Exklusiv: Interview mit Lady Internet Inc. – „Das Internet, das Frauen wollen“

Foto , CC BY-NC 2.0 , by daniel

Seit Kurzem geistert die Geschichte durch die sozialen Netzwerke: “Ein Platz nur für euch”, geschrieben in großen Lettern über mysteriösen Ankündigungen. Ein “neues Internet” solle es geben, heißt es da. “Wir wollen die Internet-Erfahrung von Nutzerinnen revolutionieren”, berichten die ersten Texte. Sie erzählen von einem neuen Internet als Antwort auf unser jetziges: “Lady Internet – Das Internet, das Frauen wollen”. Dazu mussten wir unbedingt mehr erfahren. Wer steckt dahinter? Was sind die Beweggründe? kleinerdrei hat knallhart recherchiert. Nach vielen Telefonaten und dem Austausch von Briefen über einen toten Briefkasten in Berlin-Dahlem gelang es uns, Lady Internet Inc. zu einem Gespräch zu bewegen, – das Unternehmen, das hinter dem “neuen Internet” steckt. Exklusiv bei kleinerdrei: der Pressesprecher des Unternehmens im Interview.

kleinerdrei: Ihr Projekt „Lady Internet“ steht kurz vor dem Start. Was muss ich mir darunter vorstellen und was genau hat Sie dazu veranlasst es zu entwickeln?

Lady Internet Inc.: Zunächst haben wir mit wachsender Besorgnis die zunehmenden Angriffe auf Frauen im Netz verfolgt: Zoe Quinn, Anita Sarkeesian, Kathy Sierra, Brianna Wu, Julie Pagano, Adria Richards, Ashe Dryden… es gibt ja allein in der letzten Zeit, und nicht nur im englischsprachigen Raum, so viele Beispiele dafür wie Hate Speech und Gewaltandrohungen dazu geführt haben, dass Frauen sich im Netz weder wohl noch sicher fühlen! Wir fanden das so furchtbar, dass wir uns dachten: Hier muss doch endlich etwas getan werden! Wir sind schließlich ein großes Unternehmen und sahen dort eine eindeutige Markt… ähm, Sicherheitslücke. Dann haben wir uns gleich an die Arbeit gemacht und “Lady Internet – Das Internet, das Frauen wollen” war geboren. Es ist ein Internet allein für Frauen, ganz unter dem Motto “Männer müssen draußen bleiben”. Ein Internet, zu dem nur Frauen Zugang haben, und das ganz auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist.

kleinerdrei: Was wollen Frauen denn ihrer Meinung nach?

Lady Internet Inc.: Frauen wollen ein Internet, wo sie unter sich sind. In dem sie endlich wieder ganz Frau sein dürfen, während sie in Ruhe einkaufen. Deshalb sind Seiten im „Lady Internet“ selbstverständlich auch vorwiegend in Pink gehalten. Aber natürlich wollen wir die moderne Frau von heute nicht darauf beschränken und bieten daher auch andere Pastelltöne wie Mint, Salbei oder Apricot an.

kleinerdrei: Ich kann damit also alle Webseiten mit einer Art Filter versehen und diese einfärben?

Lady Internet Inc.: Genau! Das ist unser Feature “Rosa Brille”, das bei unseren bisherigen Testern ausnehmend gut ankam. Wobei ich dazu sagen muss, dass es generell weniger Webseiten beim “Lady Internet” gibt…

kleinerdrei: Huch? Wie muss ich das verstehen?

Lady Internet Inc.: Das Überangebot des Internets und die Informationsflut überfordern uns ja eh alle täglich. Deshalb haben wir uns entschieden den Nutzerinnen im “Lady Internet” eine kuratierte Vorauswahl zu bieten. Dieses Feature heißt „Zuckerwatten-Modus“: Unsere “Internet Ladies” können hier ihr persönliches Internet sogar über ein Dashboard zusätzlich individueller gestalten oder dort so genannte „Boobmarks“ ihrer Favoriten anlegen. Das Dashboard erinnert wiederum an ein Einkaufsregal und Nutzerinnen können darüber ihre gewünschten Webseiten aus einer sorgfältig selektierten Vorauswahl zusammenstellen. Das ist ein Bereich, der Frauen vertraut ist und zu dem sie einen sehr engen Bezug haben. Einer unserer Entwickler hatte diese Idee, nachdem er neben einer Frau an der Supermarktkasse stand. Absolut genial! Der Content besteht dann aus Frauenzeitschriften, Glamour- und Celebrity-News, Shopping-Seiten für die Frauen selbst und natürlich ihre liebe Familie, dazu selbstverständlich noch Beauty, Fashion – das Übliche eben, was Frauen heutzutage im Internet erwarten.

kleinerdrei: Aus dem Internet, wie wir es bisher kennen, sind wir durchaus auch Nachrichtenseiten gewohnt. Wie sieht es damit aus?

