„Jede so, wie sie will?“ oder: „Alles kann, nichts muss“? – Warum ich eine offene Beziehung lebe.

© , by Kim Kraul

Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen. Dieses Mal kommt er von Annika.

Annika lebt, liest, liebt und studiert zurzeit in Bremen, bald jedoch andernorts – wo, wird sich zeigen. Ihr Herz schlägt für Feminismus, Gegenwartsliteratur, Theaterkram und gutes vegetarisches Essen.

Die Popkultur ist voll von ihnen. Sie begleiten mich auf Schritt und Tritt; was sie eint, ist ihre Suche: Die Suche nach der_dem Richtigen und das Streben nach der einen, magischen, ewig währenden Liebe. Carrie Bradshaw will Mr. Big in Sex and the City, Dr. Grey und Mc Dreamy alias Derrick Shepherd performen Seelenverwandtschaft im Krankenhaus (Grey’s Anatomy), Ted Mosby sucht die Traumfrau, die die Mutter seiner Kinder werden soll (How I Met Your Mother) und auch Bette Porter und Tina Kennard sind das Traumliebespaar der Serie The L Word. Auch im Kino und in der Literatur wird das Suchen und Finden des Liebespartners oder der Liebespartnerin in unzähligen Variationen, aber im Kern doch sich immer gleichenden Grundplot durchgespielt, der letztlich auf eines abzielt: Romeo und Julia finden doch noch zueinander, wenn auch im Tod. Bei Elizabeth Bennet und Mr. Darcy läuft es nach einigen Irrungen und Wirrungen auf eine Liebesheirat hinaus (Pride an Prejudice von Jane Austen). Diese willkürlich gewählten Beispiele illustrieren, wie wir im Fernsehen, Internet und im Kino mit einem Liebesideal konfrontiert werden, welches uns die Verbindung zweier Menschen (der heterosexuellen Norm folgend zumeist Mann und Frau) in Liebe als anzustrebendes Ideal anzeigt. Dieses Ideal ist eines, welches sich aus dem Liebesdiskurs der Romantik speist und diesen diskursiv weiterschreibt.

Der Liebesdiskurs

Die Grundelemente dieses Diskurses kann man verkürzt etwa so darstellen: Der Mensch ist auf der Suche nach Liebe, weil ihn eine Sehnsucht treibt. Dies ist einer_einem mehr oder weniger bewusst, bis er oder sie auf seine_n Seelenverwandte_n trifft, in der bzw. dem sich alles Suchen und Hoffen erfüllt. Angestrebt wird eine „totale Beziehung“, die sich durch die Liebe füreinander konstituiert: Der_die Partner_in soll alles sein bzw. werden: Freund_in, Sexualpartner_in, dabei intellektuell und emotional ebenbürtig sowie alle Schwächen und schlechten Eigenschaften der_des anderen Liebenden ausgleichend, weil man sich aufs Idealste ergänzt. Diese Grundelemente finden sich auch in den heute erzählten und performten Liebesgeschichten; in der Epoche der Romantik oftmals ergänzt durch eine religiöse Verschränkung der Liebeserfahrung, die in Institution Ehe kulminiert. Die Ehe wird im 18. und 19. Jahrhundert bürgerlicher Ausdruck und Form einer Liebes- und Sexualmoral, die innereheliche sexuelle Treue postuliert und außereheliche Sexualkontakte ablehnt bzw. sanktioniert. Dominant ist bis heute eines: die ausschließliche Aufeinanderbezogenheit der Liebenden, die man auch Monogamie nennt.

Die Basis für monogame Beziehungen ist sexuelle Treue. Wenn diese gebrochen wird – so lehrt uns die Literatur- und Kulturgeschichte – können ganze Gesellschaften in Gefahr geraten (ein Beispiel: Paris raubt Helena, Menelaos – Griechenkönig und ihr Ehemann – will sie selbstredend zurück, also wird Krieg geführt, überliefert als Trojanischer Krieg in Ilias und Aeneis). Die großen Gesellschaftsromane des 19. Jahrhunderts verhandeln vor allem die sexuelle Untreue der Ehefrauen Madame Bovary und Anna Karenina, die ihre Ehemänner und Familien zuerst ins Unglück und dann sich selbst in den Tod stürzen.

Die Norm

Monogamie ist eine Norm, die durch die oben beschriebenen Erzeugnisse der Film- und Fernsehindustrie sowie des Literaturbetriebs, durch Gesetze, Steuervorteile für Verheiratete und vielem mehr reproduziert wird; es besteht also ein gewisser gesellschaftlicher Druck, monogam zu leben. Diese Norm wirkt ähnlich wie heterosexistische, rassistische und sexistische Normen, nämlich ausschließend. Alles, was nicht der Norm entspricht, erfährt eine Abwertung, die sich darin manifestiert, aus der Gruppe der die Norm repräsentierender Menschen (verbal und_oder körperlich gewaltvoll) ausgeschlossen zu werden. Meine eigene Erfahrung ist es jedoch, dass ich durch die monogame Norm – anders als z. B. durch sexistische – selten mit diskriminierenden Aussagen oder Handlungen konfrontiert werde. Ich führe eine Beziehung, die nicht der Norm entspricht (ich spreche hier ausdrücklich nur für meine Person und möchte keinesfalls Personen, die durch diese Norm von Diskriminierung betroffen sind, ihre Erfahrungen absprechen). Wenn ich über alternative Beziehungskonzepte mit Freund_innen oder Bekannten spreche, begegnet mir eher eine leichte bis mittelschwer irritierte, aber doch interessierte Offenheit. Was oft vorkommt, sind Aussagen folgender Art: „Das ist ja sehr interessant, aber ich will_kann_wollte das nicht.“ oder „Jede_r wie er_sie will, aber komisch ist das ja schon etwas.“ – die geöffnete, freie Beziehung als Kuriosum, als seltsames Experiment, welches nicht von Dauer sein kann. Selten wird mir abgenommen, dass ich (m)ein alternatives Beziehungskonzept als stabiler wahrnehme als die monogam organisierten Beziehungen der Gesprächspartner_innen. Mich dagegen irritiert, wie sehr körperliche und sexuelle Treue als Hauptkriterium für das Fortdauern und Gelingen einer Beziehung eingesetzt werden. Je länger ich ein alternatives Beziehungskonzept lebte, desto seltsamer und teilweise grotesker erschien mir die Wichtigkeit, die der Monogamie als Organisationsprinzip einer Beziehung beigemessen wird. Als Trennungsgrund schlechthin gilt nach wie vor die körperliche bzw. sexuelle Untreue der Partner_innen – viele Beziehungen zerbrechen an Treueerwartungen, die von einer_einem oder beiden nicht eingelöst werden können; sexuelle Treue wird mit Vertrauen gleichgesetzt, welches irreparabel beschädigt ist, wenn dieses gebrochen wird. Das ehemalige Vertrauen wird durch Eifersucht und verletzte Ehre ersetzt, die ein Weiterführen der Liebesbeziehung unmöglich machen und auch eine anschließende Freundschaft der beiden nun Ex-Geliebten erschwert bzw. oft vereitelt.

