Der Osterhase hat ein Fahrrad gebracht.

Foto , CC BY-NC-ND 2.0 , by schnine

Kurz vor Ostern verkündeten die Großeltern meines Kindes, dass sie ihm ein Fahrrad schenken werden, worauf mir ungefähr folgende Gedanken durch den Kopf gingen:

  1. Ein Fahrrad?!? Ostern ist meiner Meinung nach eine Gelegenheit für “kleine” Geschenke, also eher was in Richtung Puzzle oder CD. Fahrräder gibt es zu Weihnachten oder zum Geburtstag.
  2. Das Kind hat bereits ein Fahrrad. Genauer gesagt: Das Kind hat bereits zwei Fahrräder. Das Osterfahrrad ist das dritte. Okay, das ist nicht ganz so unsinnig, wie ihr gerade denkt, denn das eine Fahrrad steht bei uns zu Hause, Fahrrad Nummer 2 steht bei den einen Großeltern und Fahrrad Nummer 3 nun bei den anderen Großeltern. So weit, so sinnvoll. Fahrrad Nummer 1 ist ein hochwertiges, neues Ding, das das Kind zu seinem Geburtstag bekommen hat. Fahrrad Nummer 2 fand ich für 5 Euro auf dem Flohmarkt und griff bei dem Preis sofort zu, denn ein Zweitfahrrad bei Oma und Opa kann man immer gebrauchen. Aber nun ein drittes?
  3. “Es ist auch ein gebrauchtes”, beruhigen mich meine Schwiegereltern und ich bin beruhigt. Na gut, denke ich, denn in meiner Vorstellung handelt es sich um ein Schepperfahrad, das von fünf Nachbarskindern runtergerödelt worden ist und das mein Kind jetzt ins Radlgrab fahren kann. Warum also nicht?
  4. Als wir bei Oma und Opa ankommen, verkündet Opa Osterhase jedoch, wir müssten nun zum Fahrradladen, denn *zwinker, zwinker* da hätte der Osterhase etwas abgegeben, was ihm zu groß zum verstecken gewesen sei und was das Kind auch jetzt schon bekommt, weil warumauchimmer und überhaupt. Oma passt in diesem Moment nicht richtig auf, hört nur rausgehen und verschwindet in den Keller. Sie kommt mit einer riesigen Kiste Sandspielzeug für das kleine Kind wieder, “Hier, das braucht ihr auch noch.” Mein Mann explodiert: “Wir sind seit einer halben Stunde hier, die Kinder brauchen nicht ständig Geschenke.” Oma: “Das ist kein Geschenk.” Sondern – was? Die Kiste ist größer als das kleine Kind, der Inhalt nagelneu. Wir bringen das Sandspielzeug schnell wieder in den Keller, bevor die Kinder es sehen und wandern in den Fahrradladen. Auf dem Weg frage ich vorsichtig: “Wieso eigentlich Fahrradladen? Ich dachte, es ist gebraucht?”
  5. Es ist gebraucht, allerdings alles andere als ein Schnäppchen. Es ist ein Markenfahrrad, sieht aus wie neu und kostet noch stolze 80 Euro. Die preissensible Profimutter in mir denkt: Auf Ebay Kleinanzeigen wäre das für 50 Euro hergegangen. Opa Osterhase zückt die Karte und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das Kind radelt los und ist glücklich.
  6. Als wir nach Hause kommen, fragen mich die Uromas, was sie dem Kind zu Ostern schenken dürfen, von der Liste, die ich verschickt hatte, sei nichts mehr übrig.
  7. Ich könnte ausrasten. Dabei meinen es alle nur gut. Und rein theoretisch haben alle Verständnis, dass wir die Kinder nicht so mit Schokolade und Geschenken zubomben wollen. An der konkreten Umsetzung – nämlich einfach mal nichts zu schenken – scheitert jedoch die komplette Verwandtschaft.

