Ahhh und Ohhh

Foto , CC BY 3.0 , by takomabibelot

Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen.
Dieses Mal kommt er von Journelle.

Journelle lebt in Hamburg, kommt aber aus dem Rheinland, was wohl auch ihre Begeisterung für lauten und zotigen Humor erklärt. Sie hat 2004 mit dem Bloggen begonnen und ist seitdem verliebt ins Internet.

@journelle Journelle

Die wahrscheinlich bekannteste filmische Orgasmusszene ist ein Fake. Sally simuliert in „When Harry met Sally“ in Katz’s Delicatessen beeindruckend einen Höhepunkt, um Harry zu beweisen, dass ein Mann nicht in der Lage ist, zu unterscheiden, ob er echt oder gespielt ist.

Zugegebenermaßen könnte ich auch keinen Unterschied feststellen. Allerdings verfüge ich als heterosexuelle Frau auch nur über eine sehr überschaubares Maß an direkter Information über weibliche Erregung. Das ändert allerdings nichts daran, dass mich das Thema interessiert.

Wenn 80er Jahre Komödien einer bei der Neugierbefriedigung wenig behilflich sind, müssten Pornos doch weit mehr ins Detail gehen können.

Nur leider sind sie oft genauso wenig aufschlussreich. Das Stöhnen der beteiligten Frauen klingt oft, als sollte es Hintergrundmusik ersetzen. Gehechelt wird dauerhaft gleichbleibend und ohne einer Dramaturgie zu folgen.

Die gängige Literatur und die eigene Erfahrung weisen allerdings durchaus auf eine Erregungsdramaturgie hin.

Nun möchte ich mich wirklich nicht zu den Gegnern der expliziten Darstellung von Sexualität gesellen, ich finde es nur schade, dass gerade in diesem Bereich vielfach darauf verzichtet wird, ein gutes Produkt herzustellen.

Denn es ist doch geradezu absurd, dass das große Finale oft so schlecht ausgearbeitet wird. Das ist, als würde bei Beethovens 5. Symphonie, nicht die Pauke geschlagen, sondern der Schlegel einfach in das Gesicht einer Person im Publikum geworfen werden.

Vor dem Hintergrund, dass Sexualität nicht nur ein gutes Geschäft, sondern grundsätzlich für sehr viele Menschen von großem Interesse ist, ist es umso überraschender, dass die weibliche Erregung und der Orgasmus im Grunde ziemlich egal sind.

Auf der anderen Seite ist es im Grunde nur logisch. Ich lese ab und zu populärwissenschaftliche Arbeiten zum Thema Evolution und Genetik. In diesem Zusammenhang bin ich mehr als einmal darauf gestoßen, dass tatsächlich die Frage aufgegriffen wurde, warum Frauen Orgasmen haben.

Glücklicherweise bin ich nicht so alt, dass ich zeitgenössische Arbeiten lesen musste, in denen die Meinung vertreten wurde, dass der weibliche Höhepunkt im Grunde überflüssig und ergo abartig ist. Aber allein schon die Frage in den Raum zu stellen, ist eine einzige Unverschämtheit.

In Anbetracht der Tatsache, dass Urologen durchaus in der Lage sind, Sperma ohne Höhepunkt zu extrahieren, könnte diese Frage auch Männern gestellt werden.

Stattdessen erleben wir aber noch heute die Auswirkungen einer Pathologisierung weiblicher Lust. Nichts anderes ist die Diagnose der Hysterie.

Hysterisches Verhalten wurde auf die Gebärmutter zurückgeführt, betraf somit ausschließlich Frauen. Wie bei Wikipedia so schön ausgeführt, ging man „[k]onzeptionell […] davon aus, dass die Gebärmutter, wenn sie nicht regelmäßig mit Samen (Sperma) gefüttert werde, im Körper suchend umherschweife und sich dann am Gehirn festbeiße. Dies führe dann zum typischen „hysterischen“ Verhalten.“

Die Herbeiführung eines hysterischen Paroxysmus (vaginale Kontraktionen) – notfalls auch ohne Spermien – sollte die Krankheit lindern.

