Schau ich YouTube in der Nacht…

Foto , CC BY-SA 2.0 , by nik gaffney

Ich bin erst sehr spät dazu gekommen, regelmäßig Zeit auf YouTube zu verbringen. Mittlerweile gucke ich dort meine abonnierten Kanäle, so wie andere Leute fernsehen. Aber eines fällt mir auf: Ich finde dort fast nur Englisch-sprachiges, das mich interessiert. Warum eigentlich?

Ich gucke eine ziemlich bunte Mischung an Shows. Zu allererst sei da PBS Idea Channel mit Mike Rugnetta zu erwähnen. In Hochgeschwindigkeit werden hier komplexe Themen mit Netzkultur verwoben. Ich habe das Gefühl, hier werde ich für voll genommen und intellektuell gefordert, während ich gleichzeitig meine Interessen wiederfinde – Serien, Computerspiele, Netzphänomene. Hat man ja selten genug bei Bewegtbildinhalten! Was mich besonders beeindruckt, ist die starke Einbindung des Publikums. Am Ende jeder Folge wird die Diskussion zur letzen Folge aufgegriffen und weitergeführt. Diese Aussicht auf Partizipation scheint anzuspornen: Nie habe ich so geistreiche Youtube Kommentare gesehen, denn natürlich kommen vor allem die Kommentare in die Sendung, die die Diskussion bereichern.

Next up: Black Nerd Comedy. Andre Meadows erzählt begeistert von nerdigen Heldinnen und Helden wie den Ninja Turtles, den Schlümpfen, Power Puff Girls und Nintendo-Spielen. Oder er schimpft darüber. Seine Videoreihe ist nicht super aufwendig, aber sehr sympathisch produziert. Pointiert und witzig geschrieben und performt.

Eine Sendung, in der ein japanischer Expat einen Hund synchronisiert, der zusammen mit einer Köchin dem Publikum die japanische Küche näher bringt? Kein Problem für „Cooking with Dog„. Die Rezepte rangieren von einfach bis sehr aufwendig. Wer mal abseits von Sushi japanisch kochen oder gar backen möchte, wird lange nach Besserem suchen müssen.

Wo wir schon beim Kochen sind: Youtuberin Hannah Hart kocht jeden Donnerstag. Zumindest versucht sie es, während sie sich mit einem Gast betrinkt. “My drunk kitchen” ist also quasi genau wie Alfred Biolek, nur in lustig. Dafür für die Beteiligten vermutlich ein bisschen weniger lecker…

Vi Hart nennt sich “Mathemuscian”, sie wurde auf Kleinerdrei bereits empfohlen in Lucies Artikel zur XOXO-Konferenz. Sie bringt uns in ihren Videos wahlweise fortgeschrittene Geometrieprobleme oder Zwölftonmusik mit Eddingstiften näher. Manchmal auch beides. Oder sie erklärt, wie man möglichst stilvoll eine Mikrowelle bedient oder wie das nun ist mit der richtigen Art, die Zahnpasta-Tube auszudrücken. In jedem Fall ist sie immer grossartig.

Auch Jay Smooth kennt ihr vielleicht noch aus Lucies XOXO Artikel. Er macht (leider viel zu selten) Vlogs an der Intersektion von HipHop, amerikanischem Alltag, Race und Nerdiness und beschreibt seine Mission mit „I basically yell at people to be nice to each other“. Immer wohl überlegt und gut geschrieben, ein Oldie-but-Goldie in meiner Subscription-Liste.

Feminist Frequency kennt ihr eh alle, oder? Ich hoffe doch schwer. Wer den Idea Channel mag, dem sei auch der Videospiel Ableger „PBS Game-Show“ empfohlen. Gute Sketche gibt es bei Loading Ready Run, Interessantes aus Biologie und Wissenschaft aus dem Field Museum in Chicago bei The Brain Scoop und tolle Musikvideos bei Jack Conte.

Aber genug der Linkballerei. Jetzt zum ernsten Teil: Die deutsche „Tubosphäre“. Dort finde ich bislang weniger Vielfalt und weniger – zumindest für mich – Interessantes. In den Charts geben sich mehr oder weniger komödiantische Jungmänner und Jungmännergruppen wie Die Aussenseiter, Freshaltefolie, Y-Titty oder LeFloid die Klinke in die Hand. Sicherlich nicht ausschliesslich, aber meine Wahrnehmung dominieren ihre klickoptimierten Videos sehr.

lefloid

Neben „Comedy“ sehe ich einen zweiten großen Schwerpunkt in einem Bereich, den ich als „Fashion & Lifestyle“ beschreiben würde. Tipps, Produktvorstellungen, Schminkvideos. Also zum Beispiel Herr Tutorial oder xKarenina. Und dann sind da noch die sogenannten „Let’s Plays„, also das Spielen und Kommentieren von Videospielen auf Youtube. Hier ist die deutsche Szene aus meiner Perspektive am vergleichbarsten mit der Englischsprachigen, vor allem was die relative Größe und Verbreitung angeht.

Aber die Zwischentöne sind die, die ich vermisse.

Meinem Eindruck nach fehlten und fehlen in Deutschland Persönlichkeiten wie Ze Frank, der mit seiner „The Show“ einer Videoblog-Form den Weg bereitet hat, die auch abseits von Sketchen oder Produktpräsentationen funktioniert. Es fehlt auch irgendwie die Art von „Community“, die die VlogBrothers, inspiriert von Ze Frank, aufgebaut haben. Beim Stöbern im deutschsprachigen Youtube wirkt alles sehr viel Mainstream-flurbereinigter. Wo sich woanders im metaphorischen geschlängeltem Flusslauf des Massengeschmacks auch kleine Biotope für Orchideenformate bilden, wirkt der deutsche Youtube-Strom als wäre sein Bett betoniert und schnurgerade auf den Durchschnittsbedarf hingebaut.

