Liebe Emilíana Torrini!

Emiliana Torrini am Mikrofon
Foto , CC BY 2.0 , by Martijn vdS

Dies ist ein Liebesbrief an dich, denn ich mag deine Musik sehr und möchte dir ein wenig davon erzählen, was ich alles damit verbinde. Du kommst aus Island, und als ich fünf Jahre alt war, war ich schon einmal dort.

Vor allem zwei prägende Erinnerungen habe ich an Island: Ein Geysir, der neben mir in die Höhe schoss und als Wasserstaub auf mich herunter regnete, und die Dagobert-Duck-Spardose, die ich da geschenkt bekam und nun leider nicht mehr finde. Ich könnte schwören, dort liegt ein kleines Vermögen begraben – oder die Währung meiner Kindheit: Filzsticker!

*

Jahre später, als ich dich irgendwann vor Feist und nach Moloko entdeckte. Ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern, wie ich dich gefunden habe, du warst dann einfach da. Schnell habe ich dich in meine innere LieblingskünstlerInnenwikipedia eingetragen: Emilíana Torrini. Geboren in Island, 1977. Entdeckt im Restaurant ihrer Eltern. In London für GusGus, Thievery Corperation und Sneaker Pimps gesungen, für Kylie Minogue und Paul Oakenfold Songs geschrieben.

Viele kennen dich erst seit dem Song „Jungle Drum„, ich kenne dich aber schon seit deinem Album Merman aus dem Jahr 1996. Schnell kamen dann alle anderen deiner Alben dazu und seitdem bist du auf meinem Mp3-Player eine unverzichtbare Sängerin, die mich in vielen meiner Lebenslagen getröstet und erfreut hat.

Da ist zum Beispiel „Tuna Fish“ vom Album Love in the time of science. Das Lied ist wie ein Sprung ins Wasser und die Luftblasen sprudeln um mich herum, die Augen kann ich gerade so offen halten und ich tauche und tauche und die Sonne scheint. Diesen Song habe ich auf dem Heimweg gehört, als ich nach einer Nacht, in der wir nur getanzt haben, einen der schönsten Sonnenaufgänge sah. Als ich meinen Kopfhörer mit jemand Besonderem teilen durfte.

Oh, und „Sunny Road„, das ich auf Fisherman’s Woman entdeckt habe. Da war diese schreckliche Prüfung an der Uni, nach der ich ein kleiner Haufen Elend war. Und dann kam dein Song und alles war wieder gut. Einfach so. Wegen dir!

 

tookah

 

Dein neues Album heißt Tookah und das Cover sieht aus wie ein Holzlegespiel für Kinder. Ich hatte mal so eines, es hieß Pueblo. Tookah zeigt so viele neue Facetten von dir, dass ich jedes Mal wieder erstaunt und begeistert bin, wie viel Tiefe du hast, und wie viele Geschichtenstränge du in deine Alben weben kannst. Ich entdeckte einen Blogpost von dir und hing nach dem Lesen noch lange vielen deiner Gedanken nach. Dieser hat mich besonders berührt:

‚Tookah‘ is a made up word. It came when I was improvising and I connected with that word or name in a very deep blissful way. It is the core of you. The ‘you’ you were when you were born, before life decorated you like a Christmas tree with all the baggage. It is what connects us with everyone and everything. It is what the sufis spin for, what we are looking for all our lives. It is the sudden thankfulness you feel when doing nothing in particular, where everything is gently perfect for a moment. God has many names. I call mine ‘Tookah’.

(‚Tookah‘ ist ein erfundenes Wort. Es fiel mir während des Improvisierens ein, das Wort oder der Name war einfach da, auf eine sehr tiefgründige, selige Art und Weise. Es steht für dein Inneres. Dieses „Du“, das du bei deiner Geburt warst, bevor das Leben dich wie einen Weihnachtsbaum mit Ballast aller Art dekoriert hat. Es ist, was uns mit jeder_jedem und allem verbindet. Es ist der Grund, weswegen die Sufis sich in Trance tanzen, es ist das, wonach wir ein Leben lang suchen. Es ist diese plötzliche Dankbarkeit, die wir fühlen, während wir nichts Bestimmtes tun, ein Moment in dem alles perfekt ist. Gott hat viele Namen. Ich nenne meinen ‚Tookah‘.)