Lady Internet Inc.: Die haben wir ganz bewusst weggelassen. Das regt die Frauen doch nur unnötig auf! Und es ist ja bekannt, dass Aufregung jeglicher Art für Frauen ganz und gar schädlich und daher unbedingt zu vermeiden ist. Das gibt nur Fältchen! Uns geht es vielmehr um einen Ort, an dem Frauen sich wohlfühlen und ganz sie selbst sein können. Wir schaffen ein Wellness-Internet. Aus diesem Grund filtern wir auch sämtliche Artikel heraus, die irgendwelche anstrengenden politischen Themen aufbringen könnten. Wir haben sogar unser eigenes Social Network entwickelt: Femmebook. *macht die Daumen-Hoch-Geste und ein Eckzahn blitzt beim Grinsen*

kleinerdrei: Wie sieht denn das Team aus, das “Lady Internet” entwickelt hat? Waren da überhaupt Frauen dabei?

Lady Internet Inc.: Nun, leider gibt es ja aus den genannten Gründen immer weniger Frauen im Tech-Bereich, und die wenigen verbliebenen verschwinden blöderweise auch immer öfter wieder. Außerdem stiften Frauen in Tech-Firmen ohnehin nur Unruhe oder regen sich auf, was nicht wünschenswert ist, wie eben schon erwähnt. Daher haben wir uns ganz bewusst für ein rein männliches Entwickler-Team entschieden. Aber das war überhaupt kein Problem! Die haben nämlich alle Mütter, Freundinnen, Ehefrauen oder auch Töchter und wissen daher ganz genau was die Frau an sich möchte. Da können sie jeden aus dem Team jederzeit fragen und er wird ihnen das ganz ausführlich erklären. *nickt versichernd*

kleinerdrei: Wurden diese Mütter, Freundinnen, Ehefrauen und Töchter denn während der Entwicklungsphase auch befragt?

Lady Internet Inc.: Nein, wieso denn? Die haben doch gar keine Ahnung von Technik. Bei der Entwicklung dieses Internets für Frauen ließen wir uns vielmehr von anderen tollen Produkten inspirieren, wie zum Beispiel dem Nagellack, der Vergewaltigungsdrogen erkennbar macht oder der Unterwäsche, die Vergewaltigungen erschweren soll…

kleinerdrei: Aber wurden diese nicht dafür kritisiert, dass sie das eigentliche Problem nicht bekämpfen, sondern die Verantwortung wieder mal den Frauen selbst zuschieben?

Lady Internet Inc.: Also das höre ich zum ersten Mal! Wir wollen doch nur etwas Gutes für diese Frauen tun. Außerdem gehen wir einen Schritt weiter und geben Frauen nicht nur Mittel zur Abwehr, sondern schützen sie viel umfassender. Schließlich ist ja bekannt, dass für viele Frauen das Internet zu einer Art erweiterter Lebensraum geworden ist und dann wäre es doch schrecklich, wenn sie in diesem ständig angegriffen würden, nur weil sie Frauen sind und mal laut ihre Meinung sagen. Bei „Lady Internet“ können sie das hingegen ganz problemlos!

kleinerdrei: Was müssen Nutzerinnen denn tun um ins “Lady Internet” zu kommen?

Lady Internet Inc.: Sicherheit und Ruhe haben natürlich ihren Preis. Aber für nur 1500 Euro pro Monat kann die moderne netzaffine Frau von heute ein Internet genießen, in dem sie rein gar nichts zu befürchten hat. Wenn Sie „Lady Internet“ einer Freundin empfehlen, zahlen Sie sogar nur 1155 Euro – das ist der Ursprungspreis abzüglich 23 Prozent Gender Pay Gap. Ein wahres Schnäppchen für beste Freundinnen also! Frauen, die bei diesem Angebot noch das Internet für alle nutzen, sind dann aber auch echt selber schuld wenn sie sich dort weiter freiwillig diesen Hass-Attacken aussetzen, tsss.

kleinerdrei: Wird es künftig auch noch andere Produkte aus dieser Reihe geben?

Lady Internet Inc.: Als wir das “Lady Internet” unseren Jungs aus dem Vorstand vorstellten, kam als erstes die Frage, warum es denn nicht auch ein Internet für Männer gäbe. Das war etwas überraschend, aber wir fanden die Idee so spannend, dass wir momentan an einem ersten Entwurf arbeiten. Dieser hat uns allerdings vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Momentan ist der Prototyp zu unserem Bedauern noch nicht sonderlich weit fortgeschritten, da er seltsamerweise dem Internet für alle immer noch zu sehr ähnelt.

“Lady Internet – Das Internet, das Frauen wollen” startet demnächst, in der Dystopie eurer Wahl.

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