In meinem Freund_innen- und Bekanntenkreis ist das Beziehungsmodell der seriellen Monogamie das vorherrschende, seriell in dem Sinne, das eine Trennung und anschließend eine neue Beziehung ansteht, sobald das oben beschriebene romantische Liebesideal nicht mehr auf den_die Freund_in projiziert werden kann – oder auch schon, wenn diese Projektion anfängt sich aufzulösen. Das Hintergehen, Fremdgehen und Betrügen betrachte ich dabei als normstabilisierend, denn diese Handlungen sind dem kulturellen Konzept der Monogamie quasi eingeschrieben. Der Fremdgeher oder die Betrügerin werden zwar sanktioniert; dies geschieht jedoch innerhalb der monogamen Norm. Mit dem Akt des Hintergehens wird die Norm nicht subversiert, sondern die untreue Handlung generiert innerhalb des Konzepts das Ende der Beziehung. Noch offenkundiger normstabilisierend wirkt das Hintergehen, welches unausgesprochen bleibt.

Ein freiheitlicheres Beziehungsmodell, welches eine andere, eigens definierte Basis für die Liebesbeziehung als die Monogamie setzt, erlebe ich daher tendenziell als stabiler. Nicht die monogame Norm bestimmt Beginn, Verlauf und Ende der Beziehung, sondern das Suchen und Finden anderer identitätsstiftender Beziehungsdefinitionen und -konstruktionen, die immer wieder neu ausgelotet werden können. Ich möchte hier keine Werbung für nicht-monogame Liebeskonzepte machen, nur dafür plädieren, Beziehungen immer neu zu hinterfragen, auch diejenigen, die normenkonform verlaufen und daher durch kulturelle Reproduktionen gemeinhin nicht hinterfragt werden. Meine Beziehung(en) werden dagegen oft von anderen hinterfragt: Immer wieder geht es am WG-Küchentisch, in der Mensa oder in der Kneipe darum, wie eine Beziehung funktioniert, die sich nicht an körperlich-sexueller Treue orientiert. Eine abschließende, gültige Antwort auf diese Frage habe ich auch noch nicht gefunden, vielmehr finde ich immer wieder neue Definitionen, die sich verändern, je älter ich werde, welche Menschen ich treffe und was ich mit ihnen teile.

Wie und was heißt das nun?

Zeitungsartikel (z. B. dieser in der ZEIT), ganze Websites und Buchpublikationen jüngeren Datums (z. B. Jönsson (2010): 111 Gründe, offen zu lieben; Lendt/Fischbach (2011): Treue ist auch keine Lösung; Schott (2013): Lob der offenen Beziehung) widmen sich dem Thema „offene Beziehung“, welches in den letzten Jahren mehr und mehr Beachtung fand und nun, nach meiner eigenen Einschätzung, einen gewissen Diskussionsboom erlebt. Auch nicht-monogame, freiheitliche Beziehungskonzepte wurden und werden klassifiziert, es kommen auch immer neue Kategorien und Definitionen hinzu: offene Beziehung mit oder ohne primary-secondary-Modell, Mehrfachbeziehung, Polyamorie, Swingerbeziehungen… – einlesen und sich einen Überblick verschaffen kann man sich z. B. hier und hier.

Erklärungs- und Konstruktionsmodelle können identitätsstiftend wirken – für mich fruchtbarer war und ist nicht die Selbstbezeichnung mit einem dieser Modelle, sondern die fortgesetzte Reflexion des Erlebten. Wichtig war für mich beispielsweise die Erkenntnis, dass man zu allen Personen, die man kennt, eine durch Erwartungen und Normen geprägte Beziehung hat, und dass die damit einhergehenden Gefühle durch verschiedene kulturelle Codes geprägt sind. Gefühle und Gedanken jedoch, die man gegenüber Bekannten, Freunden und Familie entwickelt, können diesen Codes jedoch zuwider laufen, was zu Problemen führen kann – ein Beispiel können innige Freundschaften sein, in denen zärtliche_liebevolle_sexuelle Gefühle entwickelt werden; Einseitigkeit kann hier zu großen Problemen führen, da das Konzept „Freundschaft“ solche Gefühle nicht mit einschließt, sondern für die Liebesbeziehung reserviert.

Ich wünsche mir, dass mehr über Beziehungen, über Freundschaft und Liebe und die graduellen Übergänge gesprochen wird. Dass Bedürfnisse angstfrei artikuliert werden können und dabei nicht sofort die Beziehung durch Zuwiderhandeln der Erwartungen in Gefahr gerät. Dass es auch die Freiheit gibt, kein Begehren zu entwickeln oder zu haben, keine sexuelle Beziehung zu wollen – denn auch das Bedürfnis nach Sexualität als solches wird bei Jugendlichen und Erwachsenen vorausgesetzt und fungiert als Norm.

Dass es für als Frauen* sozialisierte und gelesene Personen etwas anderes ist, Sexualität aktiv und vielleicht auch kreativ zu gestalten als für Männer, mag ein alter Hut sein und als überwundenes Rollenklischee gelten. Ich selbst erlebe jedoch dieses Stereotyp, der alte Hut wird mir aufgesetzt: Wer als Frau* offen Sexualität lebt, gilt offenbar als sexuell verfügbar, wovon verschiedene unverschämt und offen sexistisch vorgetragene Sprüche und Anmachen auf Partys zeugen. Auch das ist Mist, kostet Kraft und frustriert.

Ich empfinde Liebe und Begehren nicht als etwas Statisches, was sich in monogame Liebesbeziehungen pressen lässt, ich empfinde es als verkürzend, Menschen, egal ob Frau* oder Mann* nicht auch körperlich kennenlernen zu dürfen, wenn ich sie interessant_schön_klug_begehrenswert finde. Was dann passiert, ist abhängig vom meinem und dem Wollen des Gegenübers, dem Spiel des Kennenlernens oder Neukennenlernens, dem Augenblick. Deswegen lebe ich eine nicht-monogame Beziehung.

