Läuft bei mir!

Ich will laufen lernen. In meinen Teeniejahren habe ich phasenweise Sport gemacht um abzunehmen. Ich war nie schlank, aber jetzt hab ich diagnostiziertes Übergewicht.

Trotzdem ist meine jetzige Motivation, mit dem Laufen zu beginnen, eine andere. Ich möchte mir zeigen, dass ich schaffen kann, was ich will, denn ich gebe oft zu schnell auf. Abgesehen davon ist meine Kondition wirklich mies und ich würde gerne meinen Alltag bewältigen, das heißt Treppen steigen, einkaufen gehen oder das Tanzbein schwingen, ohne nach einer überschaubaren Zeit zu keuchen.

Die Reaktionen auf mein Experiment reichen von “Das kann doch jede*r”, “Achte darauf, dass dein Puls unter 120 bleibt” (dann hätte ich nach einer Minute aufhören müssen), “Fang langsam an” (ich bin und bleibe langsam) und “Haha, das will ich sehen” (meine Familie).

Mein Ziel: Irgendwie, irgendwann 30 Minuten laufen können. Wenn das in meinem 14-Tage Projekt klappen sollte, top. (Spoiler: Daran werde ich scheitern. Ist aber ok.) Meine eigenen Regeln: Jeden zweiten Tag soll Pause sein und ich sollte mir nach Möglichkeit nichts dauerhaft kaputtzuppeln. Na dann. Los geht’s!

Fitness Tag 1-4. Warum ist alles so anstrengend?

“Keiner kämpft mehr bis zum „Endboss“ — alle geben auf

Jeder geht jetzt joggen, redet über seinen Bauch”

Mein XL-Star Wars-T-Shirt und eine alte Jogginghose, ein Kapuzenpulli – fertig ist mein Sportoutfit. Komplettiert wird mein Aufzug durch eine Flasche Wasser sowie meine Kopfhörer und eine Playlist, die ich mir einen Tag davor zusammengestellt habe. Auf dem Weg zum Wald denke ich mir, dass mein “Plan”, sich von 3 Minuten je nach Kondition langsam über die Wochen zu einer halben Stunde zu steigern vielleicht mehr Planung beinhalten hätte sollen. Leider hatte ich viel mehr Elan in die Playlist gesteckt als in eine ausgefeiltere Streckenplanung.

Überhaupt, meine Playlist. Während Marteria sich in seinem Song über Selbstoptimierung mokiert, versuche ich einfach nicht am elendigen Lungenbrennen zu krepieren. Warum habe ich mich nur selbst testen wollen? Und dazu auch noch mit Laufsport? Dabei haben mich selbst die klapprigsten Kettenraucher*innen in der Schule überholt.

Weil ich mir selbst beweisen wollte, dass ich es schaffe. Super Plan. Endlich, denke ich. Dann freue ich mich: Nach drei Minuten Laufen kann ich laut meinem Plan zwei Minuten Pause machen. Das ziehe ich noch fünf Mal durch. Drei Minuten laufen. Zwei Minuten Pause. Rüstige Rentner*innen und vierjährige Kinder belächeln mich erst und überholen mich dann. Vielen Dank.

Fitness Tag 5-8. Just autsch!

“Who run the world? Girls!”

Um mich herum im Wald trainieren die Leute für den Hannover Marathon, der im April stattfindet. Ich habe mein Laufpensum auf glorreiche 5×6 Minuten (mit jeweils 3 Minuten Pause dazwischen) erhöht, das bedeutet ich laufe fünf Mal sechs Minuten und mache zwischendurch drei Minuten Pause. Es ist nassfeucht und eklig. Mein Puls liegt konstant bei 150. Queen B. brüllt mich über meine Kopfhörer an. Ich schaffe es irgendwie nicht aufzugeben. Ein kleiner Dackel rennt an mir vorbei. Geschenkt. An einem freien Tag gehe ich zum Sanitätshaus um mir neue Sporteinlagen machen zu lassen. “Darf ich denn überhaupt mit meinen Platt-Senk-Spreiz-Knickfüßen laufen gehen?”, frage ich die Fachkraft mit einem leidenden Gesichtsausdruck. “Spricht in den richtigen Schuhen absolut nichts gegen. Sie sind jung und wenn ihr*e Ärzt*in nichts dagegen hat, viel Spaß.”

