Flucht und Angst

Foto , © 2015 , by Erik Marquardt

Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Punkt. Nach diesem Satz kommt kein “Aber…”, da kommt kein Zweifel.

Krieg und Verfolgung sind real und täglich sterben deswegen Menschen. Und täglich machen sich Menschen auf den Weg nach Europa, um in Sicherheit leben zu können. Viele schlagen sich bis nach Deutschland durch und hoffen hier auf Sicherheit und eine Zukunft, in der sie ohne Angst leben können. Doch die Realität sieht anders aus.

Sommermärchen – Flüchtlingshilfe?

In den letzten Monaten konnten wir in Deutschland beobachten, wie hunderte freiwillige Helfer*innen die geflüchteten Menschen an Bahnhöfen und Grenzübergängen empfingen, sie mit dem Nötigsten ausstatteten und so ein Zeichen gegen den Fremdenhass und der “Das Boot ist voll!”-Rhetorik zu setzen. Die Zivilgesellschaft, zumindest ein Teil davon, versucht den Geflüchteten so gut wie es geht zu helfen, doch das ist nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes und letzteres sieht leider nicht ganz so schön aus. Geflüchtete sind in Erstaufnahmeeinrichtung, in Zeltlagern und in Massenunterkünften untergebracht. Mit dem Absinken der Temperaturen und dem Dauerregen in der letzten Zeit hat die Unzumutbarkeit der Zeltlager ein neues Maß erreicht. In den Zelten ist es nass und kalt, in einigen Fällen sind nach dem ersten Schnee die Heizungen ausgefallen.

Anstatt nach Wegen zu suchen eine bessere, vielleicht auch dauerhafte Unterbringung zu ermöglichen, sucht die Politik die Antwort in einer schnelleren Abschiebung. Politiker*innen werden nicht müde zu sagen, dass die Unterbringung in Zelten nur eine Übergangslösung sein kann. Dass wir schauen müssen, wer bleiben darf und wer wieder gehen muss. Innenminister De Maizière kündigt eine „harte, unfreundliche Botschaft“ für die an, von denen klar ist, dass sie nach den Regelungen des Asylgesetzes nicht bleiben dürfen. Er sagte auch: „Rechtlich gibt es keine Obergrenze für das Asyl, aber wir müssen dafür arbeiten, dass wir eine faktische Grenze der Zuwanderung haben. Sonst kriegen wir das nicht hin.“ Mit seinen Äußerungen ist de Maizière nicht allein: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann fordert neben Transitzonen auch, dass möglichst viele geflüchtete Menschen abgewiesen werden, wenn Sie über andere EU-Staaten nach Deutschland gekommen sind. Dabei sind gerade solche Äußerungen Brandbeschleuniger und das leider nicht nur im übertragenen Sinne.

Morgendliche Angst

Aufstehen. Nachrichten anmachen. Wieder hat es in einer Unterbringung für Flüchtlinge gebrannt. Jeden Morgen mindestens ein neuer Fall. Über Wochen. Über Monate. Die Gewalt gegenüber Gefüchteten ist dauerpräsent. Und es ist kein Problem, das nur einen „rechten Rand“ der Gesellschaft betrifft. Rassismus ist weiterhin tief in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt und heute wieder gesellschaftsfähiger denn je. Dass am Sonntagabend, zu einer der besten Sendezeiten, Björn Höcke als Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen knapp 60 minuten lang die rassistischen Positionen seiner Partei in einer öffentlich-rechtlichen Talkshow verbreiten konnte, ist nur ein Beispiel dafür.

Viele Medien in Deutschland haben über die Sommermonate Deutschland als hilfsbereite Nation dargestellt, jedes große Medienhaus hat dabei Kampagnen für die Belange von Flüchtlingen unterstützt. Die rassistischen Übergriffe und Mobilisierungen werden von vielen etablierten Medien verurteilt, jedoch häufig nicht ohne Phrasen wie “besorgte Bürger” oder die “Angst” der Rassist*innen zu erwähnen. Dabei war es gerade die deutsche Medienlandschaft, die jahrelang Ängste geschürt und damit auch Rassismus verschärft hat.


