Gaslighting – Subtiler psychischer Missbrauch

Foto , CC BY-NC 2.0 , by Mike Hoff

Triggerwarnung [TW]: Angststörung, Panikattacken, Psychose, Missbrauch, Ableismus

Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen. Die Autorin ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym bleiben.

„Mein Leben kommt mir vor wie eine Lüge, die ein anderer ersonnen hat, zu einem mir unbekannten Zweck oder um mich zu quälen. Ich gebe mir alle erdenkliche Mühe, aus dieser Lüge ein Stück Wahrheit zu formen, doch gleich wie viel Kraft ich aufwende, wie sehr ich mich anstrenge und es versuche, stets verwandelt sich alles in das Gegenteil dessen, was es hatte sein sollen, wird aus jeder Wahrheit eine Lüge, aus jeder Antwort eine Frage.

Ich steige aus dem Bus und erkenne die Häuser, weiß, dass ich sie schon einmal gesehen habe, aber es ist, als hätte sie jemand neu angeordnet, durcheinandergewürfelt, diese Leuchtreklame vom Schlüsseldienst und das meterhohe Schild des Ärztehauses, die Straßenbahnhaltestelle, der Zebrastreifen, das Baustellenschild, als hätte all das ein Eigenleben entwickelt, und sei dann, als ich aus dem Bus stieg, an der Stelle erstarrt, an der es sich eben gerade befand, so wie früher, als wir als Kinder „Ochs, Esel, hinterm Berg“ gespielt haben, dieses Spiel, bei dem sich ein Kind mit dem Rücken zu den anderen stellt und das Sprüchlein aufsagt und sich dann umdreht und die anderen versuchen müssen, so weit wie möglich vorwärts zu kommen, aber sobald sich der, der ganz vorne steht, umdreht, müssen alle verharren, sonst fliegt man raus. Ich bin diejenige, die vorne steht, und hinter deren Rücken sich die Welt ständig neu anordnet, verändert, wie es ihr gefällt, wo alle bemüht sind, vorwärts zu kommen, schnell, schnell, schnell, voran, und wann immer ich es wage, mich umzudrehen, einen Blick auf die Welt zu werfen, die mir doch ohnehin so fremd ist, da sieht schon wieder alles anders aus und nie, nie, nie weiß ich, wo ich bin oder wer.“

Das habe ich einmal, als es mir nicht besonders gut ging, in mein Tagebuch geschrieben. Ich finde, es verdeutlicht ganz gut, wie es sich anfühlen kann, wenn man dem eigenen Verstand nicht mehr traut bzw. das Gefühl hat, keinen Anspruch auf eine eigene Realität zu haben – denn genau das sind die Folgen von Gaslighting.

Es ist gar nicht lange her, dass ich selbst mit diesem Begriff zum ersten Mal in Berührung kam. Zu diesem Zeitpunkt war ich Mitte 30 und hatte schon ein Jahrzehnt lang nach einer Bezeichnung gesucht für das, was mir passiert ist. Gaslighting geschieht so oft und häufig geradezu beiläufig, dass viele es gar nicht richtig wahr- oder ernstnehmen. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen verstehen, worum es hierbei geht.

Was ist Gaslighting und warum heißt es so?

Gaslighting ist eine Form von psychischem Missbrauch. Der Begriff wurde geprägt durch den 40er-Jahre-Film “Das Haus der Lady Alquist”, im Original “Gaslight”. In diesem Film manipuliert ein Ehemann gezielt Gegenstände, um seine Frau in den Wahnsinn zu treiben. Er streitet ihr gegenüber ab, etwas von den merkwürdigen Vorgängen (bspw. flackernde Gaslampen) zu bemerken oder schiebt ihr die Schuld für verschwundene Gegenstände (die er zuvor entwendet hat) in die Schuhe – er macht das so lange, bis seine Frau tatsächlich an ihrem Verstand zweifelt. Da der Film halt irgendeinen Plot haben muss, geht es letztlich (Achtung, Spoiler!) darum, dass der Mann seine Frau deshalb in den Wahnsinn treiben möchte, damit er sich ungestört mit ihren Juwelen aus dem Staub machen kann.

Das ist natürlich alles sehr plakativ, verdeutlicht aber ganz gut, worum es sich beim Gaslighting handelt – auch wenn die Motive in echt wohl eher selten so offensichtlich, sondern im Gegenteil nur schwer zu ergründen sind. Es geht Täter*in darum (warum auch immer), den Glauben des Opfers an die eigene Wahrnehmung zu zerstören. Wie oft es nun in der Realität vorkommt, dass jemand tatsächlich wie im erwähnten Film gezielt Gegenstände manipuliert oder Ähnliches, weiß ich nicht. Ich glaube, dass Gaslighting oft wesentlich subtiler ausgeführt wird und es kann lange dauern, bis Betroffene dahinterkommen, was ihnen passiert (ist).