So gab es im viktorianischen Zeitalter also nicht wenige Ärzte, die darauf spezialisiert waren, Frauen zu befriedigen. In The Health and Diseases of Women von 1873  ging Horace Knapp übrigens davon aus, dass etwa 75% der Frauen diese Behandlung bräuchten. Damit waren die Damen sicherlich eine wirtschaftlich interessante Zielgruppe.

Sehr spannend und informativ ist zu diesem Thema auch das Kapitel “What Horrid Extravagancies of Minde” in Christopher Ryan und Cacilda Jethás Buch Sex at Dawn.

Selbstverständlich wurde das Kind damals nicht beim Namen genannt, wie Ryan und Jethá so schön ausarbeiten: “The men who provided this lucrative therapy didn’t write about “orgasm” in the medical articles they published on hysteria and its treatment. Rather, they published serious, sober discussion of “vulvular massage” leading to “nervous paroxysm” that brought temporary relief to the patient. These were ideal patients, after all. They didn’t die or recover from their condition. They just kept returning, eager for more treatment sessions.”

So sehr ich mich für die zufriedenen Patientinnen und über Ärzte freue, die damals die Kunst der Befriedigung beherrschten, so ist es doch geradezu traurig, dass dies nur mit einer Diagnose und einem Rezept möglich war.

Und so richtig befreit scheinen wir bis heute nicht von einer Pathologisierung weiblicher Lust zu sein, jedenfalls gilt sie bis heute als suspekt.

Neulich las ich ein Zitat (leider kann ich es nicht ganz korrekt zitieren, da ich die Quelle nicht wiederfinde): “Frauen sollen ihre Brüste so präsentieren, dass Männer Lust bekommen, sie zu vögeln; aber nicht so offensiv, dass Männer glauben könnten, sie wollten Sex.”

Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist es also kein Wunder, dass Frauen entweder in Komödien einen Orgasmus simulieren oder im Mainstreamporno konstant vor sich hinstöhnen.

Oft ist Kunst das beste Mittel, die Absurditäten und die Hybris der Gesellschaft offenzulegen, wie es zum Beispiel auch der Fotograf Clayton Cubitt in seinem grandiosen Video-Projekt „hysterical literature“ tut, das er 2012 startete.

Bisher gibt es acht Clips, in denen Frauen dabei gefilmt werden, wie sie bekleidet an einem Tisch sitzen und z.B. aus American Psycho, Leaves of Grass oder Necrophilia Variations vorlesen. Während sie vorlesen, haben sie eine Orgasmus.*

Ich kann meine Begeisterung für dieses Projekt nicht verhehlen. Die Ästhetik und die Dramaturgie der Erregung, der sexuelle Charme aller Frauen, die Überraschung eigentlich aller Frauen darüber, dass sie beim Vorlesen kommen, diese angenehme Unaufgeregtheit, die Sexualität nicht zu etwas macht, mit dem etwas erreicht werden soll, sondern sie wieder zu einem schönen Selbstzweck werden lässt, fasziniert mich eins ums andere Mal. Und mir ist erstmals aufgefallen, dass Hände beim Orgasmus wunderschön aussehen.

Die Tatsache, dass ein Mann ganz offenbar eine große Begeisterung für orgiastische Frauen hat, beweist ja, dass es wahrscheinlich eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten wäre, wenn wir aufhören würden, weibliche Lust als hysterisch, krank oder zumindest suspekt wahrzunehmen.

*Spoilerwarnung, ohne diese Hintergrundinformation sind die Clips womöglich spannender: Eine Assistentin des Fotografen stimuliert die Frauen unter dem Tisch mit einem Magic Wand. Der Zuschauer sieht aber ausschließlich den Oberkörper der Vorleserin.

