Leader of the pack – 10 Dinge, die ich gelernt habe, seitdem ich ein Team führe

Foto , CC BY-NC-ND 2.0 , by atomicshed

Vor etwas mehr als einem Jahr ergriff ich die Chance, für BuzzFeed, eine US-Website für Unterhaltung und Nachrichten, eine deutsche Redaktion in Berlin aufzubauen. Zu meinem Job gehörte von Anfang ein, ein Team zu führen. Mehr als das: Es war und ist mein Job, überhaupt die richtigen Leute für uns zu finden, das Team zu führen und weiter wachsen zu lassen.

Ich war 31, als ich die Stelle antrat. Davor hatte ich für verschiedene andere Medien gearbeitet, darunter Online-Ableger von Tages- und Wochenzeitungen. Ich hatte häufig in Teams gearbeitet, aber nie ein eigenes geführt. Und deswegen war eins klar, als ich meine neue Stelle antrat: Ich betrat ein unbekanntes Land. Hatte ich Respekt? Immer. Angst? Manchmal. Lernte ich, dass rhetorische Fragen kein guter Stil sind? Offensichtlich nicht, aber ich bin ja noch nicht am Ende aller Tage.

Als klar war, dass ich diesen Job machen würde, nahm ich mir 2 Sachen vor: 1. Eine bessere Chefin zu sein als die schlechten Chefs, die ich schon erlebt hatte. 2. Dabei nicht mein Leben komplett nur der Arbeit unterzuordnen.

Nach einem Jahr kann ich sagen: Es ist nicht so leicht, diese Ziele zu erreichen. Vor allem der zweite Teil ist eine Hürde. Streng genommen stehen sich Vorhaben eins und zwei manchmal sogar im Weg. Denn um mein Team zu unterstützen, muss ich ihm zugewandt sein. Es reicht nicht, ein paar freundliche E-Mails zu schreiben oder einmal im Monat auf Zahlen zu gucken und den Menschen dahinter nicht mehr in die Augen zu schauen. Ich will wissen, was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewegt, wo es knirscht und welche Ideen für die Zukunft sie haben. Darüber hinaus muss ich mir überlegen, wie ich neue Leute gewinne, wer geeignet sein kann und wie wir wachsen, ohne unseren Zusammenhalt und Gemeinsamkeit zu verlieren.

Ich muss präsent sein. Das kostet Zeit. Viel Zeit. Ein paar Stunden mehr am Abend. Eine Stunde mehr am Morgen. Eine halbe Stunde, die ich schon im Wochenende sein wollte.

Darüber hinaus gibt es einige Lektionen mehr, von denen ich vor einem Jahr noch nicht wusste, das ich sie lernen würde. Da mein Job das Denken in Listen nicht nur fördert, sondern im Grunde zur Bedingung hat, dachte ich mir, ich könne diese Lektionen mal in genau dieser Form aufbereiten. In der Hoffnung, dem- oder derjenigen, der vor einem ähnlichen unbekannten Land wie ich steht, damit eine Art rudimentären Reiseführer an die Hand zu geben. Ein sehr, sehr kleiner “Lonely Planet” für das Thema Teamführung, wenn ihr so wollt.

 


1. Vertrau deinem Instinkt

Diese Lektion habe ich vor allem beim Einstellen neuer Leute gelernt. Es ist verführerisch, einem makellosen Lebenslauf zu trauen oder einem guten Arbeitszeugnis. Am Ende ist es mit dem Einstellen aber ein bisschen so wie mit dem Dating: Je früher man sich im echten Leben gegenüber sitzt, umso früher weiß man, ob Job und Mensch zueinander passen. Wenn nach dem ersten Gespräch ein Unwohlsein da ist, weil Du das Gefühl hast, irgendwas passt nicht, dann ist das ein Signal, dem Du trauen solltest. Es klingt fies, weil es für den- oder diejenige, die den Job will, kaum zu steuern ist, aber am Ende geht es bei der Suche nach neuen Leuten ganz viel um das Gefühl der Chefin oder des Chefs, ob eine (Arbeits-)beziehung funktionieren kann, weil man ähnlich schwingt und sich einig ist, was Sinn und Umfang einer Aufgabe angeht. Für den- oder diejenige, die einen Job will, bedeutet das übrigens: Sei Du selbst. Du hast keine Lust, einen Job zu machen, in dem Du Dich verstellen musst (es sei denn, du bist Schauspielerin oder Schauspieler) – dafür ist das Leben zu kurz. Vertraue einfach darauf, dass du ok bist, wie du bist, die andere Seite auch und nun guckt ihr mal, ob ihr miteinander könnt. Es ist alles halb so wild, wenn du respektierst, dass dein Instinkt weiß, was gut ist.

