Psychotherapeut*in gesucht

Der Punkt einer persönlichen Krise, an dem du feststellst, dass du vielleicht doch professionelle Hilfe in Erwägung ziehen solltest, ist für viele Menschen ein Wendepunkt. Oft bist du dann zwar komplett am Boden, das bringt aber den Vorteil mit sich, dass es von da an nur noch aufwärts gehen kann. Schwierig daran ist jedoch folgende Tatsache: Therapieplätze sind rar. Eine erste Anfrage bei Therapeut*innen ergibt oft, dass entweder gar keine neuen Patient*innen aufgenommen werden oder du, und selbst dafür braucht es schon Glück, einen Platz auf der Warteliste haben kannst. Je nach Wohnort musst du sogar mit bis zu vier Monaten Wartezeit bis zu einem Erstgespräch rechnen. In einer Notsituation klingt das wie eine Unendlichkeit, aber lass dich davon nicht entmutigen.
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Vorneweg: Es gibt gewaltige Unterschiede zwischen Psychiater*innen, Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen. Psychiater*innen sind Ärzt*innen, die ihrem Medizinstudium eine Ausbildung zum*zur Fachärzt*in für Psychiatrie und Psychotherapie angeschlossen haben. Als einzige der genannten Berufsgruppen dürfen sie Medikamente verschreiben. Psycholog*innen haben ein Psychologiestudium absolviert. Therapieren dürfen sie aber erst mit einer Ausbildung zum*zur Psychologischen Psychotherapeut*in.

Beschleunigen kann man den Prozess, indem man mal bei der Krankenkasse anfragt, ob sie Therapieplätze vermittelt. Wenn es dort nicht klappt, ist die Kassenärztliche Vereinigung deines Bundeslandes die nächste Anlaufstelle. Die KV Bayern beispielsweise hat eine Koordinationsstelle, die neben der Vermittlung auch allgemeine Fragen zu Psychotherapien übernimmt. Möglicherweise hat auch dein*e Hausärzt*in einige Tipps. Oft kooperieren psychiatrische Praxen mit Psychotherapeut*innen, sodass von dort vermittelte Patient*innen etwas früher drankommen. Falls du also bereits in psychiatrischer Behandlung bist, solltest du unbedingt dort fragen, ob sie dir jemanden empfehlen können. Wie immer gilt: Google ist ebenso einen Versuch wert.

Was willst du eigentlich?
Bevor du dich auf die Suche machst, solltest du aber einige persönliche wichtige Fragen klären: Was willst du eigentlich? Welche Therapieschule passt am besten zu deinen Bedürfnissen und Zielen? Wenn du Psychoanalyse nach Freud für einen riesigen Peniswitz hältst, ist dieser Ansatz für dich wohl eher wenig sinnvoll. Was genau erwartest du dir von einer Psychotherapie? Nein, der*die Therapeut*in kann deine Probleme nicht für dich lösen, sondern bestenfalls mit dir, also solltest du gegebenenfalls deine Ansprüche anpassen.
Brauchst du auch eine medikamentöse Behandlung? Ziehst du sie zumindest in Erwägung? Möchtest du die Gesprächs- und die Pharmakotherapie „aus einer Hand“ bekommen? Wenn ja, fallen psychologische Psychotherapeut*innen für dich schon mal weg, da sie keine Ärzt*innen sind und daher keine Medikamente verschreiben dürfen. Falls du beispielsweise eine Borderline-Persönlichkeitsstörung hast oder vermutest, dass diese Diagnose auf dich zutrifft, kannst du dich über dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) informieren, die speziell für Menschen mit BPS entworfen wurde. Zwar wird diese Therapieform nur vereinzelt angeboten, aber sie könnte dir vielleicht helfen und wäre die Wartezeit und einen Versuch wert. Ist dir das Geschlecht des*der Therapeuten*in wichtig? Sollte dein*e Therapeut*in Erfahrung mit bestimmten Themenbereichen haben bzw. dafür sensibilisiert sein? Das könnte insbesondere für Menschen, die transgender oder nonbinär sind, wichtig sein. Es gibt auch Therapeut*innen, die sich beispielsweise auf sexualisierte Gewalt spezialisiert haben. Sehr hilfreich ist dafür das Hilfeportal Sexueller Missbrauch.
Und nun?
Wenn du all das geschafft hast – Therapieschule ausgesucht, Therapeut*in gefunden, den Sprung von der Warteliste ins Wartezimmer geschafft – hast du in der Regel fünf probatorische Sitzungen Zeit, um zu gucken, ob die Chemie zwischen euch stimmt. Die Beziehung zwischen Therapeut*in und Patient*in (manche Therapeut*innen sprechen auch lieber von „Klient*innen“) ist die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie, die dir dabei hilft, deine Ziele zu erreichen. Wenn du merkst, dass kein Vertrauen da ist oder du dich nicht ernstgenommen fühlst, solltest du dir gut überlegen, ob du mehr als die fünf Probesitzungen machen möchtest.

Natürlich hast du lange auf den Therapieplatz gewartet und es ist vollkommen verständlich, wenn du Angst hast, in nächster Zukunft keinen anderen zu bekommen, aber keine Therapie ist definitiv nicht schlimmer als eine schlechte Therapie. Ganz im Gegenteil: Du hast es verdient, eine*n Therapeuten*in zu finden, der*die zu dir und deinen Bedürfnissen passt, dem*der du vertrauen kannst und mit dem*der du deine Probleme angehen kannst. Mit allem anderen schießt du dir nur ins eigene Knie.
Therapie ist oft ein sehr schmerzhafter Prozess, der Gefühle ans Licht bringt, mit denen du dich lieber irgendwann mal, bloß nicht jetzt, oder am besten gar nicht auseinandersetzen möchtest. Vielleicht ist das auch einfach ein Selbstschutzmechanismus und die für dich richtige Methode, damit umzugehen. Vielleicht wird aber durch Verdrängung alles schlimmer und die Verarbeitung dieser Gefühle in der Therapie kann dir auf Dauer helfen, besser mit ihnen klarzukommen. Das kannst aber nur du abwägen und entscheiden. Vergiss dabei nur bitte eines nicht: Du bist es wert, dass dir jemand hilft.