Etwas Altes, etwas Blaues, etwas Teures

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Wenn erwachsene Menschen an einem Juliwochenende bei 30 Grad im Schatten Verlockungen wie Badeseen und einer lauen Sommernacht im Straßencafé widerstehen, um ihre schönsten Kleidungsstücke vollzuschwitzen und Stunden in Bussen, Bahnen und Flugzeugen zuzubringen, kann es sich nur um ein Phänomen handeln: Hochzeitssaison. Jetzt, im Juli, befinden wir uns mittendrin. Ein Blick in meinen Kalender der nächsten 3 Wochen zeigt zwei Verpartnerungen netter Mitmenschen. Im letzten Jahr waren es drei Hochzeiten, in dem davor immerhin eine.

Ich sage Ja zu Kuchen nach 12

Es spricht ja eigentlich alles dafür, gerne Gast zu sein. Das Wiedersehen mit alten Freundinnen, Freunden und Bekannten. Hübsch anzusehende Mitmenschen, Tanz, Rührung und ein Stück Torte um Mitternacht. Was mir die Aussicht auf Hochzeitsbesuche manchmal aber etwas schal werden lässt, ist der Blick auf die – mit Verlaub –  Kommerzscheiße, zu der Hochzeiten mutiert sind. Das begann ungefähr in dem Moment, als meine beste Freundin aus Kindertagen angesichts ihrer nahenden Hochzeit resigniert bemerkte “Würde ich nach den Ratgebern gehen, hätte ich vor einem Jahr mit der Planung anfangen müssen und wir bräuchten erstmal ein Farbkonzept.”

Vielleicht hat es etwas mit der Art, wie ich aufgewachsen bin zu tun, dass ich der wedding industry – dem Zusammenspiel der Organisatoren der perfekten Hochzeit aus Floristen, Designerinnen, Hoteliers und diverse andere Unternehmensarten –  wenig abgewinnen kann.

In dem Land, in dem ich geboren wurde, gab es keine Hochzeitsmagazine und keine Hochzeitsplaner. Das Wort Farbkonzept gab es nicht. Die meisten in diesem Land waren froh, zu bekommen, was wir suchten, ohne 25 Jahre darauf warten zu müssen. Als meine Eltern heirateten, gab es genau ein Kleid, das meine Mutter kaufen konnte. Die Auswahl hieß: Nehmen oder bleiben lassen. Das gleiche gilt für das Paar Schuhe, das sie trug. Noch heute gilt es als Wunder, dass zur Winterhochzeit in den 1970ern in der DDR ein Hochzeitsstrauß aufzutreiben war.

Heiraten ist eine Industrie

Das soll nicht heißen, dass ich diese Art von Knappheit für die einzig richtige Art, zu heiraten, halte. Aber es zeigt, dass das, worum es bei einer Hochzeit geht, nicht davon abhängt, ob das Kleid farblich zum Tischset passt oder 3 Monate darauf aufgewendet wurden, das perfekte Hochzeitsmenü auszusuchen und Tante Inge in die perfekte Tischordnung zu integrieren.

In der Hochzeitsindustrie treffen sich zwei Attribute unserer Zeit: Die Idee, wünschenswerte Zustände der Selbstrepräsentation über Konsum zu erreichen und das gesellschaftliche Ideal der monogamen Verpartnerung. Sie gehen selbst eine mächtige Art der Ehe ein. Wir heiraten nicht mehr nur, um Steuern zu sparen oder der Welt zu zeigen, dass wir uns zu einer Person zugehörig fühlen. Wir zeigen, wer wir gerne wären: Reich, schön, makellos, begehrenswert, treu, individuell.

