#yesallwomen

Foto , CC BY-NC-SA 2.0 , by Unarmed Civilian

[TW Gewalt an Frauen, Frauenhass]

Von den Musikerinnen und Musikern, die Elliot Rodger auf seinem Facebook-Profil mit “Like” markiert hat, hätten vier auf seiner Todesliste stehen können. Vier von ihnen sind blond und weiblich.

“Morgen ist der Tag, an dem ich meine Rache an der Menschheit verüben werde. Gegen euch alle. Seit ich in der Pubertät bin, bin ich gezwungen in Einsamkeit, Ablehnung und unerfüllter Begierde zu leben. Mädchen haben mit anderen Männern geschlafen oder sie geliebt, aber ich ging leer aus. Ich bin 22 Jahre alt und noch immer Jungfrau. (…) Ihr Mädchen habt euch nie für mich interessiert. Ich weiß nicht warum. Ich werde euch alle dafür bestrafen. Ich bin der perfekte Mann, und ihr schmeißt euch trotzdem an diese ganzen anderen dämlichen Typen ran. (…) Am Tag meiner Rache werde ich ins Gebäude der heißesten Studentinnenverbindungen meiner Uni gehen und ich werde jede einzelne blonde, verwöhnte Schlampe abschlachten, die ich dort sehe. (…)” (Übersetzung der Autorin)

Elliot Rodger sitzt in seinem schwarzen BMW, als er diese Worte in eine Kamera spricht. Am nächsten Tag hat er drei Männer in seiner Wohnung erstochen, bevor er das Haus verlässt, um zwei Frauen sowie einen weiteren Mann zu erschießen. Sieben Menschen liegen mit Schusswunden aus Elliot Rodgers halbautomatischer Waffe im Krankenhaus. Er selbst wird nach Schusswechseln mit der Polizei erschossen hinter dem Steuer seines Wagens aufgefunden. Die Polizei geht von Selbstmord aus.

Hätte Rodger gestoppt werden können? Mit dem Upload-Datum vom 23.5. taucht auf seinem YouTube-Kanal ein Video mit dem Titel “Das Leben ist so ungerecht” auf. Dort spricht er davon, wie einfach sein Leben hätte sein können, wenn nicht die Menschheit so grausam gewesen wäre. Die Menschheit und Frauen im Besonderen.

Videos wie diese alarmierten seine Eltern so sehr, dass sie zur Polizei gingen, um vor Elliot zu warnen. Dort wurde er nach einer Befragung, bei der als höflich empfunden wurde, ohne Folgen zurück nach Hause gelassen.

Die Suche nach Erklärungen

Es gibt verschiedene Wege, sich der Tat dieses Mannes zu nähern. Einige Medien implizieren, sie seien das Ergebnis einer gescheiterten Therapie eines verbrieft psychisch Erkrankten. Rodgers Vater berichtet, bei seinem Sohn sei vor Jahren das Asperger Syndrom diagnostiziert worden.   Seine Großmutter wird zitiert, Elliot sei “hochgradig geistig gestört” gewesen. Dutzende Therapeuten haben über Jahre hinweg mit Elliot gearbeitet, schreibt Kashmir Hill auf Forbes. Viele Asperger-Autisten wehren sich aber gegen diese Kopplung ihrer Krankheit an verbrecherisches Verhalten. Außerdem verharmlose dieser Schluß den Frauenhass, den Rodger selbst als Motiv benennt, sagt Jessica Valenti.

Wir können die Tat auch als Folge der langen und ungelösten Kontroverse um das Recht auf Waffenbesitz in den USA sehen, in der auch nicht die erschossenen Kinder der Sandy Hook-Grundschule eine mächtige Lobby aus Waffenherstellern und der National Rifle Association dazu bringen konnten, vom unbedingten Recht auf die Waffe für jedermann abzukommen.

Eine weitere Lesart ist, dass Elliot Rodger tat, was er tat, weil er glaubte, das Recht auf die Zuwendung einer Frau zu haben und ihm dieses Recht verwehrt wurde. Mit dieser Sicht ist er nicht alleine.

rodger_1

“Vielleicht sollten wir als Gesellschaft uns lieber mit weiblichen Partnerwechsel beschäftigten und der Art, wie Frauen Männer beschämen und diese Probleme lösen, bevor sowas wie hier noch einmal passiert.” (Übersetzung d. Autorin)

(Kontext: Wizardchan ist ein Forum erwachsener Jungfrauen, in dem Rodgers einen Account hatte. Hier wird er von einem Kommentator, der sich als Wizardchan-Nutzer ausgibt, im Kommentarbereich der feministischen Website Jezebel verteidigt.)

