You couldn’t be ordinary if you tried – Eine kleine Liebeserklärung an die Frauen von The Bletchley Circle

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Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen. Dieses Mal kommt er von Kathi.

Wenn Kathi gerade nicht arbeitet, dann trifft man sie wahrscheinlich Sockenstrickend beim Schauen einer Serie an.

@bilazmrzlina

Dank der Empfehlung einer Freundin entdeckte ich die mit leider viel zu wenigen Episoden ausgestattete britische Mini-Serie „The Bletchley Circle“. Als jemand, die gerne und viel Serien schaut und dabei viel Spaß an Krimis und ähnlichem hat, sprach sie mich auf Anhieb an: Im Zentrum der Anfang der 1950er angesiedelten Serie stehen vier Frauen, die gemeinsam während des II. Weltkriegs in geheimer Mission im namengebenden Bletchley Park codierte Nachrichten der Deutschen entziffern. Nach Ende des Krieges treffen sie wieder aufeinander als eine der vier, Susan, in den Radionachrichten das Muster einer Mordserie erkennt. Über das Verfolgen der Spuren werden die ehemaligen Kolleginnen zu Freundinnen.

Begeistert haben mich nicht so sehr die über die zwei Staffeln verteilten drei Fälle – die sind auch spannend, aber schon wegen der Spoilergefahr werden sie hier nicht besprochen –, sondern die Frauengruppe, die sie löst. Denn im Mittelpunkt steht nicht wie sonst häufig eine einzelne Frau, die einem Rätsel oder Mordfall nachgeht, oder ein gemischtes Team, sondern eine reine Frauengruppe, die ich euch gerne näher vorstellen möchte.

Susan, Millie, Lucy und Jean

Susan (gespielt von der wunderbaren Anna Maxwell Martin) findet sich nach dem II. Weltkrieg in einer neuen Rolle wieder. Nachdem sie in Bletchley Park gemeinsam mit den anderen Frauen ihren Kopf einsetzen konnte, um geheime Nachrichten zu entziffern und so die britische Armee zu unterstützen, ist sie nun eine verheiratete Hausfrau und Mutter zweier Kinder. Schnell wird klar, dass sie damit unzufrieden ist. Auch die Kreuzworträtsel und Puzzle, die ihr Mann ihr mitbringt, helfen nicht über die Langeweile und das Gefühl hinweg, dass sie viel mehr könnte, als sich nur um Kinder und Haushalt zu kümmern. Hinzu kommt, dass sie sich ihrem Mann nicht anvertrauen und von der Zeit in Bletchley Park berichten kann, da sie dem Official Secrets Act unterliegt. Susan geht den Spuren aus den Radionachrichten zunächst allein nach, gerät dabei mit ihren Recherchen allerdings schnell ins Stocken und nimmt deshalb Kontakt zu ihrer ehemaligen Kollegin Millie auf.

Millie (Rachael Stirling) ist die modernste und emanzipierteste der Gruppe und sticht auch deshalb hervor, weil sie im Gegensatz zu den anderen rot gefärbte Haare hat und Hosen trägt. (Schon bei „Mad Men“ wurden Frauen in Hosen als ein Zeichen für Emanzipation eingesetzt.) Zu Beginn der Serie arbeitet sie in einem Café, später wird sie als Übersetzerin und Schwarzmarkthändlerin gezeigt. Die Tatsache, dass sie nach ihrer Tätigkeit in Bletchley alleine den afrikanischen Kontinent bereiste, soll sie als furchtlose Frau charakterisieren. Durch Millie werden außerdem Susan und Lucy wieder mit Jean in Kontakt gebracht.

Lucy (Sophie Rundle) ist die jüngste der Gruppe. Sie hat ein fotografisches Gedächtnis, was bei der Aufklärung der Fälle regelmäßig zum Tragen kommt. Sie ist zu Beginn der Serie verheiratet und lebt zusammen mit ihrem Mann. Als dieser sie schlägt, wird sie von allen darin bestärkt, sich von ihm zu trennen. Ihre Kontakte innerhalb Scotland Yards, wo sie in der zweiten Staffel arbeitet, helfen den Frauen, den dritten Fall zu lösen.

