Soundtrack einer Trennung

CC BY-NC-SA 2.0 , by calzifa

Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen.
Dieses Mal kommt er von Leah.

Leah wohnt und arbeitet in einer deutschen großen Stadt, hat seit kurzem ein Netflixabo und lebt – wenn sie nicht gerade in einer Trennung steckt – sehr gern auch außerhalb ihres Bettes.

Wir haben uns getrennt. Weil wir die Zukunft plötzlich anders sehen. Weil wir eine andere Beziehung voneinander wollen. Aber wir lieben uns noch. Das ist der Dreck. Ich habe das immer gehasst in Filmen, wenn sich Paare trennten, weil sie irgendwelche Differenzen hatten, sich aber noch liebten. Dass Liebe allein irgendwann nicht mehr ausreichen würde – das hatte ich nie glauben können und wollen. LOVE CONQUERS ALL – Die Liebe besiegt alles! Diesen Satz hätte ich mir auf die Stirn tätowieren können, so sehr habe ich danach gelebt, so sehr habe ich das gehofft.

Aber jetzt ist es passiert wie den Leuten im Film – Getrennt, trotz Liebe. Seit mein Ex-Freund und ich diese traurige Wahrheit leben, höre ich noch mehr Musik als vorher. Ich laufe nur noch mit Kopfhörern auf den Ohren durch die Stadt. Dabei hat sich ein Soundtrack aus Liedern heraus kristallisiert, der mich gefühlsschwankenderweise durch alle bisherigen Phasen begleitet hat.

Phase eins

Es geht nicht mehr, wir müssen was ändern. Ich bin extrem erleichtert, dass mit der Trennung sich die Situation für ihn und uns ändern wird. Sie ging über meine Kräfte. Die Trennung ist ein Silberstreifen am Horizont. Es ist die richtige Entscheidung, auch wenn sie schwer fällt.

Das Lied zur Phase:

Phase zwei

Es ist die richtige Entscheidung, es ist die richtige Entscheidung, es ist die richtige Entscheidung. Das Leben geht weiter. Wie schön, was wir hatten. Dass wir was hatten.

 

Phase drei

Obwohl ich mich permanent beschäftige, um mich abzulenken, schleichen sich ganz kleine Gedanken ein. Gedanken, die Schuld vergeben wollen. Nur ist das schwierig bei einer Situation, wo es keine_n Schuldige_n gibt. Trotzdem versuchen mein Hirn und mein Herz diese Wut, die ich gegenüber der Ungerechtigkeit der Situation empfinde, irgendeinem Sündenbock zuzuweisen. Warum musste es so kommen? Wieso haben wir das nicht hingekriegt? MANNO, WELT! Ich bin einfach nur sauer.

 

Phase vier

In einem unbedachten Moment rennt plötzlich ein Schatten an mir vorbei und holt mich ein, bevor ich reagieren kann. Es ist meine Vergangenheit. Die Trennung zu meinem vorigen Ex ging recht undramatisch über die Bühne, niemand rastete aus, wir wohnten nach der Trennung noch zusammen und blieben auch Freunde. Bis er eine neue Partnerin hatte und den Kontakt zu mir im Laufe weniger Wochen komplett abbrach, weil beides für ihn nicht vereinbar war. Damals verlor ich nicht nur meine erste Liebe, sondern auch meinen engsten Freund – nach fünfeinhalb Jahren. Das hat mich so grundsätzlich verletzt und durchgeschüttelt, dass ich fast drei Jahre daran geknabbert habe. Ich habe Angst, meinen neuen Herzensmenschen jetzt genauso zu verlieren und vor dem Gefühl, dass ein Kapitel meiner Geschichte ausradiert wird. Ich habe Angst, komplett ersetzt zu werden. Ich habe Angst, keinen Zugang zu einer möglichen Verarbeitung der Trennung mit ihm zusammen zu bekommen und ihn komplett und für immer aus meinem Leben zu verlieren – nicht nur als Geliebten, sondern als Menschen auf jeglichen Ebenen. Diese Angst hat mich plötzlich hart im Griff. Und treibt mir zum ersten Mal Tränen in die Augen.

 

Phase fünf

Es ist die richtige Entscheidung, es ist die richtige Entscheidung, es ist die richtige Entscheidung. Und vielleicht finden wir ja eine andere Art der Beziehung miteinander. Vielleicht eine leidenschaftliche Affäre? Jahrelanges sich-aufeinander-im-Bett-Einspielen darf doch nicht umsonst gewesen sein! Das wär doch jetzt zu schade, um es einfach zu verschwenden!

Phase sechs

Es ist die richtige Entscheidung, es ist die richtige, es ist die, es ist, es…

Das erste Mal in meinem Leben knallharte Zweifel. Hervorgerufen von der Stille, die plötzlich in mein Leben kracht. Die Stille tritt an die Stelle, wo ich früher einfach in seine Wohnung spaziert wäre und mich zu ihm ins Bett gekuschelt hätte zum Übernachten. Oder um schnell mal einen Kuss vorbeizubringen. Die Stille stürmt den Samstag, an dem ich auf den Wochenmarkt gehe und setzt sich auf mein Telefon. Statt kurzer Lebenszeichen und kuscheligen Texten zeigt es mir jetzt einfach nur die Uhrzeit an.

Ich erkenne: Wir haben uns getrennt. Selbst wenn wir eine großartige Freundschaft aufbauen – wir werden unsere Leben nicht mehr teilen. Zumindest nicht mehr so, wie ich mir das erträumt hatte. Wir werden doch keine lockigen Kinder bekommen und zusammen im Bulli Eltern-Urlaub machen. Alles wird anders. Oh Gott, es ist wahr. Wir haben uns getrennt! Mein Herz saugt sich voll mit all den ungeweinten Tränen. Ich sehne mich nach meinem Herzensmenschen, nach unserer Routine, nach kleinen magischen Momenten.