33 Antworten zu “„Jede so, wie sie will?“ oder: „Alles kann, nichts muss“? – Warum ich eine offene Beziehung lebe.”

  1. SusaDanube sagt:

    wiederhole meinen Twitter-Kommentar: „wer schafft die Kontinuität für den Nachwuchs in offenen Beziehungen? Denn: auch das Ende ist da offen. Lasst raten…“
    Schließlich: ein Kind ist nicht ein Kind der Liebe, sondern ein Kind der Sexualität.
    Eine nicht-offene Beziehung (traditionell Ehe) muss nicht monogam sein – serielle Monogamie kommt meineserachtens in der Adoleszenzphase gehäuft vor; danach eher das „Arrangement“, ohne dies an die große Glocke zu hängen. „Beziehung“ ist nicht zwangsläufig „Sexuelle Beziehung“
    Aber ja: der öffentliche Diskurs beschreibt eine Utopie…

  2. Annika sagt:

    Kontinuität für den Nachwuchs ist denke ich auch nicht zwingend gegeben, wenn die Eltern verheiratet sind bzw. waren oder der Nachwuchs aus einer monogamen Beziehung hervorgegangen ist – viele Eltern (zumeist Mütter) erziehen ihr_e Kind_er allein – oft ohne finanzielle, emotionale oder soziale Unterstützung des anderen Elternteils. Kinder in offenen Beziehungsformen zu bekommen und großzuziehen ist wahrscheinlich eine größere Herausforderung als das kinderlose Leben einer nicht-monogamen Beziehung, aber sicher möglich. Auch hier kann ich mir vorstellen, dass es für Kinder nicht zwingend ein Nachteil sein muss, wenn es mehrere Elternteile gibt, die Verantwortung für den Nachwuchs zeigen. Auch offene Beziehungskonzepte bauen auf Verlässlichkeit. gegenseitigen Respekt und Ehrlichkeit – so halte ich es zumindest – Beziehungsstrukturen, die eine Familie und das Großziehen von Kindern ermöglichen, oder? Für Familienstrukturen greifen allerdings noch sehr stark monogame und damit einhergehend auch heterosexistische Normen (jüngst zu erleben bei der Debatte um die Rechte homosexueller Paare, die Kinder adoptieren wollen).

    „Beziehung ist nicht zwangsläufig ‚Sexuelle Beziehung'“ – da stimme ich dir voll zu. Beziehungen sind vielfältig und konstituieren sich über alles mögliche, auch über Sexualität, aber selbstverständlich nicht nur: die Freiheit, keine sexuelle Beziehung zu wollen, ist denke ich in nicht-monogamen Beziehungskonzepten denkbar und lebbar – eben weil die Beziehung nicht als etwas Statisches gesehen wird mit zwingend dazugehörigen Komponenten wie Sexualität.

    Ab wann beginnt für dich das „Arrangement“?

  3. Eule sagt:

    Ich finde Deinen Artikel sehr klug (besonders das Beobachten des eigenen Erlebens und nicht das Sicheinordnen in eine (neue) Kategorie) und er deckt sich auch teilweise mit meinen Erfahrungen. Mich würde nur interessieren, wie alt Du bist, denn ich habe bei Freunden, die offene Beziehungen leb(t)en beobachtet, dass sie sich mit zunehmendem Alter und besonders, wenn Kinder kamen, von diesem Modell verabschiedet haben. Ich glaube, ich selbst wäre da auch viel freier, wenn ich nicht Angst hätte, damit die Stabilität der (noch nicht mal entstandenen) Familie zu gefährden. Das Leben in Gemeinschaft als Alternative zum Paarmodell ist für mich, was diesen Stabilitätsfaktor eines „Nests“ für Kinder angeht, auch nicht so richtig Vertrauen erweckend.

    • Annika sagt:

      Ich bin 23 und studiere in der mittelgroßen Stadt Bremen, lebe also in einem Umfeld, in welchem nicht-normkonforme Lebensmodelle möglicherweise weniger ungewöhnlich erscheinen als andernorts und zu anderen Lebensaltern – eben wenn zB Kinder da sind. Ich selbst plane mein Leben im Augenblick nicht in Hinblick auf Kinder – kann und will aber natürlich jetzt keine Entscheidungen für mein älteres Ich treffen.

      In meinem Nachdenken über offene Beziehungsmodelle und Kinder bin ich noch nicht zu einer konsistenten Meinnung gekommen: Einerseits teile ich deine Bedenken, was ein „Nest“ oder „Netz“ aus verschiedenen Bezugspersonen angeht, vor allem dann, wenn Verlässlichkeit und das Wissen um die eigene Verantwortung nicht gegeben ist (oder nicht von allen Verantwortlichen dieser Familienstruktur eingehalten wird oder werden kann). Andererseits denke ich, dass es auch eine Chance für Kinder sein kann, mehr Bezugspersonen als „nur“ Mutter und Vater zu haben – aus meiner eigenen Biographie geplaudert kann ich da sagen, dass zB meine Großmütter neben meiner alleinerziehenden Mutter eine große Rolle für mich spielten. Auch sehe ich hier eine Chance, dem doch immer noch sehr zementierten Mutterideal als die (alleinige) Kümmererin, Versorgerin, Erzieherin usw. beizukommen bzw. dieses aufzubrechen (ein ähnlich normiertes Vaterkonzept sehe ich dagegen weniger, by the way).

      Danke für das Lob!

      • SusaDanube sagt:

        nach dem was ich beobachte, fürchte ich eher, dass die Mütter nolens volens die alleinigen Kümmerinnen, Versorgerinnen, Erzieherinnen etc. sein werden, weil die Männer in ihrem Leben niemals eine so enge Bindung zum Wahl-Kind innerhalb einer offenen Beziehungssituation aufbauen werden, wie die Mütter. Nicht zu vergessen, dass es bei all den Tätigkeiten um unbezahlte Arbeit handelt,… der ökonomische Aspekt ist da vielleicht auch nicht zu vernachlässigen.

  4. Annika sagt:

    Was GIRLS angeht: Stimmt! Gerade die zweite Staffel tendiert stärker zu romantischen Stereotypen,vielleicht auch ironisch gewendet, deswegen habe ich GIRLS wohl ausgelassen: Die Serie macht – im Gegensatz zu den anderen erwähnten Serien, die stärker mit romantischen Klischeevorstellungen arbeiten – den Liebesdiskurs selbst zu einem Serienthema, oder?

    Zu der Kategorie „Besitz“ im Bezug auf Beziehungen lässt sich viel sagen, ich sage mal nur so viel: Bei Liebesbeziehungen,
    die auf jeder Ebene auf Exklusivität angelegt sind, können die Beteiligten dazu neigen, ein Besitzverhältnis auf den_die Partner_in zu entwickeln, was ich ablehne. Allerdings wollte ich in dem Beitrag nicht monogame Beziehungen als solche zB über das Behaupten eines Besitzverhältnisses abqualifizieren, denn auch geschlossene, monogame Beziehungen bestehen ja in einer Vielheit und werden ganz unterschiedlich gelebt: Für viele stellt die monogame Beziehung ein Abbild ihrer Liebes- und Beziehungsfähigkeit dar, die ich nicht abwerten will, um demgegenüber offene Beziehungskonzepte aufzuwerten.
    Vielmehr fände ich es gut, wenn solche Kategorien in Hinblick auf die eigene Beziehung besprochen und reflektiert werden können.

