordle - Quelle: http://www.wordle.net/thumb/wrdl/7442561/idpet_-_die_ersten_100_Kommentare

Bildquelle: Wordle

Petitionen und Demokratie

Warum also noch einen Artikel zum Thema? Bin ich antidemokratisch? Oder besonders empfindlich und als Betroffene nicht in der Lage zu erkennen, wie wichtig ein solcher offener Austausch für die Demokratie ist? Keine Frage, ich reagiere empfindlich auf Diskriminierung und Bedrohung, wohl noch mehr, seit unser Kind auf der Welt ist. Und deswegen rege ich mich über diese Petition und ihre Unterzeichner/innen auf. Ich rege mich auf darüber, dass Portalbetreiber und verschiedene etablierte Medien als demokratischen Austausch bezeichnen, was mich und meine Familie diskreditiert, beleidigt, als krank und widernatürlich bezeichnet, uns die Zerstörung der Familie und des Landes anlastet und uns ganz generell das Existenzrecht abspricht – gerne auch mit drastischen Worten. Das heißt aber nicht, dass ich antidemokratisch bin. Ganz im Gegenteil.

Petitionen sind ein Herzstück der Demokratie. Insbesondere die Möglichkeit Einzelner, sich an Parlamente zu wenden, um falsche Einzelentscheidungen zu korrigieren, ist aus meiner Sicht extrem wichtig. Was aber, wenn das Instrument der Petition dazu genutzt wird, Stimmungen mit falschen Behauptungen anzuheizen? Denn das ist hier geschehen.

Hatespeech ist keine freie Meinungsäußerung

Und es hat einige Menschen einiges an Nerven und Schlaf geraubt, darauf aufmerksam zu machen. An erster Stelle sei hier Nele Tabler (@Nele_Tabler) genannt, die sich von Anfang an durch inzwischen über 11.000 Kommentare gewühlt hat. Ein gutes Interview mit ihr findet sich im Missy Magazin. Auch @Dande_Lisbeth setzt sich schon seit Wochen mit der Petition auseinander.

Seit dem Abend des 09.01. moderieren die Betreiber der Petitionsplattform die Kommentare. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, geschieht hier offensichtlich erst auf Druck von außen, denn die Betreiber der Plattform haben dafür sage und schreibe 43 Tage gebraucht. Dass eine „Gegenpetition“ nun ausgerechnet auf dieser Plattform initiiert wird, ist bitter. Und ob sie wirklich das Mittel der Wahl sein kann, die o.g. Petition zu bekämpfen, halte ich ohnehin für mehr als fraglich.

Sexualität und sexuelle Vielfalt sind nicht dasselbe

Dass es nicht um Sexualität, sondern um sexuelle Vielfalt geht, ist schon in der Begründung der Petition selbst falsch wiedergegeben. Dort wird behauptet: „Die LSBTTIQ-Gruppen propagieren die Thematisierung verschiedener Sexualpraktiken in der Schule als neue Normalität und stehen damit in einem krassen Gegensatz zur bisherigen Gesundheitserziehung.“ Dass hier Geschlechtsverkehr und sexuelle Identität verwechselt werden, ist beileibe nicht das erste Mal (Anmerkung: Informationen zu den Grundzusammenhängen zwischen Geschlechtsverkehr und sexueller Identität hat Wikipedia, Details zur Unterscheidung gibt es beim Gender- und Diversity Portal der Uni Freiburg sowie Informationen zu Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität hier beim Lesben- und Schwulenverband). Dass aber so gezielt Positionen verfälscht wiedergegeben werden, ist sicherlich nicht nur nachlässig. Auch hier hätten aufmerksame Plattform-Betreiber intervenieren können. Dass der Unterschied zwischen (praktizierter) Sexualität, sexueller Identität und dem gesellschaftspolitischen Konzept der sexuellen Vielfalt auch von den Unterzeichner/innen nicht verstanden wird, wundert dann nicht mehr.

Anhand von Kommentaren auf der Plattform wird deutlich, dass dies ein Grundproblem der ganzen Auseinandersetzung ist. Diese Kommentare sind teils sehr drastisch, meine nachfolgend in Teilen sarkastischen Anmerkungen dazu sind mein Weg, damit umzugehen.

Und wo dann im Lehrbuch nicht mehr allein die weiße, nicht behinderte, verheiratete Hetero-Familie abgebildet sein soll, wittern Unterzeichner/innen offenbar Fotos von Sexualpraktiken, die die Lehrer/innen dann womöglich noch im Detail erläutern sollen. Heraus kommen dann Kommentare wie der einer anonymen Person aus Euskirchen: „Es ist schwachsinnig so etwas zu machen. Die Schüler werden ja sonst noch sexuell.“ Das Ganze gibt es aber natürlich auch in der intellektuellen Variante.

(Anmerkung vorab: alle hier erwähnten Namens- und Ortsangaben sind ausgeschrieben den Kommentaren zur Petition entnommen. Da ich nicht prüfen kann, ob die Angaben korrekt sind, kürze ich die Nachnamen – soweit vorhanden – ab.)