Die vierte und älteste im Bunde ist Jean (Julie Graham). Leider ist sie die einzige der vier Figuren, die im Vergleich zu den anderen blass bleibt. Ihr wird keine eigene Nebenhandlung zugestanden. In Bletchley war sie die Vorgesetzte der drei anderen, nach dem Krieg arbeitet sie als Bibliothekarin und hat eine Position inne, die es ihr erlaubt, nebenher mit Susan, Millie und Lucy den gemeinsamen Nachforschungen nachzugehen.

Der spezielle Buchclub

Die Serie beginnt mitten im II. Weltkrieg. Was eingangs wie eine Darstellung eines Raums voller tippender Sekretärinnen wirkt, entpuppt sich als der Entschlüsselungsapparat der Briten. Die abgefangenen Nazi-Nachrichten werden in Bletchley übersetzt, analysiert, dechiffriert und an die entsprechenden militärischen Stellen weitergeleitet, die die Nachrichten für ihre Manöver nutzten. Dies geschieht vor allem mithilfe verschiedener Dechiffriermaschinen. Die bekannteste ist die sogenannte Turing-Bombe, die man auch im Vorspann rattern sehen kann. Diese Maschine ermöglichte es, die mithilfe der deutschen Enigma-Chiffriermaschine verschlüsselten Nachricht wieder zu entschlüsseln. Mit ihrer Arbeit unterstützen die Frauen also aus der Heimat den Kampf der britischen Armee gegen die Nazis. In den ersten fünf Minuten erfährt man, dass eine von Susan entzifferte Nachricht, den Briten in Nordafrika helfen wird, sich vor deutschen Angriffen zu schützen. Die Befriedigung und der verhohlene Stolz ist als Reaktion in den Gesichtern aller zu sehen, als Millie ausspricht, was sie alle denken: „Yes, it will make a difference.“ (Ja, es wird einen Unterschied machen.) Beim Zubettgehen wird Susans späteres Dilemma deutlich, als sie sich und die anderen als „ordinary girls“ beschreibt: Wenn das hier alles vorbei ist, müssen wir wieder gewöhnliche Frauen sein. Millies Antwort – „Du könntest nicht einmal gewöhnlich sein, wenn du es versuchen würdest.“ – wird in den drei Folgen der ersten Staffel den Ton angeben.

Wie sehr besonders Susan nach Ende des Kriegs daran zu knabbern haben wird, dem Durchschnittsbild einer Frau zu entsprechen, und wie viel Überzeugungsarbeit die Frauen leisten müssen, um die verantwortlichen Männer von ihren Ergebnissen zu überzeugen und zu Handlungen zu bringen, zeigt die Serie sehr eindrücklich. Beispielsweise als Susan versucht, ihre Erkenntnisse zur Mordserie dem ehemaligen Kompaniechef ihres Mannes zu erläutern und ihre Nachforschungen als Marotte abgetan werden. Nur ihre Hartnäckigkeit verschafft ihr Gehör. Diese Art Szene wiederholt sich immer wieder und zeigt, welche Rollen die dargestellten Männer den Frauen zuschreiben. Ihr erster Versuch, den Mörder zu finden, bleibt erfolglos und führt zu Spannungen zwischen Susan und ihrem Mann, der nicht versteht, warum sie ihr neues Hobby nicht an den Nagel hängen kann. Da das Morden nicht aufhört, verschwinden die anfangs hinter Susans Schminkspiegel versteckten Indizien in Jeans Arbeitsräume in der Bibliothek. Die gemeinsamen Treffen mit den anderen werden von nun an als Buchclubtreffen getarnt.

