Als sie Porn in der EU verbieten wollten. Oder auch nicht.

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“Feministinnen wollen Pornos verbieten!!1!” So oder ähnlich las ich es Anfang März in meinem Internet. Bei sowas fühle ich mich natürlich gleich angesprochen: Was will ich verbieten, wo und warum denn nur?

Konkret ging es bei diesen Befürchtungen um einen EU Porn Ban, ein europaweites Verbot von Pornografie in Medien, der als Ergebnis einer Abstimmung im Europa-Parlament befürchtet wurde. Abgestimmt wurde über einen Report zur Beseitungung von Geschlechterstereotypen in der EU (Report on eliminating gender stereotypes in the EU), in dem sich unter diversen vorgeschlagenen „EU actions“ auch die Aufforderung fand, einer älteren Resolution von 1997 Taten folgen zu lassen, die einen „ban on all forms of pornography in the media“ forderte. Es handelt sich bei diesem älteren Dokument um die Resolution on discrimination against women in advertising, die u.a. aus der vierten Weltfrauenkonferenz von Beijing hervorgegangen ist.

Der Report wurde durch zwei Politikerinnen vom Committee on women’s rights and gender equality, Kartika Liotard aus den Niederlanden und Antonyia Parvanova aus Bulgarien im Dezember 2012 in das Parlament eingebracht. Einige Wochen, bevor das Parlament am 12.03. über den Report abstimmen sollte, fiel nun die oben zitierte Passage verschiedenen MEPs ins Auge, die in der Drastik der Formulierung einen Weg zur Zensur in Internet und anderen Medien erkannten. Wörtlich genommen ist zumindest Irritation über diese Passage sehr nachvollziehbar, wirft sie doch viele Fragen auf: was ist mit „all forms of pornography“ gemeint? Welche Definition soll dort zugrunde liegen? Und welchen Umfang könnte „in the media“ haben? Sorge löste ebenfalls eine Passage aus, die dazu aufrief, mit allen involvierten Parteien eine Charta auszuarbeiten, die zu einer culture of equality im Internet beitragen solle und die zu befolgen auch die Internet-Anbieter/Provider invited wären (genauer Wortlaut siehe Artikel 14). Das liest sich wie der schon oft erfolgte Versuch, privaten Unternehmen und deren Vorstellungen die Regulierung ihrer Plattformen ganz selbst zu überlassen, mit oftmals fragwürdigen Folgen – wie bspw. die auf Facebook als anstössig zensierten Bilder auf Ratgeber-Pages für stillende Mütter. Auf der anderen Seite steht dieser Artikel nicht in direktem Zusammenhang mit dem ban all porn-Abschnitt und lockt mit einem gutem Vorsatz, denn mehr Geschlechtergerechtigkeit ist auch im Netz vonnöten. Doch die Schwammigkeit solcher Formulierungen, das lässt sich nicht leugnen, lässt eben viele Spielräume.

Diese Spielräume fürchtend, äußerte sich der – von Haus aus natürlich besonders für netzpolitische Fragen sensibilisierte – schwedische Piraten-Abgeordnete Christian Engström entsprechend besorgt und kündigte an, gegen den Report zu stimmen. Piratenpartei-Gründer Rick Falkvinge rief zu sofortigem Handeln gegen die “hair-raising attack on freedom of speech and freedom of expression“ und startete eine Aktion, bei der jede an ihn gesandte Protest-E-Mail automatisch an alle 754 MEPs weitergeleitet wurde. Die daraufhin entstandene Mailflut wurde zu einem gewissen Zeitpunkt durch die Parlaments-IT eingeschränkt – worin sich ein Versuch sehen lässt, die Kritik zu unterbinden, oder ein Versuch, die Server vor der Überlastung zu bewahren. Im Netz brodelte es jedenfalls.

Alles Provokation?

Schlussendlich kam es am vergangenen Dienstag zur Abstimmung über den Report, der zwar angenommen wurde, aber mit Streichung der umstrittenen Artikel 14 und 17, dem Porn Ban. Der Pornozensur also nur haarscharf entkommen? Naja: es ist hierbei wichtig zu wissen, dass es sich bei der Abstimmung über den Report um eine nicht-bindende Entscheidung handelte. Mit diesen werden im Parlament Tendenzen und Richtungen angelegt, die aber keine Gesetze sind und auch nicht automatisch 1:1 in Gesetzesform wiederkehren. Im Gegenteil: die bereits verabschiedete Resolution von 1997, in der der Porn Ban schon enthalten war, hat seit nunmehr 16 Jahren nicht zu irgendeiner Einschränkung der Pornozugänglichkeit geführt. Diese besteht auch weiterhin mit jener Passage, aber dürfte auch keinen Grund zur Sorge bieten.