Gaslighting kann zum Beispiel so aussehen:

Der*die Täter*in

… spricht den Gefühlen der*des Betroffenen ihre Berechtigung ab
… behauptet, man hätte etwas getan, woran man sich nicht erinnern kann
… leugnet, selbst etwas getan oder gesagt zu haben
… bestreitet, dass ein bestimmtes Ereignis wirklich stattgefunden hat
… gibt betroffener Person die Schuld z.B. für Streit, für Schwierigkeiten in der Beziehung, für das Scheitern von Freundschaften oder Probleme am Arbeitsplatz
… dreht einem*einer die Worte im Mund um und/oder legt einem*einer Worte in den Mund
… wirft unangemessene(s) Verhalten/Körpersprache/Bekleidung vor
… redet betroffener Person ein, dass diese etwas nicht kann, nicht gut genug ist, unqualifiziert ist

‚Na ja’, denkt sich jetzt vielleicht jemand, ‚kann das wirklich so schlimm sein? Hat doch jede*r schon mal erlebt.’ 1. Ja, das haben viele schon erlebt und das macht es nicht besser. 2. Um es kurz zu machen: Ja, es ist schlimm. Es ist schlimm, wenn es permanent geschieht. Es ist schlimm, wenn es durch jemanden geschieht, der*dem man vertraut. Es kann gravierende Folgen haben.

Gaslighting ist real, auch wenn es durch Außenstehende nur schwer zu erkennen ist. Die für Unwissende oft überzogen wirkende Reaktion Betroffener auf scheinbar harmlose Handlungen oder Aussagen von Täter*innen können dazu führen, dass genau das geschieht, worauf es die Täter*innen abgesehen haben: Betroffene werden als „überempfindlich“ oder sogar als „verrückt“ abgestempelt. (Auch wenn man vielleicht über jemanden im ersten Moment denkt, „Was für ein Sensibelchen!“, ist es gut, innezuhalten und den Gedanken zu korrigieren: „Wenn sie*er auf eine bestimmte Art und Weise reagiert, dann hat das eine Berechtigung und es wäre anmaßend von mir, darüber zu urteilen.“)

Gaslighting ist wie Eindringen in das Gehirn
eines anderen Menschen

Wenn ein Mensch einem anderen über einen längeren Zeitraum immer wieder weismacht, dass das, was er*sie für wahr hält, nicht stimmt, dann setzt sich das irgendwann im Gehirn fest und man beginnt, die eigene Wahrnehmung infrage zu stellen. Ich stelle es mir so vor, dass sich die Botschaft langsam ins Unterbewusstsein frisst. Täter*innen dringen regelrecht in die Gedankenwelt der Betroffenen ein.

Das Perfide ist, dass Gaslighting oft durch eine Person zugefügt wird, der man vertraut, die man liebt und/oder von der man in irgendeiner Weise abhängig ist. Daher ist es nicht leicht, sich dem zu entziehen oder überhaupt festzustellen, dass ein Missbrauch geschieht. Schon gar nicht, wenn man noch ein Kind und existenziell von dem*der Täter*in abhängig ist. Aber auch später, in Partnerschaften, Freundschaften oder am Arbeitsplatz, erlebt man den Missbrauch oft lange Zeit nicht bewusst. Man geht ja zunächst einmal nicht davon aus, dass ein geliebter/geschätzter Mensch einem*einer so etwas antut. Eher sucht man den Fehler bei sich selbst.

Die Folgen dieses psychischen Missbrauchs machen sich aber durchaus bemerkbar und als Betroffene*r hat man oft erst mal überhaupt keine Ahnung, was da eigentlich geschieht oder warum. Betroffene vertrauen ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr. Nicht den eigenen Gefühlen, den eigenen Sinnen, dem eigenen Verstand, der eigenen Erinnerung. Man beginnt, sich selbst permanent zu hinterfragen, entwickelt Selbstzweifel und ist allgemein stark verunsichert.

In schlimmen Fälle kann Gaslighting zu diversen psychischen Erkrankungen führen, von Angststörungen und Panikattacken über Depression und dissoziative Zustände bis hin zu psychotischen Phasen.

Als ich mich näher über das Thema Gaslighting informierte, stieß ich auf so einige Berichte von Frauen, die erzählen, dass ihr (Ex-)Partner Gaslighting angewandt hat. Dabei wird, wie man auch an den genannten Beispielsätzen erkennt, gern mit dem ohnehin leider noch in vielen Köpfen verankerten Bild der „hysterischen Frau“ gearbeitet. Ein bequemes Mittel, um jemanden mundtot zu machen, die*der unbequeme Themen anspricht und ihr*ihm die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Gerade wenn man versucht, sich mit feministischen Themen Gehör zu verschaffen, dürfte diese Taktik nur allzu vertraut sein. … Weibliche Meinungen als “Hysterie” abzutun führt dazu, dass sich viele nicht mehr trauen, entsprechende Ansichten zu äußern bzw. es “gibt das Recht”, sich mit diesen Ansichten nicht auseinandersetzen und die eigene Haltung nicht hinterfragen zu müssen.

Auch in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt ist Gaslighting oft anzutreffen: Mit Sätzen wie “Ein kleiner Klaps auf den Po wird ja wohl noch erlaubt sein, sieh es doch als Kompliment!” versuchen Täter, ihre Handlungen zu verharmlosen und der betroffenen Person eine Sichtweise und Interpretation der Situation aufzunötigen: “Du kannst einfach nicht richtig beurteilen, ob das, was ich mit dir mache, gut oder schlecht ist, deshalb sage ich dir, wie es sich verhält.” Gaslighting ist also ebenso die Basis für die Aufrechterhaltung einer patriarchalen, auf Sexismus basierenden Gesellschaftsordnung.