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Das Bezaubernde an dir, Emilíana, ist deine Musik. Keine unechten Töne, zwischen denen falsche Worte stehen, sondern deine Persönlichkeit, deine Gefühle, Ideen, Mut und Liebe. Musik für mitten rein ins Herz und dort soll sie bleiben.

Du hast von dir gesagt, dass du dich als Handwerkerin siehst und dein neues Album hast du als „akustische und visuelle Reise“ beschrieben. Du hast drei Jahre gebraucht, bis es fertig war. Drei Jahre, in denen du viele Orte bereist hast und für eine Weile einfach keine Inspiration fandest. Wie das eben manchmal so ist mit den Projekten: man sitzt zu nah dran, erreicht mit der eigenen Musik so schwer jenen Kern, den man mit der Welt teilen will. Emilíana, du hast gesagt, dass du ein sehr visueller Mensch bist. Dass alles, was du singst und die Lieder, die du schreibst, als eine Art Collage in deinem Kopf existieren. So auch beim neuen Album:

We also worked with sound very visually too. I had a lot of things in mind. My mother’s lake at Vatnsendi. The forests in Germany. The cenotes in Mexico. They all meld into one image; I visualise it as a frozen plane. And you don’t see a person, just its breath. Then the song starts and this person is walking over the ice, across the lake, until a giant forest appears. She walks into the forest and this sound explodes, like what happens when you enter a redwood forest. A sound begins, a fear arises and the sky turns black. Then beautiful fireworks start exploding, it becomes bright out, they slowly turn into deep-sea creatures, jellyfish and neon coloured beasts. They guide your way home. These are the visuals for a song.

(Wir haben auch sehr visuell am Sound für unser Album gearbeitet. Ich hatte viele Dinge im Kopf. Den See bei meiner Mutter in Vatnsendi. Die Wälder in Deutschland. Die Cenoten in Mexiko. Sie alle sind zu einem Bild verschmolzen, ich stelle es mir als eine gefrorene Fläche vor. Man sieht keine Person, nur ihren Atem. Dann beginnt der Song und diese Person läuft über das Eis, über den See, bis ein riesiger Wald beginnt. Sie begibt sich in den Wald und dieses Geräusch explodiert, so ähnlich als ob man in einem Mammutbaumwald läuft. Ein Sound ertönt, eine Angst taucht auf und der Himmel wird schwarz. Dann beginnt ein wunderschönes Feuerwerk, es wird taghell und die Lichter verwandelt sich langsam in Tiefseekreaturen, einen Oktopus und neonfarbene Geschöpfe. Sie zeigen den Weg nach Hause. Das sind die Szenen für einen Song.)

In dem tollen Interview mit „The Reykjavik Grapevine“ verrätst du außerdem ein bisschen mehr über deine Zeit zwischen Me and Armini und Tookah und dessen Entstehungsprozess.

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Emilíana, du gehörst zu meinen persönlichsten, wertvollsten und inspirierendsten MusikerInnen, die ich bisher kennengelernt habe. Es gibt wenige, deren Lieder mir schon mein Herz gerettet haben. „Fingertips“ war so eines.

Danke! <3

Deine Annika
 

Emilíana Torrini auf einen Blick

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Akustik-Version von „Animal Games“, das auf Emilíana Torrinis neuem Album Tookah erschien

4 Antworten zu “Liebe Emilíana Torrini!”

  1. Sabrina sagt:

    So schön geschrieben! Und so schöne Songs.

    „The Boy Who Giggled So Sweet“, „Hold Your Hand“ und „If You Go Away“ sind meine liebsten von ihr.

  2. ruhepuls sagt:

    Liebe Annika,

    danke für den schönen Brief. Ich habe mich heute kurzfristig dazu entschlossen, mir eine Karte für das Berliner Konzert Anfang November zu kaufen, da mich die Musik von Torrini seit ‚Love in the times of science‘ immer wieder begleitet.
    Ich habe mich zwar über ihren Erfolg mit ‚Jungle Drum‘ gefreut, jedoch total geärgert, als ich Sachen hörte wie: „Gleich mit dem ersten Stück ein Hit“ etc. Das wird ihrer Arbeit schließlich nicht gerecht.

  3. […] Artikel von dir selbst mochtest du am liebsten? Den Liebesbrief an Emiliana Torrini mochte ich ganz gerne, weil ich ihr so auf einer neuen Art begegnen […]