Und sie bewegt sich… nicht: die Lücke beim Lohn.

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Ein Aktionstag. Was, schon wieder? Es war doch gerade erst internationaler Frauenkampftag! Ist denn nie Ruhe? Ja, um ehrlich zu sein: es wäre natürlich schöner, wir könnten uns zurücklehnen, auf den Frühling warten und den heutige Donnerstag einfach Donnerstag sein lassen. Aber der Blick auf die neuesten Ergebnisse des statistischen Bundesamtes zeigt uns: in puncto Lohngleichheit von Männer und Frauen hat sich in den letzten Jahren erschreckend wenig getan.

Und daher ist heute immer noch: Equal Pay Day (“Tag für gleiche Bezahlung”), der auf diese Ungleichheit aufmerksam machen soll. Auch wenn, wie das bei vielen Aktions- und Gedenktagen so ist, Ungerechtigkeiten wie diese nicht nur mit einem Tag voll kollektivem Aufseufzen bedacht werden, sondern jeden Tag angegangen werden sollten.

Einige frustrierende Fakten:

  • Der Verdienstabstand zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Deutschland liegt seit 15 Jahren konstant bei über 20%.
  • Im Global-Gender-Gap-Report des Weltwirtschaftsforums steht Deutschland 2012 bei der Lohn(un)gleichheit auf Platz 13 – 2006 war es noch Platz fünf.
  • Im Vergleich mit den EU-Ländern sieht es noch schlechter aus: hier ist Deutschland auf dem drittletzten Platz, und hat sich dabei ebenfalls verschlechtert.

Getan hat sich also nicht nur wenig, sondern eher gar nichts. Ja, wenn Frauen auch alle Teilzeit arbeiten und Grundschullehrerin statt Ingenieurin werden wollen, heißt es von der Kritik dann meist – aber, selbst wenn alle Einflussfaktoren wie branchenabhängige Lohnunterschiede etc. abgezogen sind, bleibt die so genannte “bereinigte” Lohnlücke von 7%, bei der Frauen also trotz gleicher Qualifikation, Karriereweg, Umfeld und ähnlichen Faktoren weniger verdienen. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, das die Arbeitgeber vertritt, kommt hier interessanterweise im Gegensatz zum statistischen Bundesamt nur auf 4% und hält diese für vernachlässigbar.

Um aber bei der “unbereinigten” Lohnlücke zu bleiben: auch diese entsteht eher durch strukturelle Bedingungen als durch individuelle Entscheidungen von Frauen. Die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwa aufgrund fehlender Kinderbetreuung oder unflexibler Arbeitszeiten trifft immer noch viel öfter Frauen, die länger und häufiger in Elternzeit gehen, deswegen Teilzeit arbeiten oder deren Karrierechancen von vorneherein schlechter sind, weil die Arbeitgeber von einem Ausfall bei Schwangerschaft ausgehen. Erst kürzlich ging aus einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums hervor, dass vier von zehn Frauen die Elternzeit wegen negativer Folgen für ihr berufliches Fortkommen bedauern. Das macht nicht die Elternzeit an sich falsch – es ist ein Problem der Unternehmenskultur und der Erwartungen auf dem Arbeitsmarkt, dass sich Männern ebenso stellt – nur nehmen die eben (noch) deutlich seltener Elternzeit, und es wird auch weniger von ihnen erwartet (Stichwort “Rabenmütter”). Und so bleibt es doch wieder vornehmlich ein Frauenproblem. Ähnlich verhält es sich bei der Pflege von Angehörigen.

Sobald dann der Ehemann mehr verdient, schnappt zudem die Falle des Ehegattensplittings zu: Dann lohnt sich steuerlich meist ein Teilzeit- oder Minijob eher. Die Gleichstellungsbeauftragte der Bundesregierung, Ute Klammer, macht in einem Interview mit dem Tagesspiegel vor allem die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung, die Minijobs und Niedrieglöhne auch noch ausweite, für die mangelnde Gleichstellung von Männern und Frauen verantwortlich. Diese funktionierten nur mit einer traditionellen Rollenverteilung mit Familienernährer und Zuverdienerin. Zwei Drittel der 7,4 Millionen Minijobber_innen in Deutschland sind Frauen, 84% davon verheiratet – wie eine weitere Studie des BMFSFJ ergab. Gleichzeitig steigt mit den Minijobs natürlich auch die Gefahr der Altersarmut (der sogenannte Gender Pension Gap).