  5. Annika sagt:

    Ich denke, dass weder das monogame noch das nicht-monogame Beziehungskonzept der allein seelig machende Weg ist – wer wie in welcher Beziehung lebt ist abhängig von so vielen subjektiven Faktoren, dass das jede_r immer wieder neu verhandeln muss. Wenn die aktuelle Situation so aussieht, dass mensch sich nicht vorstellen kann, jemand anderen als den Exklusivpartner zu begehren, dann ist das weder falsch noch richtig, sondern eine Tatsache, der Rechnung im Beziehungskonzept getragen werden sollte, die jedoch nicht statisch für alle Zeit gelten muss, oder? Wie würdest du damit umgehen, wenn sich etwas im „Begehrensverhältnis“ oder „Liebesverhältnis“ ändert, aber das Vertrauen, die Beziehungsgeschichte, all das, was die Beziehung außerhalb der (sexuellen) Treue ausmacht, noch da ist?

    Dein Hinweis auf dein Verheiratet-Sein ist interessant: Die Ehe (oder eingetragene Lebenspartnerschaft) ist erst ab einem gewissen Lebensalter (wann fängt dieses Alter eigentlich an?) das als „normal“ angesehenes Lebenskonzept. Daher wahrscheinlich auch die Ablehnung, die dir jetzt begegnet.

  6. Annika sagt:

    Der romantische Liebesdiskurs, wie ich ihn im Blogbeitrag beschrieb und der heute zB in Serien eine diskursive Fortschreibung erfährt, hat nichts mit dem Konkubinat, wie Sie es beschreiben, zu tun: Das Konkubinat ist eben nicht die ausschließliche Aufeinanderbezogenheit zweier Liebender, die sich als exklusive Sexualpartner_innen, Seelenwewandte, Freund_innen usw. verstehen – sondern eine Mehrfachbeziehung eines Mannes bzw. Patriarchen, der mehrere Frauen zu seiner sexuellen Befriedungung und zur Zeugung einer großen Nachkommenschaft „hält“ und/oder mit ihnen verheiratet ist.

    Shakespeare ist einer der Vorläufer des romantisches Liebesdiskurses, der jedoch seinerseits in einer anderen Tradition steht, nämlich den Normen und Konventionen, die wir aus der mittelalterlichen Liebeslyrik, also der Minne kennen. Während in den Texten der Romantik liebende Individuuen eine subjektiv-emotionale Liebes- und Beziehungsgeschichte durchleiden, die durch die im Blogbeitrag beschriebenen Charakteristika gekennzeichnet ist, sind die Minneliebenden literarische Stereotypen, die keine subjektive Liebesempfindung mit individualisierendem Psychogramm aufweisen, viel mehr ist die Minnelyrik durch bestimmte Topoi bestimmt, die immer wieder aufgerufen werden. Bei Shakespeare finden sich Anleihen dieser Topik, weswegen ich ihn im Blogbeitrag unbeachtet ließ. Der Liebesdiskurs, wie er heute in Kulturprodukten fortgeschrieben ist, speist sich aus einem subjektiv erlebbaren Liebesverständnis, welches erst in den Texten des Sturm und Drangs und der Romantik zu finden ist.

    Nicht-normative Liebeskonzepte, wie ich sie verstehe, haben nichts damit zu tun, dass man einander betrügt und dies durch das Beziehungskonzept gedeckt ist. Vielmehr ist es so, dass ein Betrügen innerhalb eines offenen Beziehungskonzeptes nicht möglich ist, da „Betrügen“ Unehrlichkeit und ein Hintergehen impliziert. Das Beziehungskonzept, wie ich es lebe, baut auf Ehrlichkeit – alles passiert im gegenseitigen Einverständnis aller beteiligten Parteien und in gegenseitiger Verantwortung und Respekt. Da ich meine Mitmenschen, Freund_innen und eben auch Beziehungspartner_innen unter eben diesen Prämissen behandle, betrachte ich sie keinesfalls als „Ware“ oder „Konsumgüter“.

    Mein Fokus im Bezug auf Beziehungen mit anderen Menschen ist auch nicht zuallererst die Sexualität, sie ist ein Punkt unter vielen. In einem offenen Beziehungskonzept hat man die Freiheit, andere Menschen auf die unterschiedlichsten Weisen kennenzulernen, mit ihnen Ebenen zu finden, die nicht durch die monogame Norm geprägt sind. Dabei ist Sexualität EINE Ebene unter vielen, die aber eben nicht von vornherein durch die monogame Norm ausgeschlossen bleibt. Ich zitiere aus meinem Blogbeitrag:
    „Ich wünsche mir, dass mehr über Beziehungen, über Freundschaft und Liebe
    und die graduellen Übergänge gesprochen wird. Dass Bedürfnisse
    angstfrei artikuliert werden können und dabei nicht sofort die Beziehung
    durch Zuwiderhandeln der Erwartungen in Gefahr gerät. Dass es auch die
    Freiheit gibt, kein Begehren zu entwickeln oder zu haben, keine sexuelle
    Beziehung zu wollen – denn auch das Bedürfnis nach Sexualität als
    solches wird bei Jugendlichen und Erwachsenen vorausgesetzt und fungiert
    als Norm.“

    Ich teile im Übrigen keinesfalls die Ansicht, dass ich nur „Erfüllungsgehilf_innen“ für meine Sehnsüchte suche, diese aber nicht finde. Ich finde sie überall, in den unterschiedlichsten Formen und mitnichten nur in sexuellen Beziehungen. Daher denke ich, Sie begehen einen Kardinalfehler, wenn Sie so persönlich beleidigend werden, da Sie doch nichts über die konkrete Gestalt meiner Beziehung(en) wissen. Sollte ich im Alter ab und zu mal allein auf der Couch sitzen, dann schaue ich mir einen guten Film an und freue mich des Lebens.

    • Danke für die Antwort.
      Ich meine mit den romantischen Beziehungen im alten Ägypten eher die Liaison zwischen bestimmten Pharaonen und ihren Hauptfrauen, deren Nennung hier zu weit führen würde. Egal.
      Aber auch im größten Harem gibt es eine Frau, für die ein Herrscher stets mehr empfunden hat, als für den Rest.
      Auch das Taj Mahal wurde aus romantischer Liebe erbaut, und das weit vor Shakespeare und dem literarischen Ideal des 18/19. Jahrhunderts. Die Reihe an Beispielen ließe sich noch lange fortsetzen.

      Ich finde, Ihre Idee von einem Zusammenleben, bei dem man sich „im Einverständnis betrügt“, ist eine Kopfgeburt und wird an der Realität der Gefühle scheitern. Der Mensch ist Mensch, und das wird ihm auch die schlüssigst klingende Idee nicht austreiben können. Und er ist eben auch ein Kulturwesen.
      Warum muss heute von vielen Stellen all das zwanghaft zerstört werden, was als „Norm“ gilt? Es wird dabei viel zu wenig bedacht, dass Riten und Normen unser gesellschaftliches Zusammenleben gestalten und ihren Sinn haben. Klar, es gibt auch Normen, die Menschen degradieren oder erheben und zu Misstimmungen führen. Aber darüber reden wir hier sicher nicht.