Neben empörten, trauernden und wütenden Kommentaren, tauchte kurz nach der Tat laut Twitternutzer_in @telliproclaims eine Facebook-Seite namens “Elliot Rodger is a hero” auf. Inzwischen ist sie auf Facebook nicht mehr auffindbar, obwohl das Unternehmen Löschaufforderungen der Seite vorher öffentlich abgelehnt hatte.

Gelöscht oder nicht: Der Name der Seite steht für eine Gruppe von Menschen und eine Mentalität, die den Wert von Frauen davon abhängig macht, wie nett sie zu Männern sind. Oder ihnen schon als Mädchen einschärft, dass sie selbst dafür zu sorgen haben, dass sie nicht missbraucht oder vergewaltigt werden, anstatt ihnen klarzumachen, dass es die Verpflichtung jedes Menschen ist – Männern wie Frauen – anderen nichts anzutun.

#yesallwomen

Die Unzufriedenheit über diese Mentalität brachte gestern etwas zu Tage, was in aller Trauer über Rodgers Taten tröstet: Sie erschuf den Twitterhashtag #yesallwomen.

 

„Leute, ich werde jetzt unter #yesallwomen twittern. Lasst uns darüber diskutieren, was vielleicht “nicht alle Männer” machen, aber was alle Frauen zu befürchten haben.“ (Anmerkung: Die Urheberin des Hashtags möchte aus Sicherheitsgründen mittlerweile nicht mehr genannt und verlinkt werden. Wir respektieren diesen Wunsch und haben den Tweet entsprechend angepasst.)

Der Hashtag bezieht sich auf eine Formel, die reflexhaft angewendet wird nach Verbrechen von Männern an Frauen. “Das sind ja nicht alle Männer, die sowas machen”, heißt es dann – #notallmen ist der passende Hashtag dazu, erstmals verwendet Anfang des Jahres 2013.

Stimmt. Nicht alle Männer werden zu Gewalttätern oder bedrohen Frauen. Aber alle Frauen haben Gewalt und Drohungen durch Männer zu befürchten. Und alle Frauen müssen für das Anprangern sexistischer Sprüche und der Geisteshaltung, eine Frau müsse durch ihr Aussehen und ihre Nettigkeit das Glück eines Mannes sicherstellen und habe keine echte Autonomie über ihren Körper, mit Konsequenzen rechnen.

Die Gefahr in Zahlen

Wie groß die körperliche Gefahr für Frauen ist, zeigt eine aktuelle EU-Studie, die besagt, dass jede dritte Frau in der EU bereits sexuelle oder körperliche Gewalt erlebt hat. Jede fünfte Frau in der EU hat sexuelle oder körperliche Gewalt durch ihren Partner erlebt. In den USA sind die Zahlen ähnlich. So zitiert die National Task Force to End Sexual and Domestic Violence (ein US-Interessensverband) Studien, aus denen hervorgeht, dass eine von fünf Frauen in den USA vergewaltigt wurde. Bei den Männern ist es einer von 71. Eine von vier Frauen erlebt schwere körperliche Gewalt durch einen Partner, bei den Männern ist es einer von sieben. Es ist viermal wahrscheinlicher für eine Frau, von einem Mann geschlagen zu werden, sechs mal wahrscheinlicher, gegen etwas gestoßen zu werden und neunmal wahrscheinlicher, Verletzungen durch Ersticken zu erleiden. Jede sechste Frau wurde in ihrem Leben bereits gestalkt. Bei den Männern ist es jeder neunzehnte. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Das gleiche gilt für die persönlichen Erfahrungen, die Menschen unter dem #yesallwomen Hashtag auf Twitter posteten. Erfahrungen, die uns daran erinnern, was wir vor über einem Jahr unter #aufschrei erlebten.

