Mein Weihnachten

Foto , CC BY-NC-ND 2.0 , by Bryce Bradford

Jedes Jahr wieder. Jedes Jahr wieder ist ganz plötzlich Dezember und Weihnachten steht vor der Tür. Und genau das ist dann der Zeitpunkt, wo ich gefragt werde, was ich denn Weihnachten mache, ob ich auch Weihnachten feiere. Die kurze Antwort wäre “Jein”, die bringt euch aber auch nicht weiter.

Schon in der Schule wurden mir jedes Jahr diese Fragen gestellt. Das war nicht immer einfach für mich, weil unsere Familie kein klassisches Weihnachten hatte und junge Menschen ganz schön verletzend sein können, ohne dass ihnen das bewusst ist. Sich von seinen Mitschüler*innen anhören zu müssen, dass ich ja kein “richtiges” Weihnachten feiere oder dass ich gar nicht so viele tolle Geschenke bekommen habe wie sie, ist nicht schön. Heute sind es andere Menschen die mich fragen: Zum einen sind es die, die ich im Laufe des Jahres kennengelernt habe, aber auch Arbeitskolleg*innen oder ganz fremde Menschen, die ich zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt getroffen habe.

Backen, Schneemänner, Zusammensein

Wie für die meisten, ist für mich die Vorweihnachtszeit vor allem eins: stressig. Herumrennen und versuchen das “perfekte” Geschenk zu finden. Weihnachten selbst bedeutet für mich das Zusammenkommen mit der Familie und mit Freund*innen. Und es bedeutet, sich darüber Gedanken zu machen, wer von uns wann, wo, wie lange ist. Wann fahren meine Schwester und ich nach Hause und wie lange bleiben wir, besuchen wir noch die Großeltern oder nicht. Und wieso hat Papa jedes Jahr auch noch am 27.12. Geburtstag?

Eine meiner Kindheitserinnerungen an die Vorweihnachtszeit ist das Backen. Meine Mutter hat Stollen gebacken und meine Schwester und ich Kekse. Ich erinnere mich auch noch an Lebkuchenhäuser die wir “bauten”. Vielleicht ist Backen deshalb heute immer noch eines der wichtigsten Vorweihnachtsrituale für mich.

Meinen Eltern ist Weihnachten nicht besonders wichtig, wir haben es aber schon immer als eine Phase genutzt, in der wir als Familie zusammenkommen und gemeinsam Zeit verbringen. Gleichzeitig legten meine Eltern wert darauf, dass wir, also meine Schwester und ich, nicht als Außenseiterinnen angesehen werden. Wir hatten zu Hause zwar nie einen Weihnachtsbaum (und wenn ich ehrlich bin, verstehe ich den Sinn auch nicht wirklich, sich einen Baum in die Wohnung zu stellen). Was es aber immer bei uns gab, waren Kerzen und Deko-Schneemänner. Meine Mutter hat eine ganze Sammlung an Schneemännern, die jedes Jahr zu Weihnachten bei uns im Fenster stehen. Nachbar*innen fragen schon immer danach, wenn sie mal nicht da sind oder einfach später hingestellt werden.

Muslima im Christentum

Der Spagat zwischen verschiedenen Kulturen ist nicht immer einfach. Ich konnte beispielsweise zum Ende des Ramadan mit meinen Eltern nur in die Moschee gehen, wenn sie mir eine Entschuldigung schrieben. Dabei entstand bei mir damals die Frage, ob eine Religion wichtiger ist als die andere. Denn ich erlebte immer, dass christliche Feiertage gleichbedeutend mit (Schul-)Ferien waren, die der anderen Religionen aber in der Regel nicht. Ich bin in einem muslimischen familiären Umfeld aufgewachsen, trage aber weder ein Kopftuch, noch erkennt man auf den ersten Blick, dass ich mit dem muslimischen Glauben groß wurde. Heute weiß ich, dass es natürlich nicht stimmt, dass eine Religion wichtiger ist als die andere, aber wenn man als Muslima in einer christlich geprägten Gesellschaft aufwächst und möglicherweise Zusammenhänge noch gar nicht versteht, ist es anfangs schwierig, darauf eine Antwort zu geben.

Weniger Geschenke, dafür mehr eigene Rituale

Meine Schwester und ich haben inzwischen unsere eigenen Weihnachtsrituale, die wir in unser Leben einbauen. Es werden jedes Jahr fleißig Weihnachtskarten geschrieben, und das nicht nur an die Menschen, mit denen man sonst keinen Kontakt hat, sondern an alle <3-Menschen.