Meine persönliche Geschichte
– oder zumindest ein Teil davon

Ich möchte anhand meiner persönlichen Erfahrungen veranschaulichen, wie Gaslighting in einem extremen Fall aussehen kann – und hoffentlich damit anderen Betroffenen helfen zu verstehen, dass sie nicht allein sind.

Die Täterin ist meine Mutter. Sie konstruierte das Märchen vom „schrecklichen Kind“: Es fing schon an, als ich noch klein war. Sie behauptete mir gegenüber bspw. immer wieder, die Erzieher*innen im Kindergarten hätten ihr erzählt, wie merkwürdig ich sei und dass niemand mit mir spielen wolle. (Später fand ich heraus, dass das nicht so war.) Daraufhin begann ich, mich im Kindergarten unwohl zu fühlen und entwickelte Angst vor den anderen Kindern. Schon damals brachte mich meine Mutter das erste Mal zu einer Therapeutin, da mit mir ja „etwas nicht stimmte“. Die Therapeutin fand zwar nichts heraus, aber die Verunsicherung bei mir saß tief.

Die Angst wurde zu meinem ständigen Begleiter, auch als ich schon längst in der Schule war. Wenn ich so eigenartig war (und das musste ich ja wohl sein, warum sonst sollte meine Mutter es behaupten?), war es doch wohl mehr als wahrscheinlich, dass sich andere Kinder über mich lustig machen würden. Ich achtete peinlich genau darauf, immer „korrekt“ gekleidet zu sein, alles musste zusammenpassen, ich erlaubte mir keinerlei „Auffälligkeiten“ – trotz der perfekten Fassade war ich, wann immer mich jemand ansah, überzeugt davon, dass diese Person direkt sehen würde, dass mit mir „etwas nicht stimmte“.

Es kam auch vor, dass Gegenstände in unserem Haus kaputt gingen, bspw. zerbrochene Gläser, und meine Mutter steif und fest behauptete, sie habe gesehen, wie ich das Glas heruntergeworfen hatte – obwohl ich mich daran überhaupt nicht erinnern konnte. Bis heute bin ich immer in Sorge, wenn irgendwo etwas kaputt geht, dass ich in irgendeiner Weise daran schuld sein könnte.

Als ich älter war, sah die Verdrehung der Wahrheit zum Beispiel so aus: Einmal kam ich nachts nach einer Party zur vereinbarten Zeit nach Hause – meine Mutter war noch wach und begann sofort zu schreien, als ich zur Tür hereinkam. Sie behauptete steif und fest, wir hätten eine andere Uhrzeit vereinbart gehabt und machte mir schlimme Vorwürfe, da sie aufgrund meines unverantwortlichen Verhaltens schlimme Ängste habe ausstehen müssen.

Dabei war ich ein fürchterlich angepasster, unrebellischer (und tatsächlich immer pünktlicher) Teenager – um Zusammenstöße dieser Art möglichst zu vermeiden. Aber es war einfach nicht möglich. Egal, wie sehr ich mich bemühte, es „richtig“ zu machen, meine Mutter verdrehte die Wahrheit stets so lange, bis sich herausstellte, dass ich etwas falsch gemacht hatte, dass ich „schuld“ war. Da mir stets die Rolle des Sündenbocks zugeschrieben wurde, glaubte ich auch selbst, an allem schuld zu sein. Ich kann mich bspw. gut erinnern, dass ich, wenn meine Eltern stritten, reflexartig zu überlegen begann, was ich falsch gemacht haben könnte.

Meine Mutter redete mir zudem ein, man könne mir nicht über den Weg trauen („Ich konnte dich nie allein lassen mit deinen Geschwistern, ich hatte Angst, du tust ihnen was an.“) oder ich sei schuld an diversen psychischen Störungen meiner Geschwister („Kein Wunder, dass es deinen Geschwistern schlecht geht, du treibst ja alle in den Wahnsinn.“).

Im familiären Umfeld und im Freundeskreis verbreitete meine Mutter falsche Geschichten über mich – wie schwierig ich sei, wie anstrengend und sie wurde nicht müde, mir zu sagen, wie sehr andere Menschen sie dafür bewunderten, dass sie mit mir „schrecklichem Kind“ überhaupt fertig würde.

Durch ein solch fein gesponnenes Lügenkonstrukt, das beim Gaslighting häufig zu finden ist, wird es für Betroffene schwierig bis unmöglich, sich Gehör zu verschaffen (falls man es überhaupt versucht) – die Glaubwürdigkeit wurde ja bereits weitgehend untergraben. Die Verwandten, Freund*innen oder Kolleg*innen „wissen“ bereits, dass die*der Betroffene „schwierig“ ist oder eine psychische Störung hat. (In Therapien werden ja oft Angehörige zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen, wenn das sinnvoll erscheint. Bei der Frage, ob es okay wäre, wenn meine Mutter mal dazukommt, wurde mir jedes Mal schlecht. „Nein, bitte nicht!“ Ich war überzeugt davon, dass meine Mutter selbst entsprechend qualifizierten Personen ohne mit der Wimper zu zucken weisgemacht hätte, dass ich alles nur erfunden habe und ohnehin ein schreckliches Kind sei.)