Im wahrsten Sinne des Wortes ein Luxusproblem

Ihr fragt euch jetzt sicher, was mein verdammtes Problem ist. Und ich weiß selbst, eigentlich habe ich keines. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Luxusproblem, eine hochmotivierte kinderliebe Verwandtschaft zu haben, die genug Geld besitzt, um den Kindern alles zu kaufen, was die haben wollen, außerdem alles Mögliche, was sie sich nie gewünscht haben und vieles davon doppelt und dreifach. Ich habe dennoch kein gutes Gefühl dabei. Mein Kind hat nun drei funktionstüchtige Fahrräder, während es genügend Kinder gibt, deren Eltern nicht wissen, von welchem Geld sie ein einziges kaufen sollen. Zudem macht es mir diese riesige Menge an Geschenken verdammt schwer, meinen Kindern zu vermitteln, was Dinge wert sind, dass sie etwas wert sind und dass wir sie wertschätzen sollten.

Das Ganze erinnert mich an eine Situation aus dem Sommer. Der Rückweg vom Kindergarten führt uns an einer Eisdiele vorbei. Natürlich will das Kind jeden Tag ein Eis. Manchmal will ich auch eines, oder ich will einen Kaffee, oder ich habe einen guten Tag – dann gibt es eines. Meistens gibt es keines. Das Kind versteht das nicht und heult und tobt und ist wütend. Und ich tue mir sehr schwer damit, mein Nein irgendwie vernünftig zu erklären. Ja, ich weiß: Dem Kind kann ich einfach nur “Nein” sagen, die Begründung interessiert es eh nicht so richtig – aber ich selbst muss meine Gründe verstehen, sonst tue ich mir schwer damit, konsequent zu bleiben.

Denn warum sage ich Nein? Doch nur aus Prinzip. Wir sind keine Millionäre, aber zu behaupten, ich hätte kein Geld, um jeden Tag eine Kugel Eis zu kaufen, wäre glatt gelogen. Ich halte nichts davon, Kinder anzulügen. Mögliche Begründung Nummer 2: Jeden Tag ein Eis ist ungesund. Das stimmt wohl. Doch mein Kind hat gesunde Zähne, einen gesunden Körper und liebt Bewegung. Dass Essen etwas negatives ist, das ständig kontrolliert werden muss, will ich auch gar nicht vermitteln. Daher sind Eis, Kuchen und Süßigkeiten bei uns nicht grundsätzlich verboten, sondern etwas, das es geben darf – hin und wieder. Es ist ein Extra, keine Basis, ein Eis ist etwas anderes als Nudeln oder Brot. Dieses “Manchmal ja und meistens nein”-Konzept ist aber sehr schwierig für Kinder zu verstehen und sehr mühsam zu erklären.

Daher habe ich – und das ist so falsch, dass ich mich kaum traue, das hinzuschreiben – eine Freundin von mir fast ein bisschen beneidet. Denn diese Freundin hat so massive Geldprobleme, dass sich die Frage, ob ihr Sohn nach dem Kindergarten ein Eis bekommt, gar nicht stellt. Es ist einfach nicht drin. Sie sagt Nein, er zieht höchstens eine Flunsch – und meistens nicht mal das. Meine Theorie: Er spürt, dass es tatsächlich nicht geht. So wie mein Kind merkt: Es ginge schon, die Mama sagt nur aus Prinzip Nein. Ein Wutanfall könnte sich also lohnen.

Wie gehe ich mit dem Überfluss um?

Ein Trotzanfall lohnt sich bei mir selten, doch darum geht es mir heute gar nicht. Sondern um die Frage: Ist es sinnvoll, Kindern etwas aus Prinzip zu verweigern – also Nein zu sagen, auch wenn man es sich leisten könnte? Oder ist es nun mal so, wie es ist und meinem Kind ein Eis weniger zu kaufen bringt den Kindern, die es sich nicht leisten können, auch nichts? Ja, ich weiß, wir könnten den Kindern, die es sich nicht leisten können, eines mitkaufen – habe ich im Fall von meiner oben beschriebenen Freundin schon oft gemacht. War aber auch immer schwierig, denn so gerne sie einen Kaffee wollte und ihr Kind ein Eis – Mitleid wollte sie nicht.

