Hallo Marrakesch!
„Manchmal muss man gehen, damit man wieder kommen kann“, einen Satz, den ich unbedingt weiterverschenken möchte.
Mitgebracht habe ich diesen Satz von einer Reise nach Marrakesch. Es war meine erste Reise in ein muslimisches Land und so weltoffen ich mich fühle, seine Weltoffenheit testet man am besten wenn man die Welt bereist. Und so spontan wie wir sind, können wir an einem Tag noch mit dem Finger auf den Atlas tippen und am nächsten Tag genau dort hinfliegen.
Marrakesch kannte ich bis jetzt nur von Bildern, aus Filmen als Kulisse, als Märchen. Und es ist auch so. Die Stadt liegt im Landesinneren von Marokko. Es ist eine Oase, in der die Zeit auf den ersten Blick ein bisschen stehen geblieben ist. Überall die prächtigsten Ornamente aus Farben und Mustern, die einen visuell besinnungslos machen. Lehmhäuser, Minarette und überall Pferdekutschen, Mofas und Menschen.
Wir landen um zehn Uhr nachts am Flughafen und es ist immer noch angenehm warm.
In die Stadt gelangt man am bequemsten mit Taxis. Den Preis handelt man mit dem Taxifahrer aus, eines der ersten Abenteuer für meine Freundin und mich. Durch Zufall reiste ein deutsch-marrokkanisches Pärchen mit uns und wir konnten schließlich mit ihnen in die Stadt fahren. Sie waren sogar noch so hilfsbereit und brachten uns, nachdem sie uns gefragt hatten, ob wir keine Angst hätten als Frauen allein nach Marrakesch zu reisen, direkt an unser Hostel. Was wir nämlich vorher nicht wussten: Straßenschilder gibt es nur für die wichtigsten Straßen.
Als wir mit unserem Gepäck durch die Stadt gehen, bin ich mit all den Eindrücken ein bisschen überfordert. Eine der großen Alleen, die auf den Djemaa El-Fna (der größte Platz in Marrakesch) führt, erinnert mich im ersten Augenblick an jede andere beliebige Touristenmeile. Die Geschäfte platzen vor Neonlichtern, Massen von Menschen schieben sich an einem vorbei und überall blinken Spielzeuge, die von Verkäufern direkt in mein Gesicht gehalten werden.
Aber Marrakesch riecht anders als Italien oder Amsterdam. Hier riecht es nach Wüste und nach einem Gewürz, das ich noch nicht kenne. Auf dem Djemaa El-Fna sitzen Gruppen von Musikern, die gefühlt die nächsten vier Tage nie aufhören zu trommeln, zu singen oder zu tanzen, nur einmal kurz, wenn sie in die Moschee gerufen werden. Um die Männern mit Affen an Hundeleinen machen wir einen extra großen Bogen. Bei den Ständen mit Pistazien-Schokoladen-Zimtkardamon-Paste bleiben wir länger. Verdammt gut!
Im Hostel angekommen, werden wir mit einem Minztee begrüßt, der uns mit dieser eleganten Handbewegung eingeschenkt wird. Es ist ein bisschen wie im Film.
Die nächsten Tage bringen ein bisschen mehr Realität. Unser Riad, das marokkanische Äquivalent eines Backpackerhostels, wird von vier jungen Männern Anfang zwanzig geführt. Jeden Morgen spielt Abdel seine Lieblingsmusik, Michael Jackson oder wahlweise Tracey Chapman. Als wir ihn nach zwei Tagen ein bisschen besser kennen, erzählt er uns ein aus seinem Leben.
Sein Vater spricht nicht mehr mit ihm, weil er in diesem Riad arbeitet, um Geld zu verdienen. Weil er es liebt neue Menschen kennenzulernen und die Welt entdecken möchte. Sein Vater, ein sehr traditionsbewusster und gläubiger Mann, hatte einen anderen Plan für seinen Sohn. Abdel war lange in einer Koranschule und hatte die Ehre, auch eine Predigt zu halten. Er hätte dort sehr erfolgreich werden können, es sind aber die Traditionen, von denen er sich eingeschränkt fühlt und seine Neugier gewann, deswegen entschied er sich gegen eine Laufbahn als Prediger. Seitdem sieht und spricht er seinen Vater kaum noch.
Marrakesch ist das Verrückte Labyrinth in echt!
Ich habe das Gefühl, dass sich hinter mir jede Straße weiterschiebt und ich nie wieder zurück finden werde. Ein Drittel der Stadt besteht aus Marktstraßen und Geschäften.
Wir schlendern von den Postkartenständen und Tourifallen ins Innere des Souk und verirren uns auf einen kleineren Marktplatz. Dort verkaufen Frauen ihre Körbe und Teppiche, bieten Henna-Tattoos und Handlesen an. Wie wir von einem der Gewürzhändler erfahren, ist dieser Marktplatz der einzige Ort, an dem Frauen verkaufen und handeln dürfen, in jedem anderen Laden verkaufen und handeln Männer. Ist dies Alltag der Frauen in Marokko?
Natürlich nicht. Auf den Straßen sehen wir alles. Mütter mit ihren Kindern, Jungs, die auf der Straße den Touristen ihre Stadtführungsqualitäten anbieten. Mädchen, die Körbe größer als sie selbst, durch die Stadt tragen. Männer mit Eselskarren, die lebende Hühner, Wäscheberge und andere Dinge durch die Stadt befördern.
