Pink ist dufte!

Foto , CC BY 2.0 , by felice

Es gab eine Zeit, in der die Farbe Pink nur eine unter vielen war und nicht dazu benutzt wurde, Menschen in ihren Geschlechterrollen einzuschränken. Eine Hommage an meine Kindheit und eine Farbe.

Ich kam 1970 zur Welt. In meinem ersten Zimmer, an das ich mich erinnere, standen ein heller Holzschrank, ein orangerotes Bett, bei dem an manchen Stellen bereits der Lack abgesprungen war, und an der Wand hing ein Kubus in der gleichen Farbe, der meine Spielzeugfiguren beherbergte. Mein Teppich war graumeliert und mir ist nicht gegenwärtig, dass die Farbe Pink zu dieser Zeit eine Rolle in meinem Leben spielte, außer dass ich beim Malen manchen Menschen lila-pink-gestreifte Kleidung anzog und meine Mutter mir sagte, das passe nicht zueinander. Meine erste Puppe trug einen orange-blauen Strampler und die Puppenkleidung, die ich nach und nach bekam, war meist weiß, selbstgestrickt und sah so aus wie echte Babykleidung.

Ich liebte es, mit Autos und dem Parkhaus samt kurbelbetriebenem Lift zu spielen. Genauso gerne vertrieb ich mir die Zeit mit Lego oder Playmobil – ich hatte ein Bauarbeiterset mit allerlei Werkzeug, bei dem es sogar winzige grüne Bierflaschen gab, die ich besonders mochte – und später mit den Monchichis, für die ich gemeinsam mit meiner besten Freundin krumme Kleidungsstücke in allerlei Farben nähte. Ich erinnere mich, dass die Monchichi-Frau ein kleines Zöpfchen auf dem Kopf hatte, das mit einer rosa Schleife verziert war, um sie vom männlichen Monchichi zu unterscheiden, und bei ihren Kindern verhielt es sich ebenso.

Ebenso liebte ich meine Barbiefamilie, die ganz ohne Ken auskam, aber dafür aus zwei Müttern und vier Kindern bestand. Ich hatte wenig offizielles Zubehör, beispielsweise das Badezimmer, das vollständig in Türkis gehalten war und bei dem ich mit Hilfe einer manuellen Pumpe Schaum erzeugen konnte. Ab und zu brachte meine Freundin ihr pinkes Barbiehaus mit. Einerseits war ich neidisch darauf, denn es war luxuriös und protzig, andererseits fand ich es einschränkend und baute lieber selbst in einer Zimmerecke riesige Wohnungen.

Ich hatte zudem ein rotes Kasperletheater und einen blau-orangenen Kaufladen. Neben den Figuren aus Entenhausen waren jene aus den Heidi-, Biene-Maja- und Pinocchio-Fernsehserien und -Heften meine Heldinnen und Helden. Heidi trug einen pinken Rock, aber das war für mich nur eine Farbe unter vielen und aus Daisy Duck machte ich mir nichts.

Auf meinem Kindergartenfoto trägt ein einziges Mädchen Rosa. Die restlichen Kinder sind bunt gekleidet, viele haben rote Pullover an – und zwar Jungs und Mädchen. Bei meiner Einschulung trug ich ein blaues Kleid. Ich besuchte eine Grundschule für Mädchen – bin mir jedoch sicher, dass dies keinen Einfluss auf meine Garderobe hatte. Aber auf meine Unbeschwertheit, weil die großen Konflikte mit den Jungs endlich ausblieben. Mich konnte man nämlich leider prima ärgern und zum Weinen bringen und ich erschrecke heute noch, wenn ich das Wort Heulsuse höre.