Das Nachdenken über die Freundin, die sich das Eis nicht leisten kann und die Opas, die uns das dritte Fahrrad kaufen, führt mich ziemlich schnell zur generellen sozialen Ungleichheit, die mich zunehmend umtreibt. Manche haben so viel, andere so wenig – es ist einfach nicht gerecht. Und dabei bin ich noch gar nicht grundsätzlich kapitalismuskritisch. Ich finde es schon in Ordnung, dass Menschen, die viel und hart arbeiten und/oder große Verantwortung übernehmen, mehr Geld verdienen als diejenigen, die das nicht tun.

Der Haken an dieser Überzeugung ist jedoch, dass das 1. nicht der Fall ist – viele Gehaltsdifferenzen lassen sich so überhaupt nicht erklären. Und ich finde 2., dass die Unterschiede unakzeptabel groß sind. Ich müsste an dieser Stelle überhaupt nicht anfangen, an Hebammen und Vorstandsvorsitzende zu denken oder gar gleich die weltweite Ungleichheit miteinbeziehen. Es reicht, wenn ich mich in meinem eigenen Bekanntenkreis umschaue, wo die einen das dreifache von den anderen verdienen, obwohl sich Zahl der Arbeitsstunden, Lebensläufe, Engagement und Intelligenz der Betreffenden kaum unterscheiden.

Ich bin mit der Überzeugung aufgewachsen, dass der/diejenige viel Geld verdient, die klug ist und hart arbeitet und viel Geld verdient. Solange ich der Meinung war, dass das stimmt, konnte ich Ungerechtigkeiten, die ich gesehen habe, ganz gut verkraften. Je mehr ich sehe, dass der Zusammenhang zwischen harter Arbeit, großer Verantwortung und gutem Verdienst ein Fantasiegespinst ist, desto weniger komme ich damit klar – und desto schwieriger finde ich es, es meinen Kindern zu erklären.

Und damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt meiner Kolumne, es ging mir ja schließlich um Ostern, um renitente Großeltern und um die kaum eindämmbare Geschenkeflut. Neben dem Fahrrad bekam das Kind 13 Schokoladenosterhasen.

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Großeltern im Geschenkefieber

Meine Kinder (ja, es sind zwei, dass ich bisher von “dem Kind” schreibe, liegt daran, dass Nummer 2 noch zu klein ist, um das mit den Geschenken richtig mitzukriegen) haben Omas, Opas, Tanten, Onkel, Großtanten, Großonkel, Patentanten und dann gibt es noch zwei, drei FreundInnen, die unseren Kindern mangels eigener Nachkommen auch gerne Zeug kaufen. Niemand davon ist bereit, aufs Schenken zu verzichten, nicht einmal an Weihnachten, wo die Geschenke eh “vom Christkind” kommen, nicht von Oma X und Onkel Y. Nur selten lässt sich die Verwandtschaft zu “vernünftigen” Geschenken wie einem neuen Schlafanzug überreden.

Ich hatte schon viele Ideen, die Menge der Präsente zu regeln. Zum Beispiel vor zwei Jahren, als ich eine Holzeisenbahn als Geschenk vorschlug. Super Plan, dachte ich – da schenken die einen ein paar Gleise, die nächsten den Zug, einen Bahnhof oder ein paar Bäume und Kühe – und beim nächsten Geburtstag kann das Set beliebig erweitert werden. Ich dachte, ich hätte das Geschenkethema damit für die nächsten drei Geburtstage erschlagen. Was passierte tatsächlich? Es kam ein Monsterpaket mit den Hundertteile-All-Inclusive-Set von Oma – und der Anruf, ich müsste noch Geschenkideen an die anderen Verwandten verteilen, die Eisenbahn wäre ja bereits vergeben.