2. Diene Deinem Team

 

Mein Job als Chefin ist es, meinem Team zu ermöglichen, seinen Job zu machen. In meinem konkreten Fall hieß das, ein Büro zu suchen, mich mit administrativen Kram rumzuschlagen und möglichst viel des Lärms von Presseanfragen oder Trollereien von ihm fern zu halten. Das bedeutet nicht, dass ich mein Team abschotte, aber es bedeutet, dass ich es schütze vor dem, was es nicht zu verantworten hat.

3. Vertraue Deinem Team

 

Ein großes Geschenk für mich in diesem Job war es, einen Chef zu bekommen, der mir vertraut. Das ist Teil einer Notwendigkeit und mitnichten die reine Menschenfreundlichkeit (auch wenn mein Chef sehr freundlich ist. Shout out to Scott! I know you read here! How´s it going?), denn wir sitzen einen Ozean voneinander entfernt. Es hat mir aber auch gezeigt, dass es wertvoll ist, seinem Team genau dieses Vertrauen zu spiegeln. Bis auf Widerruf arbeiten ausschließlich geniale Überflieger in meinem Team, die wissen, warum sie handeln, wie sie handeln und die das Beste für diesen Job im Hinterkopf haben. Sollte sich das Gegenteil erweisen, kann ich immer noch umdenken. Als Werkseinstellung setzt “Vertrauen” meiner Erfahrung nach aber Selbstvertrauen und Ehrgeiz in Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frei, die mehr bewirken als Selbstzweifel, Druck und Angst.

4. Hör Dir auch die Meinungen an, denen Du nicht zustimmst

Teil dieses Vertrauens ist es, die Meinung Deines Teams ernstzunehmen. Das bedeutet nicht, ein Fähnlein im Winde zu sein und nur noch zu entscheiden, was populär ist, statt zu entscheiden, was richtig ist. Andere Meinung anzuhören hilft Dir aber, überhaupt zu kapieren, welche Argumente es gibt, die Du vielleicht noch nicht berücksichtigt hast und was Dir helfen kann, die am Ende richtige Entscheidung zu treffen. Dabei ist es auch wichtig, zwischen sachlichen Argumenten und Emotionen zu unterscheiden. Ich finde nicht, dass Befindlichkeiten nichts in Diskussionen zu suchen haben. Am Ende arbeite ich mit Menschen und nicht mit Robotern oder Algorithmen. Und: Ich arbeite FÜR Menschen, nicht für Roboter und Algorithmen. Deswegen schadet es nicht, diese emotionale Ebene einer Meinung zu sehen. Es bedeutet aber nicht automatisch, dass sie immer im Recht ist.

5. Drück Dich klar aus

Es spart Zeit und es macht die Arbeit leicht, wenn Du nicht herumeierst. Mach klare Ansagen und stehe dazu. Das bedeutet übrigens nicht, dass Du eine Ansage nicht auch ändern kannst. Wenn das passiert, sei auch dabei klar und gib zu verstehen, dass du nicht einer Amnesie erlegen bist, sondern eben gerade den Kurs änderst. Dein Team ist nicht bescheuert. Es wird zu schätzen wissen, ernst genommen zu werden und nicht so tun zu müssen, Kursänderungen nicht offen anzusprechen.

6. Sei verbindlich und eier nicht rum

Klingt leicht, ist aber schwierig. Denn manchmal ist es verführerisch, eine unbequeme Botschaft oder eine unwillkommene Ansage hinter schönen Floskeln oder geistreichen Anekdoten zu verstecken. Am Ende schadet es aber mehr als es nützt: Dein Team weiß nicht, wovon Du sprichst und Du kannst die vorgegebenen Ziele nicht abrufen, weil niemand weiß, welche das überhaupt sind. Verbindlichkeit bedeutet, zu dem zu stehen, was du sagst. Du solltest erreichbare Ziele stecken und dafür sorgen, dass verstanden wird, was diese Ziele sind. Das hilft im Übrigen auch dir zu erkennen, ob ihr da steht, wo ihr stehen wollt.

7. Du bist nicht in einem Beliebtheitswettbewerb

Chefin sein bedeutet, manchmal unbequeme Entscheidungen treffen zu müssen und manchmal mehr zu wissen als dein Team, beispielsweise bei einer Personalentscheidung. Das ist eine Umstellung, wenn Du vorher Mitarbeiter warst und andere ins Vertrauen ziehen konntest. Am Anfang kann das ätzend sein. Es gibt aber kaum etwas ätzenderes, als einen Chef wie Michael Scott, der seine Entscheidungen ausschließlich an Popularität ausrichtet und nicht der Chef, sondern der Freund seiner Leute sein will. Dein Team will keinen Freund. Dein Team will jemanden, der sagt, wo es langgeht und dem es vertrauen kann. Entscheidend dabei ist nicht, ob du nett warst, sondern ob du Respekt an den Tag gelegt hast. Wenn dir Letzteres auch in einer unbeliebten Entscheidung gelingt, dann hast du etwas Wertvolleres als Beliebtheit erreicht. Du hast Vertrauen erlangt.