So schreibt Dr. Reiner O. aus Stuttgart: „Ich habe eine Tochter in der 11. Klasse eines Stuttgarter Gymnasiums. Nun stelle ich mir vor, homosexuelles Verhalten wird im Unterricht thematisiert. Der Lehrer wird natürlich von den Schülern genötigt auf konkrete Sexualpraktiken z.B. homosexueller Männer einzugehen. Und spätestens wenn es um Analsex unter Männern geht, wird sich meine Tochter so ekeln, dass sie meinem schwulen Cousin nie wieder die Hand gibt.“

Wer sollte uns hier am meisten leid tun? Der schwule Cousin? Die Tochter, die mit schätzungsweise 16 oder 17 noch nie von Analsex gehört hat? Der Lehrer, den die Schüler zwingen, Sexualpraktiken im Detail zu beschreiben? Oder doch der Unterzeichner, der vermutlich nicht weiß, dass Analsex auch von Heteropaaren häufig praktiziert wird? Ich glaube letzterer, aber vor allem deshalb, weil er Sexualität, sexuelle Identität, Geschlechtsverkehr und soziales Geschlecht nicht auseinanderhalten kann. Dazu passt dann der Kommentar einer Unterzeichnerin, die deutlich macht, dass sie „gegen Genfer Mainstreaming“ sei. Wenn das die Schweizer/innen wüssten!

(Anmerkung: Gemeint ist vermutlich Gender Mainstreaming. In den hier zitierten Kommentaren habe ich die Rechtschreibung zwecks besserer Lesbarkeit korrigiert.)

„Minderheiten bestimmen künftig Mehrheiten“

Sehr viele Kommentare beziehen sich auf christliche Grundwerte in unserem Land, die vermeintlich von der „Ideologie“ einer „Schwulenlobby“ bedroht sind (dass Lesben hier keine Rolle spielen, bedarf vermutlich keiner besonderen Erläuterung). Die Bibel wird immer wieder zitiert, gerne wird auch argumentiert, eine (homosexuelle) Minderheit wolle die (heterosexuelle) Mehrheit dominieren.

Hier kommen wir dem Kern der Sache näher. Bisher verteidigt eine überwiegend heterosexuelle, sich häufig als christlich bezeichnende Mehrheit in der Gesellschaft mit Klauen und Zähnen ein Modell, nach dem eine Familie aus einem Mann, einer Frau und beliebig vielen leiblichen Kindern besteht. Peter H. aus Vörstetten bringt das Ganze in Großbuchstaben auf den Punkt: „SIE [die Homosexuellen] SOLLEN SICH ABER NICHT ÜBER UNS „NORMALOS“ ERHEBEN! ABARTEN ZU TOLERIEREN IST EINE SACHE. SIE ZU FÖRDERN JEDOCH IST EINE KATASTROPHE DIE UNS ALLE ZERSTÖRT!“

Hier wird deutlich, dass es, wie so oft bei Veränderungsprozessen, um Macht bzw. Machtverlust geht. Artikuliert wird das in Kommentaren wie „Ich will Enkelkinder haben.“ und „Weil ich keine verschwulten Kinder haben möchte.“ Was immer das sein soll?! Lustig wird es dann bei Befürchtungen wie: „Wer schwul sein ablehnt, bekommt eine 6“. Das ausgerechnet die Aufnahme der sexuellen Vielfalt in die Lehrpläne (erstmals) der Lehrer/innenwillkür Tür und Tor öffnen soll, finde ich ziemlich erheiternd. Und übrigens: Wer fremde sexuelle Identitäten mittels Hatespeech ablehnt, sollte eigentlich mehr als eine 6 bekommen, finde ich.

Dass es immer mehr Patient/innen in Kinderwunschzentren gibt, dass die Zahl der Patchworkfamilien und der Alleinerziehenden steigt, dass viele „normale“ Familien dank Vernachlässigung, Suchtproblemen, Gewalt und Missbrauch (17.01., 17:26 Uhr, Anm. d. Red.: auf Wunsch der Autorin wurde „Geldsorgen“ aus der Reihung entfernt) alles andere als „normal“ sind, ficht diese Unterzeichner/innen nicht an. Dass viele berufstätige Väter ihre Kinder unter der Woche nicht sehen, ebenso wenig. Ihr „herkömmliches“ Familienmodell ist das Beste, von ihrem Gott gewollt und geboten, und alles andere ist minderwertig, muss minderwertig sein. Die Debatte um die Öffnung der Ehe ist von diesem Gedanken geprägt – Ehe und Familie stehen bekanntlich unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Und wer seid ihr (Homos), dass ihr es wagt, diese Begriffe zeitgemäß definieren zu wollen?

Als Regenbogenfamilie begegnet uns diese Einstellung nahezu täglich, da wir uns anmaßen, ein Modell zu leben, dass nach Meinung vieler den Heterosexuellen vorbehalten sein sollte. Ich kann mir das nur so erklären, dass eine – vielleicht sogar noch gut – funktionierende Regenbogenfamilie als große Bedrohung für die große Zahl heterosexueller Familien wahrgenommen wird, in denen vielleicht nicht alles rund läuft. Dass unsere Kinder laut der vom BMFSFJ in Auftrag gegebenen Studie der Universität Bamberg im besten Wortsinne „normal“ sind, allerdings oft sogar über ein besseres Selbstbewusstsein verfügen als Kinder aus „normalen“ Familien, verstärkt dieses Gefühl noch. Angst, Bedrohung und Ablehnung des Anderen führen auch dazu, dass sich in den Kommentaren zu dieser Petition alle bekannten „Argumentationslinien“ wider die Homosexualität und die Homosexuellen wiederfinden.