 

“Als ein Mann mich schlagen wollte, wurde ich gefragt, was ich getan hatte, um ihn zu provozieren.” #yesallwomen

 

“Weil wir, anstatt Jungs beizubringen, Frauen zu respektieren, Mädchen in Selbstverteidigungskurse gegen Vergewaltigungen schicken.” #yesallwomen

 

“Mich erklären und rechtfertigen zu müssen, warum mich etwas stört, nur um zu beweisen, dass ich nicht ‚verrückt‘ oder ‚zu sensibel‘ bin.“ #yesallwomen

 

“Weil mir meine Familie sagte, dass ich meine Beine rasieren muss, um einen Mann zu bekommen.” #yesallwomen

 

“Wenn Frauen häusliche Gewalt überleben, werden Sie gefragt: ‚Warum bist du nicht gegangen?‘, statt dass gefragt wird: ‚Warum hat der Täter zugeschlagen?‘ #yesallwomen

 

“Weil allen Frauen gesagt wird, sie seien ’so viel schöner, wenn sie lächelten‘. Als ob wir niedliche Zootiere wären.” #yesallwomen

 

“Ich hab gerade unterm Hashtag #yesallwomen gelesen, dass alle Männer, die Frauen respektieren, Helden seien. Ähm, NEIN. Ein Grundmaß an Anstand macht dich noch nicht zum Helden.”

 

“Weil mir gesagt wird, ich solle mich ‚beruhigen‘, wenn ich auf Sexismus in den Medien hinweise und den nicht lustig finde.” #yesallwomen

24 Stunden nach Start von #yesallwomen zählt Topsy 472.000 Tweets mit dem Hashtag, Tendenz weiter wachsend. Wie bei #aufschrei gibt es auch bei diesem Hashtag Versuche, die Aktion zu trollen und zu unterminieren. Und wie bei #aufschrei gibt es auch diesmal Männer, die fassungslos vor den Geschichten der Frauen sitzen, die sie vielleicht zum ersten Mal in dieser Direktheit lesen.

 

“An alle Männer, die #yesallwomen lesen: Nur weil wir keine Erfahrungen mit dem Thema gemacht haben, heißt das nicht, dass die Erfahrung einer Frau nicht ‚valide‘ ist. HÖRT einfach ZU und RESPEKTIERT.” #yesallwomen

 

“Männer, die sich selbst kennen, müssen weder sich noch ihr Geschlecht verteidigen. Sie können einfach nur zuhören, sich einfühlen und versuchen, zu verstehen.” #yesallwomen

 

“Lest die #yesallwomen Antworten auf das Massaker, besonders wenn euer erster Gedanke ist: ‚Ich bin nicht interessiert.‘ Hört einfach zu.” #yesallwomen

 

“Männer, speziell CIS-Hetero-Männer, lest #yesallwomen. Lest es einfach. Schickt keine replies oder mentions. Hört nur zu.” #yesallwomen

Ob #yesallwomen Folgen haben wird, ob daraus eine Diskussion entsteht, die in die Offline-Medien überschwappt, wie es einst bei #aufschrei geschah, ist nicht abzusehen.

Gut ist, dass das Gespräch über Alltagssexismus und die Folgen für Frauen weiter geht. Möglich, dass in den Köpfen derer, die die 140-Zeichen-Geschichten von Diskriminierung und Doppelmoral lesen, Bereitschaft wächst, das eigene Verhalten zu überprüfen.

Elliot Rodger war mehr als Alltagssexist. Elliot Rodger war, nach allem, was wir derzeit wissen, ein Frauenhasser mit einer psychischen Störung (auch wenn noch unklar ist, ob diese Störung die Tat beeinflusste). Aber seine Taten haben in all ihrer Furchtbarkeit Frauen einen Anlass gegeben, darüber zu sprechen, wohin Sexismus führen kann und in welchem größeren Kontext Misogynie steht.

Weitere Beiträge zu dem Thema findet ihr hier bei @tofutastisch sowie hier beim Guardian, verfasst von Jessica Valenti, und hier im New Statesman von Laurie Penny.

P.S. Übrigens: Ihr könnt dafür sorgen, dass kleinerdrei für Texte wie diesen den Grimme Online Award erhält. Hier könnt ihr für uns stimmen.