Die Folgen

Irgendwann war ich völlig außerstande, noch einzuschätzen, ob ich etwas falsch gemacht hatte – dadurch wurde jedes Treffen mit anderen Menschen zu einer Qual, und ich war mir anschließend stets sicher, man würde mir die Freundschaft kündigen – aufgrund irgendeines unmöglichen Verhaltens, von dem ich selbst noch nicht mal etwas wusste. Ich hatte auch Angst, man würde mich eines Tages verhaften und eines Verbrechens bezichtigen und ich müsste dann wohl oder übel sagen, „Ja, also, ich weiß davon zwar nichts, aber wenn Sie es sagen, dann wird es sicher so gewesen sein.“

An meinem 18. Geburtstag hatte ich die erste Panikattacke: Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Zittern, trockener Mund, Übelkeit, Atemnot, das volle Programm. Es folgten Jahre – meine gesamte Studienzeit –, die geprägt waren von täglicher Todesangst (aufgrund der mit den Panikattacken einhergehenden schweren körperlichen Symptome), unzähligen Arztbesuchen, dem Gefühl „verrückt“ zu werden, Flucht aus Seminarräumen, Verkriechen in meinem Zimmer im Wohnheim, Therapieversuchen – also nicht gerade ein unbeschwertes Studentinnenleben. Ich befürchtete sogar, meine Mitbewohner*innen würden Drogen in meinem Zimmer verstecken, dann die Polizei rufen und ich wüsste nicht mal, ob ich nicht vielleicht tatsächlich selbst die Substanzen in meinem Zimmer gelagert hatte.

Auf dem Höhepunkt dieser Krisenjahre konnte ich oft nicht mehr unterscheiden, was „innen“ und was „außen“ ist. D.h. ich hörte bspw. Bremsen eines Autos quietschen und dachte, es sei meine Lunge, die pfeift, und dass ich gleich sterben würde. Einmal hatte ich rote, warme Flecken auf beiden Knien und dachte, ich hätte eine fürchterliche allergische Reaktion auf irgendetwas – weil ich vergessen hatte, dass ich mich kurz zuvor mit beiden Beinen gegen eine warme Heizung gelehnt hatte. Ich spürte das Haus wackeln und wanken, ich rechnete jederzeit mit Erdrutschen (ich lebte nicht mal in der Nähe eines Hügels), Monsterwellen (nein, ich wohnte nicht am Meer), dem Einschlag eines gigantischen Meteoriten oder der Entwicklung eines alles verschlingenden schwarzen Lochs.

Die Orientierung wiederfinden

Aufgrund dieser Symptome und Zustände unternahm ich mehrere Therapieversuche (ambulant, Tagesklinik, einzeln, in Gruppen). Aber da ich bis etwa Mitte 20 überhaupt nicht offen für den Gedanken war, dass meine Eltern irgendetwas damit zu tun haben könnten, brach ich jede Therapie ab, sobald das Gespräch in diese Richtung gelenkt wurde.

Es dauerte lange, bis ich ahnte, dass ich von meiner Mutter psychisch missbraucht worden war. Ehrlich gesagt machte es das aber zunächst mal nicht besser. Gaslighting ist so schwer greifbar, dass ich mich überhaupt nicht traute, meine Vermutung irgendjemandem gegenüber auszusprechen – es würde ja ohnehin niemand glauben.

Im bereits erwähnten Film “Gaslight” taucht am Ende ein Scotland-Yard-Detective auf, der die flackernden Lichter, welche die Ehefrau sieht, ebenfalls wahrnimmt – und sie dadurch davon überzeugen kann, dass sie nicht „verrückt“ ist. In meinem Fall waren das meine Geschwister. Lange Zeit hatte ich nicht gewagt, mit ihnen über meine Vermutungen zu sprechen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie mir glauben würden. Eines Tages ergab sich dann doch ein solches Gespräch und ich erfuhr, dass sie Ähnliches mit meiner Mutter erlebt hatten. Das war extrem hilfreich und ich war unglaublich erleichtert zu wissen, dass eben nicht alles nur meiner Einbildung entsprungen war.

Als ich der Wahrheit somit ein Stück näher gekommen war, dachte ich, es sei eine gute Idee, mit meiner Mutter darüber zu reden. Sie hatte mir sogar von sich aus ein solches Gespräch angeboten und mir versichert, was immer ich zu sagen hätte, würde sie sich gern anhören. Anschließend hatte ich das dumpfe Gefühl, ihr in die Falle gegangen zu sein. Ich erhoffte mir ein vernünftiges, konstruktives Gespräch und bekam stattdessen Vorwürfe und Anschuldigungen zu hören, ich sei selbst schuld an meinem Zustand, sie drehte mir die Worte im Mund um, lachte mich aus und beschimpfte mich, bis ich mir nicht mehr anders zu helfen wusste, als zu heulen und zu schreien. Und bestätigte so letztlich das, was sie bestätigt haben wollte: dass mit mir etwas nicht stimmte.