Die Schule für Jungs betrat ich nur ein einziges Mal. Damals sollten wir geimpft werden. In langen Reihen standen wir in der Aula an, um hinter einem mysteriösen Paravent eine Spritze in den Arm gesetzt zu bekommen. Hier fiel ich zum ersten und bisher einzigen Mal in meinem Leben in Ohnmacht – noch bevor ich überhaupt dran war, so groß war meine Angst! Immerhin trug ich währenddessen eines meiner Lieblingskleidungsstücke: einen braunen Rock mit einer passenden Weste. Ich trug gerne Röcke und Kleider, vor allem, wenn sie lang waren, doch das waren höchstens die Sommersachen. Eines dieser Kleider – es war schwarz mit weißen Punkten – zog ich immer an, wenn wir in meinem Kinderzimmer Abba spielten. Ich war stets Agnetha – niemand wollte damals Frida sein.

Hosen fand ich auch toll. Meine liebste war aus braunem Breitcord und hatte an der Taille einen großen Karabinerhaken. Ich trug sie, als ich mit meiner Freundin alleine im Kino war, wo wir einen Film mit Bud Spencer sahen und ich unter Qualen auf den Sitz pinkelte, weil ich damals zwar eine Lieblingshose hatte, aber nicht wusste, dass es in Kinos Toiletten gab. Auf der Rückfahrt im Bus musste ich deshalb stehen und habe mich sehr geschämt. Der Sitz ist dennoch mein Stammplatz geworden: Fünfte Reihe Mitte, dritter Sessel von rechts. Revier markiert.

Es gab jedoch eine farbliche Ausnahme von allem: an Fasching. Hier war meine Mutter die treibende Kraft, die mir mühevoll ein Kostüm nähte, von dem ich mich nicht erinnern kann, dass es meine Idee war – das ich aber dennoch am liebsten nie mehr ausgezogen hätte. Vielleicht fing ja damit alles an.

ballerina

Ein (Alp)traum in Altrosa

Als ich zehn war, zogen wir in den Sommerferien in eine andere Stadt, wo meine Eltern direkt neben das Haus der Oma auch eines für uns gebaut hatten. Bezüglich der Einrichtung tobte sich meine Mutter aus, schließlich machten wir ohnehin Schulden. Ich glaube nicht, dass sie mich fragte, was für ein Zimmer ich mir wünschte. Der Teppich war altrosa und an den Wänden hing eine beige Tapete, auf der sehr, sehr viele altrosa Blümchen angeordnet waren. Bett, Nachttisch, Schrank und Kommode waren Imitate alter schwerer Möbel, jedoch mit Kirschbaumfurnier. Ein Mädchenzimmer – der Traum, den sich meine Mutter erfüllt hatte. Es war nicht besonders groß, vollgestellt und war ich anfänglich noch euphorisch, ging es mir nach zwei Jahren auf die Nerven und das konnten auch keine ersten Bravo-Poster an der Dachschräge wieder gutmachen.

Die Poster wurden bald immer mehr, doch sie sahen schrecklich aus an der altrosa Blümchenwand und der mit hellem Holz verkleideten Dachschräge. Ach die vielen wimmeligen Astlöcher!
Nena trug auf ihrem sorgsam von mir zusammengeklebten Starschnitt ein pinkes Oberteil, doch wenn ich im Wohnzimmer eine Leuchtturm-Performance für meine Eltern probte, tat ich das in einem roten kurzen Rock, den ich nur zuhause trug.

Und dann kam Madonna in mein Leben.

Desperately seeking identity

Beschränkte sich mein Wunsch aufgrund des Films Grease 2 lediglich auf den Besitz einer Jacke der Pink Ladies, verhielt es sich ein paar Jahre später schon anders. Die Achtziger waren dabei, das vorige Jahrzehnt auch mit einer neuen Farbwelt abzulösen.

Zu Beginn von Susan… verzweifelt gesucht wurde das Live-Video von Dress you up gezeigt und obwohl es darin nicht um Kleidung geht, waren das Video und der Film doch meine diesbezügliche Offenbarung. Ich wollte auffallen und sein wie Madonna. Im Handarbeitsunterricht nähte ich mir meine erstes ‚Kostüm‘: ein Ensemble aus bauchfreiem Oberteil und knielangem Rock – in pink. Dazu trug ich durchsichtige pinke Leggings und lila Stiefeletten, denn diese Farben passten sehr wohl zueinander. Ich toupierte mir die Haare, band sie mit einer Tüllschleife zusammen, hing mir ein paar Ketten meiner Oma um und tanzte stundenlang zu diesem Song vor dem Garderobenspiegel, um mein neues Wunsch-Ich nach außen zu kehren. Anfangs trug ich auch noch andere Farben und Schwarz behielt ich bei: im einzigen Gothic-Shop der Stadt kaufte ich mir einen Rock samt bauchfreiem Oberteil, beides verziert mit sehr viel Tüll und Spitze.