19 Antworten zu “Ahhh und Ohhh”

  1. Kitty Koma sagt:

    Ja und Ja. Aber das ist ein weiter Weg. Ein männlicher Orgasmus ist wenigstens noch sichtbar mit Zeugung verknüpft. Ein weiblicher ist völlig zweckfreie Entfesselung von Energie und Lust und die Arbeit zur Erzeugung dieses Orgasmus ist wesentlich weniger vaginal- und befruchtungszentriert.
    Kein Wunder, dass Angst und Skepsis tief sitzen. Die Angst vor unerwünschter Schwangerschaft und wirklich entspanntem vaginalen Sex gibt es erst sei zwei Generationen nicht mehr. Eine lustentfesselte Frau ist also auch immer ein Risiko mit tiefgreifenden Konsequenzen gewesen. Und nichtvaginale Lust impliziert sofort immer die Skepsis, wem das jetzt wohl nutzt. Einer allein? Ist das jetzt noch partnerschaftlich oder was? Worum gehts denn?
    Ich mag es ja schon immer, Dinge einfach zu tun. So auch hier. Es gibt nichts entspannenderes als einen Orgasmus. Vor allem nicht allein, sondern als Kommunikation und Interaktion von Körpern.
    (Ich werde übrigens grade gebeten, solche Facebook-Likes nicht während der Arbeitszeit zu machen. Meine Hinweise würden andere zu sehr ablenken. Hihi.)

    • got it? sagt:

      Ich gehe mal davon aus, dass auf dieser Seite allgemeine Skepsis bezüglich der geschilderten Skepsis herrscht: „Und nichtvaginale Lust impliziert sofort immer die Skepsis, wem das
      jetzt wohl nutzt. Einer allein? Ist das jetzt noch partnerschaftlich
      oder was? Worum gehts denn?“

      Irre ich mich, oder sind diese Fragen absolut unsinnig, sobald man weiß, dass vaginaler Geschlechtsverkehr bei sehr vielen Frauen eben keinen besonderen Lustgewinn bringt?
      Ich meine: Angenommen, irgendwem erscheint Skepsis gegenüber nichtvaginalem (Hetero-)Sex angebracht , weil er „nur eineR“ nütze (z.B. weil diese Person nicht weiß, dass das nur so ist, wenn man relativ einfallslos ist…).
      Dann müsste doch dieselbe Skepsis gegenüber vaginalem Sex herrschen, weil dieser möglicherweise „nur eineM“ nützt.
      Und dann müsste doch jedem die Luft wegbleiben, weil letzterer Praxis trotzdem die gängige ist…

      Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

      • Kitty Koma sagt:

        Nichts falsch verstanden. Diese Fragen waren ein Gesprächsangebot zu einem hochkomplexen Thema. Ich kann mich dazu in den Kommentaren nicht sofort druckreif ausdrücken und es nutzt mir und sicher auch anderen nichts, sich gegenseitig über Sinn und Unsinn von Äußerungen zu belehren. Ich finde es wichtig darüber zu reden und ich wünsche mir sehr, dass diese Themenreihe fortgesetzt wird.

        Mit Skepsis meinte ich nicht meine Position, sondern die männliche Perspektive. Ich weiß, wie ich funktioniere, aber das zu vermitteln ist nicht immer einfach.
        Außerdem meinte ich die Verknüpfung des männlichen Orgasmus mit Pollution (nicht immer, aber oft) und den Fakt, dass die weibliche Lust, die nicht unmittelbar mit Zeugung also Penetrationsvorgang gekoppelt ist. Nicht umsonst entstand die Frage (und auch sie Autorin bezieht sich darauf), wem der weibliche Orgasmus evolutionsbiologisch nützt, wenn er wenig zeugungszentriert ist, so fragil und kompliziert herzustellen ist. Ist er wahrscheinlich nicht, das sind ansozialisierte Knoten im Kopf.

        Viele Frauen erleben keinen vaginalen Orgasmus, sie suchen auch nicht danach (wie auch nach vielen anderen Formen des Orgasmus, das ist ja nicht das Ende der Fahnenstange), soweit meine Freundinnen da repräsentativ sind, sondern reagieren so, wie es von ihnen erwartet wird, mit stöhn, ach ond oooh bei vaginaler Penetration oder anderweitiger als wirksam und angeraten kommunizierter Stimulation. Die Zahl der Männern vorgespielten Orgasmen übersteigt mit Sicherheit die der echten.
        Somit ist es in einer längerdauernden monogamen Partnerschaft oft schwierig, aus der Ecke „alles supi, Schatz!“ wieder rauszukommen und klarzumachen, dass da noch mehr geht. Sich mit einem Partner auf die Suche nach mehr Lust zu begeben, wenn dieser selbst keinen unmittelbaren Lustgewinn davon hat und es doch eigentlich immer alles in Ordnung war, bedeutet erst einmal, eine Enttäuschung aufzufangen und eine stark geprägte Leistungskonditionierung umzubiegen. Gleiches gilt für neue Partnerschaften. Das Argument lautet dann „aber meine Exen konnten das immer“.