Das kam nicht nur einmal vor. Mag von außen betrachtet seltsam erscheinen, dass man es wieder und wieder versucht, aber da ist so eine komische Hoffnung, der*die andere möge zugeben, was geschehen ist, möge sagen, dass man nicht „verrückt“ ist. In den meisten Fällen wird das aber vermutlich nicht geschehen.

Gaslighting erkennen – und sich selbst glauben!

Gaslighting zu erkennen und anderen glaubhaft zu machen, was passiert ist, ist verdammt schwierig. Ich habe oft erlebt, dass mir selbst Menschen, die mir nahestanden, nicht geglaubt haben – was für mich sehr verletzend war. Heute gehe ich anders damit um: Ich muss niemandem beweisen, was passiert ist. Ich weiß es und das genügt mir. Lass dich nicht in die Ecke drängen und dir einreden, es sei nicht passiert, nur weil dir die Worte fehlen, um es „glaubwürdig genug“ zu beschreiben. Das Wichtigste ist, dass du dir selbst glaubst – und das ist oft schon schwierig genug.

Werde hellhörig, wenn jemand dir gegenüber häufig folgende (oder ähnliche) Sätze verwendet (vor allem wenn du ihnen gegenüber Kritik äußerst, sie zur Rede stellen möchtest oder Ähnliches):

„Du hast so eine lebhafte Fantasie!“
„Mit dir stimmt was nicht.“
„Du warst schon immer sehr schwierig.“
„Musst du immer so empfindlich sein?“ bzw. „Ach, nun sei doch nicht so empfindlich.“
„Reg dich ab, das ist doch nicht so schlimm.“
„Darüber muss man sich nun wirklich nicht aufregen.“
„Du bist so eine Drama Queen.“
„Du bist schuld daran, dass wir immer streiten.“
„Immer machst du aus einer Mücke einen Elefanten.“
„Was sollen meine Freunde denken, wenn du dich so aufführst?“
„Du verhältst dich kindisch.“
„Du übertreibst schon wieder maßlos.“
„Stell dich nicht so an!“
„Du siehst Gespenster.“
„Du bist doch paranoid.“

Vertraue deiner eigenen Wahrnehmung! Wenn du etwas fühlst, dann hat dieses Gefühl seine Berechtigung und niemand hat das Recht, dir etwas anderes einzureden. Erlaube niemandem, ein Urteil über deine Gefühle zu fällen, gestatte keinem Menschen, deine Gefühle abzuwerten oder für falsch zu erklären. Lass dir von niemandem weismachen, es sei deine Schuld, wenn etwas schiefläuft. Lass dir nicht einreden, etwas getan/nicht getan zu haben, wenn du es besser weißt. Deine Realität ist deine Realität und damit hat sie ihre Berechtigung.

Erst als ich mich von der Idee befreit hatte, als ich nicht mehr darauf hoffte, von meiner Mutter etwas zu bekommen, was sie mir nie geben würde, geriet mein Leben langsam in geordnetere Bahnen. Was mir dabei auch half, ist Verhaltenstherapie: lernen, der eigenen Wahrnehmung (wieder) zu vertrauen, triggernde Situationen zu identifizieren und mit ihnen besser umzugehen.

Mein Fall ist möglicherweise besonders schwerwiegend, da das Gaslighting schon so früh begann, in einer Phase, in der ich noch keinerlei Eigenständigkeit entwickelt hatte – meine Geschichte stellt eben ein Extrem des Spektrums dar. Gaslighting findet aber auch in vielen Alltagssituationen statt und muss nicht immer so gravierende Folgen haben. Nichtsdestotrotz ist es nie in Ordnung, wenn ein Mensch versucht, einem anderen Menschen dessen Realität abzusprechen oder sie zu verzerren.

12 Antworten zu “Gaslighting – Subtiler psychischer Missbrauch”

  1. Giliell sagt:

    Das kommt mir sehr bekannt vor. Auch bei meiner Mutter war Gaslighting eine ihrer beliebtesten Methoden, wenn auch auf andere Art und Weise. Auch ich war das Kind mir dem sie irgendwie „gestraft“ war.* Sprüche, die zu meiner Kindheit gehörten sind z.B. „alle 6 Wochen oder so muss ich dich über’s Knie legen (sprich körperliche Misshandlung), sonst bist du nicht zu ertragen“. Die Schläge waren nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war dieses tiefe Gefühl, dass eigentlich etwas mit mir nicht stimmte. Hatte ich nicht großes Glück, dass meine Mutter mich trotzdem liebte? Ihr Gaslighting war meist subtiler: keine offensichtlichen Lügen über Dinge, die ich getan hätte, aber eine Umdeutung der Ereignisse, eine Interpretation bei der immer, ausnahmslos, am Ende ich Schuld war.
    Als ich vor zwei Jahren oder so das erste Mal mit meinen Kindern „Rapunzel“ in der neuen Disney Version angeschaut habe bin ich fast heulend im Sessel zusammengebrochen, so sehr gleicht doch die manipulative „Mutter Gothel“ meiner eigenen. Und um so mehr hab ich gejubelt as Rapunzel ihr all ihre Gemeinheiten zurückgeworfen hat.

