Schlechte Verbündete – Das Quiz
Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen. Dieses Mal kommt er von Julie. Der Text ist die deutsche Version ihres englischen Posts (den ihr hier nachlesen könnt) und den wir mit ihrer Erlaubnis veröffentlichen.
Julie ist eine Softwareentwicklerin, die sich vor allem mit Front-End und User Experience beschäftigt. Wenn sie nicht gerade ihrem Job nachgeht, widmet sie sich dem Thema Vielfalt im Tech-Bereich und dem Ausbau der Tech-Gemeinde in Pittsburgh.
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Anmerkung der Redaktion: Verbündete sind Leute, die eine Gruppe von Menschen unterstützen, die von Diskriminierungen, Vorurteilen etc. betroffen sind. Verbündete sind dabei selbst keine Mitglieder dieser Gruppe. Speziell feministische Verbündete sind Einzelpersonen, die keine Frauen sind und Frauenrechte unterstützen sowie Feminismus und dessen Anliegen fördern. (Definition übernommen von Geekfeminism.)
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In letzter Zeit ist die Diskussion um schlechte Verbündete wieder häufiger aufgekommen. Dabei wollen einige Leute wissen, woran sie schlechte Verbündete erkennen können, andere wollen wiederum erfahren, ob sie sich selbst schädlich verhalten. Die folgende Liste – erstellt im ungemein beliebten Internetquiz-Stil – soll euch anhand gängiger Problempunkte helfen, herauszufinden, ob ihr selbst ein schlechter Verbündeter seid oder ob das auf andere Leute zutrifft.
Es geht dabei nicht um eine bestimmte Person. Das hier ist einfach eine Sammlung von Problemen, die ich und andere immer wieder bei Leuten sahen, die von sich behaupten, Verbündete zu sein. Wenn du es persönlich nimmst oder denkst, dass es um dich geht, bist du vielleicht auch einfach nur ein schlechter Verbündeter.
Also los, probiert das „Schlechte Verbündete“-Quiz aus! Die Punktevergabe ist natürlich erfunden – aber das heißt nicht, dass sie nichts aussagt!
Quiz
Gib dir selbst Punkte für jeden Aspekt, der auf dich zutrifft – auch wenn das nur manchmal der Fall ist. Aspekte ohne festgelegten Wert bekommen 1 Punkt. Für Aspekte, die „pro Vorfall“ bewertet werden, zähle bitte alle zutreffenden Vorkommnisse des letzten Jahres zusammen. Und: Sei ehrlich.
Worte
• Verbringst du viel Zeit damit anderen Leuten zu sagen, was für ein „toller Verbündeter“ du bist?
• Behauptest du, niemals Fehler zu machen oder in gewaltsamer Weise zu handeln?
• Beschwerst du dich über Räume, die ausschließlich Mitglieder einer unterdrückten Gruppe zulassen, weil du selbst dann nicht dabei sein kannst?
• Benutzt du bevormundende Formulierungen (z.B. indem du eine erwachsene Person als Kind bezeichnest) wenn du mit oder über Leute aus der Gruppe sprichst, deren Verbündeter du bist? (20 Punkte pro Vorfall)
• Verwendest du Beleidigungen wenn du mit oder über Leute aus der Gruppe sprichst, deren Verbündeter du bist? (1000 Punkte pro Vorfall).
Miteinander
• Verlangst du von anderen Leuten, dass sie dir alles beibringen (anstatt dich selbst weiterzubilden)?
• Forderst du von ihnen, dir ihre Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken (z.B. indem du auf Abruf Ratschläge erwartest oder dass sie dir individuelle Kritik zu Artikeln geben)?
• Sagst du ihnen, dass sie ein bestimmtes Problem beheben sollen, weil sie einer Gruppe angehören (z.B. indem du forderst, dass sie bei einer Konferenz vortragen oder indem du darauf bestehst, dass sie einen Blogpost über ein spezielles Thema schreiben)? (10 Punkte pro Vorfall)
• Sagst du ihnen, wie sie zu reden oder sich zu verhalten haben?
• Bewertest du ihren Umgangston („tone police“) (z.B. indem du ihnen sagst, sie müssten einfach netter sein, wenn sie etwas erreichen wollen)?
• Bist du ein “Betroffenheitstroll” („concern troll“)?