Update 1.6.: Ein Freund der Familie verneint in einem Artikel in der L.A. Times die Diagnose „Asperger-Syndrom“ bei Rodger. „Astaire said Elliot had not been diagnosed with Asperger’s but the family suspected he was on the spectrum, and had been in therapy for years.“ Elliot sei nicht mit Asperger-Syndrom diagnostiziert gewesen, aber die Familie habe den Verdacht gehabt, er sei an einer autistischen Spektrumsstörung erkrankt. Zu den Spektrumsstörungen gehört laut dem gemeinnützigen Institut für Autismus auch das Asperger-Syndrom. Der Hinweis auf den L.A. Times-Artikel sowie einen Kommentar zum Thema bei Forbes erreichte uns via Mela Eckenfels.

28 Antworten zu “#yesallwomen”

  1. ein Gast sagt:

    Meiner Ansicht nach ist der bei dieser Tat deutlich werdende Frauenhass auch mit einer gewissen Selbstverachtung des Täters verknüpft. In der Konsequenz, müsste zur Verhinderung solcher Taten in der Zukunft nicht nur die falsche Vorstellung von festgelegten Geschlechterrollen revidiert werden, sondern auch das Selbstbewusstsein von Menschen von Sexualität und sozialen Konventionen entkoppelt werden, was Erziehungsaufgabe ist.

  2. julianeleopold sagt:

    Wenn du ernsthaft sexuelle und körperliche Gewalt an Frauen sowie die tödliche Gefahr, die dadurch für sie von Männern ausgehst mit der Gewalt gegen Gegenstände und einem Banküberfall vergleichst, haben wir, glaube ich, ein wirklich differierendes Wertesystem. Auch der Vergleich mit der Gewalt gegen Polizisten hinkt. Einen Beruf mit größerem Bedrohungspotenzial als andere auszuwählen, ist eine gänzlich andere Ausgangsperspektive als aufgrund des eigenen Geschlechts einer höheren Gewaltgefahr ausgesetzt zu sein.

  3. Anne Wizorek sagt:

    Frauen ≠ Objekte wie Goldbarren in der Bank oder Autos am Straßenrand.

    Frauen = Menschen (das solltest du dir unbedingt notieren)

    Außerdem: Mein aktueller Stand ist, dass weder Autoklau, noch Bankraub oder Mordversuche gesellschaftlich oder gesetzlich akzeptiert sind. Deswegen wird nämlich bereits kleinen Kindern beigebracht: Bankraub/Autoklau/Mord(versuch) = böse.

    Ich denke, das Problem mit deiner Logik ist offensichtlich.

    • Vinzenz sagt:

      „Frauen ≠ Objekte wie Goldbarren in der Bank oder Autos am Straßenrand.“
      Vergleichen ist nicht gleichsetzen.
      Zum Beispiel sind Diebstahl und Mord beides Verbrechen. Das heisst nicht, dass sie gleich sind, oder auch nur gleichwertig. Aber anhand dieses gemeinsamen Merkmals kann man sie vergleichen. Das machen Gerichte den ganzen Tag. Wie sonst sollte man Strafmaße bestimmen? Das hat also gar nichts damit zu tun, dass ein gestohlener Goldbarren genauso viel wert sei wie ein Menschenleben. Dies ist ein Trugschluss deinerseits.

      „Außerdem: Mein aktueller Stand ist, dass weder Autoklau, noch Bankraub
      oder Mordversuche gesellschaftlich oder gesetzlich akzeptiert sind.
      Deswegen wird nämlich bereits kleinen Kindern beigebracht:
      Bankraub/Autoklau/Mord(versuch) = böse.“
      Das selbe gilt allerdings auch für Vergewaltigungen und Amokläufe.
      Das Problem hierbei ist, dass diejenigen, die das trotzdem tun, sich nicht für die gesellschaftliche Akzeptanz interessieren. Und damit sind wir wieder bei dem Punkt, auf den ich hinaus wollte. Zu glauben, man könne die Leute einfach davon überzeugen keine Straftaten zu begehen und bräuchte dann keinerlei Sicherheitsvorkehrungen mehr, ist – vorsichtig gesagt – naiv.

      Das wollte ich mit meinem Kommentar nur anmerken.