    Irgendwann mit Anfang 30 hab ich mich dann selbst zur Therapie geschleppt. Auch ich dachte erst mal gar nicht, dass meine Depressionen, meine Angst, was mit meinem Elternhaus zu tun haben könnte. Schließlich waren wir die „perfekte Familie“**. Erst im Laufe der Zeit kam ich dahinter, dass da jemand von frühester Kindheit mein „sense of self“ manipuliert hat. Folgerichtig kam es im Laufe dieser Zeit zu einem großen Knall. Als meine Mutter mir wieder einmal einreden wollte, ich wüsste nichts und müsse auf sie hören (es ging wohlgemerkt an dieser Stelle um mein eigenes Kind) habe ich mir das verbeten und sie hat mich rausgeworfen. Und ich ging. Statt zu betteln un mich zu entschuldigen und ihre Autorität zu akzeptieren bin ich gegangen. Darauf folgte Phase 2 in der sie mir hinterher kam (mein Mann musste noch etwas erledigen, wir konnten also nicht sofort fahren) und nun mit der „ich solle nicht so überreagieren, ich solle mich nicht so anstellen, was wäre denn überhaupt mit mir los“ Masche anfing.
    Überhaupt war „was ist denn los, sag es mir“ ebenfalls eine ihrer Formen des Gaslightings. Allein ein müder Gesichtsausdruck oder ein offensichtlicher Mangel an zur Schau gestelltem „Glücklichsein“ reichte, die Inquisition heraufzubeschwören. Jeglicher Einwand, dass nichts sei wurde weggewischt. Meine Mutter wusste einfach besser, ob ich nur müde war oder existentielle Probleme hatte als ich. Der vorprogrammierte Krach war, wie soll es sein,natürlich meine Schuld. Ja, meine Mutter war schon mit mir gestraft, nicht wahr?

    *Interessanterweise war ich zwischendurch aber auch das „goldene Kind“. Mittlerweile lachen meine Schwester und ich darüber, dass wir abwechselnd die „schlimmste Tochter der Welt“ sind.

    **Ich misstraue zutiefst dem Anschein geordneter Familienverhältnisse in Mittelstandsfamilien als Indikator für „kein Missbrauch“.

  2. Giliell sagt:

    P.S.
    Auch wenn wir es hier gerade mit den Müttern haben:
    Meinen Vater hat es zumindest nicht sonderlich interessiert. Wenn ich ja das Problem war, dann war der Rest der Welt ja in Ordnung und man konnte vor den großen Problemen gezielt die Augen verschließen.
    Das zog er durch bis hin zu einer Email in der er mir vorwarf dass ich mit meinem Verhalten (sprich der Verweigerung mich weiter misshandeln und benutzen zu lassen) am Alkoholismus meiner Mutter Schuld sei.
    Dass das Gaslighting in der Familie also vornehmlich von meiner Mutter ausging liegt daran, dass die Erziehung auch zu 95% bei ihr lag.

    • Panthera sagt:

      Jup, auch ein typisches Verhalten von Narzissten, die Verantwortung für die Gefühle und Verhaltensweisen der Eltern auf die Kinder abzuschieben. Dabei ist es ja genau andersherum.

      Am besten kann man das am Beispiel der Yequana-Indianer im Buch „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ erkennen. Ein Volk dass sich zu 100% gegensätzlich zu unserer Kultur benimmt. Die Kinder werden dort von Geburt an als volkommen anerkannt, es muss an ihnen nichts mehr „verbessert“ und erzogen werden. Man erklärt ihnen nicht was richtig und was falsch ist. Sie werden haargenauso akzeptiert und geliebt wie sie in jedem Moment gerade sind. Sie bekommen so viel Liebe, Nähe und Sicherheit wie sie nur wollen, aber es wird ihnen nie etwas aufgedrängt was sie nicht wollen. Sie dürfen alles machen was sie wollen und müssen nie etwas machen was sie nicht wollen. Sie werden nicht manipuliert durch Belohnung und Bestrafung, Lob und Tadel, Maßregelung oder Verhaltenskorrekturen. Sie dürfen ganz sie selbst sein und zu 100% stets ihrem Instinkt vertrauen. Wenn einem Kind ein Versehen passiert, z.B. es versehentlich jemand anderen verletzt, dann gibt es keinen Ärger und keine Verhaltenskorrektur, da die anderen verstehen dass das Kind sich sowieso schon schlecht fühlt und nächstes mal besser aufpassen wird. Die Erwachsenen gehen also von Grund auf davon aus dass das Kind gut ist, und so wird es auch gut.

      Und so gibt es dort keine weinenden Babys, keine Kinder, die andere Kinder ärgern, verspotten, ausschließen oder schlagen, keine trotzenden Kinder und keine rebellischen Teenager. Außerdem gibt es dort nie Streit, weder zwischen Kindern, noch zwischen Erwachsenen, noch zischen Erwachsenen und Kindern.