• Wirfst du Leuten vor, sie würden überreagieren, seien zu empfindlich sind oder würden Dinge unnötig aufblasen?
• Verbündest du dich nur mit Mitgliedern der Gruppe, die deine Vorstellung einer „Vorzeige-Minderheit” erfüllen (die also in einer bestimmten Art und Weise aussehen, handeln und/oder sich verhalten) oder die deiner Meinung sind?
• Behandelst du die Gruppe wie eine Einheit, d.h. als würden alle in der selben Art und Weise denken und handeln und alle dasselbe wollen?
• Setzt du dich über ihre persönlichen Erfahrungen hinweg?
• Sagst du ihnen, welche Taktiken sie benutzen sollen wenn sie gegen Unterdrückung kämpfen?
• Benutzt du andere Mitglieder der Gruppe, um dein Verhalten zu rechtfertigen (z.B. „Ich habe schwarze Freunde“, „Ich bin mit einer Frau verheiratet“)?
• Verlangst du Lob und Anerkennung dafür, dass du ein Mitstreiter bist oder für bestimmte Taten, die du als Verbündeter ausübst?
• Neigst du dazu, Unterhaltungen zu bestimmen, anstatt andere reden zu lassen?
• Spielst du gerne „Advocatus Diaboli“ („devil’s advocate“) wenn Probleme diskutiert werden, die den Mitgliedern der Gruppe wichtig sind?
• Befragst du Leute zu sensiblen Themen (z.B. Übergriffe, Genitalien, Sexualität)? (10 Punkte)
• Überschreitest du Grenzen oder respektierst diese nicht (z.B. indem du eine Unterhaltung fortsetzt, obwohl dir gesagt wurde, dass du aufhören sollst, oder indem du jemanden ohne Erlaubnis berührst)? (30 Punkte pro Vorfall).
• Haben Mitglieder der Gruppe dich als schlechten Mitstreiter bezeichnet oder gesagt, dass du gar kein Verbündeter bist? (100 Punkte pro Vorfall)
Fehler machen
• Hast du erwähnt, dass du ein Verbündeter bist, wenn du auf Fehler oder schädliches Verhalten hingewiesen wurdest? (5 Punkte pro Vorfall)
• Versuchst du, Fehler als Witz abzutun? (10 Punkte)
• Verfällst du, in eine Verteidigungshaltung wenn du auf Fehler oder schädliches Verhalten angesprochen wirst? (5 Punkte)
• Wirst du wütend und schlägst förmlich um dich, wenn du auf Fehler oder schädliches Verhalten angesprochen wirst? (20 Punkte pro Vorfall)
• Machst du immer wieder die selben Fehler? (10 Punkte)
Taten
• Schaffst du es nicht, einzuschätzen und nachzuvollziehen, welche Bevorzugungen du erfährst, wo du also Privilegien im Gegensatz zur Gruppe genießt?
• Lachst du über Witze, die auf Kosten der Gruppe gehen, deren Mitstreiter du bist?
• Machst du Witze auf Kosten der Gruppe, als deren Verbündeter du dich betrachtest? (10 Punkte) Machst du es des Öfteren? (100 Punkte)
• Sitzt du still daneben wenn andere Dinge sagen oder tun, die der Gruppe mit der du verbündet bist, Schaden zufügen?
• Bist du ein „Schönwetter-Mitstreiter“ (d.h. du hilfst nur wenn es sich um einfache Aufgaben handelt oder du davon einen Nutzen hast)? (20 Punkte)
• Kritisierst du schädliches Verhalten anderer nur wenn jemand da ist, der_die das mitbekommt und dich dann dafür loben kann?
• Verbringst du mehr Zeit damit, die Stimme für eine unterdrückte Gruppe zu ergreifen, anstatt dieser zuzuhören oder ihre Aussagen zu verbreiten?