        Sexualität ist Kommunikation in allerreinster Form.
        Wenn ein Part so tut, als wäre alles in Ordnung (vorgespielter Orgasmus) und der andere Part nur eingeschränkte Ausdrucksformen hat (aus Pornos, von anderen vorgespielten Orgasmen gelernt), ist Sex frustrierend.
        Wie komplex das Thema ist, zeigt doch schon die Anzahl der Kommentare auf diesen Artikel. Mager. Wer über Sex nicht reden kann, kann auch nicht sexuell kommunizieren, würde ich behaupten.
        Sehe ich das falsch?

  2. grrrlghost sagt:

    Guter Beitrag. Allerdings hätte ich mir eine nähere Beobachtung des Themas gewünscht. Zum Beispiel die Art und Weise wie Orgasmen inszeniert werden (in Pornos oder Medien), denn weibliche Lust wird überwiegend durch Penetration dargestellt, was der Wahrheit nicht einmal nahe kommt (die meisten Frauen können allein durch Penetration keinen Orgasmus erreichen). In dieser Hinsicht ist also der Magic Wand von „hysterical literature“ noch einmal spannender, denn er macht zusätzlich auf die Klitoris aufmerksam, die leider immer noch erschreckend unbekannt ist (gerade bei jüngeren Frauen). Das führt nicht nur zu einer weiterhin männerzentrierten Sexualität (weibliche Sexualität bleibt vom Penis des Mannes abhängig), sondern auch zu großem Un- und Missverständnis bei homosexuellen Frauen (nicht umsonst ständig die Frage, wie Sex zwischen Frauen denn gehe).

  3. Journelle sagt:

    @grrrlghost:disqus Ich gebe Dir völlig Recht, das hätte man ausführlicher Behandeln müssen aber meiner Meinung nach wäre das einen weiteren Blogbeitrag wert und vielleicht kommt der ja auch noch.

    @60blatt: Ich freue mich, dass es Umfelder gibt, in denen das kein Thema mehr ist. Und ich habe nie gesagt, dass mir Pornos zu blöd sind, ich würde mich nur freuen, wenn Sie besser wären.

    @kittykoma:disqus „Dinge einfach tun.“ Man hätte den Text wohl auch auf diese Essenz verkürzen können.

    @got it?: Ich verstehe die Fragen nicht.

    • grrrlghost sagt:

      @ElleJournelle:disqus Ein weiterer Beitrag wäre sicherlich angebracht, dennoch hätte dieser wichtige Aspekt wenigstens erwähnt werden können. Verallgemeinerte und wenig detailreiche Texte tragen, meiner Meinung nach, nicht viel zur Debatte bei. Und da gebe ich @60blatt fast etwas Recht, allgemeine weibliche Sexualität ist längst nicht mehr so tabuisiert wie früher, Pornos spielen schließlich auch damit. Die Frage ist doch eher, WIE diese Sexualität dargestellt wird – vollkommen an der Realität vorbei und (mal wieder) nur angelehnt an die (vermeintlichen) Bedürfnisse der Männer. Aber vielleicht kommt da ja bald noch ein Text nach…

      • Robin Urban sagt:

        Was ich irgendwie lustig finde: Ich vermisse in Pornos eher die männliche Erregung als den weiblichen Orgasmus. Dieses Dauergestöhne der Darstellerinnen nervt zwar wie Sau und ist maximal unglaubwürdig, aber wenigstens kann man den Machern noch zu Gute halten, dass sie ETWAS immerhin darstellen wollten. Aber wie sieht es mit dem männlichen Part aus?

        Klar sieht man eine Erektion (logisch) und am Schluss gibt’s nen Cumshot (bei dem ich mich immer frage, ob es für beide Beteiligte nicht wesentlich angenehmer wäre, wenn sie nicht abrupt abbrechen müssten, nur um das zu „erledigen“), aber in der Zwischenzeit kriegt man nicht im Geringsten mit, dass der Mann auch erregt ist. Ich vermute, weil er es (über das Körperliche hinaus) nicht ist. Und das finde ich schade. Als Heterofrau interessiere ich mich vor allem für den Darsteller, aber 1. kann man meistens sehen, nach welchem Kriterium die ausgewählt werden (Spoiler: An ihrer Attraktivität liegt es nicht) und 2. gibt es wohl kaum was unerotischeres, als einen völlig stummen Partner im Bett, der nur pumpt und pumpt, aber sichtlich keinen großen Spaß daran hat.