      • Auto_focus sagt:

        Ja, und weißt du, wie Gerichte sie vergleichen: oftmals ist das Strafmaß für Taten, die Sachwerte betreffen, höher (oder zumindest gleich) als für solche, die Menschen betreffen, von sexueller Gewalt (die meist gegen Frauen geht) gar nicht zu sprechen. Und das ist auch genau der Punkt: klar wird in unserer Gesellschaft / Erziehung deutlich, dass Vergewaltigung strafbar und falsch ist. Aber was wird als Vergewaltigung gesehen? Der unbekannte nachts im Park – Situationen, die auf ein Minimum aller Vergewaltigungsfälle zutreffen. Viele andere Situationen (sex. Gewalt in Beziehungen, durch Menschen, die die Betroffene kennt) werden oft in dubiosen „Graubereichen“ gesehen oder gar nicht erst als Vergewaltigungen anerkannt. Dass es so etwas wie „Konsens“ geben muss, das bringt Jungen und jungen Männern NIEMAND bei. Jedenfalls nicht in der Regel. Stattdessen wird suggeriert, dass er sie ja eigentlich mag, wenn er ihr das Sandförmchen über den Kopf zieht, und Miniröcke ja quasi Aufforderungen darstellen.

        Der Schutz von Eigentum ist in unserer Gesellschaft tief verankert (man denke an die 10 Gebote – du sollst nicht stehlen etc.), was das körperliche / sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Menschen und insbesondere Frauen angeht, sind wir BEI WEITEM noch nicht soweit.

        Also bitte, hör mit deinen – vorsichtig gesagt – naiven und – ehrlich gesagt – unerträglichen Vergleichen auf.

      • Alex_a sagt:

        Inhaltlich will ich da eigentlich gar nicht drauf eingehen, aber das muss ich jetzt doch korrigieren: Nein, Diebstahl und Mord sind NICHT beides Verbrechen. Mord ist ein Verbrechen, Diebstahl dagegen ein bloßes Vergehen. Will sagen, mensch kann sie eben auch nicht vergleichen (nicht im Geringsten – eben weil sie NICHT gleichwertig sind) und das tun Gerichte auch nicht. Strafmaße legt die Gesetzgeberin fest, nicht das Gericht. Also lag der Trugschluss vielleicht nicht bei Anne, sondern bei Deinem Vergleich?…

  4. neleheise sagt:

    Riesengroßes Dankeschön, Juliane, für diesen wichtigen Beitrag! Ich glaube, einer der schlimmsten #yesallwomen Tweets, die ich gelesen habe, war dieser hier – das macht mich wirklich fassungslos.

  5. lea sagt:

    Hinweis: „Asperger-Syndrom Erkrankte“ wird meist als abwertend verstanden bzw ist falsch. „Menschen/Personen mit Asperger-Syndrom“ oder (aber eher mit Vorsicht) „Asperger-Autist*innen“ würde sich als Alternative anbieten.

    • julianeleopold sagt:

      Danke für den Hinweis, ich arbeite das ein, so bald ich kann.

    • Frl. Holunder sagt:

      Die (Asperger-)Autist*innen in meiner Bubble bezeichnen sich soweit ich es mitbekommen habe alle als solche, und nicht als Menschen mit Autismus. (Habe auch noch nie von Gehörlosen gelesen, dass sie sich als „Menschen mit Gehörlosigkeit“ bezeichnen.)

      Zum Zusammenhang zwischen Autismus und Amokläufen, welcher genauso wenig vorhanden ist wie ein Zusammenhang zwischen dunkler Hautfarbe und Drogenhandel, wurde nach dem Amoklauf in Newton schon ausführlich gebloggt: http://quergedachtes.wordpress.com/2012/12/15/autismus-das-medienbild-und-die-wirklichkeit/

  6. kami sagt:

    Warum nun ausgerechnet das Verbrechen eines sozial isolierten, offenbar mit psychischem Problemen schwer belasteten Menschen, dem vier Männer und zwei Frauen zum Opfer fielen, ein geeigneter Anlass sein soll, über Alltagssexismus zu diskutieren anstatt über Gun Control oder sozialen Druck, erschließt sich mir nicht. Über Alltagssexismus MUSS diskutiert werden, aber dieses Verbrechen erscheint mit kein geeigneter Anlass, weil es ja eben nicht alltäglich ist und auch von niemandem als „normal“ gewertet werden dürfte.