Es war oft ein schmaler Grat, auf dem ich durch den kleinen Vorort zur Bushaltestelle ging, wenn ich zu den Tanzschulparties in die Stadt fuhr. Ich liebte es, wenn die Leute mich anstarrten, gleichzeitig hasste ich es, wenn sie mich verurteilten.

Ich trug auch schwarze Bundfaltenhosen oder Jeans und dazu pinke Satinblusen oder rosa Sweatshirts. Accessoires waren pinke Ohrringe aus Federn, pinke Ohrringe in Fächer- oder Blitzform, rosa Spitzenhandschuhe. So kannst du doch nicht vor die Türe gehen! schalt mich meine Mutter. Ich hörte nicht auf sie.

Als ich mit Freundinnen an der jährlichen Skifreizeit teilnahm, guckten sie mit großen Augen in meinen Koffer: darin befanden sich ein paar schwarze und hauptsächlich pinke Kleidungsstücke. Mädchen, die in anderen Zimmern übernachteten, wurden herbeigerufen. Seht nur! Alles pink! Ich hatte ein Markenzeichen.

Spätestens als ich mit siebzehn die Psychobillys und Rockabillys entdeckte, war Schluss mit mir und der Farbe Pink. Später während meiner Zeit in der Kölner Technoszene versuchte ich kurz, die Farbe zu reanimieren, doch es funktionierte nicht: es gab zu viele Alternativen, ich trug einfach alles. Fuck yeah, Hedonismus! Danach dominierten meist Rot und Orange, Lila und Grün und viel Schwarz.

Happy happy

Es war dieses Mal keine bewusste Entscheidung und es gab keinen Auslöser. Zwar habe ich sofort, als ich vor sechs Jahren nach Berlin zog, die dottergelben Wände in meinem Flur mit pinker Farbe gestrichen, und mittlerweile ist es ein bisschen so, als müssten sich Gäste durch mein Herz schleusen lassen, bevor sie meine eigentliche Wohnung betreten können. Aber das Pink hat sich erst nach und nach wieder in mein Leben geschlichen und am liebsten trage ich es kombiniert mit einem hellen Grau oder Silber, denn Schwarz ist mir meist viel zu düster.

Ich habe mittlerweile sehr viele pinke und rosa Kleidungsstücke, aber im Gegensatz zu früher dosiere ich sie besser und trage auch andere Farben, denn ich möchte das Pink nicht wieder verlieren. Ohne gehe ich jedoch nicht aus dem Haus, denn sonst fühle ich mich unvollständig – und wenn sich das Pink nur auf die Unterwäsche beschränkt.

Angeblich mindert die Farbe die Aggression. Mich stimmt sie vor allem fröhlich und ich neige tatsächlich dazu, mir immer wieder Kleinigkeiten in Pink zu kaufen, die irgendwo ihren Platz finden: Plastikeierbecher in Hühnerform, Muffinschälchen aus Silikon, eine Bentobox, Cheerleaderpuschel, Fächer, Sonnenbrillen ohne und mit Glitzer, Katzenohren zum Anstecken, Geldbeutel, Stoff- und Sporttaschen, Kopfhörer, Schals, Handybumper, Ohrringe, Taschentücher, elektronische Wärmflaschen, Aufbewahrungsboxen, Rollkoffer, Regencape, Seifenspender, Schals, Poster, Nagellack, Reisschälchen, Haarspangen, Schirm, Kopfbedeckungen, Halstücher, Onesies. Selbst vor kleinerdrei mache ich nicht Halt: jeder meiner Beiträge wurde mit Pink bebildert, einige der Fotos habe ich extra dahingehend bearbeitet.