        Ich frage mich, warum Männer das nicht merken. Und warum die Pornoindustrie das nicht „liefert“.

        • Journelle sagt:

          Ja! Ja! Ja! Beim Sex mit einem Partner ist der Witz und ein Teil dessen, was es so toll macht, ja gerade die Reaktion des anderen. Das wissen, dass man in der anderen Person diese „Lust“ und „Leidenschaft“ erwecken kann (und ich meine das hier keinesfalls in einem romantischen Sinn) multipliziert die Erregung. Insofern lassen viele Pornos leider das Wesentliche aus.

        • sturmfrau sagt:

          Robin, damit haben Sie noch viel besser formuliert, was ich mit „Mir fehlt die Hingabe der Männer“ sagen wollte.

          Ich glaube allerdings nicht, dass die Männer das nicht merken. Ich vermute da einen anderen Zusammenhang. Wahrscheinlich kein so kleines bisschen scheint es im Mainstream-Porno eben auch um die Darstellung der Machtverhältnisse zu gehen. Darüber, wie die Frauen dargestellt sind, brauche ich mich gar nicht auszulassen. Aber mir kommt es außerdem so vor, als habe diese mechanische, kalte, überlegene, harte Darstellung der Männer Methode. Es wird in keinem Augenblick ein Zweifel daran gelassen, wer hier die Kontrolle hat, wer das Heft in der Hand hat, wer führt. Da darf allenfalls mal ein bisschen das Gesicht verzogen werden, das ist dann aber auch schon alles. Der Mann ist meines Erachtens nach in solchen Filmen derjenige, der nicht nur seine eigene, sondern auch die weibliche Sexualität kontrolliert und von dem alles abhängt. Ob er kommt, ob sie kommt, wann er kommt, wohin er kommt, wann sie kommt, wie oft sie kommt – alles liegt in seinen Händen. Das verträgt sich nicht mit Hingabe und Lust, weil beides eben auch beinhaltet, verwundbar zu sein und Barrieren fallen zu lassen.

          Ich finde diese Hingabe und Verwundbarkeit ungeheuer auf- und anregend, bin aber wie gesagt der Auffassung, dass das starre „Drehbuch“ für Mainstream-Pornos so etwas nicht zulässt. Wenn Männer dieses Defizit bemerken, dann sind sie vielleicht (noch) nicht konkret in der Lage, das zu benennen, oder der massiven, expliziten Input übertüncht das leichte Gefühl von Unwohlsein. Da kann ich nur mutmaßen, denn ich bin halt eine Frau.

  4. Pterry sagt:

    Wenn ich ne Theorie dazu haben müsste, warum es den weiblichen Orgasmus gibt, würde sie folgendermaßen aussehen (dabei gehe ich davon aus, dass es der Frau so gut gefällt, dass sie mehr davon will und der Mann eigene Nachkommen haben möchte): In einer Gesellschaft, in der die Frau ihren (Sex-)Partner auswählt, würde das für den Mann bedeuten, dass die Frau ihn (u.a.) erneut auswählt, weil es ihr gefallen hat. Dadurch steigen seine Chancen, dass eventuelle Kinder von ihm sind.
    Jetzt müsste ich mich nur noch mal erkundigen, was die gängigen Theorien sind bzw das Buch endlich lesen…

  5. sturmfrau sagt:

    Liebe Journelle, ich finde es schön, dass Sie sich des Themas annehmen. Die Kritikpunkte meiner Vorschreiber kann ich zum Teil nachvollziehen, aber ich habe in der letzten Zeit nach wirklich fruchtbaren, ernsthaften Betrachtungen über Sex und vor allem die weibliche Sexualität gesucht, und wenn man einmal festgestellt hat, wie schwierig das immer noch ist, dann ist man dankbar über jede und jeden, die oder der sich darüber mal ernsthaft einen Kopf macht. Oder auch mit einem Augenzwinkern.