Sodom und Gomorrha

Es geht los damit, dass unsere Sexualität „abartig“, „nicht normal“, eine „Schweinerei“, „pervers“ und „pädophil“ sei. Selbstverständlich darf auch die Gleichsetzung von Homosexualität mit den verschiedensten sexuellen Spielarten nicht fehlen. Werner V. (Nachname gekürzt, 15.01., 17:24 Uhr, d. Red.) aus Waldenbuch sagt: „Heterosexuelle Sexualität dient dem Fortbestand der Menschheit. Homosexualität tut das nicht. Es gibt keinen triftigen Grund sie im Lehrplan aufzunehmen. Genauso gut könnte man Sexualität unter Verwandten dort aufnehmen…“ Genau, und die mit Tieren nicht zu vergessen!

Krank und geisteskrank

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass diverse Unterzeichner/innen sicher sind, dass Homosexuelle geheilt werden können. Dass die American Psychological Association (APA) 1973 als erster Berufsverband erklärte, Homosexualität sei keine Krankheit, stört dabei nicht weiter. Die „Logik“ dieser Unterzeichner/innen basiert auf der Annahme, dass sich Menschen für oder gegen Homosexualität entscheiden können. Wer sich dafür entscheidet, lebt in Sünde, aber dank dem Gott der Kommentierenden kann diesen („armen“) Menschen geholfen werden.

Gefühlte Diskriminierung?

Laut Petition ist die Thematisierung von LSBTTIQ-Kontexten im Unterricht gefährlich, weil ein „LSBTTIQ-Lebensstil“ „negative Begleiterscheinungen“ habe „wie die höhere Suizidgefährdung unter homosexuellen Jugendlichen“. Das suggeriert, dass LSBTTIQ-Jugendliche nicht etwa unter dem Druck ihrer heteronormativen Umgebung zerbrechen, sondern dass mit ihrer Entdeckung ihrer sexuellen Identität gleichermaßen auch ihre Suizidgefährdung steigt. Das ist zwar praktisch für die intolerante Umgebung, die sich Moral und Werte auf ihre Fahnen schreibt, hat aber mit der Wahrheit nur begrenzt zu tun.

Marion M. aus Offenbach hinterfragt das Ganze dialektisch: „Ob homosexuelle Jugendliche tatsächlich diskriminiert werden oder sich diskriminiert fühlen, scheint mir in unserer heutigen pluralistischen Gesellschaft nicht gesichert und ob der versuchte oder durchgeführte Suizid daraus resultiert ebenso wenig. […] Diese Frage wäre erst noch zu klären, war die Henne oder das Ei die Ursache?“

Peter M. aus Mechernich ergänzt: „Zumal das Problem ‚homosexueller‘ Jugendlicher sich durch deren vorzeitiges Outing verstärkt; würde man wie früher begreifen, dass zur normalen pubertären Entwicklung auch eine homoerotische Phase gehört, aber eben nur eine Phase, und die ohnehin verwirrten Jugendlichen […] nicht von ‚wohlmeinenden‘ Ratgebern zu einem vorzeitigen Outing gedrängt werden […], wäre die Schwulen-Lobby nahezu ohne Klienten. An diesem Punkt liegt meiner Ansicht nach auch die Selbstmordneigung: das vorzeitige Outing führt bei normaler pubertärer Entwicklung irgendwann zu einer Zerrissenheit wegen der Scham, die mit diesen Praktiken verbunden ist […]“.

Perfider geht es wohl kaum.

Quelle: dierk schaefer / flickr

Bildquelle: dierk schaefer / flickr

Selber schuld?

Ebenfalls beliebt ist das Victim Blaming, also das Beschuldigen der Opfer von Diskriminierung, daran wahlweise selbst schuld zu sein bzw. selber zu diskriminieren. So schreibt ein Ralph S.: „Die aktive Werbung für Homosexualität stellt einen Verstoß gegen das Grundgesetz dar. Durch die aktive Werbung für Homosexualität wird Heterosexualität abgewertet und heterosexuelle Menschen diskriminiert.“

Ah ja.