Bisher ist niemand bei einem der Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte gestorben: Das ist pures Glück. Rasisst*innen machen nicht davor Halt, auch bewohnte Unterkünfte mit Brandsätzen anzugreifen und somit den Tod von Menschen bereitwillig in Kauf zu nehmen.

Dabei sind die Brandanschläge auf die Unterkünfte nur die Spitze des Eisbergs. Geflüchteten begegnet Rassismus täglich: Rechte Schmiererei, Demonstrationen vor den Unterkünften, Bürger*innen-Initiativen, die gegen Flüchtlinge hetzen, Übergriffe auf Flüchtlinge, diese Liste könnte noch beliebig weiter geführt werden. Die Gewaltbereitschaft nimmt zu, unter anderem auch befeuert durch die Reproduktion rassistischer Ressentiments durch manche Politiker*innen.

In Altena, in Nordrhein-Westfalen, wurde eine bewohnte Asylunterkunft mit Benzin angezündet. Zwei Männer wurden gefasst und gestanden die Tat. Die Staatsanwaltschaft zieht nun folgenden perfiden Schluss: die Täter sind weder rechtsradikal, noch ist die Tat ein versuchter Mord, da „nur“ das Dachgeschoss angezündet worden ist und die Täter nur aus „Angst vor Flüchtlingen“ gehandelt haben. Deswegen sind die beiden jetzt wieder auf freiem Fuß. Die Justiz sorgt mit solchen Entscheidungen für die Verharmlosung solcher Taten, die ganz offensichtlich von rechtem Gedankengut motiviert sind.

Geflüchtete sind Menschen

Das Recht, Rechte zu haben, muss in den Vordergrund gerückt werden. So unbegreiflich es ist, müssen wir offenbar immer wieder daran erinnern, dass Geflüchtete Menschen sind. Menschen, die bereits jetzt schon mehr Leid erfahren haben als die meisten von uns sich vorstellen können. Ein Leid, welches wir verringern könnten: legale und sichere Einreisewege wären der schnellste und beste Weg, Menschen, die vor Krieg und Verfolgung, Krisen und Katastrophen fliehen, in sichere Gebiete zu bringen.

Für viele von uns ist es nicht vorstellbar, was Menschen gerade erleben und in Kauf nehmen, um vor Krieg und Bedrohung zu fliehen. Dass sie dann nicht mal hier in Deutschland in Sicherheit sind, ist beängstigend. Mehr als 400 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte gab es seit Beginn des Jahres. Als seien die Zahlen der Sicherheitsbehörden bezüglich der Angriffe auf Geflüchtete nicht schon dramatisch genug. Das rassistische Klima, das schon immer Teil der Gesellschaft war, verbreitet sich inzwischen immer mehr und genau diese Entwicklung ist besorgniserregend.

Wenn wir es nicht schaffen, endlich Maßnahmen zu treffen die dem wirksam entgegenwirken, möchte ich mir gar nicht ausmalen wie sich die Situation, nicht nur von Geflüchteten, sondern generell von hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund verschärfen wird. Bereits heute erlebe ich in meinem Alltag Angst vor rassistischen Übergriffen. Ich habe inzwischen “No-Go-Areas”. So bitter es klingt, fühle ich mich nicht sicher z.B. allein nach Dresden zu fahren. Generell habe ich bei Fahrten in den Osten von Deutschland Angst. Dabei ist es kein rein ostdeutsches Problem, das ist mir durchaus bewusst, aber gerade durch die extreme Radikalisierung und Mobilisierung im Osten ist mein persönliches Sicherheitsgefühl dort noch mehr beeinträchtigt als es möglicherweise anderswo ist. Geflüchtete, die in Orten untergebracht sind, in denen sie angegriffen werden und Rassismus ausgesetzt sind, sind aufgrund der Residenzpflicht nicht in der Lage, an einen Ort zu ziehen, an dem sie angstfrei(er) leben können.

Es liegt in unserer Verantwortung, dass Geflüchtete hier keine Angst mehr haben müssen. Wir können sie wahrnehmen, indem wir uns konsequent gegen Rasist*innen stellen. Indem wir Rassismus als Rassismus benennen und rechten Terror endlich auch juristisch verfolgen als das, was er ist: Terrorismus.

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