• Hältst du regelmäßig Vorträge/schreibst du häufiger/diskutierst du öfter über eine diskriminierte Gruppe, anstatt dem Programm/der Publikation/der Veranstaltung zuerst Mitglieder aus dieser Gruppe dafür vorzuschlagen? (10 Punkte pro Vorfall)
• Heimst du die Lorbeeren für etwas ein, das Mitglieder aus der Gruppe, mit der du verbündet bist, erarbeitet haben? (10 Punkte pro Vorfall) Tust du das auch noch, ohne die jeweiligen Leute zu erwähnen? (100 Punkte pro Vorfall) Meinst du darüber hinaus auch noch, sie hätten ja gar nicht mit dran gearbeitet? (1000 Punkte pro Vorfall)
• Tust du Dinge, die Mitgliedern der Gruppe mit der du verbündet bist, aktiv schaden? (100 Punkte pro Vorfall) Tust du es sogar mit Absicht? (1000 Punkte pro Vorfall)
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Punktebewertung
Je höher deine Punktzahl, desto seltener verhältst du dich wie ein guter Mitstreiter. Hohe Punktzahlen weisen darauf hin, dass du vermutlich gar kein Verbündeter bist. Hier kommen mal ein paar willkürliche Punktzahlanalysen, die ich mir ausgedacht habe.
• 0-1: Entweder bist du ein unheimlich fantastischer Verbündeter oder du hast beim Quiz geschummelt. Letzteres scheint wahrscheinlicher, daher: Schäm dich.
• 2-10: Du bist schon sehr gut dabei, aber denk dran, dass man als Verbündeter einem ständigen Lernprozess unterliegt. Arbeite also fleißig weiter an dir.
• 11-24: Du machst einige Fehler und hast immer noch Platz für Verbesserungen, aber machst auf jeden Fall gute Fortschritte.
• 25-49: Du machst viele Fehler, aber verhältst dich manchmal vielleicht doch wie ein Verbündeter. Da ist auf jeden Fall noch einiges an Verbesserungen möglich. Du solltest daher mehr Zeit damit verbringen, dich weiterzubilden.
• 50-99: Du bist selten oder so gut wie nie ein Verbündeter, aber wenn du willens bist und hart an dir arbeitest, kannst du die notwendigen Fähigkeiten durchaus entwickeln. Du musst auf jeden Fall schon mal viel Zeit einplanen, um dich weiterzubilden.
• 100+: Du bist nicht so weit, ein Mitstreiter zu sein, also hör auf damit, dich einen zu nennen. Leg los und lerne.
• 1000+: Du bist noch nicht mal ansatzweise ein Verbündeter. Im Gegenteil: Du schadest vermutlich den Mitgliedern der Gruppe, von der du dich als Mitstreiter siehst. HÖR AUF DAMIT. Fang sofort an, an dir zu arbeiten.
• 5000+: Du bist kein Verbündeter. Du bist ein schrecklicher Mensch. Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?
Diskussion auf dem Niveau „entweder Du bist für uns, oder Du bist gegen uns“. Die beste Garantie um für immer in der eigenen Filterbubble eingesperrt zu bleiben…
Woraus liest du das? Bloß, weil hier das Wort „schlecht“ drin vorkommt?
Ich finde, die Punkteauswertung liest sich schon so, als wäre es das der wichtigste Schritt auf dem Weg, ein guter Mensch zu werden, ein guter Verbündeter zu sein.
Ich selbst habe gar nicht den Anspruch, ein Verbündeter irgendeiner Gruppe zu sein, oder irgendwie an mir zu Arbeiten, um ein guter Verbündeter zu sein. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch?
Bitte nicht vom Thema des Posts ablenken: Es geht um Menschen, die sich als (in diesem Fall) feministische Verbündete sehen und deren Verhalten. Es geht nicht um eine Einteilung in gute oder schlechte Menschen – zumal das Plakative „schlecht“ hier gewählt wurde, um die spielerische Quiz-Form zu unterstreichen.
„Du bist kein Verbündeter. Du bist ein schrecklicher Mensch. Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?“ hört sich nicht spielerisch an. Eher nach guter und schrecklicher Mensch.
Natürlich ist das drastisch / übertrieben formuliert. Aber schau dir doch mal an an welcher Stelle das steht: 5000 Punkte und mehr. Und dann, was du laut Quiz für diese Sachen gemacht haben sollst – z.B. „Tust du Dinge, die Mitgliedern der Gruppe mit der du verbündet bist, aktiv schaden? (100 Punkte pro Vorfall) Tust du es sogar mit Absicht? (1000 Punkte pro Vorfall)“
Sowas *ist* halt auch nicht besonders nett. Und ist da, um nen Punkt zu machen / aufzurütteln.
Das ist Satire, oder?