 

Phase sieben

Ich will mit wildfremden Menschen knutschen, die ich auf Parties kennengelernt habe. Ich schwelge für ein paar Nachtstunden genüsslich im Modus, der sagt: “Ich bin frei! Mein Leben ist großartig! Ich liebe alle Menschen!”. Mein Herz und ich sind unglaublich stark, YEAH.

Phase acht

Abgrundtiefe Trauer. In mein Herz passen keine Tränen mehr, unendlich schwer läuft es jetzt endgültig über. Ständig. Ich versuche mich zu betäuben mit Fernsehserien und mache einen Bogen um Liebesgeschichten. Alles tut weh. Alles sehnt sich. Meine Ratio ist über Board gehüpft und ich will nur noch zurück. In seine Arme, in unser Leben. Auch, wenn ich weiß, dass es unser Leben nicht mehr gibt, so wie wir es hatten. Auch wenn ich weiß, dass ich irgendwann mal gesagt habe, es ist die richtige Entscheidung. Diese Stimme ist zusammen mit der Ratio gerade nicht mehr vorhanden. Ich bleibe im Bett.

Phase neun

(danach zurück zu Phase acht)
Rosarotes Zurückschauen. Es war einfach alles so wunderbar. ALLES! IMMER! ROSA! Wir waren doch füreinander geschaffen, die Königskinder, Leo und Kate, Baby und Johnny. Kitsch, kitsch, kitsch. Mehr schafft es gerade nicht in meinen vernebelten Kopf.

In diesen beiden Phase bin ich jetzt wie eine kaputte Schallplatte steckengeblieben. Ich kann nur hoffen, dass die nächste Phase bald kommt und heißt “Und plötzlich war alles gut! Kein Schmerz mehr, kein Sehnen, nur Freude am Leben, Dankbarkeit für die Vergangenheit und gewachsene Lebenserfahrung und Trauerbewältigung.”

Das ist doch so, oder? Oder?

(Mein Netflixabo habe ich aus Vorsicht allerdings nochmal verlängert.)


Was sind denn Lieder, die euch bei Trennungen begleitet haben? Wenn ihr aufmunternde Gifs oder schlaue Trennungstipps auf Lager habt – auch gern immer her damit in den Kommentaren.

6 Antworten zu “Soundtrack einer Trennung”

    • leah sagt:

      viel glück beim durchleben der phasen und ich wünsche dir, dass du bald durch bist. danke für die lieder!

  1. Kassiopaia sagt:

    Also, zum einen möchte ich jetzt ganz dringend Dirty Dancing schauen. ^^

    Und zum anderen: hach ja, ich kenne diese Phasen auch sehr gut! Musik ist bei mir dann auch immer ein großer Teil gewesen. Ich konnte ganz lange bestimmte Lieder oder gar ganze Bands allerdings nicht mehr hören, weil ich alles mit ihm verbunden habe.
    Musik hilft aber auch, um mich mich ganz wunderbar in meinem Leid zu suhlen, wenn ich noch die passende Musik in den Ohren habe. Und dann ist die Welt schlecht und ich bin schuld und der Verflossene ist schuld und ich zerfließe und weine meine Kätzchen voll und schluchze leise in mich hinein, wenn ich meine „<3"-Playlist bei Spotify auf der Arbeit anhöre. Ich habe nämlich wirklich nach meiner Trennung eine Playliste angelegt, die ich dem zerflossenen zum Trost schicken wollte (ich habe mit ihm Schluss gemacht). Und da sind dann so Lieder mit passenden Titeln wie "Ruined heart" von Bing Austria oder "Courage" von Villagers drauf. Ich habe ihm die Liste nie geschickt. Lasse dir aber das "Ruined heart" da. Die Melodie klingt so locker flockig, der Text ist bittersüß. Sehr passend für das Gefühlskuddelmuddel.
    https://www.youtube.com/watch?v=0PkzpI0t-hM

    • leah sagt:

      oh ja, dirty dancing geht immer! <3

      dankeschön für diesen schönen kommentar, kassiopaia! das lied ist auch wirklich toll und passend. und vielleicht können du und dein zerflossener die liste ja nach ein paar jahren zusammen anhören und gemeinsam in erinnerungen schwelgen, ganz ohne schmerz.

  2. Charlotte Mar sagt:

    Toller Text (ich kann mich (leider?) mit vielen Punkten identifizieren. Außerdem sehr toller Musikgeschmack und Musiktipps <3
    "Regen" von Enno Bunger begleitet mich seit sehr vielen Jahren und gerade wenn ich mich in Phase 8 befinde, passt es oft sehr gut. Sonst "Worry" von Jack Garratt.

  3. someone sagt:

    Tut mir wahnsinnig Leid, weil das einfach so ziemlich das Schlimmste ist, was Menschen durchmachen müssen. Aber: ja, das ist so. Es geht ziemlich sicher vorbei, auch wenn’s manchmal höllisch lange dauern kann. Aber dann…irgendwann ist es rum und dann ist mensch drüber weg.
    https://www.youtube.com/watch?v=d3U8L-hL9ic
    https://www.youtube.com/watch?list=PLr6ePnxUUANtbsMIXBUAmbBJ1DA6qas0K&v=85SdFic0Wog
    https://www.youtube.com/watch?v=9Mh75M4ZYOc
    https://www.youtube.com/watch?v=JQlJ3lJ6Els
    https://www.youtube.com/watch?v=1cMHJSFunnU
    Bei mir war’s eine laaaange Trennung….
    Viel Kraft Dir und dass es schnell vorbei geht.