    • julianeleopold sagt:

      Lass mich dir mit einem Tweet antworten:

      • kami sagt:

        Sexismus basiert im Allgemeinen aber nicht auf einem Hass auf Frauen sondern eher auf Verachtung und manifestiert sich üblicherweise auch nicht in Mass Shootings, bei denen doppelt so viele Männer wie Frauen sterben. Wie schon gesagt, ich bin ganz für eine Diskussion über Sexismus, aber der Bezug auf dieses Verbrechen ist der Sache doch eher abträglich, schon weil jeder Alltagssexist sich sehr einfach davon distanzieren kann.

        • julianeleopold sagt:

          Die Tat Elliots basiert auf seiner Vorstellung, dass Frauen ihm schuldig sind, ihm zugeneigt zu sein – genau das sagt er in den Videos, die er veröffentlicht hat. Diese Einstellung spiegelt sich in alltagssexistischen Äußerungen, etwa wenn Männer Frauen sagen, sie sollten doch mal schön lächeln – als seien Frauen nicht autonom genug, selbst darüber zu entscheiden, wann sie wen anlächeln. Dies alles steht im Text – Elliots Taten sorgen dafür, Frauenhass als Teil einer sexistischen Gesellschaft zu sehen. Und genau darum geht es bei #yesallwomen

          • kami sagt:

            Wenn ein Mensch mit psychischer Erkrankung eine verbrecherische Gewalttat verübt, erscheint es doch fast schon zynisch, seine auch von seiner Familie bestätigte Krankheit (die ja durchaus für den pathologischen Frauenhass mitverantwortlich sein wird) und die Tatsache, dass er Zugang zu Schusswaffen hatte, zu ignorieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Selbst wenn die politische Sache gut und notwendig ist wie in diesem Fall, ist das der falsche und unmoralische Weg.

          • Anne Wizorek sagt:

            Asperger hier als Beleg zu nehmen, ist nicht nur falsch (es gibt *keinen* expliziten Zusammenhang dazwischen und seiner Tat), sondern auch diskriminierend gegenüber anderen Menschen mit Asperger. So much for Zynismus und unmoralischer Weg.

            Und dass anlässlich der Tat in diesem Ausmaß über Sexismus und wie er Misogynie füttert, geredet wird, passiert weil das eindeutige Bedürfnis dazu da ist. Also deal with it und beschäme nicht erneut die Betroffenen, die sich nun unter dem Hashtag äußern.

          • Karin sagt:

            Das geht völlig am Punkt vorbei.

            Ob der Täter psychisch krank war und das zur Tat geführt hat, werden wir – du, ich, alle anderen, die kommentieren – vermutlich nie wirklich beurteilen können.

            Das spielt aber für die Einschätzung des Geschehens im hiesigen Kontext überhaupt keine Rolle:

            Rodger hat klar formuliert, dass er diese Taten begehen will, weil ihm Frauen sexuelle Zuwendung „verweigern“. Er postuliert also ein männliches Recht auf weibliche Zuwendung und damit einhergehend eine weibliche Pflicht diese zu leisten. Exakt das ist rape culture.

            Und das ist kein Alleistellungsmerkmal der Rodgers dieser Welt, sondern das ist eine weit verbreitete Haltung. Die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit, die diese Haltung einnimmt, nicht um sich schiessend durch die Gegend läuft, ändert an diesem Befund nichts.

            Wenn jetzt Elliott als psychisch kranker Einzelfall dargestellt wird, dann ist das nichts weiter als der Versuch, diese systemischen Zusammenhänge zu verschleiern. Auch das ist rape culture.

          • sturmfrau sagt:

            Sorry, aber ich wüsste nicht, dass Asperger-Autismus irgendwas mit Frauenhass zu tun hat. Wäre dem so, dann wäre ich definitiv nicht mit einem Asperger-Autisten verheiratet.