      Für mich muss die Basis einer emotionalen Beziehung immer Freundschaft sein, damit eben nicht nur die (vergängliche) Erotik als Basis gelten kann.
      Und ganz ehrlich: Wenn ich in einer Beziehung bin, ist die Treue kein „Opfer“, sondern Teil meiner Wertschätzung für den anderen. Meine engen Freunde wechsle ich schließlich auch nicht wie Socken.
      Wenn man natürlich immer auf der Suche nach dem nächsten „Kick“ ist und das stetige Abenteuer sucht, ist mein Konzept sicher das falsche. Aber für eine beständige Beziehung das richtige, so finde ich.
      Liebe ist keine Ware, die man sich, wie es einem gerade passt, aus dem Regal nehmen kann. Aber es passt zu unserer Instant-Welt, dass so viele das immerwährende Glück suchen, anstatt sich zufrieden zu geben. Lieber von einem Strohfeuer der Verliebtheit zum nächsten springen, anstatt die Anstrengungen einer festen Paarbeziehung zu durchleben und daran zu wachsen. Sehr schade.
      Ich kenne einige, die ihr Konzept leben und so richtig glücklich bzw. zufrieden ist davon keiner.

      Wo bitte war ich denn persönlich beleidigend? Weil ich Ihnen einen Fehler unterstelle? Das ist noch keine Beleidigung, sondern meine ganz persönliche Diagnose, die natürlich komplett falsch sein könnte.

      Ich bin sehr gespannt, wie sich die ganzen einsamen RentnerInnen, die ja zu erwarten sind, ihres Lebens mit einem guten Film auf der Couch freuen wollen. Das „ab und zu“ kann nämlich sehr schnell zum Dauerzustand werden und das ist heute schon oft so. PartnerInnen wachsen eben (leider) nicht auf Bäumen.

      • SusaDanube sagt:

        aber man bedenke: einer bleibt immer „übrig“. :-) Statistisch gesehen die Frau. Eine Partnerschaft ist keine Altersversicherung. Kinder auch nicht. Das ist ein Problem für alle, die viel in Partnerschaften / Kinder investieren. Statistisch gesehen für die Frau. Jedoch ist der Ausweg, sich nicht festlegen zu wollen, imho ein Schein-Ausweg, der letztendlich am Versprechen irdischer Glückseligkeit festhalten will und nicht den Realitäten des Lebens, d.h. seinen Wechselfällen, Beschränkungen und Entbehrungen ins Auge blicken kann. Das aber erst könnte aus der Falle führen, die uns heute depressiv werden lässt, nämlich das allgegenwärtige wie unmögliche Imperativ der falschverstandenen „Selbstverwirklichung“.

        • Schon das Leben an sich ist doch keine Altersversicherung, oder? ;)
          Wenn ich mir wirklich objektiv alle negativen Eventualitäten vor Augen führen würde, könnte ich mir einen Strick nehmen. Ich könnte krank werden, ein Blitz könnte mich treffen oder ein Auto überfahren. So IST das Leben! Aber das Leben ist eben auch etwas positives, für das es sich zu kämpfen lohnt.
          Wenn ich mir manchmal so anschaue, mit welcher Aufopferungsgabe sich die Menschen um ihren Job, respektive um ihre „Karriere“ kümmern, anstatt die Kraft für ihr Zusammenleben zu nutzen, wird mir mulmig zumute. Auf Arbeit ist man stets freundlich, geht Kompromisse ein, arbeitet zusammen und reflektiert sein Handeln. Im privaten Umfeld scheinen diese Dinge dann nicht mehr vorzukommen bzw. als Einschränkung der Freiheit begriffen zu werden. Der Mensch neben mir will etwas? Nee! Ich muss sehen, wo ich bleibe. Was springt für mich dabei heraus.
          Im Arbeitsleben werden Herausforderungen als etwas begriffen, an dem man wächst und was einen in der ein oder anderen Weise weiterbringt. In Sachen Beziehung sind Herausforderungen plötzlich nur noch Last, weil sie den „status quo“ eines Ideals bedrohen. Warum eigentlich?
          Man sollte sich doch mal die beste Freundschaft vor Augen halten und einmal resümieren, welche Höhen und Tiefen diese durchlebt hat, ohne zu zerbrechen. Selbst Phasen der Entfremdung oder sogar Trennung hat sie überstanden. Warum kann das nicht auch für die Liebe gelten? Ist es wirklich nur der Sex, der das Ganze so unbeständig macht oder ist es die Fixierung auf das Körperliche?
          Warum haben sich die Menschen überhaupt ineinander verliebt? War es rein erotische Faszination oder auch eine intellektuelle? Waren sie reif genug, sich und dem Partner Veränderungen zuzugestehen? Begreifen sie eine Beziehung als eine Art materiellen/gesellschaftlichen Status?

          Ich finde, ein wirkliches Kennenlernen hilf schon sehr viel, um sich einen Teil der Ungewissheiten und Ängste zu nehmen. Was meinen denn die Menschen was dabei herauskommt, wenn man noch am Abend der ersten Begegnung zusammen in die Kiste steigt und nach zwei Tagen die Beziehung ausruft? Das ist nicht meine Vorstellung vom „sich verlieben“. Wenn ich mich verliebt habe, dann hat das immer Zeit gebraucht. Zuerst war da die optische Attraktivität des Gegenübers und irgendwann hat man z.Bsp. in der Schule oder im Freundeskreis auch die Ansichten und den geistigen Horizont kennengelernt. Erst dann wurde bei mir eine wirkliche Faszination und ein Begehren daraus. Und das ist bis heute so geblieben. Ich traue dem ersten Eindruck nicht mehr so ganz. Man könnte es „Erfahrung“ oder „Reife“ nennen.
          Viele in meiner näheren Umgebung machen das anders und scheitern und scheitern. Und sind einsam. Das senkt natürlich irgendwann einmal die Hemmschwelle bei der Wahl und man nimmt das, was sich einem an den Hals wirft. Gerade Männer sind da sehr anfällig. Aber in dem Falle ist das Scheitern wieder vorprogrammiert. Irgendwann fangen dann viele an, die Schuld beim Geschlecht des Begehrens zu suchen. „Frauen haben ’ne Macke“ und „Männer sind alle gleich; denken nur an das Eine“. Und schon schlittern die Menschen in Richtung Beziehungsunfähigkeit. Wenn es ganz schlimm kommt, in Richtung Depression aus Einsamkeit. Als Firnis sucht man sich dann Ablenkungen wie Marathon laufen, Angeln, Dauerparty, Konsum oder andere Aktivitäten. Treffpunkt der Gefühlskrüppel.