    Ich war grundsätzlich immer etwas auf Kriegsfuß mit Pornografie, und dafür gibt es zahlreiche Gründe. Der Mainstream-Porno ist mir zu gekünstelt, zu gelackt, zu wenig echt. Aber vor allem stellte ich neulich fest, dass mir vor allem eines fehlt: Die Hingabe der Männer. Natürlich ist es mit Hingabe in Pornofilmen ohnehin nicht weit her, denn da wird nach Plan gevögelt, so, dass das Objektiv der Kamera alles einfängt, was der Zuschauer angeblich sehen will. Spannende Dinge haben bitteschön so oder so außerhalb von Körpern stattzufinden, damit man auch ja alles sieht. Das ist keine Erotik, das ist sexuelles Fast Food. Und ganz ählich wie 60blatt findet das auch mein Herr Gemahl überhaupt nicht spannend.

    Um so interessanter, dass ich ausgerechnet über einen Link, den Sie auf Ihrer eigenen Seite gesetzt haben („Sex is not the enemy“) einige interessante Entdeckungen gemacht habe. Es ist in meinen Augen riesengroßer Käse, immer noch zu glauben, Frauen interessierten sich nicht für visuelle Anreize – nur sieht das vielleicht eben doch etwas anders aus, als es sich im Mainstream-Porno-Geschäft niederschlägt. Es gibt in der Tat einige nette Seiten. Manche widmen sich dem weiblichen Orgasmus und weiblicher Selbstbefriedigung, was ich als äußerst spannend empfunden habe, denn Ähnlichkeiten und Unterschiede zu sich selbst zu entdecken, schärft meiner Meinung nach immer den Blick für Diversität und für die eigene Individualität, ohne zu werten. Ähnliche Seiten gibt es übrigens auch über masturbierende Männer, und auch das war weit entfernt von „igitt“, sondern sehr nett anzusehen. Wirklich gute Filme zu finden, die ohne die Objektifizierung der Frauen, das grausliche Dauergestöhne, die erbarmungslose Ausleuchtung, ohne halboffen stehende Münder auskommen, aber dennoch explizit sind und gleichzeitig Nähe, Lust und Spaß zwischen den Partnern transportieren, ist echt eine schwierige Übung. Ich möchte hier keine Links posten, habe aber einige Seiten gefunden, die Hoffnung in dieser Sache vermitteln.

    Sie haben Recht, über den Sinn und Zweck des weiblichen Orgasmus herumzudiskutieren ist an sich schon unverschämt, da man damit die Existenzberechtigung in Frage stellt von etwas, das aber nun einmal existiert. Lustempfinden einem Zweck unterzuordnen ist einmal mehr ein Zeichen dafür, wie nutzenorientiert unsere Denke ist. Wir können nicht einfach etwas tun, weil es schön ist, sondern es muss dabei auch immer noch etwas herausspringen. Wenn man aber dennoch vom Nutzen sexueller Lust unbedingt reden will, sollte man die Aspekte mit einbeziehen, die über die reine Fortpflanzung hinausgehen. Denn Sex beruhigt, beschwichtigt, fördert Beziehungen und damit den sozialen Zusammenhalt. Er ist, wie Sie richtig schreiben, Kommunikation.

  6. sturmfrau sagt:

    P.S.: Sorry, es war natürlich KittyKoma, die Sex als Kommunikation bezeichnete. Mein Fehler.

  7. Nana sagt:

    Das was Clayton Cubitt mit seinem Videoprojekt macht ist im Prinzip sowas wie eine Steigerung von dem was man bei http://www.beautifulagony.com (facettes de la petite mort view) zu sehen bekommt … wenn man irgendwo den (weiblichen) Orgasmus in all seinen Facetten und ohne Porno überspielung studieren kann, dann da. Einzelne Filme finden sich auch immer mal wieder auf einschlägigen Video-Portalen zur freien Ansicht.

  8. Frau Auge sagt:

    Sehr fein! Freue mich auf mehr zum Thema!

  9. grrrlghost sagt:

    Und was mir jetzt auffällt, da es hier ein paar mehr Kommentare gibt: obwohl dieser Artikel ganz explizit auf weibliche Sexualität verweist, gehen fast alle Kommentator_innen von heterosexuellen Frauen aus und/oder erwähnen das vermeintliche „Dilemma“ des Mannes gleich mit. Auch das ist ein Problem, dass weibliche Sexualität noch nicht einmal dann von Männern getrennt werden kann (diese „wem nutzt der weibliche Orgasmus“-Theorie-Spinnerei geht spätestens bei homosexuellen_queeren Frauen nicht mehr auf und hat sehr biologistische Anklänge), wenn das eigentlich so kommuniziert wurde (im Artikel, meine ich). Dieses ewige Derailen und die Heteronormativität machen mich müde.