      Aus den Kindern die so aufwachsen werden Erwachsene, die außergewöhnlich liebevoll, liebesfähig und mitfühlend, sozial, eigenständig und unabhängig, angstfrei, glücklich, psychisch stabil, innerlich erfüllt und friedlich und auch äußerlich sehr friedlich sind. Die täglichen Tätigkeiten, die zum Lebenserhalt dienen machen ihnen genau so viel Spaß wie die Freizeitaktivitäten, so dass sie noch nicht einmal ein Wort für Arbeit haben. Es gibt dort keine psychischen Krankheiten, psychischen Problemchen, Beziehungsschwierigkeiten oder Süchte (obwohl Suchtmittel wie z.B. Alkohol dort bekannt sind und bei Feiern auch verwendet werden).

      Ich finde daran kann man sehr gut erkennen, dass Verhaltensauffälligkeiten beim Kinde in dem Elterlichen Verhalten begründet liegen, so bestätigt es ja auch die westliche Wissenschaft. Viele Kinder werden schon vor dem 3. Lebensjahr durch die Eltern bzw. erziehenden Personen geschädigt und weisen dann bereits in dem frühen Alter Verhaltensauffälligkeiten und Gefühlsauffälligkeiten auf. Normale Eltern bei uns übernehmen dann ja auch wenigstens noch die Verantwortung und schauen was sie besser machen können, dass es dem Kind besser geht. Nur die Narzissten sagen dass sei angeboren oder die Schuld des Kindes. Dabei verhält sich das Kind ja immer genau so gut, wie es ihm auf Grundlage der Umstände und Erfahrungen eben möglich ist.

  3. MaPi sagt:

    wow. ich bin sprachlos. krasser artikel. vielen dank dafür.
    ich würde zwar sagen, dass ich kein opfer bin, aber mich machen auch die häufig verwendeten sätze nachdenklich. mindestens einen hab ich schonmal über jemanden oder zu jemandem gesagt. so im affekt, unüberlegt. bin ich jetzt für sensibilisiert. achte ich mal mehr drauf.

    • Giliell sagt:

      Naja, das perfide am Gaslighting ist nun mal, dass jedes Vorkommnis einzeln betrachtet meist ein „non event“ ist. Es sind Verhaltensweisen, die oft normal sind, mitunter auch angebracht sind* oder die eben einfach auch aus Missverständnissen herrühren, alles Dinge, die ohne bösen Willen passieren können.
      Es ist die Summe, die es macht. Gerade das macht es ja so schwer auch: Jeder Vorfall ist für sich meist lächerlich, das heißt wenn das Opfer sich wehrt wird wieder der Vorwurf man reagiere über benutzt und für Außenstehende sieht es tatsächlich genau danach aus: Täter_innen tun etwas „winziges“, das Opfer flippt aus, die Wahrnehmung, die der/die Täter_in über das Opfer verbreiten möchte wird von der Umwelt so akzeptiert und aufgenommen, als „wahr“ angesehen: Mein Kind ist halt schwierig, die macht immer aus einer Mücke einen Elefanten, seht ihr nicht, wie schwer ich es mit diesem Kind habe.

      *Täter_innen drehen diesen Spieß gerne um: Sie sind es, die aus einer Mücke einen Elefanten machen und damit dem Opfer weiter ein schlechtes Gewissen machen. Lange bevor ich wirklich hinter die Masche meiner Mutter insgesamt gestiegen bin habe ich das doch gemerkt: völlig normale Verhaltensweisen einer jungen Erwachsenen wurden als persönlicher Angriff auf sie gewertet.

  4. Onyx sagt:

    Es ist bei den meisten wohl eher keine bewusst gewählte Bösartigkeit,die merken das einfach nicht,was sie da machen…Ich denke,dass das mit denjenigen auch gemacht wurde!Was sie aber nicht wahrhaben wollen und das deswegen an andere weitergeben,weil sie das eben(aus Angst, sich damit auseinanderzusetzen)nie hinterfragt und abgehakt haben…
    Meine Mutter hat das mit meiner Schwester und mir auch immer gemacht,wobei meine Schwester unserer Mutter immer noch total hörig ist und weiterhin steif und fest behauptet,ich hätte mir doch alles nur eingebildet…Sie sei doch schließlich diejenige,die immer der Sündenbock war und ich wäre immer der Liebling gewesen…Ich habe ihr gesagt,dass ich das eben immer genau andersrum erlebt habe und wir immer gegeneinander ausgespielt wurden.Und habe sie gefragt,warum sie denn immer noch so zu unserer Mutter hält,wenn sie doch auch genauso schlecht von ihr behandelt wurde-da hat sie sofort den Kontakt zu mir abgebrochen…Wenn meine Schwester einsehen würde,dass es uns beiden gleich erging,dann könnte sie ihre Illusionen ja nicht mehr aufrechterhalten,die ihren Hass mir gegenüber rechtfertigen (weil ja ihrer Meinung nach nur sie der Sündenbock war und ich ja immer angeblich sooo geliebt wurde).Dann müsste sie sich ja damit auseinandersetzen,dass unsere Mutter uns diesen Scheiß eingeimpft hat und sie ihren Ärger immer ungerechtfertigt an mir ausgelassen hat. Und schön das gemacht hat,was unsere Mutter wollte.Da würde bei ihr eben das ganze Weltbild zusammenbrechen.
    So nach dem Motto „es kann nicht sein,was nicht sein darf“.
    Ich denke,dass das bei vielen oder allen,die Gaslighting anwenden,der Fall ist.
    Ich finde es schon irgendwie erstaunlich,wie viele Menschen lieber weiter zu ihren Misshandlern halten und weiter die fremde Wahrnehmung durch die eigene ersetzen,obwohl sie,wenn sie erwachsen sind,von denjenigen gar nicht mehr abhängig sind.Ich finde,das ist sehr weit verbreitet…

    • Panthera sagt:

      Ja, sehr gut beschrieben, genau so erlebe ich es bei sehr vielen Menschen, nur kann ich es nicht so gut in Worte fassen.