Was die Frage nach der Berufswahl angeht, bleiben die Geschlechterstereotype, mit denen Kinder von klein auf konfrontiert werden, ein wichtiger Faktor. Ohne simple Kausalitäten bedienen zu wollen, lässt sich die Flut von Spielzeug, Werbung, fiktionalen Figuren in Film, Fernsehen, Games und Büchern nicht ignorieren, mit der Mädchen (und Jungen) tagtäglich konfrontiert werden, und die ihnen sagen, dass sie für bestimmte Dinge talentiert sind und sich interessieren – und für andere eben nicht. Die Macht dieser Stereotype und ihren Einfluss auf uns nicht ernst zu nehmen wäre fatal.

Und es ist mitnichten so, dass Frauen durch ihre Berufswahl alles in der Hand hätten. Ein weiterer Einflussfaktor auf die “unbereinigte” Lücke ist die Tatsache, dass immer noch weniger Frauen die Karriereleiter erklimmen und sich in Führungspositionen wiederfinden, egal in welchem Job und egal ob mit Kind oder ohne. Ein Beispiel (von vielen) liefert etwa Eva Schübel, Vizepräsidentin des deutschen Juristinnenbundes, die im Interview mit Spiegel Online über das intransparente Auswahlverfahren für Richter_innen am Bundesgerichtshof berichtet – wo trotz vieler qualifizierter Bewerberinnen immer noch nur 20% Frauen sind.

Die Faktoren sind vielseitig – aber ebenso vielseitig könnten Lösungen sein, wenn sie denn mal jemand angehen würde – etwa in Form von verbesserter Kinderbetreuung, Quotenregelungen, Anti-Diskrimierungsmaßnahmen oder schlicht mit verbesserter Bezahlung in wichtigen Berufsgruppen wie bspw. im Gesundheitswesen. Das Familienministerium bringt zwar offensichtlich eine erhellende Studie nach der anderen raus, zieht daraus aber so wenig Konsequenzen, als hielte es sich bei den Ursachen um irgendein mysteriöses Naturphänomen. Aber was das angeht, gibt es in diesem Jahr ja noch einen weiteren Tag, an dem zumindest mir der Gender Pay Gap sicher wieder in den Sinn kommt.

Weitere Infos und Zahlen zum Thema findet ihr auch unter gleicherlohn.de

Eine Antwort zu “Und sie bewegt sich… nicht: die Lücke beim Lohn.”

  1. K.K. Hericks sagt:

    Es ist absurd, dass behauptet wird, man müsse die Lohnunterschiede um Branchen und Berufe bereinigen. Dabei wird so getan, als gäbe es objektive Kriterien, nach denen Tätigkeiten in Gehälter bemessen werden.

    Erziehungs- und Pflegeberufe sind nicht deswegen schlechter bezahlt, weil sie weniger wert sind, sondern weil sie als weibliche Überbrückungstätigkeiten angelegt wurden. Ende des 19. Jahrhundert wurden explizit parallel zum dualen System (Berufe für Männer, mit bezahlten Ausbildungsphasen im Betrieb) für die ‚höheren Töchter‘ Hauswirtschaftsschulen geschaffen, bei denen sie alles lernen sollten, was die gute Ehefrau braucht. Die Erwerbstätigkeit aus dieser Bildung wurde als Zuarbeit zu einem männlicher Chef gestaltet, so dass zwischen der väterlichen Vormundschaft und der des Ehegatten keine attraktiven Freiheiten entstehen konnten (‚Helferinnenberufe‘ z.B. auch Anwaltsgehilfin, Steuergehilfin etc.). Und natürlich war das Gehalt nicht darauf angelegt eine Familie versorgen zu können.
    Nach der Abschaffung des offiziellen Frauenabschlags ersetzten die Leichtlohngruppen die Möglichkeit Männern mit einem höheren Gehalt als Frauen auszustatten, weil sie sonst auf die Barrikaden gegangen wären, dass ihre Arbeit entwertet wurde. Die Segregation ist nicht in erster Linie Ergebnis von Berufsfindungsprozessen, sondern wird auch dort immer wieder hergestellt, wo Frauen die gleichen Ausbildungswege einschlagen wie Männer, um genau diesen Statusverlust männlicher Tätigkeiten abzuwenden.