In China betrug die durchschnittliche Ausgabe pro Hochzeit im Jahr 2006 knapp 20.000 Dollar, in den USA sind es derzeit 28.000 Dollar – und das in Zeiten einer für das Land anhaltend hohen Arbeitslosigkeit. Insgesamt gaben Paare in der letzten US-Rezession 2006 bis 2008 fast 85 Milliarden Dollar für Hochzeiten aus – Kosten für Hochzeitsreisen und Anschaffungen im Haushalt nicht eingerechnet. Die Hochzeitsindustrie ist ein gutes Geschäft für die, die es betreiben. Die, die sie in Anspruch nehmen, bringt sie manchmal zum Aufnehmen von Krediten und in Einzelfällen zu einer knallharten Begutachtung ihrer Gäste auf monetäre Verwertbarkeit. So beschwerte sich eine Braut in Kanada unlängst über das in ihren Augen zu billige Geschenk eines Gastes. Schließlich seien Hochzeiten dazu da, die Zukunft des Paares zu finanzieren, und nicht dafür, den Gästen eine warme Mahlzeit zu spendieren.

Den dritten Toaster verhindern

In etwas abgemildeter Form findet diese Einstellung Verkörperung auf einer der für Europäer neuesten Begleiterscheinungen einer Hochzeitseinladung: Der Hochzeitsliste. Das sind Aufzählungen der Geschenke, die sich das Paar von seinen Gästen wünscht. Eigentlich ist das eine praktische und ziemlich harmlose Sache. Die Hochzeitsliste ermöglicht, dass nicht der 3. Toaster ins Haus kommt, sondern das Kofferset, das sich beide schon lange wünschen.

Je nachdem, welche Gegenstände das Paar aber auf die Liste setzt und vor allem, wo es sie anlegt – ein Serviettenring von Tiffanys kostet halt ein bisschen mehr als einer von WMF – hat eine Hochzeitsliste auch immer eine unmissverständliche Botschaft. Sie sagt Gästen, welchen sozialen Status ihnen das geneigte Paar zutraut, was zu ziemlich seltsamen Abgleichen von Wunsch und Wirklichkeit führen kann.

Liebe ist ein Tauschgeschäft

Auf der letzten Hochzeitsliste, die ich sah, gab es einen Teppich für schlappe 2.500 Euro. Auf einer davor entdeckte ich besagtes Kofferset, angesiedelt im fünfstelligen Euro-Bereich. Ich wurde stutzig. Liegt eine Verwechslung vor? Habe ich es mit dem Blondieren übertrieben und meine Bekannten halten mich für eine Hilton? Was an meinen H&M-Klamotten hat sie glauben gemacht, dass ich unangetastete Geldvorräte im Keller horte, die darauf warten, angesichts ihrer zeremoniellen Verpartnerung angegangen zu werden?

Um es unmissverständlich zu sagen: Ich halte ein Hochzeitsgeschenk für selbstverständlich. Ich halte es auch für nachvollziehbar, Hinweise auf Wünsche zu geben. Was mich nachhaltig verstört, sind die Tarife, die diese Wünsche zum Teil abrufen. Ich bin überzeugt davon, dass Hochzeitslisten mit Vorschlägen der exklusiveren Art Gästen ein schales Gefühl geben. Ist mein 100 Euro-Geschenk gut genug? Was wird von mir erwartet, um nicht aus dem Rahmen zu fallen? Was mache ich, wenn für mich Anreise und Übernachtung schon das sind, was ich mir als Geschenk für das Paar an ihrem Tag leisten kann?

Hochzeiten waren mal etwas anderes als ein Basar von Konsumfantasien des gehobenen Mittelstands. Sie können das sein, ohne Frage. Aber mehr Freude und weniger Anstrengung für alle Beteiligten brächte es, sich auf das zu besinnen, worum es an diesem Tag eigentlich geht: Das Versprechen zweier Menschen, einander zur Seite zu stehen, oder meinetwegen auch nur zusammen Steuern zu sparen, in guten wie in schlechten Zeiten. Während es für das Paar aus welchen Gründen auch immer wichtig sein kann, auf ihrem Fest sozialen Status zu repräsentieren, sollte das für ihre Gäste nicht automatisch gelten müssen, zumindest, wenn es um mehr geht als den Fakt, sich etwas Sauberes anzuziehen. Ein Rechenschieber findet sich nämlich zumindest auf den ersten Blick nicht in der Liste des “Something old, something new, something borrowed, something blue”.

