Die wunderbaren Welten von Pictoplasma

Letzte Woche fand Pictoplasma 2013 statt, ein Festival das sich mit Character Design befasst und das Berlin nun schon seit einigen Jahren mit grafischen Wesen in allen Farben und Formen beglückt. Neben einer Konferenz, auf der sich natürlich vor allem Leute vom Fach tummeln und Künstlerinnen und Künstler aus dem Nähkästchen plaudern, gab es auch wieder den pictoplasmatypischen Character Walk, was quasi einer Schnitzeljagd durch diverse Galerien entspricht. Auch Teile der kleinerdrei-Redaktion wandelten dafür am Wochenende durch Mitte und Neukölln und möchten euch die wunderbaren Welten nicht vorenthalten, in die Pictoplasma uns entführte – nahegebracht in vielen Bildern, natürlich.

Jeff Soto

In Zusammenarbeit mit seinem Künstlerkumpel Maxx242, ist für die Pictoplasma ein Mural neben der Platoon Kunsthalle enstanden, das hoffentlich noch etwas länger dort Bestand haben wird. Jeff Soto ist Künstler, Illustrator und eben auch Wandmaler, dessen Werke weltweit in Galerien, Museen oder eben auf der Straße anzuschauen sind. Er versucht sich in seinen Arbeiten an einem Spagat zwischen Pop-Surrealismus und Graffiti, wobei er sich wie so viele von Hip-Hop- und Popkultur, aber auch von der Natur inspirieren lässt.

Webseite von Jeff Soto

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Yeka Haski

Yeka Haski ist eine Künstlerin aus Sankt Petersburg, die schon im Kindesalter gerne neue Wesen erschuf und denen man heute auch noch eine gewisse kindliche Naivität ansehen kann. Bei ihrer Arbeit mit charmanten Kreaturen greift sie auch auf Steine oder Essen zurück und stellt auch gerne mal das große Ganze ihres Mikrokosmos’ dar.

Webseite von Yeka Haski

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Rilla Alexander

Geschichten lassen sich auch sehr gut auf Geschirr erzählen – dies beweist Rilla Alexander, Künstlerin aus Australien, die aktuell in Berlin lebt. Auf einer Serie großformatiger Teller und Tabletts erzählt sie eine chinesische Sage nach, die erklärt, woher der Hahn seinen Kamm (der eigentlich eine rote Krone ist!) hat. Ihre Grafiken bewegen sich in der Tradition der Illustration und des Cartoon des 20. Jahrhunderts und enthalten (zumindest in dieser Serie) ebenso Anleihen an traditionelle Holzschnitte und Tuschzeichnungen. Eine große Inspiration für diese Arbeit war zudem das Geschirr des dänischen Designers Bjørn Wiinblad (1918-2006).

Webseite von Rilla Alexander

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Jeremyville

Wollen wir nicht alle das bessere Leben? Der Künstler, Autor und Produktdesigner Jeremyville (New York und Sydney) findet für simple Lebensweisheiten und Ratschläge, die uns als Kalendersprüche abgedroschen erscheinen würden, eine neue, humorvolle und oft ironische Form: die Jeremyville Community Service Announcements. Seine Cartoons, die an gezeichnete Werbung aus den 50er erinnern und gleichzeitig mit diversen popkulturellen Referenzen spielen, lassen in ihrem Un-Ernst Botschaften wie „Reinvent Yourself“ ganz unkitschig als das erscheinen, was sie sind: eine gute Idee.

Webseite von Jeremyville

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Partizan

Die Produktionsfirma Partizan, die unter ihrem Dach Film, Animation, Werbung und Grafikdesign vereint, präsentierte bei Pictoplasma die Gruppenausstellung „Xanadu“, deren Werke sich alle mit der Frage auseinandersetzen, wie wir das Leben verändern und verbessern können – dazu gibt es ja ganz unterschiedliche Meinungen. Sehr sehenswert waren unter anderem die 8-Bit-Vignetten von James Curran / slimjimstudios und wer sieht, welche Namen sich sonst noch auf der Liste des Partizan-Kollektivs befinden, kriegt auch einen guten Eindruck über die Vielfalt ihrer Ausstellung.

