Crazy Ex-Girlfriend und die Sexy French Depression

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Hinweis: Dieser Text bezieht sich nur auf die erste Staffel und enthält einige Spoiler

Als ich zum ersten Mal sah, dass es eine neue Serie mit dem Titel Crazy Ex-Girlfriend gibt, habe ich meine Augenbrauen so weit hochgezogen, dass sie meinem Haaransatz ein High Five geben konnten. Das Klischee der “verrückten Ex-Freundin” zieht sich nicht nur durch die Popkultur; vielmehr haben viele (cishet) Männer laut eigener Aussage eine “durchgeknallte” ehemalige Partnerin. Die vielleicht berühmteste ist Taylor Swift, die einige Songs über Verflossene geschrieben hat, was cishet Männer ja bekanntlich niiiiiemals tun würden. Jennifer Wright hat für das Phänomen der durchgeknallten Ex eine sehr gute Erklärung: “You know, it’s funny, generally when men refer to their exes as ‘crazy’ what I keep hearing is ‘she had emotions, and I did not like that.’” (“Es ist schon lustig: wenn Männer ihre Ex-Freundinnen als ‘verrückt’ bezeichnen, höre ich für gewöhnlich ‘sie hatte Gefühle und das mochte ich nicht.’”) Ich war neugierig, wie Crazy Ex-Girlfriend mit dem Klischee der “verrückten Ex-Freundin” und vor allem mit psychischen Krankheiten umgeht, und drückte skeptisch auf Play.

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She’s so broken inside

Statt einer Reproduktion sexistischer und ableistischer Stereotype sah ich eine Serie, die sich ernsthaft und gleichzeitig humorvoll mit psychischen Krankheiten, romantischen und platonischen Beziehungen und Feminismus auseinandersetzt. Crazy Ex-Girlfriend ist eine romantische Komödie, deren großartige, manchmal auch bizarre Musicaleinlagen einen Einblick ins Innenleben der Figuren gewähren. In der Serie geht es um die New Yorker Anwältin Rebecca Bunch (Rachel Bloom), die während einer Panikattacke zufällig ihrem Ex aus Teeniezeiten, Josh Chan (Vincent Rodriguez III), über den Weg läuft. Josh erzählt von seinem Umzug nach West Covina, California (“Nur zwei Stunden vom Strand, vier, wenn Verkehr ist!”). Rebecca, von einer Butterwerbung inspiriert, schlägt daraufhin die Beförderung zur Juniorpartnerin in ihrer Kanzlei aus, um in West Covina ihr Glück zu finden. Ihre erste Amtshandlung in ihrem neuen Zuhause ist die Entsorgung ihrer Medikamente, was bei mir ein mittellautes “oh no” auslöste.

Den Instinkt, Medikamente abzusetzen, sobald es ihnen besser geht, kennen viele Menschen mit psychischen Krankheiten – und nicht nur die, wenn man den stets geäußerten Aufforderungen, man nehme Antibiotika doch bitte zu Ende ein, glauben möchte. Die Macher*innen von Crazy Ex-Girlfriend zeichnen hier ein realistisches Bild einer psychisch kranken, jungen Frau, die sich auf dem Weg zur Besserung sieht. Rebeccas Entscheidung, sich ihrer Medikamente zu entledigen, rächt sich einige Folgen (“I’m So Happy That Josh Is So Happy!”/”Hauptsache Josh ist glücklich!”) später: Sie stellt fest, dass der Umzug nach West Covina nicht automatisch all ihre Probleme gelöst hat, und wird nach einem Meeting von ihrem Chef nach Hause geschickt.

Chef (großzügig): “Arbeiten Sie zu Hause an der Präsentation und wenn Sie am Montag wiederkommen, möchte ich, dass Sie die glückliche Rebecca sind, die wir alle lieben.”

Rebecca (fake strahlend): “Ein sehr guter Tipp. Wirklich hilfreich. Glücklich sein.”

Sexy French Depression

Cut zu Rebecca, die teilnahmslos auf ihrem Sofa liegt und ihrer Freundin und Arbeitskollegin Paula (Donna Lynne Champlin) am Telefon irgendwas von niedrigem Blutzucker erzählt, ihr für diesen Abend absagt und schnell auflegt, bevor sie zum Rumliegen zurückkehrt. Jemandem, der*die Depressionen besser kennt, als ihm*ihr lieb ist, kann diese Szene, genau wie der “super hilfreiche” Tipp von Rebeccas Chef, seltsam bekannt vorkommen und das Herz brechen. Die gesamte Folge, angefangen mit Rebeccas Selbstgespräch, in dem sie “das Gefühl” nicht will, bis hin zu Rebeccas halb erzwungenem Entschluss, eine Therapie zu beginnen, zeigt einen interessanten Umgang mit psychischen Krankheiten. In einer Gesangseinlage wird die Romantisierung von Depressionen aufs Korn genommen.


Vielleicht ist eine derart überzeichnete Vorstellung von Depressionen nötig, um deutlich zu machen, wie sehr stereotype Darstellungen von psychischen Erkrankungen Betroffenen schaden und wie lächerlich weit sie von der Realität entfernt sind. Studien zeigen, dass mediale Darstellungen von psychischen Krankheiten zur Stigmatisierung Betroffener beitragen, da sie größtenteils unrealistisch sind und Betroffene in ein schlechtes Licht rücken.

Crazy Ex-Girlfriend schafft es, Rebecca nicht auf ihre Angststörung und Depression zu reduzieren, sondern zeigt eine facettenreiche Frau, in deren Leben viel los ist – so wie das bei echten Menschen mit psychischen Krankheiten nun mal auch ist. Genau wie Sprache prägen auch Medien unser Weltbild, weshalb die realitätsgetreue Darstellung von psychischen Krankheiten einen wesentlichen Beitrag zur Entstigmatisierung dieser leisten könnte.


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Auf nach West Covina!

Neben dem Umgang mit psychischen Krankheiten hat Crazy Ex-Girlfriend noch sehr viel mehr zu bieten: einen sehr diversen Cast, einen Bruch mit Erwartungen an das Genre der romantischen Komödie, eine wundervoll frustrierende Protagonistin und Musicalnummern, die entweder als fantastisch oder zumindest als nicht nervig empfunden werden können. Kurz erwähnt sei an dieser Stelle Vincent Rodriguez III, der einen asiatisch-amerikanischen Bro und den Typen, in den sich Rebecca verschossen hat, spielt.

Nur selten nehmen asiatisch-amerikanische Schauspieler die Rolle einer männlichen love interest ein; noch seltener wird explizit herausgestellt, dass sie die Hauptrolle spielen. Einer von Joshs Freunden ähnelt Josh sehr und heißt genauso wie er, jedoch wird Josh nicht zu “Asian Josh” gemacht, sondern der andere Josh heißt schlichtweg “White Josh”, was weißen Zuschauer*innen die Absurdität des Othering nicht-weißer Personen vor Augen führt. Anders als viele andere Serien scheut Crazy Ex-Girlfriend auch nicht davor zurück, die Bisexualität einer Figur klar zu benennen und dieser einen Song zu widmen. Natürlich gibt es auch einige problematische Aspekte, allerdings werden diese in der Serie auch thematisiert.

Gleich nach der ersten Folge sind meine Augenbrauen jedenfalls wieder nach unten gesunken, während meine Mundwinkel nach oben gezogen wurden. Jetzt warte ich auf eine Serie, die das Klischee der immer meckernden Ehefrau untergräbt.



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