Inzwischen ist es auch Tradition geworden, dass meine Großeltern am 3. Advent bei meinen Eltern sind, was heißt, dass auch meine Schwester und ich dazu kommen. Wir essen dann gemeinsam zu Mittag und gehen in das Gemeindehaus der Kirche bei meinen Eltern im Ort, wo es am Nachmittag Kaffee und Kuchen gibt. Dort trifft man dann auch auf Freund*innen und Bekannte, mit denen man sich nach langer Zeit mal wieder unterhalten kann. Dazu spielt der Pastor am Klavier. Insgesamt ist es sehr, sehr spießig, aber irgendwie gehört es dazu. Außerdem: Wer von uns mag denn keine selbstgebackenen Torten und Kuchen? (Das einzige “Problem” ist der entkoffeinierte Kaffee, aber den nimmt man in Kauf).

In dem Ort, wo meine Eltern leben, ist es inzwischen super angenehm, da jede*r irgendwie jede*n kennt und den Menschen bekannt ist, dass wir Weihnachten nicht im traditionellen christlichen Sinne feiern, wir aber dennoch einen Teil der Kultur leben.

Zu diesem Leben der Kultur und zur Vorweihnachtszeit gehört für mich auch, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen und gebrannte Mandeln und Schmalzkuchen zu essen. Wenn ich das nicht mache, fehlt irgendwas. Die Atmosphäre auf einem Weihnachtsmarkt ist einmalig, vor allem wenn man auf die kleinen Märkte geht. Beispielsweise ist der Weihnachtsmarkt in Goslar total schön, da dieser mitten im Wald liegt. Der finnische Weihnachtsmarkt in Hannover ist auch toll und hat eine ganz besondere Stimmung.

Weihnachtsgeschenke nehmen bei mir eher eine untergeordnete Rolle ein. Meine Schwester und ich haben, als wir jünger waren, immer eine Kleinigkeit bekommen, aber nie so richtig große Geschenke. Meine Großeltern haben uns auch immer etwas geschenkt, wobei das bei meiner Oma in der Regel etwas Selbstgestricktes oder Bücher waren. Früher fand ich es doof selbstgestrickte Dinge zu bekommen, heute liebe ich die Strickjacken von ihr. Und die Socken erst! (Ich selbst bin froh, wenn ich es schaffe einen Schal zu stricken, alles andere ist für mich echt ein Buch mit sieben Siegeln.)

Mein Weihnachten: so normal wie deins

Wenn mich also mal wieder jemand fragt, wie ich Weihnachten verbringe, sage ich einfach: ”Vermutlich ganz ählich wie du!”. Heute fällt mir diese Antwort leichter, heute bin ich aber auch älter. Ich gehe entspannter mit der Weihnachtszeit um. Ich kann schneller sagen, dass Weihnachten für mich mit meinen eigenen Ritualen eine besondere Zeit ist, ohne dass ich das Gefühl habe, irgendwelchen gesellschaftlichen Ansprüchen entsprechen zu müssen.

In diesem Sinne wünsche ich euch eine schöne Zeit, egal wie ihr sie verbringt. Lasst euch gesagt sein, jede*r hat das Recht darauf Weihnachten so zu verbringen wie es gefällt, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Habt euch lieb <3!

2 Antworten zu “Mein Weihnachten”

  1. Inea sagt:

    Sehr schöner Schlußsatz! Und guter Artikel. :)
    Danke.

  2. Pinguinlöwe sagt:

    Das mit den Karten finde ich gut. Die Weihnachtszeit kann für alle schwierig sein, zum einen natürlich wegen der Kälte für die neu angekommenen in Deutschland, zum anderen gibt es viele Menschen die alleine Leben und vielleicht keine großartigen Kontakte zu Freunden oder Familie haben und wo der Weihnachtstrubel trotzdem natürlich von überall schallt. (Zu der Gruppe zähle ich mich) Dann lässt sich schauen ob „Mensch“ vielleicht aktiv werden kann, helfen kann, um sich abzulenken und gleichzeitig einen etwas selten gewordenen Weihnachtsgedanken zu tragen, aber ich glaube das Nächstenliebe etwas ist, dass in allen Religionen wertgeschätzt wird und daher Völkerübergreifend funktioniert.