Dazu passt, dass in derartigen Diskussionen auch gerne das „Argument“ angeführt wird, dass es doch völlig egal sei, ob jemand hetero- oder homosexuell sei. Schließlich sei das Privatsache, entsprechend heißt es dann auch in den Kommentaren, dass die Homos sich eben gerne zur Schau stellen, so seien sie halt. Philip S. aus Waghäusel schreibt: „Ich habe kein Problem mit Homosexualität, aber Kindern diese in der Schule schmackhaft zu machen, halte ich für schlicht überflüssig.“ Alex B. (Nachname gekürzt, 15.01., 17:25 Uhr, d. Red.) aus Paderborn wird da schon deutlicher: „Ich bin GEGEN Homosexuelle Propaganda unter Kindern!!! Das sollte strafbar sein wie in Russland.“

Kinder brauchen Vater und Mutter

Dass Kinder Vater und Mutter brauchen, nur von Mann und Frau gezeugt werden können usw. ist eh klar: „Ohne Kinder gibt es keine Zukunft und wer soll noch Kinder bekommen, wenn alle homosexuell sind. Dies gilt es zu bedenken.“ Einer meiner Lieblingskommentare unter einem ZEIT-Artikel 2013 war übrigens der, in dem behauptet wurde, dass Kinder nur während eines Orgasmus gezeugt werden können. Das würde allerdings manches Kinderwunschzentrum in den Ruin treiben und die Geburtenzahlen in Deutschland deutlich verringern!

Die Auswüchse

Unter dieser Petition findet sich übrigens auch der (sinngemäße) Kommentar, dass schwule Männer keine Väter sein können, weil sie sich vor ihren Kindern küssen und Sex haben. Ob diese/r Unterzeichner/in vor den eigenen Kindern Sex hat? Wie kommt man/frau auf solche – und hier passt das Wort – widerlichen Gedanken?

Wer bis hierhin noch nicht genug hat – ich gebe zu: ich bin inzwischen recht gestählt – kann sich auf die folgenden Auswüchse freuen. Nordkorea, DDR, Kommunismus und Marxismus sind viel benutzte Vokabeln, mit denen die Einflussnahme der „Schwulen-Lobby“ verglichen wird. Dazu kommen Kommentare wie dieser aus Delmenhorst: „Ich möchte, dass meine Kinder in einer schwulenfreien Umgebung aufwachsen.“ Bin ich die einzige, die hier an die „national befreiten Zonen“ der Neonazis denkt? Viele der Kommentare haben einen ähnlichen Anklang, verwenden Begriffe wie „Zersetzung“, „Entartung“ usw.

Manche der vermeintlichen Christen drohen Homosexuellen auch recht unverhohlen. Da sollen Schwule aufgehängt werden, Holger S. aus Tornesch schreibt: „Der Gott der Bibel hat die Ehe von Mann und Frau gestiftet. Menschen, die das nicht wahrhaben möchten, werden die Folgen am eigenen Leibe verspüren.“ und ein Bibelzitat mit einer Morddrohung wird ergänzt um „Gute Nachricht“ (vgl. Tweet). Gegen Letzteres protestiert zu haben, bringt mir dann mal eben einen Zensurvorwurf ein. Bin ich also doch zu empfindlich?

Was bleibt?

Ja, ich bin empfindlich, und das ist gut so. Seit wann ist Empfindlichkeit eigentlich eine negative Eigenschaft? Ein bisschen Empfindsamkeit wäre auch den Unterzeichner/innen zu wünschen, nicht nur für ihre eigenen Überzeugungen, sondern auch für die Interessen ihrer Mitmenschen. Nicht nur, aber ganz besonders, wenn sie sich für christlich halten.

Die Petition und die Kommentare ihrer Unterzeichner/innen verletzen Menschen und zerstören gute Ansätze in der Jugendarbeit. So schreibt Nele Tabler, dass eine Sozialarbeiterin ihr am 09.01.2014 telefonisch gesagt habe: „Die #idpet Kommentare machen 20 Jahre LGBT* Arbeit für Jugendliche im ländlichen Raum kaputt. Wir müssen noch mal ganz von vorn anfangen.“

Die Petition schafft ganz konkrete Probleme für jene Schüler/innen, die ahnen oder wissen, dass sie nicht heterosexuell sind, ganz gleich, ob geoutet oder nicht. Und auch die LSBTTIQ-Lehrer/innen, die es in Baden-Württemberg ebenso sicher gibt wie anderswo, haben dank der Petition noch größere Probleme als zuvor. Ein Coming-Out war schwierig, ist schwierig und bleibt schwierig. Es braucht große Selbstsicherheit und viel Mut, in der Familie, gegenüber den Freund/inn/en oder dem Arbeitsumfeld (immer wieder) zu sagen, dass man/frau anders ist. Und auch Jahre und Jahrzehnte nach dem ersten Coming-Out verhindert eine solche Offenheit nicht, dumme, diskriminierende und verletzende Äußerungen darüber zu hören.

Ich bin deshalb überzeugt, dass die Aufnahme des Begriffs der Vielfalt (nicht nur in Bezug auf sexuelle Vielfalt, sondern in Bezug auf alle Minderheiten) in Lehrpläne dringend geboten ist, nicht nur in Baden-Württemberg. Ich hoffe, dass das in allen Kultusministerien erwogen und – aus der aktuellen Diskussion lernend – sehr gut vorbereitet und kommuniziert wird.

24 Antworten zu “Hate speech ist keine freie Meinungsäußerung – Gedanken zur #idpet”

  1. sturmfrau sagt:

    Danke für diesen Artikel, er spricht mir absolut aus dem Herzen. Die unverhohlene Homophobie, die sich in solchen Petitionen und in zahlreichen Kommentarsträngen diverser Nachrichtenmedien und in Blogs ausdrückt, treibt mir schon lange und immer wieder das Adrenalin in die Blutbahn. Insbesondere dann, wenn konstruierte Schlagworte wie „Homo-Lobby“ und „Regenbogen-Ideologie“ die Runde machen.