          Eigentlich steht sich der Mensch ständig selbst im Wege, wenn er voller Angst nach Nähe sucht, denn das eine schließt das andere praktisch aus.
          Vielleicht sollten viele ihre Vorurteile einmal überdenken, der Sache Zeit geben, nicht mehr in „Kosten-Nutzen“ denken und auch ihr Beuteschema einmal hinterfragen. Einfach das Leben und die Liebe als positive Herausforderung erkennen. Das kann man lernen!

          • SusaDanube sagt:

            ach, es kann schon passieren, dass man zwei (oder mehr?) Menschen in tiefer Liebe verbunden ist. Man kann, meine ich nicht beiden (oder gar noch mehreren) gerecht werden. Wer soll der Vater meines Kindes sein? Es kann sein, dass man im Leben nie mit demjenigen zusammensein wird, von dem man es sich am meisten wünscht. Man kann auch scheitern. Auch das gehört zum Leben. Vieles geschieht (Du sagst Ü30-Parties, Marathon, Konsum,…, ich würde sagen, die Suche nach der Erfahrung von Transzendenz, der man heute fast nurnoch in erotischen Begegnungen zu begegnen glaubt), um davon abzulenken, dass die Möglichkeit besteht, dass man sich sein ganzes Leben möglicherweise nur eingeschränkt „selbst verwirklichen“ kann, einfach, weil man PECH haben könnte.

          • Annika sagt:

            Wieso glaubst du, dass man nicht zwei Menschen gleichzeitig gerecht werden kann? Ich versuche mich mal an einer Antwort, warum ich glaube, dass es doch möglich ist: „Gerecht werden“ heißt ja, dass man der anderen Person, ihren Wünschen, ihren Gefühlen, ihren Bedürfnissen Rechnung trägt, sie also (möglichst in ihrer Gänze) anerkennt. Beziehungen können vielgestalt sein, nicht jede Beziehung stellt die gleichen Erfordernisse, oder?

            Wenn ich die_den andere_n nicht als absolutes und exklusives Gegenüber sehe, sondern ganz individuell jede Beziehung jeweils so gestalte, dass die individuelle Beziehung die Gefühle und die Bedürfnisse füreinander abbildet und dass diese im Einklang sind, wieso kann man dann nicht – im allerseitigen Einverständnis – mehrere Beziehungen gestalten und leben? Im Grunde tun das auch Menschen, die in Liebesdingen eine Exklusivbeziehung führen und gleichzeitig Freund_innen haben, mit denen sie ein enges Vertrauensverhältnis führen und möglicherweise ganz andere Sachen teilen als mit dem_der jeweiligen Liebespartner_in. Ich sehe nun schon seit längerer Zeit, dass es zwischen Freundschaft und Liebe graduelle Übergänge, aber eigentlich keine klare Distinktionslinie gibt – außer, man trennt einfach zwischen dem_derjenigen, mit der man eine Liebesbeziehung führt, in der meistens auch Sexualität ihren Platz hat; und denjenigen Menschen, mit denen man zwar (eng und innig) befreundet ist, mit diesen aber keine oder „nur“ eine körperlich sehr zurückgenommene Ebene hat. Ich habe schon oft für Freund_innen auch Liebesgefühle, zärtliche Gefühle, auch ein Begehren (auch hier wieder: das sexuelle Begehren ist EINE Ebene, die neben unzähligen anderen steht und diesen für mich keinesfalls übergeordnet ist!) oder etwas Ähnliches empfunden, vielleicht geht es dir auch so? Und diesen Gefühlen möchte ich auch Raum geben dürfen – was für mich möglich ist über ein nicht-normatives Beziehungskonzept, weil es für mich eine größere Ehrlichkeit darstellt.

          • SusaDanube sagt:

            das klingt alles pausibel, was Du sagst; und solange Kinder kein Thema sind und Du das Glück hast, grade solche (Liebes-)Partner zu haben, deren Interessen nicht miteinander kollidieren, mag das gehen. Aber dann? Ich würde sagen, dann spielen ganz profane Dinge eine Rolle. Die Männer wollen nicht nur die Nenn-Väter irgendwelcher Kinder sein, es geht um das enge Zeitbudget (und das ist eng, wenn Du Kinder hast, ganz ehrlich), es geht um Arbeit und Geld. Ich wage halt zu bezweifeln, ob unter diesen beschränkteren Bedingungen einer nicht ganz so individualistisch auslebbaren Existenz solche Gedankenspiele wie die Deinen tragen können. Wünschenswert wäre das, aber es ist meineserachtens eine Utopie. Möglicherweise wäre ein Schritt in diese Richtung, wenn die Restriktionen, der Frauen durch die Mutterschaft unterworfen sind, beseitigt würden. Ich denke da beispielsweise an so Dinge wie das bedingungslose Grundeinkommen, kinderfreundliches Umfeld, etc…
            Bis dahin halte ich es für die Frauen für nachgerade fahrlässig, auf solche offenen, fluiden Beziehungsmodelle zu setzen, sobald sie über eigenen Nachwuchs nachdenken.

          • spicollidriver sagt:

            „Und eine „menage a trois“ hat noch nie funktioniert, weil sie zu Konkurrenz zwischen den Beteiligten führt. Das ist so, ob man es will oder nicht.“

            Sagt wer? Sie?

            Und wie ist es dann, wenn sich der Kreis der Beteiligten auf vier oder fünf Personen erhöht? Haben Sie dafür auch einen Automatismus parat, nach dem das Ganze, „ob man will oder nicht“, abläuft?

            „Und ganz ehrlich: Wenn ich in einer Beziehung bin, ist die Treue kein „Opfer“, sondern Teil meiner Wertschätzung für den anderen.“

            Wenn SIE in einer Beziehung sind, kann das doch auch gerne so sein. Niemand schreibt Ihnen vor, daß Sie ihre Form von Partnerschaften verändern sollen.

            Aber dieses grundsätzliche Überstülpen von eigenen Erfahrungen auf andere ist ehrlich gesagt geradezu anmaßend.

            (wie übrigens auch die Unterstellung es würde um einen wie auch immer gearteten „Kick“ gehen: insbesondere das seitens der Autorin ausdrücklich betont wurde, daß Sexualität nicht der entscheidende Antrieb ist, es ist nur eben kein Ausschlußkriterium, wie ansonsten bei Menschen, die in monogamen Beziehungen leben, üblich)

      • Eva sagt:

        Sehr schön gesagt. Ich sehe das ganz genauso.

  7. Urs sagt:

    Sexuelle Treue hat historisch betrachtet wenig mit Monogamie zu tun. Zwar mag in neuerer Zeit die ideale Fiktion der ewigen und ausschließlichen Treue wieder etwas mehr in der Vordergrund getreten sein, aber am Ende bleibt es eine Fiktion. Wer kennt kein Paar, das trotz Seitensprung noch zusammen ist?? Selbst in den 50er Jahren und im Biedermeier gab es Seitensprünge, „Zweitfamilien“ etc. nur ist das halt oft einfach unter den Teppich gekehrt worden und man ist gerade auch als Frau schwerer aus einer Beziehung gekommen ohne sich selber zu schädigen. Heute ist es einfach aktzeptierter geworden das Reale (wieder) offener zu leben.