Mehr noch: Kartika Liotard drückte es in der Debatte so aus, dass ihr von vornherein klar gewesen sei, dass es kein Porno-Verbot geben würde und dies auch gar nicht das angestrebte Ziel gewesen sei, sondern damit ein provokativer Denkanstoss hinsichtlich diskrimierender, sexistischer Darstellung von Frauen in den Medien gegeben werden sollte. Dies ließe sich durchaus auch als Versuch interpretieren, den eigenen Kopf nach Übereifer wieder aus der Zensurvorwurfs-Schlinge zu ziehen, aber es spricht auch einiges für diese Darstellung: natürlich wusste sie, dass hier kein Gesetz entstand und vermutlich auch nicht entstehen würde. Zudem bezog sie sich im aktuellen Report von 2012 auf eine Resolution, in der es explizit nur um Werbung ging, und auch der neue Report (so wie Liotard in eigenen Aussagen) legt viel Gewicht auf das Thema (stereotypisierte, diskrimierende) Darstellung von Geschlecht in Medien, bspw. bei Werbung für Kinder.

Über Pornografie reden

Auch wenn ich dazu tendiere, an Liotards Darstellung von einer Provokation bzw. dem Versuch, Aufmerksamkeit zu erzeugen, zu glauben, bleibt es dennoch – vorsichtig ausgedrückt – ein etwas schräger Weg, dies zu erreichen. Denn, was soll mit der Forderung eines Verbotes genau thematisiert werden? Ob ein solches sinnvoll wäre? Könnte nachgewiesen werden, dass ein radikales Porno-Verbot etwas für die Geschlechtergerechtigkeit tun würde, wäre eine solche Maßnahme dann akzeptabel? Davon abgesehen, dass ich nicht der Ansicht bin, dass es hilfreich wäre – wäre auch das keine Rechtfertigung für eine solche Zensur. Ja: die heterosexuelle Massen-Mainstream-Pornografie lebt von sexistischen (und auch rassistischen) Stereotypen und Objektifizierungen, die in der Regel an einem vermeintlich “typischen” männlichen Geschmack ausgerichtet sind.

Nichtsdestotrotz bleiben es verfilmte Sexfantasien, und es muss Menschen – allen – zugestanden werden, dass sie im Schlafzimmer (im übertragenen Sinne) oder in ihrer Fantasie mit unterschiedlichen Machtverhältnissen spielen. Probleme im Bereich des Pornografischen zu thematisieren gibt es genug – etwa, dass es zu wenig Alternativen gibt, die andere Geschlechterrollen und -verhältnisse aufzeigen, vielseitigere Körperformen zeigen (wie etwa die durch PorYes oder Feminist Porn Award ausgezeichneten Produktionen). Oder, wie wir die ständig verfügbare Pornografie mit Jugendlichen diskutieren sollten, wie dies in den Aufklärungsunterricht aufgenommen werden könnte, um unrealistische Eindrücke und Frustrationen während der sexuellen Entwicklung zu vermeiden. Ein großes Problem sehe ich tatsächlich auch im Bereich der Werbung und der Tendenz, pornografische Darstellungskonventionen (Posen, sexistische Klischees etc.) in der Werbung zu wiederholen: wenn etwa Frauen aussehen, als wäre Ihnen nur der penetrierende Mann weg- und etwas Kleidung hinzuretuschiert worden.

Dies holt die Geschlechterverhältnisse des Mainstream-Porn mitsamt weiblicher Verfügbarkeit aus der Sphäre der sexuellen Fantasie an die Öffentlichkeit, als gesellschaftlich akzeptierte Hochglanz-Vorbilder. Ohne Frage: Es gibt in der Porno-Industrie eine Menge zu kritisieren und rundweg als sexistisch abzulehnen, und dass der EU-Report hier gerade den Bereich der Werbung als ein Aktionsfeld beinhaltet, halte ich für eine gute Sache.