    Brave, konservative, vermeintlich christliche Bilderbuchmenschen brauchen offenbar ein Feindbild, gegen das sie wettern können. Sie vermuten die Zersetzung ihrer hehren moralischen Werte hinter jeder Ecke und reagieren so angestochen auf Andersartigkeit, dass man meinen könnte, ein kultureller Weltkrieg stünde bevor. In Sachen Religion/“Rasse“ haben wir das in diesem Land bereits einmal durchexerziert – mit dem bekannten, zerstörerischen und unmenschlichen Ergebnis. Der neue Sündenbock all derer, die mit veränderten gesellschaftlichen Umständen nicht umgehen können, ist der Nicht-Hetero.

    Mich erschüttert der tiefe Hass, der aus diesen Äußerungen spricht. Dieser Hass ist meines Erachtens nach auch ein Indiz für die unglaubliche Verunsicherung, die sich in konservativen Reihen breitgemacht hat (nicht, dass das als Entschuldigung taugt, lediglich vielleicht als Erklärung). Wer mit der Gleichberechtigung der Frauen nicht zurechtkommt, beruft sich gern auf die (biblisch oder von der Natur oder gar von beidem) festgeschriebene Rolle der Frau. Wer mit andersartiger sexueller Identität nicht klarkommt, tut dasselbe mit Hilfe irgendwann einmal von Angehörigen einer antiken Wüstenreligion niedergeschrieben Normideen zum Thema Ehe und Sexualität. Wie groß muss die Furcht davor sein, dass beispielsweise die eigenen Kinder sich nicht wie erwünscht fortpflanzen, nicht innerhalb der Normen lieben, möglicherweise Schamgrenzen überschreiten, dass ein so abscheulicher Hass dagegen aufkommt?

    Toleranz und Anerkennung fordern solche Leute immer nur für sich selbst und ihre eigene Lebensweise, sei sie auch noch so absurd in den Augen anderer. Bedroht fühlen sie sich schon von der ansatzweise vorhandenen Möglichkeit, ihre Nachbarn, Lehrer, Freunde, Kinder und Kindeskinder könnten etwas anderes für wichtig und richtig halten als sie selbst.

    Ich würde mir wünschen, man könnte solche Hasstiraden als belanglose Randerscheinung abtun und sie einfach vergessen, fürchte aber, dass das nicht gehen wird. Die Forderungen der Rückschrittlichen beziehen sich nie nur auf ihr eigenes Leben, sie sind absolut. Wer aus der Reihe tanzt, gehört zielgerichtet wieder auf Linie gebracht, „geheilt“, „bekehrt“ oder was auch immer. Diese Absolutheit ist es, die mir Angst macht, gepaart mit einer Stammtisch-Dummheit und Dreistigkeit, die leicht nachzubeten ist. Der Kern des Ganzen ist die Furcht vor dem Fremden. Der Schoß ist warm noch, aus dem das kroch.

  2. giliell sagt:

    Großartiger Artikel.
    Die ganze heterocisnormative Kackscheiße zeigt sich doch, wenn die Kirchen wettern man müsse den Kindern doch Raum geben ihre eigene Identität zu entwickeln und deshalb bitte, bitte, bitte nix von nicht Cis- nicht Heteros erzählen

    Das ist wie den eigenen Geschmackt bei einer Ernährung entwickeln sollen und nur Wasser und Brot zu essen kriegen. Schließlich ist jeder Tag Cis und Hetero Pride Day.

    Und so als jemand, der dem klassischen Familienbild entspricht kommt mir die Galle hoch wenn Familien wie unsere instrumentalisiert werden und so getan würde als würde man uns schützen und was Gutes tun.
    Wer schützt denn meine Familie vor Homo- und Trans*phobie?
    Was ist denn, wenn eines meiner Kinder nicht hetero und cis ist? Gehört es dann nicht mehr zur schützenswerten Familie und hat auch nie dazugehört, wird also quasi retroaktiv aus dem Kreis der Schutzbedürftigen entfernt?

    Und die armen kleinen Kinder werden sexualisiert? Kennen die Leute überhaupt Kinder? Oder wird da immer noch aufgepasst, dass die mit den Händen über der Bettdecke schlafen?

    Und was die Sexualpraktiken angeht fällt mir gerade nichts ein, was nicht-hetero, nicht-cis Paare tun können was den Cis Heteros verwehrt bleibt. Vielleicht bin ich da ja auch einfach zu ungebildet, oder ihr könnt mich auf neue Ideen bringen.

    Ums kurz zu machen, ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen möchte. Diese Hasspetition zeigt eindeutig, dass ein solcher Bildungsplan wichtig und richtig ist. Nur wie man die Eltern nochmal in die Schule schicken kann weiß ich noch nicht. Die Lehrer sollte man vielleicht eher daraus entfernen, denn ganz offensichtlich sind sie nicht in der Lage ihrer Fürsorgepflicht für ALLE SchülerInnen nachzukommen.