Wie bereits geschrieben, ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass das “Problem” ein absolutes Luxusproblem ist. Nichtsdestotrotz ist es eines. Denn die Geschenkeflut macht es mir schwer, meinen Kindern den Wert von Gegenständen beizubringen, einen gewissen Respekt vor denen, die die Dinge hergestellt haben, den Ressourcen, die dafür verschwendet wurden und dem Geld, das sie gekostet haben. Kinder haben kein Gefühl für Zahlen und für Geld und das müssen sie auch nicht. Doch natürlich trägt die Tatsache, dass das Kind vier Mützen hat (ich habe übrigens keine einzige davon gekauft), nicht dazu dabei, dass es drauf aufpasst. Die Dinge gehen kaputt, sie gehen verloren und das Kind sagt: “Macht nichts, wir haben ja noch drei.” Oder eben: “Wir kaufen es neu.”

Ich kann es nicht dem Kind vorwerfen, dass es so denkt. Ich mag es nicht der Verwandtschaft vorwerfen, dass sie meine Kinder gern hat und ihre Liebe mit Zeugs zeigt – auch wenn ich mir wünschen würde, dass die Bitten nichts oder nicht so viel zu schenken, gelegentlich gehört werden. Aber ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dass wir alles haben – und von den meisten Sachen zu viel.

Anmerkung der Autorin: In dem Text standen mehrmals die Begriffe „Wahnsinn“, „wahnsinnig“ und „bescheuert“. Er kommt auch gut ohne aus. Deswegen habe ich die entsprechenden Stellen geändert.

Wie ist das bei euch – schenken die Verwandten auch immer zu viel? Oder wisst ihr kaum, wie ihr das nächste Paar Kinderschuhe bezahlen sollt? Und wie geht ihr damit um? (Bevor diese Tipps jetzt die Kommentarspalte füllen: Auf die Idee, Sachen weiterzuschenken/an Geflüchtete zu spenden/am Flohmarkt zu verkaufen, bin ich natürlich schon gekommen. Ich mache das ständig.)

13 Antworten zu “Der Osterhase hat ein Fahrrad gebracht.”

  1. leitmedium sagt:

    Ich kenne das Problem nur zu gut und empfinde es mittlerweile nicht als „kinderlieb“, das viele Geschenke. Denn oft steht nicht der/die Beschenkte (das Kind) im Mittelpunkt, sondern der/die Schenkende: Es geht darum, Kindern ein Leuchten und Dankbarkeit zu entlocken, um sich etwas darin aalen zu können. Spricht man Verwandte darauf an, ob sie sich vielleicht an wichtigen Kosten beteiligen können (Kinderbetreuung, Schule, Freizeitbeschäftigung wie Musikunterricht, usw.), wird eher eine lange Nase gezogen. Denn dafür gibt es ja kein „aaaaaaah, Ooooooopa!“. Dabei wäre eine gezielte Unterstützung etwas, was Eltern entlastet und Kindern langfristig wirklich etwas bringt. Und das, das ist kinderlieb.

  2. Marthori sagt:

    Danke für den Artikel. Bei uns ist es nicht (ganz) so extrem, aber ich kann das gut nachvollziehen. Uns hat folgender Blog-Beitrag sehr geholfen, um uns selbst übers Schenken klar(er) zu werden: http://suchtdasglueck.at/gastbeitrag-geschenkeflut-vermeiden-weniger-ist-mehr-im-kinderzimmer-3/ Die 4er-Regel gilt für uns als Eltern (und funktioniert), die Idee mit Verbrauchsmaterialen schenken gilt für die Großeltern (bei den kleinerer Festen/Gelegenheiten) und… hat schon mal funktioniert…

    Ich will, dass meine Kinder keinen Mangel erfahren und gleichzeitig will ich aus diesem Konsumirrsinn aussteigen. Und das muss doch irgendwie möglich sein…