Webseite von Partizan

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Felt Mistress

Entschuldigung, fühlen Sie sich heute besonders selbstbewusst? Oder ganz und gar nicht? Die Kreaturen der „Felt Mistress“ (der britischen Künstlerin Louise Evans) wissen hier Rat. G’goob, „a serene blue dude“ glaubt an das Erlangen innerer Erleuchtung unter anderem durch die Musik von Boney M. Bei ihm können Betrachter_innen aufheiternde Glückskekssprüche aus einem passenden Filzsäckchen ziehen. Ganz anders bei seinem Kumpel Groam, dem rauchenden Nihilisten, dessen Lebensglück im Elend liegt. Er bietet den Gästen eher dämpfende Sprüche wie „Geh heim und sortiere deine Schuhe alphabetisch“. Die surrealen Super-Muppets der Felt Mistress sind so einzigartig, man glaubt ihnen jedes Wort.

Webseite von Felt Mistress

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Jonathan Edwards

Die liebevoll handgenähten Kreaturen von Felt Mistress waren wohl für viele Besucherinnen und Besucher der Pictoplasma ein Höhepunkt. Dennoch darf es nicht unerwähnt bleiben, dass sie auch immer in Zusammenarbeit mit ihrem Partner Jonathan Evans entstehen. Nach eigener Aussage leben Jonathan und Louise in einem Haus voll mit popkulturellen Ephemera und arbeiten dort auch zusammen an neuen Filzwesen, das heißt: Jonathan illustriert die 2-D-Grundlage und Louise näht dann die 3-D-Version. Ähnlichkeiten sind bei diesem Dream Team also nicht rein zufällig, sondern vollkommen beabsichtigt.

Webseite von Jonathan Edwards

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Andrea Wan

Andrea Wan ist Illustratorin und Visual Artist mit Sitz in Berlin und Vancouver. Bei Pictoplasma stellte sie ihre jüngsten Kreationen unter dem Titel Fakelore vor, die sich wohl am besten mit „Tuschezeichnungen aus dem Unterbewusstsein“ beschreiben lassen. Da diese Traumsequenzen auch sehr viele Faultiere enthielten, blieb dann auch nichts anderes übrig als sie sympathisch zu finden.

Webseite von Andrea Wan

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Anna Hrachovec

Let’s go to mochimochiland! Die in New York lebende Strick-Künstlerin Anna Hrachovec erschafft aus buntem Garn kleine Tiere, Monster und Spielzeuge, die trotz des eher groben Materials und der kleinen Größe sehr ausdrucksstark sind. Arrangiert auf bunt umwickelnden Ästen wirken die Szenerien auf den ersten Blick vor allem niedlich, sind aber mit großer Liebe zum Detail arrangiert: kein wolliges Ärmchen, kein Blick, keine Umarmung ist zufällig, sondern sorgfältig inszeniert, so dass gar kleine Geschichten und Momente erkennbar werden.

Website von Anna Hrachovec

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Argh & Monkey

Unter dem Namen Printshop Union haben sich die beiden Künstler_innen Monkey & Aargh bereits 2011 in einem Gemeinschaftsprojekt zusammengetan. Monkey kommt aus dem Graffiti-Bereich und war Teil der CBS Crew, während von Aargh berichtet wird, dass sie_er bereits mehrere Filmmonster erfolgreich verkörpert hat. Ob Objektkunst, Installation, Performance oder Videokunst – sie haben so einiges im künstlerischen Repertoire. Ihre Arbeit dreht sich dabei aber auch vorwiegend um sie selbst als Bestandteil von Popkultur und so verwundert es nicht, dass die beiden vor allem einen Plan haben: Berühmt werden!

Webseite der Printshop Union

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Cherry

Cherry ist die Sängerin der Studio Killers, eines Elektro-Trios, das sich auf Audio-Visuals spezialisiert hat. Als künstlerische Einflüsse nennen sie unter anderem David Bowie, Giorgio Moroder, Kraftwerk oder auch Daft Punk. Die Installationen auf der Pictoplasma schwankten zwischen faszinierend und gruselig, da sie quasi ein Eigenleben zu entwickeln schienen und nicht immer ganz klar war, auf wen diese blauen Augen nun blickten.

Webseite der Studio Killers

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Bakea

Der spanische Künstler Juan Carlos Paz, aka Bakea, bezeichnet sich selbst als Art Director, Character-Designer, Digital-Illustrator, Bildhauer und: Crazy man. Letzteres scheint dann auch besonders ausschlaggebend für die Entwicklung seiner charakteristischen bunten Monster zu sein. Diese setzt er inmitten echter Retro-Fotolandschaften, verbindet so das Gewesene mit dem Erdachten und zeigt zugleich die sehr liebevolle Seite seiner eigentlich furchteinflößenden Figuren. Sie pupsen, lachen, gucken verwirrt in die Gegend oder tauschen Regenbögen aus. Monster sind eben auch nur Menschen.