  3. Gast sagt:

    Danke für diesen Artikel. Er drückt alles aus, was mir in den letzten Tagen zu diesem Thema durch den Kopf ging.

    Ich habe die Gegenpetition immer noch nicht unterschrieben und ich ringe immer noch mit mir, ob ich das tun soll oder nicht. Das hat folgende Gründe, die z.T. auch schon oben erläutert werden: Ein Wettstreit, wer die meisten Stimmen bekommt, ist meiner Meinung nach nicht zielführend. Außerdem weiß ich nicht, was es bringt, seine Stimme auf einer Plattform abzugeben, die solche hate speech erst nach ewig langer Intervention von außen moderiert / eindämmt / wie auch immer. Und schließlich und als mMn wichtigster Punkt: Über Minderheitenrechte wird nicht abgestimmt!
    Mich macht besonders wütend/fassungslos, wie wenig die Menschen, die dort kommentieren (ich habe irgendwann aufgehört zu lesen, weil mir wirklich schlecht wurde), in der Lage zu sein scheinen, sich auf eine Diskussion oder auf eine gegensätzliche Meinung einzulassen. Wie verbohrt und indoktriniert muss man sein, dass man anscheinend nicht mal für fünf Pfennig drüber nachdenkt, ob es nicht auch andere Standpunkte als die eigene Position gibt, ob es nicht sowas gibt wie Menschenrechte etc., die der eigenen Position entgegenstehen?
    Was mich in dem Zusammenhang auch besonders „amüsiert“, sind die Stellungnahmen der Kirchen a la „Wir finden den Bildungsplan nicht gut; wir wollen nämlich keine Indoktrinierung der Menschen.“ Die Kirchen. Lehnen Indoktrinierung ab. Seriously. Leaves me speachless.

  4. […] sogar volksverhetzend. Ganz zu schweigen von den Kommentaren, aber dazu (und überhaupt) lest bitte Hatespeech ist keine freie Meinungsäußerung. Die erste Reaktion auf besagter Mailingliste war denn auch “Da platzt mir doch glatt die […]

  5. Aris sagt:

    Hatespeech ist freie Meinungsäusserung, denn genau das macht sie aus. Du magst Dich beleidigt fühlen, und bei den meisten der von Dir zitierten Stellen pflichte ich Dir bei. Aber solange sie nicht straf- oder zivilrechtlich verfolgt werden können, gehören sie zur freien Meinungsäusserung. Denn genau das ist freie Meinungsäusserung.

    Nun magst Du sagen, dass ich das gar nicht nachvollziehen kann, als männlicher heterosexueller Single. Damit magst Du recht haben, aber ich zitiere dann einfach mal, was ich mir in den letzten Jahren anhören musste:
    „Du bist dann einer aus der Kinderfickersekte?“ – Ich bin katholisch (in welchem Umfang, war der Kommentatorin egal).
    „Das ist doch alles Inzucht“ – Ich stamme aus einem kleinen Dorf
    „Wärst Du nicht so dick, hättest Du auch eine abgekriegt“ – Kommentar dazu, dass ich seit 10 Jahren Single bin und einen BMI jenseits der 30 habe.
    „Du brauchst doch keine Frau, höchstens ne schwarzbunte… Muh“ – Ich bin Bauerssohn, siehe oben.
    Das sind die persönlichen Kommentare, und glaube mir, wenn man die Kommentare aus Bauer sucht Frau, The Biggest Loser oder die Reaktionen auf die von Dir genannten Kommentare, die in RIchtung Katholiken gehen, nachliest, könnte ich mich auch beleidigt fühlen. BIn ich aber nicht, weil ich zwei Dinge weiss:
    1. Die kennen mich nicht, können mich also nicht beleidigen.
    2. Zu jeder Beleidigung gibt es andere, die genau denken wie ich, ich hoffe, einfach, solange ich nicht 82 Mio Kommentare lese, dass es irgendwo eine schweigende Mehrheit gibt, die nicht kommentiert und meiner Meinung ist.

    • andreacmeyer sagt:

      Auch ich kenne Diskriminierung in vielen Varianten – Stichwort BMI. Ich habe auch ein sehr dickes Fell. Dennoch glaube ich, dass es unserer Gesellschaft nicht gut tut zu sagen, dass damit jede/r einzelne klar kommen muss. Und wenn es dann so ist, dass Kinder für ihre Eltern diskriminiert werden (wie unser Sohn potenziell für uns, oder du als Bauernsohn) ist ifür mich eine Grenze sehr deutlich überschritten.

    • sturmfrau sagt:

      Ich finde, es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen Beleidigungen, wie Sie sie aufführen (die zugegebenermaßen unschön sind und deutlich die Grenzen des guten Geschmacks überschreiten) und der gezielten Züchtung eines Feindbildes. Wenn es tatsächlich eine Mehrheit gibt, die konkret in der Sache Homosexualität schweigt, darf man sich fragen, warum sie schweigt. Ich denke, das könnte damit zu tun haben, dass man die sexuelle Identität nach wie vor als Privatsache betrachtet und es dem Einzelnen überlässt, seine privaten Kämpfe auszufechten. Vor dem Hintergrund dieser schweigenden Mehrheit klingen aber die Stimmen, die besagtes Feindbild aufbauen und zur „zersetzenden“ Gefahr stilisieren, um so lauter, und man darf sich fragen, warum besagte schweigende Mehrheit nicht den Arsch in der Hose hat, gegen solche polemischen Tendenzen Stellung zu beziehen.