Es ist eine nicht immer superernst gemeinte Auseinandersetzung mit einem viel diskutierten Thema. Satire ist es deswegen aber noch nicht. Wieso fragst du?
[…] Verbündeter.” (Julie: “Schlechte Verbündete – Das Quiz”. kleinerdrei.org. http://kleinerdrei.org/2014/03/schlechte-verbundete-das-quiz/. Abgerufen am 12.03.2014) Weiter auf “Schlechte Verbündete – Das […]
Das ist gut, zeigt es doch mal genau die ganzen problematischen Punkte auf. Ich habe den Artikel in meinem Blog-Post verlinkt, indem ich mich damals aber auf das Problem von Gewalt und Gewaltandrohungen beschränkt habe (http://www.asaekante.de/?p=391).
Weil es gerade auf Twitter diskutiert wird, hier noch mein dortiges P.S. zum Quiz:
„tl;dr des #allyquiz: das ist alles arbeit & uns nicht einfach komplett gegeben. wenn das anliegen am herzen liegt, muss lernwille da sein. dabei geht’s nicht um perfektion (we all fuck up sometimes), sondern: so gut wie möglich, an der seite der verbündeten zu kämpfen, um gemeinsame ziele zu erreichen.“
Also, weniger an Punktzahlen aufhängen und mehr darüber nachdenken, wo schon mal was schief gelaufen ist und es nicht sein muss. :)
Ich finde dieses „Quiz“ gut, mir hat es sehr geholfen. Ich habe es nicht unter Punktzahlen gelesen, sondern vor allem unter dem Aspekt von Awareness (und unter „gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht“). Wichtig war da für mich besonders, mir selbst wieder klarer zu machen, dass gute Absichten zwar schön sind, aber in der Praxis eigenes, gut gemeintes Verhalten dennoch negativ oder gar schädigend für eine Gruppe (oder einzelne Gruppenmitglieder) sein kann. – Genauso wie der Punkt, der das hier durchzieht: meine eigene Position und Vorteile, die ich habe, regelmäßig kritisch zu hinterfragen.
Genau das. <3 Und auch die Mitglieder einer Gruppe sind nie 100% perfekt, plus: sie sind wiederum oft Verbündete anderer Gruppen und müssen diese Lernprozesse genauso durchlaufen.
Zur weiteren Lektüre empfehle ich auch diesen Blogpost: http://faserpiratin.blogspot.de/2013/11/what-about-allies-welche-art.html
Mir fehlt da noch ein Punkt:
„Erklärst du Mitgliedern einer Minderheit, dass sie bestimmte Aspekte erst einmal zurückstellen müssten um andere „Allies“ nicht zu vertreiben?
Kannst du mir erklären, warum sich dieser Punkt in der Reihe befindet: »Spielst du gerne “Advocatus Diaboli” (“devil’s advocate”) wenn Probleme diskutiert werden, die den Mitgliedern der Gruppe wichtig sind?«
Kann ich. Das ist aber auch bestens im bereits verlinkten Blogpost von Shakesville erklärt: http://www.shakesville.com/2013/10/liss-says-stuff-3-devils-advocate.html
Danke! :)
Mich würde interessieren, ob schwule Männer, die sich für LGBT-Rechte einsetzen, im *intersektionalen* Feminismus nur „Allys“ sein können – während lesbische Frauen sich als „Feministin“ bezeichnen dürfen.
Unter Feminismus wird heutzutage eben ein genereller Kampf gegen
unterdrückende Strukturen verstanden, nicht nur gegen die Unterdrückung von Frauen, oder? Man will den Begriff eben aufrechterhalten und nicht sowas
MRA-infiziertes wie „Egalitarismus“ als Überbegriff verwenden. So habe ich das zumindest immer mitgekriegt.
Eine Hetera kann so wie ich das sehe z.B. auf einer LGBT-Veranstaltung und -Diskussion nur Ally sein. Ein weißer, schwuler Trans-Mann kann bei einer Diskussion über Rassismus nur Ally sein.
Mich würde interessieren, ob im intersektionalen Feminismus der Begriff „Ally“ so, wie er bei Geekfeminism definiert wird, überhaupt Sinn ergibt – oder ob sich eigentlich jeder als „Feminist“ bezeichnen kann, je nach konkreter *Diskussion* aber eben Ally ist.