  3. MaPi sagt:

    könnte man sich von den verwandten nicht explizit eine kleine sache wünschen, das GANZ EXPLIZIT fordern und erklären und, wenn jemand mehr geld ausgeben will, so eine art sparbuch haben, worauf überwiesen werden kann, das für einen urlaub, einen neuen rucksack, führerschein, weltreise nach abi, erste wohnung o.ä. später geknackt wird? dann verstehen sie es, sind auf eine ganz andere weise dankbar. natürlich mit erklärung: „das haben tante X und oma y für dich angespart“ –> macht vllt auch gleich das konzept des sparens klar.
    ich würde auf so einer lösung bestehen. geht doch irgendwie nicht, dass die verwandten das konsumverhalten der kinder bestimmen.

    oder vllt explizit von den verwandten gutscheine für events wünschen: oma geht mit dir ins kino. oder fährt mit dir in den zoo nach dingenskirchen. meinetwegen noch mit pommesessen oder so. das kind checkt erstmal nicht, wie teuer z.b. ein kino-,zoo- oder freizeitparkbesuch ist und freut sich einfach über die besondere sache an sich. und die oma ist glücklich, so viel geld ausgegeben haben zu „dürfen“. und erinnerungen sind manchmal soviel mehr wert als das 20. spielzeugauto. und wenn oma will, darf sie da noch ein erinnerungstshirt kaufen.

    und zum eis-thema: immer den gesund-grund vorschieben…schwierig. idee: sehr hart einfach immer nein sagen. und die „ja“s begründen: heute warst du tapfer beim impfen, heute haben wir einen grund zum feiern, mama hat auf der arbeit erfolg gehabt. also nicht das „nein“ rechtfertigen, sondern das „ja“ zu was besonderem machen?

    kommt von einer kinderlosen, und deswegen nicht praxiserprobten, leserin. kenne das problem aber sehr gut aus meiner familie, von freunden.

  4. Zuviel Zeug sagt:

    Meine Tante und mein Onkel habe es so gemacht, dass die Kinder auch ihre Hobbys geschenkt bekamen: z.B. die 10 Reitstunden sind von … Das fand ich gut. Auch gemeinsame Ausflüge sind ein tolles Geschenk. Meine Oma hatte außerdem ein Sparbuch für jedes Enkelkind, damit war mein Führerschein bezahlt.
    In der restl. Verwandtschaft ist es auch eher schwierig und wie beschrieben, eigene Kinder haben wir (noch) nicht.
    Dem Umfeld kläre Grenzen zu setzten, ist schwer. Vielleicht könnte eine Einladung aller „Schenkenden“ helfen, bei der ihnen gezeigt wird, was das Kind (in deinem jungen Alter) schon alles hat.
    Bei meinen SchülerInnen (Gymnasium) beobachte ich oft die fehlende Wertschätzung für materielle Dinge, auch fremdes Eigentum. M.E. müssen Dinge steigerbar sein und wenn ein Kind alles hat, dann geht das nicht.
    Irgendwann wird auch die Korrelation „Leistung -Ergebnis“ wichtig. Wenn ich schon alles bekomme, ohne etwas dafür zu tun, warum soll ich mich dann anstrengen?
    Vielleicht kann man den Kind „das Besondere“ irgendwie vermitteln: Heute ist Eiswetter, …?
    Permanente Verfügbarkeit führt dazu, dass es nichts Besonderes mehr gibt…
    Ich finde den Ansatz (nicht jeden Tag ein Eis, keine Geschenkeberge…) toll!