Das Nipponconnection Filmfestival in Frankfurt machte mich dieses Jahr besonders glücklich: Das ganze Artwork war in Pink gehalten, am Hauptveranstaltungsort lagen darüber hinaus überall pinke Sitzkissen aus – es gab kein Entkommen und ich fühlte mich wie im Himmel, zumal ich mein mir liebstes rosa Kleid trug. Gerade bin ich dabei, im Internet eine Dublette zu finden, denn es wäre schrecklich, wenn das Kleid demnächst kaputt ginge und ich keinen Ersatz hätte. Es ist seit geraumer Zeit meine Rüstung gegen die Widrigkeiten im Leben und so verhält es sich wohl auch mit den anderen Dingen, die ich in dieser Farbe besitze. Für mich schließt sich hier der Kreis zu dem Ballerina-Kostüm von einst und meiner Zeit in den achtziger Jahren.

Ich habe kein Totem, kein Spirit Animal: Ich habe eine Farbe.

Epilog

Als ich das erste Mal von Pinkstinks hörte, zuckte ich zusammen: jene Farbe, die gerade wieder am stärksten meine persönliche Lebenswelt beeinflusst, wird nun offiziell geächtet? Ich merkte jedoch bald, dass sich die Kampagne nicht gegen die Farbe ansich, sondern gegen pinke Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien richtete, die Mädchen (und Frauen) in ihrer Geschlechterrolle einschränkten – und Jungs (und Männer) ebenso betrifft, für die diese Farbe nicht passend zu sein scheint. Bereits hier wird der Grundstein für Diskriminierung gelegt.

Am 1. September dieses Jahres fand unter anderem deshalb eine Demo gegen Sexismus in der Werbung statt, auf der ich mit meinem ‚Pink für alle‘-Schild unterstrich, dass die Farbe Pink für alle da ist, und selbst Stevie Schmiedel, die Gründerin von Pinkstinks Germany, trägt Pink – vermutlich, weil sie in jedem Interview immer wieder klarstellen muss, dass es eben ’nur‘ die Pinkifzierung ist, die stinkt.

Texte und Videos, die sich mit Pinkifizierung und dem damit verbundenen Sexismus befassen, finden sich unter anderem hier:

„Pink bedeutet erst mal nichts“, Violetta Simon interviewt die Genderforscherin Melanie Groß, Süddeutsche Zeitung
„Pinkifizierung ist ein Abbild von Angst„, Dagmar Buchta interviewt Stevie Schmiedel, dieStandard
Mädchenprodukte: „Weniger Lillifee, mehr Pippi Langstrumpf“, Simone Kaiser interviewt Stevie Schmiedel, Spiegel
Rosa Rollback, Carolin Wiedemann, FAS
Pink für Mädchen, blau für Jungs, Celestine Hassenfratz, Neues Deutschland
Disrupting the pink aisle, Werbevideo für Spielzeug von Goldie Blox
There’s more than one way to be a girl, Video von Pinkstinks UK
 Das Mädchen Riley ärgert sich lautstark über den Quatsch, dass manche Spielzeuge nur für Mädchen und manche nur für Jungs sein sollen:
 

 

11 Antworten zu “Pink ist dufte!”

  1. Roma M. sagt:

    Vielen Dank für diese tolle Retrospektive und Betrachtung der Farbe „Pink“!

  2. Robin Urban sagt:

    Ich liebe dieses Video <3

    Pink war lange Zeit ein absolutes No-Go für mich, weil ich aus einer Familie mit sehr repressiven Vorstellungen von Geschlechterrollen stamme. Ich denke, das war so eine Art Überkompensation. Zwar hat man mich nie gezwungen, Pink zu tragen (auch wenn ich ebenfalls ein so grässliches Ballerinaoutfit für Fasching hatte, aber damals war ich erst 3 oder 4 und ich glaube, ich fühlte mich darin sehr wohl), dennoch hatte die Farbe für mich Symbolcharakter. Pink stinks eben, weil konservative Rollenvorstellungen stinken.