Webseite von Bakea

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Charles Burns

Comic-Fans muss Charles Burns wohl nicht vorgestellt werden – der Comiczeichner aus Washington wurde unter anderem über die legendäre Underground-Comic-Anthologie „RAW“ von Art Spiegelman und Françoise Mouly bekannt und dürfte vielen durch seine verstörende mehrbändige Comic-Erzählung „Black Hole“ ein Begriff sein. Bei Pictoplasma zeigte er eine Serie ebenso verstörender, apokalyptischer (und großartiger) Porträts im für Burns typischen kontrastreichen Schwarzweiß, inspiriert unter anderem durch den US-Comic der Nachkriegszeit mit seinen Pulp- und Detektivgeschichten.

Infoseite von Charles Burns’ deutschem Verlag

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Jon Burgerman

Jon Burgerman – artist and salad enthusiast: Diese schöne Selbstbeschreibung ziert die Webseite des Künstlers aus Großbritannien. Eine humorvolle, selbstironische und entspannte Haltung machen vermutlich auch seine Bilder so bestechend und anziehend. Burgermans Werke rund um popkulturelle Referenzen waren definitiv eines der Highlights des Character Walk und fanden reißenden Absatz, wie an den vielen roten „verkauft“-Punkten zu erkennen war. Spannend ist, dass er neben teils einfach wirkenden Skizzen und seiner Serie antropomorphisierter Pizzastücke gemalt auf Papptellern, auch großformatige Bilder fertigt, die zwar auf den ersten Blick wie lustige, rasch entstandene Graffitis wirken, aber bei näherer Betrachtung anspruchsvolle Kompositionen offenbaren, die eine starke Dynamik entfalten und gleichzeitig entspannt wirken. Die Zukunft des Gemäldes in den Zeiten des Internet sozusagen.

Webseite von Jon Burgerman

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Moki

Moki ist Malerin, Comiczeichnerin und bildende Künstlerin, die in ihren Arbeiten Comic-Elemente und Malerei verbindet und dabei traum-artige Landschaften, bevölkert von seltsamen Tieren und Wesen, schafft. Auf der pictoplasma stellte sie ihre neueste Graphic Novel, die Bildergeschichte „Wandering Ghost“ vor, deren Hauptfiguren zusätzlich als große Plüschcharaktere zu bewundern waren.

Webseite von Moki

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Nina Braun

Vermutlich kann Nina Braun alles aus Stoff, Filz und Wolle zum Leben erwecken. Die Berliner Künstlerin näht Städte, Felsen, wild verschlungene Schlangenwesen, freundliche fellige Monster (?) und tierartige Wesen aller Art – und sogar Sneakers. Die durch eine Felslandschaft wandernden Wesen, die bei Pictoplasma zu sehen waren, werden einmal eine Geschichte bebildern. Dabei handelt es sich um Illustrationen für die Coming-of-Age-Erzählung „Einer und die Anderen“, an der Nina Braun gemeinsam mit Judith Holofernes arbeitet.

Webseite von Nina Braun

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Das war unser kleiner Ausflug in immer noch längst nicht alle künstlerischen Welten, die es auf der Pictoplasma zu sehen gab. Auf dem Pictoplasma-Tumblr könnt ihr durch noch mehr Bilder von anderen Besucherinnen und Besuchern stöbern.

Einen Tipp gibt es von uns zum Abschluss noch für alle Menschen, die sich am 21. April in Berlin befinden und nach noch mehr gezeichneten und gedruckten Figuren dürsten, oder jetzt erst auf den Geschmack gekommen sind. Am kommenden Sonntag findet nämlich die 1. Comic Invasion Berlin statt und wird dafür das Gelände des RAW-Tempels unsicher machen. Das Mini-Festival ist kostenlos und wird auch weitaus mehr zu bieten haben, als zahlreiche Comicbüchertische. Alle Infos auf einen Blick gibt es hier beim Facebook Event.

2 Antworten zu “Die wunderbaren Welten von Pictoplasma”

  1. […] Noch mehr über die jeweiligen Künstler gibt’s von Anne zusammengetragen auf kleinerdrei. […]

  2. Henna Lund sagt:

    ein jammer, dass ich die pictoplasma verpasst hab, aber ich hab mich auch so schlau gemacht über die künstler.

    mir hat ja persönlich am besten diese Yeka Haski gefallen, hier auch ein schönes Interview mit der Dame:

    http://betterymagazine.com/people/interviewing-yeka-haski/

    Liebe Grüsse,
    Henna