  8. Kate sagt:

    “ sexuelle Treue wird mit Vertrauen gleichgesetzt, welches irreparabel beschädigt ist, wenn dieses gebrochen wird.“ Ich glaube, das ist nicht richtig. Eher ist es doch so, dass vorher festgelegt wird, monogam zu leben. Es dann zu brechen ist der Vertrauensbruch, nicht das sexuelle Untreusein.

    • Annika sagt:

      Ist sexuelle Treue für dich nicht eingeschrieben in ein monogames Beziehungskonzept?

      • spicollidriver sagt:

        habe ich auch immer so verstanden. die Möglichkeit, auch mit anderen Menschen Sex zu haben, ist doch so ziemlich der Kernunterschied zu einer „offenen“ Beziehung.

  9. Urgestein sagt:

    Spielt nicht auch die Angst vor Geschlechtskrankheiten eine Rolle, weiter die Angst ein fremdes Kind aufzuziehen oder eben seinen Partner zu verlieren? Ich denke auch es hängt von den Umständen ab – es gab Zeiten und Orte, da konnte eine Frau alleine ohne Mann nicht überleben, geschweige denn Kinder durchbringen. In unserer heutigen Zeit wo der Staat sich notfalls um alles kümmert ist es weniger wichtig einen zuverlässigen Partner zu haben.
    Ich finde es ist auf jeden Fall möglich mehrere Menschen zu lieben. Der Tag hat aber nur 24 Stunden, entscheidend ist: für wen hat man Zeit? Wie funktioniert es, wenn man Kinder mit mehreren Partnern hat? Wenn nicht gerade alle zusammen in einer Kommune wohnen wird irgendwer zu kurz kommen, vermute ich.

    • Annika sagt:

      Das sind Fragen, die ich mir auch stelle. Zu den Krankheiten: Eine nicht-normative Partnerschaft zu führen setze ich nicht gleich mit ständig wechselnden Sexualpartner_innen – das kann es geben, muss aber nicht zwingend so gestaltet werden. Eine Prämisse im Umgang mit mehreren Sexualpartner_innen ist der gegenseitige Schutz und das gegenseitige Vertrauen – also Safer Sex, immer. Zu den Beziehungskapazitäten: Es ist absolut richtig, dass man innige Beziehungen, die viel von einem_einer fordern, nicht in unbegrenzter Anzahl führen kann – dafür reichen Zeit und Kraft nicht. Allerdings stand ich nie vor der Situation, dass ich komplett überfordert war mit den emotionalen und sozialen Anforderungen meiner unterschiedlichen Beziehungen und das Gefühl hatte, mich entscheiden zu müssen. Auch über Kinder kann ich nichts sagen, denn ich habe keine. Ich denke allerdings, dass es eine Chance sein kann, wenn man das Zusammenleben verantwortlich und zu aller Zufriedenheit leben kann. Ob es lebbar ist, kann sich vielleicht auch nur im Einzellfall und immer in der subjektiven Situation klären – eine Generalaussage ist, denke ich, kaum zu treffen.

      • spicollidriver sagt:

        zumal Menschen, die ausschließlich monogame Beziehungen leben, vor Geschlechtskrankheiten doch nicht durch Wahl ihrer Beziehungsform gefeit sind.

        denn „exklusive Zweierbeziehung“ sagt doch noch nichts über die Dauer dieser aus. wenn jemand zwar immer treu ist, aber kaum eine Liaison wenige Wochen/Monate überdauert, kann die Anzahl der Sexualpartner ohne Probleme die von denen, die sich und ihrem Partner erlauben, auch mit anderen Menschen sexuell aktiv zu werden, übersteigt.

  10. Welcher ZUG denn? Man kann in jedem Lebensalter eine neue Beziehung finden, selbst in Altersheimen gibt es noch Verliebtheit!

    • Ja, diese Ausnahmen gibt es ganz sicher, aber in der Realität wird es scheinbar immer schwieriger, einen Partner zu finden. Vielleicht liegt das daran, dass viele zu hohe Ansprüche an das eventuelle Gegenüber stellen bzw. von einem Idealbild ausgehen, das eigentlich nicht existiert.
      Ich könnte mir vorstellen, dass sich im Alter solche Dinge relativieren und es viel mehr auf Erfahrung und Entspanntheit ankommt. Äußerlichkeiten zählen dann wahrscheinlich nicht mehr so sehr, was eigentlich schön ist.

      • Danke, dass du antwortest! Wobei deine zwei Absätze ziemlich widersprüchlich sind. Du kannst dir zwar vorstellen, dass es „im Alter“ anders ist, aber „in der Realität“ glaubst du an die Schwierigkeit, einen Partner zu finden, wenn man über 30/35 ist. Meine Erfahrung ist, dass es in allen Lebensaltern gleich schwierig und gleich einfach ist – und eher einfache, wenn man dem eine Chance gibt, „was sich ergibt“ und eben nicht zwanghaft „sucht“. So hat es mir nie an Partnern gemangelt (nicht mit 15, nicht mit 55) – ein Idealbild hatte ich nur in den Teeny-Jahren, die Flops waren damals auch entsprechend häufig und krass! :-)

  11. Eine seltsam schnell ersterbende Diskussion! Mag an der Kurzatmigkeit der sozialen Medien liegen…. Mich hat das Thema bewegt: http://www.lustgespinst.de/2013/06/01/mal-wieder-offene-beziehung-in-der-diskussion/

  12. Natanji sagt:

    *seufz* Wrong on so many levels… fangen wir mal an, das auseinanderzuklamüsern.

    Eine
    „menage a trois“ hat noch nie funktioniert – klarer Fall für [citation
    needed]. Sicherlich weißt DU das besser als Menschen, die tatsächlich
    nicht-monogam leben, was? Was sind denn überhaupt deine Kriterien für
    eine „funktionierende“ Beziehung? Was du da schreibst ist einfach nur
    uninformierter Blödsinn auf Stammtischniveau.

    Dann kommst du mit
    „animalischen Vergangenheit“. Also auch noch Biologismen, sehr geil.
    Wenn du schon an „animalische Vergangenheit glaubst“ – was sagst du dann
    zu Büchern wie „Sex at Dawn“, die mal klipp und klar feststellen, wie
    Partnerschaft und Sexualität in der Vergangenheit tatsächlich
    funktioniert haben? Klar, wenn du nur auf unsere paar Jährchen
    christlicher Vergangenheit schaust, wirst du viel Monogamie finden. Die
    dort übrigens durchweg zur Aufrechterhaltung des Patriarchats genutzt
    wurde. Tolle sache.