    Es hat Jahre gedauert, bis ich mich von diesen neuen, selbstgeschmiedeten Ketten lösen konnte. Jedes Kleidungsstück in Pink wurde gar nicht erst genauer angesehen, oft sogar verächtlich kommentiert.
    Aber dann fand ich beim Stöbern auf Ebay ein Surfershirt mit wunderschön floralen Muster in weiß, die Grundfarbe allerdings: Pink! Und sowas von! Ich kaufte es und ab da war mir klar, dass mir Pink eben DOCH gefällt. Es ist ne kräftige Farbe und so etwas mag ich! Warum auch nicht!

    Das gleiche Spiel mit lila, das wollte ich auch nie. Was allerdings für mich gar nicht geht, ist rosa. Genauso wenig wie hellblau. Oder lavendel. Überhaupt alle Pastellfarben.

    Manchmal dauert's länger, aber jetzt weiß ich, was ich mag und was nicht, unabhängig davon, was andere mir einreden woll(t)en :)

  3. Manon sagt:

    Ich bin in den 80er aufgewachsen und habe die komplette Farbpalette getragen und bespielt.

    Mit Anfang 20 habe ich dann für mich die Entscheidung getroffen, dass pink meine neue Lieblingsfarbe ist. Ich fand das sehr ironisch als erwachsene Frau Pink zu tragen. Das ist etwa 10 Jahre her und damals war es gar nicht so einfach pinke Kleidung zu kaufen. Und mit den Jahren wurde es immer mehr und auf einmal gab es Produkte wie „Tussie on Tour“ (=pinke und rosa Accessoires fürs Auto) und Hello Kitty überall, bis hin zum aktuellen Höhepunkt: Daniela Katzenberger. Auf einmal war meine Entscheidung nicht mehr abgrenzend sondern inklusiv und das empfand und empfinde ich noch als verstörend.

    Ich trage auch weiterhin pink, wie viele andere kräftige Farben, einfach weil ich das mag und mein Tag dadurch positiver wird. Aber gerade die Verantwortung für meine Patentochter und die Schwierigkeiten passende Geschenke zu finden die nicht dem Klischee entsprechen, machen es mir echt schwer nicht immer Pink stinks zu denken.

    Ich wünsche mir sehr das pink wieder nur eine Farbe von vielen ist und nicht ganze Regalreihen dominiert. Dann kann ich die Farbe endlich wieder entspannt gut finden ohne ständig zu hinterfragen, ob sie ein Rollenbild produziert oder ob sie gerade neutral ist.

    Farben sollten Farben sein und kein Ausdruck von Geschlecht.

  4. Anna sagt:

    Diese Kindheit kann ich trotz offenbar ein paar wenigen Jahren Altersunterschied unterschreiben. :) Und ich möchte jetzt SOFORT eine braune Breitcordhose mit Karabinerhaken am Bund. Die hatte ich nie und das klingt fantastisch.

  5. sturmfrau sagt:

    Ich dachte, die Autorin erzählt aus meiner Kindheit. Auch ich erinnere mich an Breitcord und braune Röcke. Ich hatte mich auch schon mal über die Pinkifizierung ausgelassen, die ich recht ausgeprägt an meinen Nichten beobachte. Deshalb gefällt mir die Kleine aus dem Video auch besonders, und sie erinnert mich an einen Shopping-Ausflug mit meiner mittleren Nichte, die im Laden, gefragt von der Schwiegermutter, ob sie ein bestimmtes Paar Schuhe (pink) mögen würde, sehr trocken antwortete: „Ja, aber bitteschön in einer vernünftigen Farbe!“

    Ähnlich wie Robin Urban habe ich auch lange aus Prinzip kein Pink getragen, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, doch ernst genommen werden zu wollen, was in meinen Augen in Pink nicht wirklich ging. Dass man nicht immer ernst sein und ernst genommen werden muss, steht auf einem anderen Blatt und ist eine Erkenntnis, die mir erst spät kam. Pink steht mir hervorragend, vielleicht mache ich es irgendwann mal zu meinem Orange, das ich leider überhaupt nicht tragen kann. Trotzdem beschränkt sich mein Repertoire im Kleiderschrank auf ein fuchsiafarbenes Sportshirt und auf ein fliederfarbenes T-Shirt mit Spitze am Ausschnitt. Zu richtig rosa oder pink konnte ich mich doch nie durchringen. Mit Lila hingegen komme ich klar.