Maßnahmen und Maß

Dass ein Porn Ban von diesen Maßnahmen nun gestrichen ist, ist – ob nun überraschend oder nicht – aus oben genannten und vielen anderen Gründen gut und richtig, schon allein, um ein grundsätzliches Statement abzugeben. Trotzdem scheint es im Nachhinein so, dass die Kritik auch etwas weniger wüst tösend als bei Falkvinge & Co hätte ausfallen können. “Here’s why porn could be banned in the EU, but probably won’t be” titelte demgegenüber angenehm gelassen die britische WIRED, unter anderem mit dem Hinweis auf die bereits seit 1997 folgenlose Resolution. Ein wenig werde ich bei den netzaktivistischen Beschwörungen, das SIE es ja schon so oft versucht hätten (das Unterjubeln von Zensurmaßnahmen etc.) die Frage nicht los, warum ausgerechnet zwei feministische Politikerinnen mit einer offensichtlich breit angelegten Agenda für Geschlechtergerechtigkeit versuchen sollten, einen Netzzensur-Paragrafen in die EU einzuschmuggeln, der hinsichtlich der Freiheit im Netz den immer befürchteten Dammbruch auslösen würde (noch dazu in einem nicht-bindenden Report).

Ein begrüßenswertes Ziel, das mit z.T. kritikwürdigen Maßnahmen unterfüttert wird, ist nicht immer automatisch nur ein vorgeschobener Grund für finstere Machenschaften (außer vielleicht im Fischereiausschuss). Ich bin sehr froh darüber, dass es viele Menschen gibt, die die weltweite Netzpolitk und entsprechende Gesetzgebungsverfahren genau im Auge haben und gegen Zensur und für uneingeschränkten Zugang zu Informationen kämpfen. Aber es wäre doch manchmal ganz erholsam, wenn ihre Beißreflexe gerade bei bestimmten Feindbildern nicht immer so vorhersehbar schnell ausgelöst würden.

Laute “Die Feministinnen! Zensur! Prüde !einself!” Rufe werden rasch weitergetragen, retweetet, geliked und geshared und bestätigen so Menschen in ihren feindseligen Klischees, die sie sich nur allzu gern bestätigen lassen. Dabei würden sie beim genaueren Hinsehen vielleicht sogar feststellen, dass sie mit Feminist_innen in manchen Dingen einer Meinung sind und sogar einige Ziele teilen. Übereifer scheint es jedenfalls auf beiden Seiten zu geben.

4 Antworten zu “Als sie Porn in der EU verbieten wollten. Oder auch nicht.”

  1. Andreas Bogk sagt:

    Also ich muß ja sagen, ich habe mit dem „das war doch alles nicht so gemeint“ und „ist ja nicht verbindlich“ und „war klar, dass das nicht durchkommt“ gewisse Bauchschmerzen, und zwar mindestens genauso große wie mit den fraglichen Methoden von Falkvinge.
    Es ist ja keineswegs so, als sei die Ablehnung eines Pornographieverbots einheitliche Meinung aller Feministinnen. Im Gegenteil wirbt insbesondere Alice Schwarzer immer wieder für ein Verbot, es sei an die „PorNO“-Kampagne erinnert. Es besteht also durchaus Grund zur Annahme, dass dieses Verbot genau so gemeint war, wie es da stand. Insbesondere war die Annahme des Gegenteils, also dass das Verbot gar nicht wirklich beabsichtigt war, mindestens fahrlässig. Der Schluß von „manche Feministinnen fordern“ zu „der Feminismus an sich“ ist natürlich unzulässig, da gebe ich dir Recht.
    Ganz gefährlich finde ich ja auch, mit dem Punkt zu argumentieren, es handele sich ja um eine nicht-bindende Entscheidung, also wäre es auch egal gewesen, wäre der Report unverändert verabschiedet worden. Das entwertet nämlich alle anderen Teile des Reports, man sagt damit, die gesamten Beschlüsse zur Gleichstellung sind egal. Im übrigen ist es durchaus so, dass solche Reports dann als Begründung für tatsächlich bindende legislative Initiativen herangezogen werden, die erfahrungsgemäß wesentlich schwerer zu stoppen sind.

    Und schließlich: wenn die ganze Aktion nur symbolisch zu verstehen ist, dann möge der Protest dagegen auch symbolisch verstanden werden, und als Beitrag zur Debatte, der zum Nachdenken anregen soll.

  2. ttk sagt:

    Also, es tut mir ja leid, aber ich muss hier mal Kritik anbringen, ohne den Text gelesen zu haben. Mit der gewählten Schriftart, mit lauter Anführungszeichen, Anglizismen und dichtestem Flattersatz mit nur wenigen Absätzen ist der Text alleine von der Optik unglaublich schwer zu lesen. kthxbai

  3. dieKadda sagt:

    danke. sehr differenziert und eloquent! hatte ich alles gar nicht mitbekommen.