  5. Alexa sagt:

    Liebe Autorin,
    liebe KommentatorInnen,
    oh wow, danke! Ich bin gerade erst auf den Beitrag gestoßen. Ich kannte den Begriff nicht.
    Ich bin 35 und habe vor etwa 1 1/2 Jahren erstmals wirklich verstanden, dass meine Eltern mich schwer traumatisiert haben. Es geht um Liebes-Entzug und um die Darstellung von mir als schlechtem, bösen Menschen, dem nicht zu trauen ist. Meine Mutter war deutlich subtiler (und weniger “krass“) als die Mutter der Autorin, aber sie hat sich z.B. oft ganz anders an Dinge erinnert als ich – ich weiß noch wie verzweifelt ich oft war, weil ich einerseits meine Erinnerung hatte und andererseits die Aussage meiner Mutter, die natürlich recht haben musste. Also musste meine Erinnerung falsch sein. Das Ergebnis ist eine so tiefe, so existenzielle Verunsicherung…
    Es ging immer darum, dass meine Mutter das arme Opfer war und ich die böse Täterin. So hat sie gerne in Hörweite von mir mit meinem Vater über mich “gelästert“. Dabei hat sie auch schonmal Dinge erzählt, die gar nicht stimmten.
    Ich bekam u.a. auch oft Sprüche zu hören a la “Du bist halt so sensibel“ etc.
    Kurz: Gaslighting war ein Mechanismus unter vielen, die meine Eltern genutzt haben. Beide sind selbst in ihrer Kindheit zutiefst traumatisiert worden und sind psychisch krank. Sie wollten mir nie schaden. Aber sie haben eben auch keine besonderen Anstrengungen unternommen, mich zu schützen, indem sie sich selbst Hilfe suchen.
    Ich habe meine Eltern letztens konfrontiert. Gar nicht mit inhaltlichen Details, aber mit einer entsprechenden Haltung, und habe Ihnen ein Gespräch angeboten. Zuvor war ich stark auf Distanz gegangen, um mich selbst zu schützen und mir den Raum zu geben, den ich brauchte, um meine eigene Perspektive auf meine Kindheit zu entdecken.
    Vielen Dank an alle, die Teile ihrer Geschichte geteilt haben und mir damit gezeigt haben, dass ich nicht allein bin. Ich hoffe, dass ich bei LeserInnen auch ein wenig zu diesem Gefühl beitragen kann.
    Liebe Grüße
    A.

  6. Panthera sagt:

    Tut mir sehr leid dass Du so aufwachsen musstest. Sehe da starke Parallelen zu meiner Geschichte. Nur das meine beiden Eltern auch noch den ganzen Rest vom narzisstischen Missbrauch drauf hatten. Trotz soviel Therapie habe ich immer noch diese entsetzliche Angst im Kontakt mit Menschen von mir unbemerkt etwas völlig inakzeptables zu sagen oder zu tun, und dass der andere mich abgrundtief hassen wird. Ganz großer lebenszerstörender Mist ist das was die „lieben, guten, perfekten Eltern“ mit einem anstellen.

  7. Panthera sagt:

    Krass wie ähnlich sich unsere Mütter sind. Meine meinte stets, dass mit mir „von Geburt an etwas nicht stimme“ und dass sie deswegen gar nicht anders könne als mich feindselig zu behandeln und auch andere mich hassen müssen. Wenige Minuten später hat sie dann wieder ihren Hass und ihre Feindseligkeit geleugnet und gesagt, ich litte an verzerrter Wahrnehmung. Also extrem widersprüchlich und verwirrend.

    Ebenso wurde ich auch stark über Jahre gemobbt und Schulwechsel war natürlich kein Thema. Ich wäre ja natürlich selbst dran Schuld und ich müsste das Mobbing nur ignorieren, dann würde das aufhören (war natürlich nicht so).

    Und genauso haben andere, denen ich mich anvertraut habe das Verhalten meiner Mutter stets heruntergespielt, gerechtfertigt und entschuldigt. Zum Beispiel als ich einmal, als meine Mutter mich wieder besonders stark gehasst und beschimpft hat, bei der Telefonseelsorge angerufen habe, kam das :“Das macht sie doch nur aus Liebe. Versteh doch mal ihre Sicht…“ usw. Sogar eine Therapeutin von mir hat mal so reagiert. Also auch Leute die es von offizieller Seite her gar nicht dürften unterstützen und verteidigen diese Weltsicht, dass emotionaler/narzisstischer Missbrauch gleich Liebe ist.

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