Die Antwort gefällt meinem überall schmerzenden Körper absolut nicht.

Fitness Tag 9-12. Laufmüde.

“Kann nicht reden, ich esse. “

Ich bin bei meinem Freund in Hessen und lass das Laufen laufen sein. Wir gehen Schwimmen. Er lässt mich mäßig begeistert am Schwimmbecken zurück und geht auf die Wasserrutsche. Ich schwimme 600 Meter. Ich springe gut gelaunt heraus. Schwimmen mochte ich immer, es war meine einzige Sporteins in der Schule. Verrückt: Ich habe mir mit meinem Hasssport Kondition für meinen Lieblingssport antrainiert. Ich spüre deutlich, dass ich mehr Luft zur Verfügung habe. Ich gehe gut gelaunt aus dem Schwimmbad und esse einen riesigen Auflauf.

Fitness Tag 13-14. Geschafft!

„You want a hot body?

You want a Bugatti?

You want a Maserati?

You better work, bitch“

Es geht mir gut. Ich meckere beim Laufen Britney an, weil sie mit “Work Bitch” ein furchtbar kapitalistisches “Ohne Fleiß, kein Preis”-Manifest geschaffen hat. Das sind drei Minuten, in denen ich meinen Körper und mich nicht verflucht habe. Grandios.

Ich knacke die 10 Minuten. Mittendrin möchte ich meinen Körper zwar auf den Kompost schmeißen und es überholen mich immer noch gut gelaunte Großeltern aber es passiert: Ich habe für ein paar Sekunden ein unglaubliches Hochgefühl. “Das ist also dieses Runners high” denke ich, bevor ich mich einfach vor Erschöpfung auf den Boden fallen lasse.

Fazit

Ich habe etwas gemacht, was ich ungern mache: Mich selbst herausgefordert. Aus mir wird wahrscheinlich nie eine Läuferin werden, dafür habe ich gelernt auf meinen Körper zu achten, indem ich ihn stärke, mal Pause mache oder ihm etwas gönne – sei es eine Sportart die mir wirklich Spaß macht oder ein fantastisches Essen.

Ich hatte keinen großen Plan, ich weiß, dass mensch das besser mit vielen Apps, gründlicher Vorbereitung etc. verfolgen kann. Aber für mich als absolute Anfängerin war es so perfekt.

Eine gute Playlist, Kopfhörer, das ärztliche Ok, Motivation und Selbstironie sollten ausreichen. Weil mein Puls gerne mal Quatsch macht, besitze ich außerdem ein Oximeter, ein nettes Gerät, dass ich mir an den Finger knippse und das mir Blutsauerstoff in Prozent und meinen Puls anzeigt. Manuelles Pulsmessen sollte im “Normallfall” jedoch auch vollkommen ausreichen.

Vielleicht werde ich erst in einiger Zeit meine 30 Minuten Marke knacken. Aber eigentlich möchte ich nur eine einigermaßen fitte 24-Jährige sein, die ein gutes Körpergefühl hat und dabei hat mir das Laufen, beziehungsweise Sport, generell geholfen.

Ich hab mir bewiesen, dass ich trotz schwieriger Phasen zwischendurch Ziele verfolgen kann. Dass große Ziele manchmal nicht erreicht werden und ich trotzdem stolz auf die kleinen sein kann. Als wir einen Familienspaziergang machen, beschweren sich einige, dass ich zu schnell unterwegs bin. Ich erreiche einmal haarscharf einen Zug in einer Geschwindigkeit, die ich mir selbst nicht zugetraut habe.

Diese 10 Minuten (einfach auf den gleich folgenden Link klicken) möchte ich allen tollen Menschen widmen, die nicht den Mut haben anzufangen. Nicht mit Sport. Sondern mit dem eigenen Selbstvertrauen.

“When you say you’ve had enough

And you might just give it up

Oh, oh

I will never let you down”

 

Eine Antwort zu “Läuft bei mir!”

  1. Almut Eisenträger sagt:

    Meine Empfehlung für dich wäre die 5K-Version von „Zombies, Run!“, unten auf https://zombiesrungame.com/. Da trainierst du für die Zombie-Apokalypse, drei Mal die Woche mit Trainingsplan und freundlicher Stimme, die dich antreibt. Das macht echt mehr Spaß als nur alleine Laufen. Und Zombie-Knurren ist extrem motivierend. :-O

    Viel Erfolg!