  5. jonicamole sagt:

    Ich möchte nach jedem Absatz laut „Ja genau SO!“ rufen, aber ich sitze ja im Büro ;) Daher: Danke! Es ist hier ähnlich, aber anders schlimm, mittlerweile habe ich vor Geburtstagen und Weihnachten schon immer fast Angst, weil mich die Diskussionen um wer was zu welchem Preis schenkt maßlos aufregen. Hier gibt es die Regel: ein Kind, ein Anlass, ein Geschenk. Und von Großelterpaaren etc. dann eben zusammen. Und sonst haben wir Konten für die Kinder eingerichtetet wohin die Schenker überweisen können was sie wollen (hier gibt es nämlich Verwandte, die immer ein gewissen Budget im Kopf haben…) Trotzdem führen wir immer wieder traurige Diskussionen, wie die als das große Kind sich Handschuhe zu Weihnachten wünschte, weil es seine verloren hatte und die Schenkende uns Eltern anrief und fragte, was da los sei, dass das Kind keine Handschuhe hätte. Es ist kompliziert, mehr als das.

  6. andreacmeyer sagt:

    Das kommt mir alles sehr bekannt vor, inklusive des „Wir dürfen ja nichts schenken“ meiner Schwiegermutter. Dafür wird dann diskutiert, dass unsere Kinder „armselig“ gekleidet sind (mit Sachen vom Flohmarkt oder von Nachbar_innen).

    Bei uns gibt es ein Konto für jedes Kind, eine Patentante hat ein weiteres Konto angelegt, die andere schenkt praktische Dinge (Kinderstuhl usw.). Der Vater der Kinder macht Geschenke nach Absprache.

    Bei Eis, Lolli usw. kommunizieren wir gerade deutlich, dass das wie bei euch ein „Extra“ ist, das (in den akuten Ausläufern der Trotzphase) Kooperation voraussetzt nach dem Motto „Willst du deine Schuhe nicht anziehen, dann will ich kein Eis kaufen.“ DIe Heulerei ist anstrengend, aber das Verfahren scheint teilweise Erfolge zu zeitigen.

    Meine Mutter hat den Eisladen seinerzeit „weiträumig umfahren“, weil sie einfach kein Geld dafür hatte, uns täglich ein Eis zu kaufen. Kann auch mal ne Idee sein.

  7. Anderer Max sagt:

    „Die großzügigsten Großeltern der Welt!“
    danach auf RTL:
    „Raus aus den Schulden“

    Da geht’s doch nur um Profilierung, das Gefühl „gebraucht zu sein“, obwohl man seinen Kindern versucht bezubringen, dass es eben nicht auf’s Materielle ankommt.
    Das gute: Kindersachen kann man immer gut weiterverkaufen und so z. B. was schönes unternehmen – am besten mit den Großeltern zusammen ;)

  8. Pam Aus Np sagt:

    Hallo. Ich finde es genau wie du schwierig, den Kindern den Wert fuer Dingen zu vermitteln. Ich weiss auch noch nicht, wie grnau ich ihnen das beibringen kann. Von meinen Eltern und meiner Schwiegereltern gibt es auch staendig etwas. Allerdings einmal von meinen Eltern weil sie uns selten sehen. Von meinen Schwiegereltern eher immer (bei jedem Besuch) Suessigkeiten, weil das hier gang und gaebe ist. Hier, das ist in unserem Fall Marokko. Und wir reden reden reden. Es gibt naechstes Mal doch wieder Schokolade oder sonstiges. Da verstehen die Kinder nicht so wirklich, warum es von mir beim Einkaufen immer ein NEIN gibt.
    Was sehr bezeichnend fuer den Ueberfluss in Deutschland ist, ist, dass wir kaum eines unserer vielen Spielzeugegekauft haben. Da haben wir noch in Deutschland gewohnt. Es war ausrangiertes, vor dem wegschmeissen bewahrtes und geschenktes. Wir haben soviel wie moeglich von den Spoelsachen mitgenommen nach Marokko, weil die Qualitaet des Spielzeugs hier sehr schlecht ist. Und es ist mir schon irgendwie unangenehm, dass Kinder, die zu Besuch kommen, das erste Mal in ihrem Leben soviel Spielzeug sehen. Dabei muss gesagt werden, dass selbst Eltern mit ausreichend Geld dies nicht in viel Spielzeug investieren. Nicht viele jedenfalls. Hier habe ich noch nicht diese Kinder-brauchen- Spielzeug Kultur erlebt. Das fuehrt aber nicht gleichzeitig zu einem wertschaetzenderen Vrhalten.
    Und obwohl meine Tochter relativ viel Kleidung und Spielzeug hat und immer mit vielen Suessigkeiten verwoehnt wird und definitiv ein Problem hat, wenn ich NEIN sage, so kennt sie doch Wertschaetzung. Sie hat Lieblingssachen, die sie immer im Wechsel anzieht. Sie kann nicht ohne bestimmteRoecke, T-shirts, Taschen, Buecher. Ich habe mich also schon oft gefragt, ob wir als Eltern nicht einfach den Besitz reduzieren muessen. Es ist natuerlich doof soviele geschenkte Dinge wieder wegzugeben. Aber wenn das der Weg ist. Und da muss ich natuerlich auch schlucken. Ich muesste ja als gutes Beispiel vorangehen…