    • Journelle sagt:

      Ich kann nicht für die Kommentare sprechen, sondern nur von meinem Text aber als heterosexuelle Frau kann ich natürlich auch nur von meinem Standort aus berichten. Klar kann ich auf andere Facetten verweisen aber wie ich ja schon an anderer Stelle schrieb, diese Text stellt einen Anfang dar. Er soll Themen anreißen, einige Dinge vielleicht auch aufzeigen aber es ist keine allumfassende Habilitationsschrift, die jeden Aspekt berücksichtigen und beleuchten möchte. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn ich darüber an anderer Stelle was lesen könnte. Any suggestions?

    • sturmfrau sagt:

      Der Untertitel zum Artikel lautete doch „Über weibliche Erregung, Hetero-Pornos und Orgasmen.“ Ich kann auch nichts über homosexuelle Pornos schreiben, weil ich noch nie einen gesehen habe. Darüber hinaus kann ja keine, die über weibliche Erregung schreibt, letztlich mehr als einen subjektiven Bericht geben. Die individuellen Unterschiede zwischen Menschen und ihrer Erregung sind vermutlich so mannigfaltig, dass es eine Anmaßung wäre, zu schreiben: „So ist das!“ Ich habe nur bereits häufig von Frauen gelesen, dass sie sich Mainstream-Porno weder angesprochen noch repräsentiert fühlten, und so geht’s mir auch. Mein Gedanke ist: „Was zum Henker hat das bräsige Gerammel mit mir zu tun?“

      Derailing habe ich hier so nicht gelesen. Mag sein, dass ich dafür unsensibel bin, aber ich finde, man sollte auch über die Effekte der Verhältnisse auf Männer schreiben dürfen, ohne dass einem Derailing vorgeworfen wird. In meiner weiblichen Sexualität zumindest spielt ein Mann eine Rolle, und das zu sagen hat mit Heteronormativität noch nicht so sehr viel zu tun.

  10. Giliell sagt:

    Och, ich hab keinerlei Problem mit der vorherrschenden wissenschaftlichen These dass der weibliche Orgasmus das Gegenstück zu den männlichen Brustarzen ist. Ich muss mir keine Evo-Psych Geschichten ausdenken wozu der weibliche Orgasmus denn gut wäre. Evolution ist nunmal kein Design-Prozess bei dem am Schluss sich bei jedem Teil jemand was gedacht hat. Es ist mir völlig Wurscht ob der weibliche Orgasmus beim Fortbestand der Spezies irgendeine Rolle gespielt hat. Das hat dunkle Schokolade mit rosa Pfeffer auch nicht, toll ist sie trotzdem.
    Die entscheidende Frage ist eben nicht „wo kommt er her“ sondern wie wird er behandelt und damit umgegangen. Und da ist die Diskussion nunmal einfach im wahrsten Sinne des Wortes schwanzgesteuert im zutiefst heteronormativen Sinn. Sex wird definiert durch Penis wird irgendwo hineingesteckt, Sex endet damit dass da Sperma rauskommt. Dass nicht jeder Sex Penii, Sperma, Männer, Penetration oder eine Kombination davon beinhaltet wird dabei wohlweißlich außer Acht gelassen, sonst müsste man(n) sich ja Gedanken machen eben um diese Dinge.

  11. SexyHexy sagt:

    Die Frage warum es den weiblichen Orgssmus gibt hat doch nichts damit zu tun wie Frauen ihre Sexualität leben sollen. Das ist sicher rein biologisch gemeint und eine berechtigte Frage. Ebenso kann man Fragen warum es Sex überhaupt gibt. Ich kann nur wieder das Buch „why is sex fun“ empfehlen. Kann bei dem Artikel nur den Kopf schütteln über so viele haltlose Behauptungen – belegt durch Zitate aus dem 19 Jahrhundert. Auf YouPorn scheint weibliche Masturbation übrigens eine der populärsten Kategorien zu sein.