8. Delegiere

Du wirst zusammenbrechen, wenn du es nicht machst. Gib Aufgaben ab und gib sie an die Leute ab, denen Du sie zutraust.  

9. Wenn Du delegiert hast, akzeptiere, dass du delegiert hast

Es gibt kaum etwas Ätzenderes als einen Chef, der dreimal kontrolliert, ob die Aufgabe auch wirklich erledigt wurde. Das bedeutet nicht, dass du keine Ahnung haben solltest, was deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so machen. Aber gib ihnen auch die Chance, ihre Aufgabe überhaupt zu erledigen, bevor du nachhakst oder noch schlimmer: Bevor du  von ihnen verlangst, den Job genauso zu machen wie du ihn machen würdest. Dein Team ist gut, wenn es aus Leuten besteht, die unterschiedlich sind. Eingeschworen auf ein gemeinsames Ziel, aber unterschiedlich in ihrer Taktik, es zu erreichen. Trau ihnen zu, ihren Weg zu gehen und ermutige sie, ihn auf ihre Art zu gehen.

10. Never freak out before you have to freak out

Der wertvollste Tip zum Thema Chefinsein erreichte mich in einer gänzlich un-cheffigen Situation. Ich war vor ein paar Jahren auf Besuch in New York und hatte bei einer Freundin Station gemacht, bevor ich zu einer anderen Freundin weiterwollte. Auf dem Weg zum Abendessen der Schock: Mein Geldbeutel war nicht mehr in meiner Tasche! Ich malte mir sofort die schwärzesten Szenarien aus: Geld weg, EC-Karte weg, Ausweis weg. Als Start einer Urlaubsreise eher nicht so gut. Als ich in den trübsten Gedanken tauchte und schon gar nicht mehr glauben wollte, dass es ja auch alles ganz anders sein  könnte, sagte meine Freundin den magischen Satz: „Never freak out before you have to freak out“. Was sie meinte, war: Hole dir alle Informationen, die du brauchst, bevor du glaubst, dass die Katastrophe eingetroffen istt. Spar deine Energie, solange du nicht weißt, ob du Grund zum Ausflippen hast. Der Ratschlag war richtig und gut, denn kurze Zeit später entdeckten wir den Geldbeutel unangetastet bei ihr in der Wohnung. Ich hatte ihn schlichtweg vergessen, als wir das Haus verlassen hatten.

 

Was ich daraus gelernt habe: Ich versuche nicht, auszuflippen, bevor ich weiß, dass ich ausflippen sollte. Es macht mein Leben etwas leichter, meinen Puls ruhiger und lässt mich nachts einschlafen, statt bis 3 Uhr wachzuliegen, weil ich über irgendein Detail nachgrübele. Nachts um drei macht es selten Sinn, auszufreaken. Also freake ich nicht aus.

 

Alles in allem ist Chefin sein übrigens Klasse. Ich kann es sehr empfehlen. Und ich bin gespannt, welche Tipps ihr zu ergänzen habt.

2 Antworten zu “Leader of the pack – 10 Dinge, die ich gelernt habe, seitdem ich ein Team führe”

  1. julianeleopold sagt:

    Entschuldige die späte Antwort, ich war ein paar Tage nicht online. Mein Tipp ist, das Problem offen anzusprechen. Wichtig ist, kein Gespräch im Vorwurfsmodus zu führen, sondern konstruktiv und vor allem konkret heranzugehen. Also z.B. Beispiele aufschreiben, wann euch das Verhalten eurer Vorgesetzten oder eures Vorgesetzten unkollegial vorkam und sagen, warum das so war und wie es bei euch rüberkam. Auch ist es gut, Probleme nicht lange hochkochen zu lassen, sondern regelmäßig miteinander zu sprechen, auch mal ohne Probleme zu wälzen, sondern nur, um den aktuellen Stand der Dinge abzugleichen. Wenn Hopfen und Malz verloren ist und nichts mehr hilft, hilft es vielleicht, sich mal zu überlegen, ob man das Problem eine Ebene höher diskutieren kann. Wichtig ist, das Gegenüber nicht zu dämonisieren, sondern als Mensch mit Ecken und Kanten zu respektieren. Gilt für beide Seiten!

  2. Sierralog sagt:

    Sehr schöne Liste in der ich aus eigener Erfahrung vielen Punkten zustimmen kann. Bei Punkt 1 („Wenn nach dem ersten Gespräch ein
    Unwohlsein da ist, weil Du das Gefühl hast, irgendwas passt nicht, dann
    ist das ein Signal, dem Du trauen solltest.“) hätte ich eine Ergänzung – ja, dem Unwohl sein sollte man trauen, aber nicht um der Person abzusagen. Oftmals ist das was da in Resonanz geht eben auch das „andere“ das „Fremde“ und das ist aus Teamperspektive oftmals bereichernd um zu verhindern, dass man nur „gleichschwingende“ Kollegen hat. Die die gleich schwingen helfen weniger um blinde Flecken zu identifizieren – das tun diejenigen, die die Welt ander sehen.