      Davon mal ganz abgesehen kann ich mir nicht vorstellen, dass ein dicker, katholischer Bauernsohn vom Dorf behandelt wird, als sei er eine Gefahr für „unsere Kinder“, als sei sein Dick- oder Katholischsein oder seine Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Zunft unmoralisch, ansteckend und sündig. Dass Menschen, die nicht dem gängigen Schönheits- (also Schlankheits-) Ideal entsprechen, diskriminiert werden, stelle ich dabei nicht in Abrede. Aber ihr Dicksein wird nicht als Gefahr für die moralische Integrität ganzer Generationen hingestellt, wird nicht mit Verfall und Sittenlosigkeit gleichgesetzt und ihnen wird auch nicht unterstellt, in Liebesdingen arme Verirrte zu sein, die nur durch Verweis auf göttliche Ordnung und eine gründliche Umerziehung wieder zurück auf den wahren, guten Weg gebracht werden können. Ich hoffe, ich kann diesen qualitativen Unterschied deutlich machen.

      Das Feindbild, das da aufgebaut wird, dient einem klaren Zweck. Man projiziert die eigenen Ängste auf eine Bevölkerungsgruppe, der man dann Eigenschaften zuschreibt, die man selbst zutiefst fürchtet, verurteilt und hasst, die aber nicht der Realität entsprechen müssen. Es entsteht so ein öffentliches Zerrbild von „den“ Homosexuellen, das sich prima eignet zum Ausleben eigener Hassgefühle. Und es ist durchaus etwas anderes, zu spüren, wie einem dieser permanente Hass entgegenschlägt, als sich mal einen Gag über Milchvieh anhören zu müssen. Finde ich.

  6. andreacmeyer sagt:

    Ich glaube auch, dass das ein Teil des Problems ist. Allerdings läßt der Stil einiger Kommentare vermuten, dass wir es hier nicht mit schlecht gebildeten Menschen zu tun haben, im Gegenteil.

    • Sinistral sagt:

      Das (an-)führen einer solchen Propagandakampagne setzt auch eine gewisse Bildung voraus. Genügend die einem dann nachplappern gibt es immer. Das macht das Ganze – denke ich – erst so gefährlich.

  7. andreacmeyer sagt:

    Auch ich hatte in der Schule keine Lerneinheit „normale Familie“. Wenn ich mich aber an meine Schulbücher zurück erinnere, kam da nichts anderes vor. Die Familie Clark aus meinen Englischbüchern hatte z.B. Mutter, Vater, einen Sohn, eine Tochter, einen Hund. Das ist wunderbar und darf auch gerne so stehen bleiben, aber schön wäre es, wenn daneben noch andere Lebensentwürfe gezeigt würden.

  8. Lisa sagt:

    Um Bilder von Familien in Schulbüchern zu sehen, brauchst du nur mal die englisch oder französisch Bücher zu öffnen. Der gesamte Stoff wird durch Dialoge innerhalb von Familien und Freunden vermittelt. Auch im Heimat und Sachunterricht in der Grundschule ist die Familie Thema. Ebenso wie im Biologieunterricht in der 5./6. Klasse. Sowie natürlich im Ethikunterricht.

  9. giliell sagt:

    Ich ging gerade gestern an der Uni an einer Gruppe junger Frauen vorbei, die sich unterhielten. Ich konnte nicht vermeiden den, im angewiederten Tonfall gesprochenen Satz „der ist halt ne Transe!“ zu hören. Der Initiator der Petition ist ein Realschullehrer, einer der am höchsten gerateten Kommentare der Ekelpetition stammt von einem Kinderarzt.
    Ich glaube der wesentliche Unterschied ist eher, dass weniger gebildete Leute weniger sprachliche Mittle zur Verfügung haben und deshalb schneller „auffällig“ werden als gebildete, die dann eben nicht von „Schwuchteln“ reden sondern ihre heuchlerische Besorgtheit über „den armen Mann“ zum Ausdruck bringen.

  10. giliell sagt:

    Vielleicht mal noch was zum Thema „hate speech“ vs. „Freie Meinungsäußerung“:
    Nicht alles was legal ist ist auch richtig und legitim. Ich sag nur mal Ehebruch/Fremdgehen.
    Und nur weil jemand das Recht hat etwas zu sagen heißt das noch lange nicht, dass ihm/ihr jemand eine Plattform bieten muss. Dass die NPD noch legal ist heißt nicht, dass der Kneipenwirt ihnen sein Nebenzimmer zur Verfügung stellen muss.
    Deshalb sind Plattformen in der Pflicht den Content zu moderieren, oder sich klar dazu bekennen dass sie pro Hass und Diskriminierung sind. Es ist nämlich schlichtweg FALSCH so zu tun als ob es ein „beide Seiten haben legitime Anliegen“ gäbe und man deshalb doch alle ernst nehmen müsse.
    Und was andere Beleidigungen angeht: nicht OK, aber ich werde „du fickst Kühe“ dann auf eine Stufe mit Homophobie stellen wenn Bauern deswegen ernsthaft Rechte verweigert werden, sie öffentlich diskriminiert werden, Gewalt erfahren und dadurch in den Selbstmord getrieben werden.