Heldinnen ihres Alltags

Was ich an der Darstellung der vier Frauen besonders mag, ist, dass alle vier eigenständige Charaktere sind – auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass Jean noch breiter ausgearbeitet worden wäre. (Ich schiebe das mal darauf, dass die Serie nach der zweiten Staffel nicht verlängert wurde.) Susan steht zwar zu Beginn im Mittelpunkt, aber letztlich ist es die gemeinsame Arbeit aller, die dazu beiträgt, dass die Fälle gelöst werden. Ich war überrascht, dass hier einmal nicht Frauen gegeneinander ausgespielt werden, wie es leider häufig in Serien geschieht, in denen mehrere Frauen in Hauptrollen aufeinander treffen. Auch wenn die vier verschiedenen Lebensweisen nachgehen und auch nicht immer damit einverstanden sind, wie sich ihre Wege entwickelt haben, so halten sie doch über die Sache hinaus zusammen und helfen sich gegenseitig, sich in den neuen Rollen wiederzufinden. Auffällig fand ich auch, dass hier vier Frauen gezeigt werden, die nicht nur stark sind. Jede hat ihre unsicheren Momente, die auch ausführlich thematisiert werden. Besonders Jean äußert ihre Besorgnis, dass ihnen etwas zustoßen könnte, weil sie Frauen sind: Er „war ein Offizier im Krieg. Du bist nur eine Frau.“ Bei einem der ‚Buchclubtreffen‘ provoziert sie Susan mit ihrer Zurückhaltung, die daraufhin frustriert Dampf ablässt: „Aber vielleicht ist dies auch nicht unser Ort. Nur in gemütlichen Wohnzimmern sitzen und warten, während die Polizei nichts tut. Wir könnten uns wieder nützlich machen. Wir konnten damals etwas erreichen. Jeden Tag halfen wir, Leben zu retten. Wir kämpften, natürlich nicht wie die Männer, aber wir haben unseren Teil beigetragen.“

Die Verletzlichkeit zeichnet sich besonders in der zweiten Staffel an Susans Reaktionen als Folgen auf die Ereignisse aus der ersten Staffel ab. Sie wird vorsichtiger, schließt ihre Haustür ab, die vorher immer offen stand. Eine Szene, in der sie glaubt, dass ein fremder Mann ihr ihren Sohn wegnimmt, zeigt deutlich, wie ihr Vertrauen abgenommen hat. Jean gegenüber erwähnt sie, dass sie noch immer von dem Erlebten träumt. Es sind halt keine Superheldinnen, die hier Kriminalfälle lösen, sondern Figuren, die Angst haben, zweifeln, beim Anblick einer Leiche kotzen müssen. Auch hält sich, im Gegensatz zu anderen Krimiserien, die Gewaltdarstellung sehr zurück – die vier sind eben keine ausgebildeten Kampfmaschinen, die sich übermutig den TäterInnen in den Weg stellen. Gerade das ist es, was die Serie so realistisch erscheinen lässt und mich dabei angesprochen hat.

So viel Spaß es mir auch bereitet hat, den Vieren dabei zuzuschauen, wie sie ihre Fälle lösen, so traurig machte mich doch das Bild der Zeit. Denn der Kontrast zu heute könnte nicht größer sein: Nur die unverheirateten Frauen arbeiten und gehen dabei Tätigkeiten nach, die – bis vielleicht auf Jeans Arbeit in der Bibliothek – weit unter ihren Fähigkeiten liegen, die sie in Bletchley benötigten, um die Enigma-Codes der Deutschen zu knacken. Von einer Karriere kann nicht die Rede sein. Wie sehr auch die arbeitenden Frauen von den Entscheidungen der Männer abhängig sind, zeigt eine Szene im Café, in dem Millie arbeitet. Als etwas nicht so läuft, wie es sich der Besitzer vorstellt, droht er Millie, sie sofort zu entlassen und durch eine andere Frau zu ersetzen.