            Ich finde es haarsträubend, dass bei solchen und ähnlichen Taten die Medien oder wer auch immer schnell mal nach irgendeiner psychischen Auffälligkeit suchen. Selbst, wenn diese inhaltlich überhaupt nichts mit der Tat zu tun haben muss, reicht die Erwähnung im Kontext aus, dass man sich nicht weiter den Ursachen widmen muss. Es fehlt noch, dass Misogynie in der ICD10 als eigenständige Krankheit festgelegt wird. Der Rückzug auf mögliche psychische Erkrankungen welcher Täter auch immer macht es allen Beteiligten bequem. Den Eltern des Knaben, weil sie sich keiner Kritik stellen müssen im Bezug auf das Frauenbild, das sie ihrem Sohn möglicherweise vermittelt haben, und auch der Öffentlichkeit, die die Augen nicht aufmachen muss, was Alltagssexismus betrifft.

            Es lag ja alles am Asperger.

          • Giliell sagt:

            Oh, da gibt es eine gewaltige Einschränkung: Es müssen schon weiße hetero Männer sein. Ein Muslim der seine Tochter/Schwester ersticht weil sie einen nicht-genehmen Freund hat bekommt da kein Mitleid (zurecht!). Ein Deutscher der seine Frau erschießt weil sie ihn verlassen hat? Familientragödie, der arme Kerl war einfach verzweifelt und depressiv. Wir müssen das Kind endlich beim Namen nennen: Was Rodger da getan hat war Terrorismus.

  7. ze_german sagt:

    Ich hatte beim lesen des Originaltextes das „shaming behaviour“ nicht als explizit gegen Männer gerichtet interpretiert, sagt das jetzt was über mich aus oder über die übersetzende Person?

  8. Giliell sagt:

    Na dann doch mal.
    2 Tage nachdem ein Mann angekündigt hat wie sehr er Frauen hasst, weil sie keinen Sex mit ihm haben wollen und dann zum mass-shooter wird.
    2 Tage #YesAllWomen.
    Womit fang ich an?
    Vielleicht einfach mit meiner Tochter.
    Meine Tochter ist 6 Jahre alt und geht in die Grundschule. Eines Tages kam sie heim und erzählte mir, dass einer der Jungs sie einfach geküsst hätte und sie das nicht mag.
    Na toll, dachte ich mir, geht das jetzt schon los. Also habe ich bei nächster Gelegenheit das Gespräch mit der Mutter gesucht.
    Nein, das ginge natürlich nicht. Die seien noch viel zu klein zum küssen und außerdem sei das ja eine Schule. Ich stand etwas verwirrt da. Ich versuchte es nochmal: Es geht mir nicht um „küssen“ oder „einen Kuss geben“. Es geht mir darum, dass er das einfach so gemacht hat und meine Tochter nicht gefragt hat und sie das nicht möchte.
    Ja, die anderen Jungs haben ihn angestachelt!
    Das mag nun nach einer harmlosen Geschichte klingen, aber das ist es nicht. Es ist der Anfang von Gewalt gegen Frauen. Es ist die Tatsache, dass das, was meiner Tocher widerfahren ist unter Erwachsenen als sexuelle Belästigung gilt. Es ist die Tatsache, dass meine Tochter sich eine ganze Weile nicht sicher fühlte. Es ist die Tatsache, dass die Mutter des Jungen nicht verstand, dass es hier darum geht, dass Mädchen und Frauen ein Recht darauf haben selbst zu bestimmen, wer sie küsst und wer nicht. Sie hat ihrem Sohn eigebracht „nicht in deinem Alter, nicht in der Schule“. Im Umkehrschluss: Wenn du größer bist und nicht in der Schule darfst du ungefragt Mädchen küssen.
    Einige Zeit später passierte die nächste Geschichte. Die z.T. 4 Jahre älteren Jungs aus dem Hort forderten von ihr, sie müsse sich 3 Jungs aussuchen und mit denen schlafen. Erwähnte ich, dass sie 6 Jahre alt ist?
    Nun, man mag sagen die Jungs seinen auch nicht wesentlich älter und sie wüssten nicht, was sie tun, aber diese Jungs haben diese frauenverachtende Mentalität von irgendwoher. Jungs, zukünftige Männer, haben im Alter von nicht ganz 10 bereits verinnerlicht, dass Mädchen und Frauen dazu da sind, dass Jungs und Männer Sex haben können. Sie „muss“.
    Der Unterschied zwischen den Jungs auf dem Schulhof und Rodger ist ein gradueller, einer der Quantität, nicht der Qualität.
    Aber seit 2 Tagen bekomme ich unentwegt erzählt dazwischen bestehe kein Zusammenhang. Es war die psychische Krankheit! Es ist die Waffenkultur! Ehrlich! Pay no attention to the misogyny behind the curtain.
    Rodgers Ansichten und Taten waren nur in ihrer Ausprägung extrem. Fast jeden Tag kann man in irgendwelchen deutschen Nachrichten hören, dass ein Mann seine (Ex-) Frau umgebracht hat, oder die Kinder, oder ihren Liebhaber. Diese Männer hinterlassen nur keine langen Videobotschaften. Sie sehen die Frauen und Kinder als Besitz, und mit dem können sie machen, was sie wollen.
    Rodger war kein „armer Irrer“. Er hat lediglich die Botschaften, die Männer und Frauen jeden Tag bekommen stärker reflektiert als andere.
    Er war auch kein „einsamer Wolf“, kein Einzelgänger, sondern er hatte eine Community von Gleichgesinnten, die ihn in ihrem Hass unterstützt haben. Und das Problem ist nicht mit ihm aus der Welt. Tagtäglich erhalten Frauen, besonders Feministinnen im Netz Vergewaltigungs- und Morddrohungen. Sie werden abgetan. Bis einer die Knarre nimmt und ernst macht. Aber nicht mal dann war es ja ein Verbrechen aus Frauenhass. Egal wie oft der Täter es selbst sagt.