  11. […] Hate speech ist keine freie Meinungsäußerung – Gedanken zur #idpet […]

  12. Wiesenirja sagt:

    Guter Artikel! Komme selber schon kaum aus dem Haareraufen raus! – Gruß, Irja.

  13. andreacmeyer sagt:

    Die Frage ist doch: Was ist zuviel? Laut Statistischem Bundesamt verfügten 2011 in Deutschland
    7.289.173 Menschen über einen Schwerbehindertenausweis, bei einer Bevölkerung von 80.219.695 waren das 9,1%. Ist es zuviel, wenn jede 11. Person im Schulbuch mit Behinderung gezeigt / beschrieben wird? Und wie viele sind es aktuell?

    Ca. 5-10% der Bevölkerung in Deutschland sind homosexuell, es gibt mindestens 5.000 Regenbogenfamilien (vermutlich aber mehr, es gibt dazu keine offizielle Statistik). Es wäre doch schön, wenn wir ÜBERHAUPT vorkommen, oder ist das schon zuviel?

  14. sturmfrau sagt:

    Die diversen Implikationen des Herrn Stängle beunruhigen Sie nicht? Auch nicht seine Sprache? Beispielsweise, dass Herr Stängle von „diesen Menschen“ spricht, als seien sie zur restlichen Bevölkerung abgegrenzt zu betrachten. Ähnliche Menschenverachtung schlägt sich in Äußerungen wie „…ethische Reflexion der negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils…“ oder „Aus der gleichen Würde jedes Menschen folgt noch nicht, dass jedes Verhalten als gleich gut und sinnvoll anzusehen ist.“ Falls Sie das alles noch unter „freie Meinungsäußerung“ einsortieren, bitte. Der inflationäre Gebrauch von Schlagworten wie „Ideologie“ und „Propaganda“ scheint Sie auch ziemlich wenig zu stören.

    Spätestens aber, wenn Sie sich die treffenderweise am rechten Rand positionierte Statistik Woher kommen Unterstützer? ansehen, sollten Sie beunruhigt sein. Da finden sich die altbekannten, üblichen Verdächtigen: kathnet, pi-news, der Kopp-Verlag… Tun Sie sich einen Gefallen und setzen Sie sich mit diesen Genossen mal ein bisschen genauer auseinander. Eine halbe Stunde googeln tut es schon.

    Vergessen Sie nicht: Sie selbst müssen sich daran messen lassen, wenn Sie intoleranten Hardlinern eine Plattform bieten.

    • Anne Wizorek sagt:

      Nur, dass du dich nicht wunderst, die Links wurden noch mal editiert. Die sollen von uns keinen Traffic bekommen. :)

      • sturmfrau sagt:

        Nein, ich wundere mich nicht, im Gegenteil, danke! Mir wurde erst nach dem abschicken klar, dass sie als Links auftauchen und ich hätte Leerzeichen oder desgleichen einfügen können. Ich hatte gehofft, dass Ihr das noch editiert.

  15. […] Hate speech ist keine freie Meinungsäußerung – Gedanken zur #idpet: […]

  16. Alex_a sagt:

    Sehr spannend, diese Behauptung, es gäbe in Schulen keine Erklärung über „normale Familien“. Ich erinner mich auch sehr gut an die Sprachlehrbücher, in denen immer noch schön bebildert in zig Lektionen alle gängigen Alltagsgesprächssituationen in einem Haus am Frühstückstisch oder beim Mittagessen in Gesprächsblasen dargestellt wurden: Vater sagt zu Tochter „Reich mir doch bitte mal das Marmeladenglas“, Mutter fragt kleinen Sohn: „Wann kommst Du heute nach Hause?“, Tochter sagt zu Hund: „Boubou, setz‘ Dich hin.“
    Vom sog. „Sexualkundeunterricht“ in Biologie ist mir besonders deutlich die Stunde präsent, in denen mein Biolehrer im Unterricht den Anti-Abtreibungs-Film „Der Schrei“ gezeigt hat, in dem per Ultraschall ein Embryo gezeigt wird, während die Abtreibung durchgeführt wird. Ich war wirklich schockiert danach und dachte noch jahrelang, Abtreibung ist Mord und sowas könnte ich wirklich niemals tun. Das alles Dinge, die vor ca. 10 Jahren stattgefunden haben. Nicht vor 60, wie mensch meinen könnte.

  17. […] Du hast ja vermutlich auch die #idpet (“Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Rege… mitbekommen, eine Petition, die sich eindeutig gegen die Thematisierung von Vielfalt im […]

  18. […] vermittelt werden soll, war dabei ja fast noch lustig. Das allerdings galt für die lange Zeit auf der #idpet-Petitionsplattform öffentlichen Morddrohungen, Beleidigungen und Beschimpfungen nicht. Und es dauerte lange – sehr lange – bis Medien die Petition und Gegenaktionen […]