    PS: Wen es interessiert, wie wir den Alltag in unserem neuen zuhause in Marokko wuppen und wie es um unsere Integration steht, kann meine Seite besuchen: marokkomittenmang/wordpress.com.

  9. berit sagt:

    Ja, das kenne ich leider auch. Der Geschenkehaufen ist unfassbar groß für unsere Einjährige, obwohl ich schon immer sage „Jeder nur EIN Geschenk“ Und dann fragt man mich was es sein soll, und ich dann zB „Hm, also wir bräuchten noch eine Jacke, Strumpfhosen und Pullis, sucht euch was aus.“ Du darfst raten was geschenkt wird…richtig… ALLES!!! :( Selbst meinen Mann musste ich zu Ostern bremsen, als er einen kleinen Ball gefunden hatte und dann NOCH ETWAS kaufen wollte und beleidigt war als ich meinte das reicht, sie kriegt eh schon so viel Krempel.

    Erschwerend kommt wahrscheinlich für alle hinzu, dass die Großeltern 3h Autofahrt wegwohnen und wir aufgrund unsere Schichtdienstes nur sehr selten zu Besuch kommen können. Ich denke die Geschenkeflut soll dann einiges kompensieren. Ach man.

    PS: Mein Kollege sackt sämtliche Süßigkeiten vorher ein, schließt sie weg und isst sie selber. Vielleicht eine Möglichkeit? ;-)

  10. boxi sagt:

    luxusproblem, aber es ist doch ein problem, ok. aber dieses „eine Freundin von mir fast ein bisschen beneidet. Denn diese Freundin hat so massive Geldprobleme“
    gehts noch? natürlich haben arme menschen dieses problem nicht, aber sie haben vielleicht viel ernstere probleme. weil dann eben schon ein warmes essen am tag ein problem sein kann.
    wenn hier jmd. zuviel geld hat, sagt bescheid, ich kenne genug die jeden monat zum amt müssen, nur um überhaupt etwas zu bekommen.
    was kommt denn als nächstes? neid um flüchtende, weil sie noch wirklich wissen, wofür es sich lohnt zu kämpfen, weil sie noch erfahrung mit krieg, sterben & co gemacht haben? mir gruselt es.
    (und warum das thema nicht ohne derartige fantasien behandeln? ach.)

    • Barbara Vorsamer sagt:

      Mir geht es an der Stelle – und ich finde, das schreibe ich auch so – um meine innere Klarheit. Als jemand, der sich theoretisch täglich ein Eis leisten könnte, ist mein „Nein“ dazu wackelig, bei meiner Freundin ist es das nicht. Ich beneide sie nicht um ihre finanzielle Situation. Aber darüber Gedanken machen, wie sie ihrem Kind beibringt, dass man nicht jederzeit immer alles haben kann, muss sie sich nicht. Das lernt ihr Kind automatisch, meine bekommen durch den Geschenkewahnsinn den Eindruck, alles ist umsonst.