Bleibt mir als Fazit nur die Frage, ob es vielleicht an mir liegt: Finde ich den deutschen „PBS Idea Channel“ einfach nur nicht, weil ich nicht weiß, wo ich suchen soll? Oder gibt es ihn nicht, weil die deutsche Community kleiner ist und weniger Raum ist für Shows abseits des monetarisierbaren YouTube-Mainstreams? Ist es vielleicht eine Frage der Demographie des deutschen YouTube? Offenbar wird YouTube im englischsprachigen Raum von einem breiteren und auch älteren Publikum, das eher meine Interessen teilt, als Publikationsweg ernster genommen. Ich frage mich, warum wir da so zaghaft sind. Vielleicht bin ich auch einfach nur unfair… Was meint ihr? Habt ihr deutsche Youtube-Lieblinge?

8 Antworten zu “Schau ich YouTube in der Nacht…”

  1. Herr Fabu sagt:

    Ich finde, es lässt sich ein bisschen mit TV-Serien und -Shows vergleichen. In dem Bereich hinkt Deutschland ja auch schrecklich hinterher, zeigt sich in der Regel wenig kreativ und intelligent. Das mag zum einen an Budgets liegen, aber wenn man hört, dass eine Folge Sherlock weniger Geld verschlingt als ein Tatort, deutet das schon auf tieferliegende „Probleme“ hin.
    Womöglich liegt es einfach an der deutschen Mentalität bzw. der Mentalität der Masse, an die sich „erfolgreiche“ Formate richten. Herr Tutorial, Gronkh, Außenseiter. Das ist alles so unglaublich flach, unkreativ und inkompatibel mit meinem Weltbild. Diesen Schrott gibt’s natürlich auch in den USA und anderswo, nur bekommen wir’s nicht so sehr mit in den ganzen Filterblasen, in denen wir uns bewegen. (Herr Tutorial. Allein für den Namen möchte ich den Kerl tagelang am Stück ohrfeigen. Und alle, die das gucken auch. Und deren Familien.)

  2. Svenja sagt:

    Toller Artikel und berechtigte Fragen!

    Ich habe zwei deutsche YouTube-Lieblinge:
    Coldmirror – Magst du sie denn nicht? Oder kennst du sie nicht? Ihre Harry Potter Synchros sind so legendär, dass es sie mit englischen Untertiteln gibt! http://bit.ly/1aHea1R
    Fresh Torge, bzw. Freshhaltefolie – ein bisschen albern aber trotzdem sehr lustig und sympathisch. http://bit.ly/1efTxZu

    xKarenina und Herrn Tutorial finde ich supernervig, eigentlich finde ich alle deutschsprachigen Lifestyle YouTuber nervig. Bis auf Andrea Morgenstern, die ist zwar nicht so lustig aber klug und versorgt ihre Zuschauer mit Lebensweisheiten, veganen Rezepten und Tipps zu Drogerie- und Naturkosmetik. Insgesamt halte ich sie für ein gutes Vorbild für die Generation der konsumtrotteligen Teenager, über die ich jeden Tag staune.

    Vielen Dank auch für die Tipps, habe direkt einige abonniert!

    Hanna Hart finde ich auch großartig. Zu meinen englischsprachigen Lieblingen gehören noch Essie Button Vlogs (ihr Freund Aslan ist der heimlich Star!) http://bit.ly/1iKC7aQ und Stacey Helps, eine Serie bei Hello Giggles mit der großartigen Stacey McGunnigle http://bit.ly/1niNKGy.

    • map sagt:

      Ja, Coldmirror hätte ich noch erwähnen sollen. Aber die Vielfalt die ich gerne hätte kann sie alleine natürlich auch nicht abdecken. ;)

  3. Jonas sagt:

    Meine Lieblings-Channel sind zwar auch englischsprachig (https://www.youtube.com/user/filmriot & https://www.youtube.com/channel/UC1qC39KQoTG6LqgL_YnjSSQ), aber manniac sticht für mich durch seine gute Fähigkeit zum Erklären aus den deutschen YouTubern heraus. Zwar hat er im Bereich Erklärvideos noch nicht allzu viel gemacht, aber besonders sein Video zum Überwachungsstaat zeigt sein großes Potenzial (https://www.youtube.com/watch?v=iHlzsURb0WI&list=TL59YPtyO9NRUMdp-xGJcH9PZSJBrr-H_Y).

  4. Sarah sagt:

    Nicht schlecht find ich auch Kwink306, der hat vor ner Weile auch eine Videoreihe zum Thema Jugendkultur gemacht. Hab ihn vor allem durch Coldmirror gefunden, da die beiden befreundet sind.

  5. blub sagt:

    Coldmirror wurde ja schon erwähnt, ich finde auch noch jung&naiv ziemlich gut http://www.youtube.com/user/Nfes2005

    Außerdem lohnt es sich ab und zu bei den Rocketbeans reinzuschauen http://www.youtube.com/user/ROCKETBEANSTV

  6. map sagt:

    Budget der Sherlock Pilot Folge: £800000

  7. Reinholdine sagt:

    Ich kucke total gerne den Teilzeitvlogger ( http://www.youtube.com/user/Teilzeitvlogger ) – richtig richtig toll…
    Und sonst hoffe ich, dass Frau Dingens ( http://www.youtube.com/watch?v=l9o0IXWA3BI ) noch mehr Videos macht…?