    Dann als nächstes der Blödsinn mit den
    Scheidungskindern. Wir wissen bereits, dass es Kindern in
    Patchwork-Familien – wo es eben auch emotionale Stabilität gibt – gut
    geht. Das Argument gegen Scheidungskinder ist zudem meistens doch eines
    gegen Alleinerziehende, oder gegen Konstrukte in denen Kinder nur mit
    wenigen erwachsenen Bezugspersonen aufwachsen. Und klar: Alleinerziehend
    sein ist auch eine enorme Herausforderung, natürlich ist das oft
    schwerer als wenn man noch Unterstützung hat.
    Nicht-monogame
    Beziehungen sind damit überhaupt nicht vergleichbar – sie sind eher das
    krasse Gegenmodell, weil in Polyfamilien nicht nur Mama und Papa,
    sondern auch weitere Partner da sind, die dem Kind Halt und
    Unterstützung geben können. Nur mal so als Denkanstoß, wie so etwas
    funktionieren kann. Falls die Beteiligten überhaupt Kindern wollen. Heutzutage wollen das doch auch nur noch wenige.

    Aber
    dein Argument ist hier auch in sich kaputt. Denk mal für drei Sekunden
    nach, wo Scheidungskinder in der Regel herkommen – der Name sagt es
    schon: aus einer monogamen Partnerschaft! Wenn du schon (was ich nicht
    unterstütze) hier so eine Stigmatisierung von Scheidungskindern
    vornimmst, so musst du deren Existenz der Monogamie zuschreiben, nicht
    offenen Beziehungen…

    „Dumm ist nur das viele verlernt haben, dass eine solche Partnerschaft
    eben nichts Statisches sein muss. Menschen verändern sich, haben
    Bedürfnisse, stellen Forderungen und damit können viele mehr umgehen“
    Exakt
    das. Warum sollte man mit Veränderungen des Partners nicht auch umgehen
    können, wenn sich dieser zusätzlich in eine oder mehrere andere
    Personen verliebt?

    „Vertrauen baut man eben nur dann auf, wenn man sich DAUERhaft mit einem
    Gegenüber auseinandersetzt. Das ist bei Menschen so und bei Tieren
    auch, obwohl ich Liebe nicht biologistisch erklärt wissen will.“
    Welchen
    Artikel hast du da gelesen? Diese Implikation, dass man sich weniger
    und nicht dauerhaft mit einem Gegenüber auseinandersetzen mag, das ist
    doch gerade das (seriell) monogame Konzept. Kennst du irgendwelche
    polyamor lebende Menschen? Alle die ich kenne, stecken erheblich mehr
    Zeit in Beziehungsarbeit als monogame… und nicht nur, weil’s mehr
    Leute sind. Sondern weil sie sich wirklich offen miteinander
    auseinandersetzen.

    „Überdies begehen sie einen Kardinalfehler: In ihrem Beziehungsbild rückt
    die Sexualität zu sehr in den Fokus und das ist kein Konzept für eine
    beständige Partnerschaft, so sie diese denn überhaupt anstreben. Für
    mich zählen intellektuelle Augenhöhe, Kommunikation und das Gefühl der
    Vertrautheit viel mehr als das, was im Bett so passiert. Denn ich weiß,
    dass das sexuelle Begehren nachlässt und an die Stelle dann etwas treten
    muss, was die Verbindung halten kann. Wenn natürlich außer dem
    Körperlichen nichts vorhanden ist, dann würde ich nicht von „Beziehung“
    sprechen, denn mein Gegenüber ist in dem Falle sofort ersetzbar. Tiefere
    Bindung entsteht so nicht.“
    Wer hat dir ins Hirn gesetzt, dass es
    vor allem um Sexualität geht? Basierend auf persönlichen Erfahrungen und
    diskursen mit anderen Menschen ist das je nach gewähltem
    Beziehungsmodell überhaupt nicht der Punkt; wieder so eine an den Haaren
    herbeigezogene Annahme von deiner Seite. „Für
    mich zählen intellektuelle Augenhöhe, Kommunikation und das Gefühl der
    Vertrautheit viel mehr als das, was im Bett so passiert“, das könnten
    alle nicht-monogamen Menschen die ich kenne wohl unterschreiben…
    gleichzeitig gibt es sicherlich auch andere, und auch für die
    Behauptung, dass eine rein sexuelle Beziehung keine tiefe Bindung
    entstehen lassen kann, gibt’s von deiner Seite wohl keinen Beleg oder
    auch nur irgendeine *Überlegung*. Warum sollten Sexualpartner ersetzbar
    sein?

    tl;dr: Dein Kommentar ist auf Stammtischniveau, du hast
    offensichtlich keine Ahnung von der Materie, glaubst aber die Weisheit
    mit Löffeln gefressen zu haben; und last but not least macht das wenige,
    was dann an Argumentation um an den Haaren herbeigezogenen Annahmen
    übrig bleibt, auch noch in sich keinen Sinn. Dein Beitrag ist nix außer
    FUD und großer Unfug.

    Schade, dass die Kleinerdrei-Leserschaft so einen Unsinn dann auch noch upvoted. m(

  13. Peter sagt:

    Wieso steht bei ,,Frau“ und ,,Mann“ ein Sternchen?

  14. Vic Harper sagt:

    Hi Annika, habe Deinen Beitrag erst jetzt gelesen, aber voller Interesse. Eigentlich würde mich auch interessieren, was Du heute, 2 Jahre später, zu erzählen hättest? Ich habe auch in anderen Foren über das Konzept nicht -monogamer klassischer Beziehungen viel gelesen, und bin immer wieder überrascht, wie vehement es oftmals abgelehnt wird, als bedrohlich empfunden wird oder als grundfalsche ( moralische )und eigentlich sowieso verurteilenswerte Position /Lebenshaltung eingestuft wird. Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht, aber zwecks mangelnder „Rollenvorbilder “ in allen Medien, bewegt mensch sich auf erstmal „unklaren Boden“ was für einen selbst funktioniert und was nicht.
    Würde mich freuen, von Dir zu hören.

  15. Inea sagt:

    Hallo!
    Vielen Dank für den Artikel.
    Ich habe in letzter Zeit viel über das Thema gelesen und mit meinem Freund und einer Freundin darüber geredet. Dabei ist mir aufgefallen, dass viele Menschen Polyamorie mit ständig wechselnden Sexualpartner und viel Sex gleichsetzen. Das halte ich für eine sehr eingeschränkte Sichtweise und bestätige auch deine Ansicht „alles kann, nichts muss“.
    Ich bin neugierig, wie es sich bei dir entwickelt hat. Hast du nun Kinder oder einen Kinderwunsch? Eine offene Beziehung mit Kind kann ich mir nämlich auch nicht genau vorstellen. Dabei denke ich, dass es für ein Kind bestimmt gut ist, wenn es mehrere Bezugspersonen hat und unterschiedliche Lebensformen kennenlernt.
    Gibt’s bald einen neuen Artikel zu diesem Thema?

    Viele Grüße, Inea