  9. Johannes sagt:

    Och manno, das zieht mich alles so runter. Warum können die Leute nicht einfach vernünftig miteinander umgehen?

  10. Mela sagt:

    Rodgers war _kein_ Asperger-Autist. Das wurde längst von der Familie dementiert. Er war jahrelang bei Therapeuten in Behandlung und obwohl eine gute Autismus-Diagnose maximal 10 Stunden in anspruch nimmt, hat er diese nie erhalten.

    Wäre schön, wenn ihr das richtig stellen könntet.

    Ansonsten: http://www.forbes.com/sites/emilywillingham/2014/05/30/elliot-rodger-didnt-have-autism-he-had-anger/

    • julianeleopold sagt:

      Danke für die Information. Die im Forbers-Kommentar verlinkte Originalquelle des Statements, das Rodgers Asperger-Diagnose verneint, ist ein Zitat aus der L.A. Times, gegeben von einem Schauspielagenten und Freund der Familie. „Astaire said Elliot had not been diagnosed with Asperger’s but the
      family suspected he was on the spectrum, and had been in therapy for
      years“, frei übersetzt: Rodgers habe keine Diagnose gehabt, die Familie habe aber noch immer den Verdacht gehabt, er habe eine Autismus-Spektrum-Störung gehabt. Hierzu lese ich auf autea.de (Gemeinnütziges Institut für Autismus): „Zu den Autismus-Spektrum-Störungen gehören der Frühkindliche Autismus,
      das Asperger-Syndrom und der Atypische Autismus. Gemeinsam ist den
      autistischen Störungen, dass qualitative Beeinträchtigungen in den
      Bereichen „soziale Interaktion“, „Kommunikation“ und „eingeschränktes
      Verhaltens- und Interessensrepertoire“ bestehen. Mit dem Begriff
      „Autistisches Spektrum“ wird ausgedrückt, dass Auffälligkeiten und
      Schwierigkeiten in diesen Bereichen zwar bei allen Menschen mit dieser
      Störung vorhanden sind, dass andererseits aber die individuelle
      Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann.“

      Ich schließe daraus, das laut der Aussage des Familienfreunds in der L.A. Times die Familie zumindest weiter den Verdacht auf eine Asperger-Diagnose bei Rodgers gehabt hat.

      Unabhängig davon: Ich habe im Text selbst klar gemacht, dass es Kritiker_innen der Kopplung eines Verdachts auf Gewalttätigkeit und Autismus beziehungsweise Asperger gibt. Der Text selbst suggeriert diese Kopplung nicht, aber er macht transparent, dass es Menschen gibt, die das tun. Das gehört zur Dokumentation der Fallinterpretation aus meiner Sicht dazu.

  11. […] überhaupt die Entscheidungsgewalt über unsere Körper haben zu dürfen? Warum ist das der zigste Hashtag dazu und so viele Menschen tun immer noch, als wäre sexualisierte Gewalt plötzlich als verhandelbares […]