Wir handeln uns durch den Souk, sehen handgemachte Backgammonspiele, Schuhe, Taschen und andere schöne Dinge. Leider erleben wir auch unangenehme Situationen in den Marktstraßen. Ein junger Mann spricht uns an, er kennt sich aus und möchte uns begleiten. Im ersten Moment nicht schlimm, sondern sehr hilfsbereit. Ich fühle mich dann unwohl, als wir höflich ablehnen und er uns auf Englisch und Französisch vorwirft, wir seien fremdenfeindlich. Dabei wollten wir einfach nur selbstständig über den Markt gehen. Eine andere Situation, in der ich mich unwohl fühle, passiert uns in einer engen Marktstraße, dort gehen wir an einer Reihe von Läden vorbei. Die Männer, die an der Mauer gegenüber stehen, flüstern uns Anzüglichkeiten zu und stellen sich in unseren Weg. Sie erzeugen Gänsehaut und wir sind gottseidank nach der nächsten Ecke wieder auf einer lauten Straße. Es bleiben die beiden einzigen negativen Erfahrungen, die ich dort gemacht habe.
„Wer nicht im Hammam war, hat Marrakesch nicht erlebt! Massage und Hammambad. Danach fühlst du dich wie ein Baby.“, sagt Omar, ein Freund von Abdel. Nach drei Tagen durch Marrakesch zu Fuß, klingt es ein bisschen wie Himmel. Omar ruft seine Freundin an, die uns abholt. „Es ist einfacher“ sagt sie, „denn erstens kann man sich hier als Fremder mehr als einmal verlaufen (YES!!!) und es ist als Frau sicherer.“
Im Hammam angekommen, fühle ich mich zuerst ein bisschen fehl am Platz. Ich war noch nie bei einer Massage, ich bin ein bisschen aufgeregt. Auch im Hammam liegen Erinnerungen für mich bereit. In diesem Hammam arbeiten ausschließlich Frauen und sie tun es mit großer Fürsorge und Herzlichkeit. Meine fehlenden Französischkenntnisse bereiten mir mehr als einen Lacher und Ganzkörperpeelings lassen einen nicht mehr sehr grazil auf Marmorplatten liegen, soviel sei verraten.
Wir kehren auf einer kleinen Wolke zurück ins Riad und werden von Abdel und Omar mit einem wissenden Grinsen begrüßt. Omar erzählt uns, dass viele junge Frauen im Hammam gute Arbeit finden, leider oft nur so lange, bis sie heiraten.
Unseren letzten Abend, es ist Freitag, verbringen wir mit der Frau, die uns vom Flughafen in die Stadt brachte. Wir essen in einem der Straßengrills, hören Schlangenbeschwörern zu und ich sehe zum ersten Mal, wie der Muezzin zum Gebet ruft und Massen von Menschen sich in die Moschee begeben. Sie erzählt uns, wie es ist, mit einem marokkanischen Mann zusammen zu sein. Sie ist das zehnte Mal hier und ihr gefällt es immer besser, jetzt wo sie ihre kleinen Läden und ein paar Bekannte hat. Aber es ist schwierig, ein Hotelzimmer für Zwei zu bekommen, weil sie nicht verheiratet sind. Händchenhalten auf öffentlichen Plätzen ist eigentlich verboten und die Kleidung von Frauen wird kritisch betrachtet. Aber trotz all der Unterschiede und der Freiheiten, die sie in Deutschland haben, liebt sie Marokko, die Menschen und deren Gastfreundschaft sehr.
Das wertvollste Mitbringsel
waren die tollen Begegnungen mit den Menschen.
Reisen ist Horizonterweiterung und ich bin froh, dass Marrakesch für mich nicht nur Stadt anschauen, Schnickschnack kaufen, Sonne tanken und wieder ab nach Hause-Urlaub war. Sondern ich habe Geschichten von Menschen gehört und sie haben ihre Erfahrungen mit uns geteilt. Sie haben uns gezeigt, wie Zuckerrohrsaft und Avocadosmoothies schmecken und sie haben uns aus ihrem Leben erzählt. Aber vor allem kann ich diesen Reichtum an Kultur, Gastfreundschaft und Herzlichkeit und Geschichten aus Marrakesch weiterverschenken.
Nachlese Marrakesch
Als ich wieder zuhause war, wollte ich noch mehr mehr über das Leben der Frauen in Marrakesch erfahren.
Seit 2009 ist Fatima Zarah Mansouri als Bürgermeisterin tätig ist. Es gibt über 30 Frauenverbände die sich für die Gleichberechtigung einsetzen. Auch König Mohammed VI. hat schon einiges getan, um die Rechte der Frauen zu stärken und setzte sich gegen die Zwangsehe und Polygamie ein. Auch weibliche Predigerinnen sind keine Seltenheit mehr.
Der Weltspiegel zeigte einen Beitrag über das „Al Fassia“, ein Hotel und Restaurant das ausschließlich von Frauen geleitet und betrieben wird.
Danke für den interessanten Text, der Weltspiegel-Beitrag ist wirklich toll!
Annika toller Text! Ich Fliege auch bald dorthin & freue mich schon riesig. Wie hieß das Hostel in dem ihr gewohnt habt genau? Liebe Grüße
Wunderbar. Auch ich war da und es beschäftigt mich Vieles seitdem.