2 Antworten zu “Etwas Altes, etwas Blaues, etwas Teures”

  1. Moritz Adler sagt:

    Als Gastgeber einer der zurückliegenden Hochzeiten auf denen Du warst, komme ich um einen Kommentar ja fast nicht herum :-)

    Es ist schon wahr, Hochzeiten mutieren zu riesigen Festen. Meine Eltern haben in den 70ern standesamtlich geheiratet und abends bei Würstchen und Kartoffelsalat zuhause gefeiert. Heute ist das anders. Ich habe zwar noch nicht solche Exzesse wie Teppiche für vier- oder Koffersets für fünstellige Summen erlebt (bei uns ging’s glaube ich mit einem Eierbecher für 5 Euro los und endete, ähem, bei einem Koffer für 400 Euro, der uns dann von einer Gruppe von Freunden geschenkt wurde). Aber klar, das wird schon alles immer extremer.

    Und wie Du richtig schreibst, nicht nur für das Paar. Auch als Gast ist man zu zweit schnell einen Tausender los: Anreise, zwei Übernachtungen, Geschenke, teils neue Klamotten. Dazu noch ein Junggesellenabschied, der 4 Tage dauert und in Barcelona oder sonst wo stattfindet.

    Einerseits.

    Andererseits ist das alles auch toll. Einmal ein richtig tolles Fest machen. Einmal alles genau so machen, wie man es schon immer wollte. Einmal alle Freunde aus aller Welt an einem Wochenende zusammentrommeln. Einmal mit Freunden ein paar Tage gemeinsam raus und feiern.
    Zumindest bei mir ist es so, dass Freunde und Familie über die ganze Welt verteilt sind. Wir hatten Gäste aus der Schweiz, Deutschland, England, USA, Luxemburg, Österreich, Frankreich etc. bei uns. Und wenn die schon mal alle kommen, will man das auch richtig nett machen. Und wir hatten auch (meistens) Spass am Designen der Einladungskarten, der Menüauswahl, dem Erstellen der Hochzeitswebsite etc.
    Und schön finde ich übrigens, dass das Religiöse immer mehr in den Hintergrund tritt. Es geht mehr um’s Feiern, als um die religiöse Zeremonie.

    Natürlich haben wir auch manchmal innegehalten und gedacht „das ist schon alles verrückt“. Und dann haben wir gedacht: „wenn schon, denn schon“. Wobei wir sicher privilegiert sind, uns das auch leisten zu können (auch dank grosszügiger Unterstützung durch Eltern). Wir haben uns nicht als Opfer der Hochzeitsindustrie gesehen, vielleicht waren wir es trotzdem. Am Ende war uns ein wichtig: Wir hatten unglaublich viel Spass und ein fantastisches Wochenende.

    P.S.: Gespart haben wir dann an der Hochzeitsreise, übrigens auch so ein Thema. Es scheint fast so, dass man heutzutage einen dreiwöchigen superromantischen Seychellen-Trip machen muss, alles darunter zählt nicht. Aber das wäre einen eigenen Blogpost wert.

    P.P.S.: Eines der schönsten Geschenke kam übrigens von einem Gast, der wirklich kein Geld hatte: Eine schöne Karte mit einem sehr netten Text.

  2. Steffen sagt:

    Aus all diesen Gründen (und noch vielen mehr) haben wir uns vor drei Jahren entschieden, heimlich in New York zu heiraten. 30 Sekunden Trauzeremonie und die Hochzeitsreise hatten wir dann ja auch schon angetreten. Für Freunde und Familie gab es dann im Sommer eine Gartenparty, ohne viel Pipapo – und das obwohl das Geld für die (spießbürgerliche) Traumhochzeit schon aufzutreiben gewesen wäre. Und jedes Mal, wenn eine neue Einladung kommt, auf Facebook Fotos von Brautkleidern erscheinen etc. schauen wir uns an und wissen, dass wir alles richtig gemacht haben…