    Blöd ist, dass inzwischen aber auch im Erwachsenensektor pinkifiziert wird. Mir fällt beim Durchblättern meines bevorzugten Outdoor-Kataloges an, dass die Bereiche, wo es grundsätzlich unterschiedliche Modelle für die Geschlechter gibt, sich auch farblich unterscheiden. Zum Beispiel im Schuhbereich, wo die Leisten für Frauenschuhe oft schmaler geschnitten sind und es daher für Frauen andere Modelle gibt als für Männer, da werden dann die Frauenmodelle auch oft mit weiblich konnotierten Farben versehen. Dann denke ich oft: „Hey, schönes Produkt eigentlich, aber wieso gibt es das nur in violett, orange, weinrot?“ Wo ich doch auch als Frau im Outdoorbereich nicht so große Lust habe auf Blümchendekor und Signalfarben. Der Hersteller meines Trekkingrucksacks hat ein auf die weibliche Anatomie zugeschnittenes Gurt- und Rückensystem, verziert aber diesen (sonst farblich neutralen) Rucksack dann auch mit einer (zum Glück abnehmbaren) Textilblüte. Gerade bei diesem Funktionskram wirkt das auf mich aber total lächerlich.

    Alle Farben für alle wäre schön. Dauert aber noch ein bisschen – auch, bis ich mich dran gewöhne.

  6. Ri sagt:

    Ein toller Artikel!

    Als Kind habe ich pink gehasst, es war mir zu mädchenhaft und niedlich und ich wollte doch lieber ein Junge sein, Fußball spielen und raufen. Heute weiß ich zum Glück, dass alles gleichzeitig geht. Und pink – vor allem ein grelles neon-pink – macht mich schlagartig ein bisschen mehr gut gelaunt.

  7. […] und Frau-(geworden-)Sein schreibt Maike auf kleinerdrei.org in ihrer schönen Geschichte über ihre Liebe zu Pink, ihre Kindheit in den Siebzigern und Pinkstinks. Ihr Erzählstil ist wunderschön und ihre Vorliebe […]

  8. Katoomi sagt:

    Was für ein schöner, von Herzen geschriebener und Subjektiver Kommentar zu Pink-Problematik. Auch wenn ich allgemein den Kern der antipinken Kritik verstehe, frage ich mich, ob sich da die Genderfighter_Innen nicht auf einen Nebenkriegsschauplatz verzetteln. Ich persönlich sehe keine Rosa Mädchen irgendwo herumlaufen, und auch, wenn ich mal ein entsprechend gefärbtes Regal in der Spielwarenabteilung erblicke, glaube ich kaum, dass eine nennenswerte Klientel ohne jedes Maß ihre Mädchen in Barbiepuppen verwandelt. Und auch beim Kleidungskauf (denn darum geht es ja), sehe ich keine besondere farbliche Markierung von Mädchen. Vielleicht wäre es zielführender, ähnlich wie bei der Hautfarbe eine Farbenblindheit als Selbstverständlichkeit zu propagieren, um sich dann weniger oberflächlichen Dingen zuzuwenden.

    • ruhepuls sagt:

      Nein, kein Nebenkriegsschauplatz. Ich sehe jeden Tag haufenweise Mädchen in rosa und pinker Kleidung und der Blick in die Kinderabteilung von H&M ist diesbezüglich sehr beeindruckend. Schön, dass es bei Neckermann offenbar nicht so aussieht.
      Das, was du oberflächlich nennst, bildet vielmehr Geschlechterrollen ab. Hast du einen der von mir verlinkten Artikel gelesen? Da steht sehr viel drin und so muss ich hier nicht all das noch einmal wiederholen.