  11. Judith sagt:

    Was ich ja super finde (sich bei uns aufgrund der Entfernung aber auch schlecht realisieren lässt), ist, wenn statt materieller Dinge Zeit geschenkt wird. Zeit etwas zusammen zu machen, irgendwo hinzugehen, was zu erleben oder einfach nur gemeinsam ein ganz bestimmtes Ding zu basteln, einem Hobby nachzugehen, o.ä. Das wäre mein Traum, da irgendwann anzukommen, aber vielleicht muss ich mir dann andere Schwieger-/Großeltern suchen, die dazu in der Lage und in der Laune wären ;-)
    Ich kenne das auch mit der Geschenkeflut. Was mich eigentlich noch am meisten nervt, ist das die Geschenke bei uns möglichst in Bergen anladen, die dann, wenn es geht auch alle noch vom Discounter sind. Nichts dagegen nicht ständig überteuertes Markenblabla zu kaufen, aber Qualität wäre doch ganz schön. Da würde es dann auch ein Irgendwas tun und nicht die ganz große Kiste mit extra viel, super häßlich und schluderig. Aber da stoßen wir bei der Verwandtschaft auf taube Ohren oder sorgen für reichlich Dissonanz…
    Sehr beliebt auch, wie hier schon erwähnt, man schlägt entweder oder Geschenke vor und kriegt dann von einer Person alles, was so nie gedacht war, weil das doch für einen zum Schenken viel zu teuer ist.
    Aber ich finde es ja so beruhigend, dass es anderen auch so geht. Ich dachte immer nur, es liegt an mir oder unserer Verwandtschaft, die da speziell ist (was sie sicherlich obendrein ist).

  12. Nana Eschuak sagt:

    Ich kann dir nur zustimmen, dieses „Luxusproblem“ ist wirklich ein Problem. Nämlich das der Kinder in späteren Jahren. Wenn es ein „Extra“ einmal pro Woche gibt, ist das nächste Extra eine große Freude, wenn die Extras regelmäßig erfolgen, ist ein fehlendes Extra ein großer Frust.

    Meine Kinder sind inzwischen groß, und ich bin nur froh, dass der Weg vom Kindergarten nicht an einem Eisladen vorbeiführte. In den Ferien hatten wir aber schon das Problem mit dem Gequengel, und wir haben dies (schließlich!) mit einem täglichen Ferientaschengeld gelöst, das genau die Höhe von einem Eis oder einer Karusselfahrt oder… hatte. Das legte die Auswahl und Verantwortung in die Hände der Kinder und hat sehr gut geklappt – zT haben sie es auch über mehrere Tage angespart für eine Verlockung aus dem Spielwarengeschäft.

    Das lässt sich natürlich nicht eins-zu-eins auf den Alltag übertragen, das Ferientaschengeld war ja höher als es normalerweise bei kleineren Kindern ist. Aber wie wäre es mit einem Gutschein (pro sinnvoller Zeiteinheit), den das Kind dann einlösen kann – oder eben aufsparen für den nächsten Tag.

    Das Problem mit den Verwandten ist anders gelagert, und auch da habe ich einfach Glück gehabt, dass unsere Verwandten – andere Generation – mehrheitlich unsere Vorbehalte verstanden. (Ich denke ja auch, dass viele sich selbst die berühmten leuchtenden Kinderaugen schenken möchten). Da hilft wohl nur reden, reden, reden – mit dem Kind und mit den Verwandten. Erfolg nicht garantiert, leider.

    Ich denke aber, dass dein Kind viel von deiner Haltung spürt und dass dies langfristig auch positive Folgen hat. Und die Nachdenklichkeit sich in einer weiteren Generation fortseitzt und manchmal auch in Handlungen mündet. (Dass unsere Kinder „schlechtere Zeiten“, die ja vielleicht auch mal kommen, als hart empfinden werden, davor können wir sie nicht schützen, dafür geht es uns zu gut.)

    ich wünsche Dir alles Gute!