Hoffentlich schmeiße ich gerade nicht zu viele Dinge in einen Topf. Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen!
ist das, was du meinst nicht eher „Antisexismus“ anstatt „Feminismus“?
(ist mir als Begriff allein schon deshalb sympathischer, weil es deutlicher macht, daß normative Geschlechterbilder nicht nur ein „Frauenproblem“ sind)
Antisexismus hat aber z.B. nichts mit Rassismus zu tun. Und es ist
schwierig auszudifferenzieren, ob z.B. Homophobie eine Ausgeburt des
Sexismus ist oder was anderes.
Der intersektionale Ansatz ist
doch gerade: liebe Leute, fast jede*r von uns unterdrückt, und fast
jede*r von uns wird unterdrückt. Macht und Privilegien haben sehr viele Facetten, und wir sollten nicht oppression olympics spielen sondern anderen zuhören und unsere Klappe halten, wenn sie von Unterdrückung berichten, die wir selbst nicht erfahren haben.
Ich kenne bisher keinen besseren Begriff als „Feminismus“ um den gesamten, vereinten Kampf gegen Unterdrücker-Strukturen zu beschreiben.
dann muß man aber damit rechnen, daß sehr viele das komplett anders verstehen, weil „Feminismus“ „historisch“ doch schon etwas andere ist, oder nicht?
zwei der Punkte konnte ich nicht ganz nachvollziehen:
• Verlangst du von anderen Leuten, dass sie dir alles beibringen (anstatt dich selbst weiterzubilden)?
ist es nicht viel logischer MIT als nur ÜBER jemanden zu sprechen?
• Befragst du Leute zu sensiblen Themen (z.B. Übergriffe, Genitalien, Sexualität)? (10 Punkte)
siehe den Punkt davor. wenn damit grenzüberschreitendes Verhalten gemeint ist, kann ich das nachvollziehen. aber grundsätzlich würde ich meinen, daß doch auch in diesem Fall viel dafür spricht, mit den „Betroffenen“ über bestimmte Themen zu sprechen als über sie.
#1 Es ist natürlich wichtig, mit Menschen zu sprechen statt über sie, das wird im Text ja auch hervorgehoben. Um diesen Punkt geht es hier aber nicht. Beispiel Feminismus: es gibt zu diesem Thema Unmengen an Literatur, Blogs etc. und die verschiedensten Möglichkeiten, sich zu informieren. Es gibt natürlich auch Menschen, die gerne Fragen dazu beantworten. Worum es hier geht ist die Anspruchshaltung: Feminist_innen sind, ebenso wie andere Gruppen und ihre Mitglieder, keine wandelnden Weiterbildungsmaßnahmen. Es geht also darum, nicht die Haltung „du als Feminist_in musst mir erklären, wie das mit dem Feminismus geht“ vor sich herzutragen, sondern Bereitschaft mitzubringen, sich über das Thema und die Gruppe, deren Verbündete_r mensch sein möchte, zu informieren – statt von der Gruppe zu verlangen, einer_einem die Welt zu erklären.
#2 „Sensible Themen“ meinen v.a. übergriffiges, grenzüberschreitendes Verhalten. Mit Betroffenen sprechen, ihre Meinung wertschätzen und ihre Position stärken ist zweifelsohne extrem wichtig, das wird ja auch obenstehend oft betont. Übergriffiges Verhalten wird dadurch aber nicht gerechtfertigt.
Ein guter Verbündeter sagt „anderen Leuten“ nicht „wie sie zu reden oder sich zu verhalten haben“. Das ist mir sehr sympathisch. Die Welt wäre meiner Meinung nach besser, wenn nicht andauernd jeder und jede sich dazu berufen fühlen würde, das Verhalten anderer Menschen zu beurteilen.
Es geht hier aber (wie aufmerksame Leser_innen vielleicht bemerkt haben) nicht darum, was „andauernd jeder und jede“ zu allen „anderen Leuten“ sagt, sondern im Kontext „Verbündeter einer Gruppe“. Großer Unterschied. Das aus dem Zusammenhang zu reißen macht wenig Sinn.
Da hast Du vielleicht recht.
Vielleicht aber auch nicht.
Es käme dabei auch darauf an, wie sich die Gruppe gegenüber dem Verbündeten verhält. Gibt es dafür ähnliche Richtlinien?