Und immer wieder müssen sich die Frauen gegen die Männer beweisen. Für Lucys Mann Harry ist es ‚normal‘ und sein Recht, seine Frau auch mit Gewalt an ihren Platz zu weisen. Dass Susan ihr Engagement beim Lösen der Mordfälle vor ihrem Mann verbirgt, habe ich bereits erwähnt. Als bekannt wird, dass sie mit ihren Freundinnen privat ermittelt, tut ihr Mann dies ab und macht ihr deutlich klar, wo er sie sieht: „Du bist meine Frau. Und darüber hinaus bist du eine Mutter. Das muss zuoberst stehen.“ Fairerweise sollte erwähnt sein, dass er seine Meinung grundlegend ändert, als er davon erfährt, wie sie mittels ihres in Bletchley erworbenen Wissens, einen Komplott aufdecken konnte. Seiner Tochter erklärt er, als Susan im Polizeiauto nach der Auflösung eines Falls nach Hause gefahren wird, dass sie im Auto mitfahren darf, weil sie eine Heldin ist.

Auch wenn die Serie nicht den historischen Fakten entspricht, zeigt sie doch, dass auch Frauen während des zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle gespielt haben und eben nicht nur ‚ordinary girls‘ waren.

„The Bletchley Circle“ lief von 2012 bis 2014 in leider nur zwei Staffeln bei ITV und wurde zu meinem großen Bedauern nicht verlängert. Die Serie kann man aber auf DVD bei verschiedenen Anbietern kaufen.

Am 22. Januar 2015 kommt in Deutschland der Film „The Imitation Game“ in die Kinos. Er handelt von Alan Turings Zeit in Bletchley Park, wo er die Turing-Bombe entwickelte, die den Durchbruch zur Entschlüsselung der deutschen Enigma darstellte. Soweit ich sehen kann, wird Keira Knightly die einzige weibliche Hauptrolle übernehmen.

Dies entspricht allerdings, wie vorher bereits erwähnt, auch eher den historischen Begebenheiten: „Der Höhepunkt war im Januar 1945 erreicht: Im Vergleich zu 6769 Frauen, die in Bletchley Park und den dazugehörigen Außenstationen arbeiteten, waren 2225 Männer dort tätig. Nur eine Handvoll der Frauen waren echte ‚Codebreaker‘. Der Großteil der Dechiffrierung wurde durch Männer erreicht.“ (Quelle)

„Frauen hatten verschiedene Aufgaben inne: Im Y-Dienst, der die gegnerischen Codes abhörte, als Boten, die die Nachrichten weitertrugen, in der Verwaltung und als Sekretärinnen, als Bombe- und Colossus-Maschinistinnen, aber auch als Köchinnen, Putzfrauen, Wartungsarbeiterinnen und als Transport-Personal.“ (Zitat aus der sehr empfehlenswerten Zusammenstellung „The Women of Bletchley Park“.)

6 Antworten zu “You couldn’t be ordinary if you tried – Eine kleine Liebeserklärung an die Frauen von The Bletchley Circle”

  1. Claire sagt:

    Yay, danke für den Tipp. Eine Frage: wenn die Serie nicht verlängert wurde – hat sie aber dennoch ein Ende? Oder einen fiesen Cliffhanger und dann gehts nicht weiter?

    • Kathi sagt:

      Gerne. :) Ja, alle Fälle sind abgeschlossen und glücklicherweise hat sie ein Ende ohne fiesen Cliffhanger. Alles andere hätte ich auch doof gefunden.

  2. Markus sagt:

    Die Serie gibt’s übrigens auch bei Netflix (zu anderen Streaming-Diensten kann ich mangels Account nichts sagen).

  3. MoneypennyCH sagt:

    Habe die Serie vor den Weihnachtsferien nur aufgrund von Deinem Artikel gekauft und wurde nicht enttäuscht! Bin jetzt auch traurig dass die Serie nicht weiter geführt wurde. Aber Dir vielen Dank für den Tipp!