Ach du lieber Valentin

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Da ist er wieder: Valentinstag. Im Zusammenhang mit dem 14. Februar werden auch bei der kleinerdrei-Redaktion verschiedene Assoziationen wach und handeln von Rosen, Gerüchteküchen und „Tatort“-Rants.

Von Maike

Mitte der neunziger Jahre bekam ich das einzige Mal in meinem Leben etwas zum Valentinstag geschenkt. Als ich abends von der Arbeit nach Hause fuhr und wie immer am Heumarkt ausstieg, wartete ein Arbeitskollege mit einer Rose auf mich. Ich erschrak sehr, denn er hatte seit Jahren eine Freundin, die gar im gleichen Laden arbeitete wie wir. Sie war ohnehin bereits sehr eifersüchtig auf mich, da er sich angeblich zu häufig mit mir unterhielt in jener knappen Zeit zwischen dem Einsortieren und Verkaufen von Schallplatten und CDs.

Nun wollte er mich also zum Essen einladen an einem der kommenden Abende. Mir erschien das damals wie ein Liebesgeständnis, was ich sehr belastend fand. Denn ausgerechnet den Schmerz einer unerwiderten Liebe möchte ich einem Menschen am wenigstens zufügen, wenngleich hieran natürlich niemand die Schuld trägt.

Ich habe damals nicht zugesagt, da ich ihn lediglich als sehr netten Kollegen schätzte und vor allem auch nicht verrückt war, denn seine Freundin kam aus einem Kölner Vorort, der dafür bekannt war, dass auch die Frauen sich prügelten, wenn es Dinge zu klären gab und sie hatte immer damit geprahlt, wie ruppig es seinerzeit in ihrer Jugend zugegangen war. Vielleicht hätte ich mich sonst mit ihm getroffen. Einfach um zu sehen, wie das so gewesen wäre mit uns und ohne die Arbeit, denn ich mochte ihn ja, und um ihm ehrlich zu erklären, dass ich in einen Anderen verliebt war.

Seither muss ich jedes Jahr am 14. Februar an jenes irgendwie trostlose Ereignis denken. Nur deshalb wünsche ich mir manchmal wieder, es möge durch ein anderes, schöneres ersetzt werden.

Die beiden sind immer noch ein Paar.

Von Juliane

„Du musst schon aufpassen, welche Wirkung du auf Männer hast!“ Das war keine Feststellung, kein Rat, das war eine Warnung. Ausgesprochen wurde sie am Valentinstag vor ein paar Jahren und sie ist das, was mir bis heute einfällt, wenn ich an den 14. Februar denke. Es waren Worte meiner damaligen Chefin. Was war passiert? Nein, mir war keine Schlange von Männern sabbernd vom Kopierraum gefolgt. Ich hatte auch nicht über Kollegen staksen müssen, die, trunken von meiner wie auch immer gearteten Wirkung, quer vor meiner Bürotür niedergesunken waren. Ich hatte etwas schlimmeres zu verantworten. Mir waren Blumen geschickt worden! 28 langstielige, dunkelrote Baccara-Rosen. Und weil ich zum Lieferzeitpunkt nicht an meinem Platz gewesen war, hatte meine Chefin den Strauß angenommen. Aus Platzgründen standen sie nun in einem mit Wasser gefüllten Papierkorb in ihrem Büro, als ich kam, um sie abzuholen.

Es gibt nicht viel, was Menschen im Büro unterhält. Wenn die letzte Akte abgeheftet, die letzte Runde Solitär gespielt ist, der letzte Gang in die Kaffeeküche gemacht ist, die letzte Keyboardtastatur vollgekrümelt, dann ist so ein Rosenstrauß für die Kollegin – noch dazu ohne Absenderkarte – ein wirklich großes Ding. Zumindest, bis zur Mittagspause. Noch dazu, wenn sie mit einem solchen Treppenwitz verbunden waren wie mein Strauß. Es hatte nämlich nicht nur eine Blumenlieferung in die Firma gegeben an diesem Tag. Auch in der Geschäftsführung war einer gelandet, unter der gleichen Auftragsnummer. Allerdings ein deutlich kleinerer, weniger spektakulär. Damit hatte mein Strauß das Zeug dazu, noch mindestens bis zur ersten Kaffeepause am Nachmittag Thema zu bleiben. Wer verteilt seine Fleuropgewordene Zuneigung schon zweimal im gleichen Unternehmen, auf so unterschiedlichen Machtetagen und in so unterschiedlichen Größen?

Mir war klar, wer das war. Ein paar Wochen vorher hatte ich in der Uni ein Praxisseminar bei einem Gastdozenten gehabt, ein Unternehmer. Irgendwann lud er den Kurs zum Essen ein, wir kamen ins Gespräch und ich erwähnte, wo ich arbeitete. Wir unterhielten uns über das Unternehmen, das er kannte, weil er die Geschäftsführerin kannte. Und dann, ein paar Wochen später, lange nach Seminarende, erinnerte er sich offenbar daran und schickte uns beiden Blumen. Ich verstand das als Witz, er glücklicherweise auch.

Bis heute finde ich einen Strauß, der von einem Boten gebracht wird, toll, weil er viele Bedeutungen haben kann, abseits eines Klischees von Romantik. Ein Blumenstrauß kann eine Retourkutsche sein. Ein Trost. Eine Aufmunterung. Eine Aufmerksamkeit, im besten Sinn. Eine Botschaft zwischen zwei Menschen, die nur die beiden kapieren. Es gibt schlimmere Tage im Jahr, als den, der für sowas auserkoren wurde.

Von Anne

Der Valentinstag ist für mich der „Tatort“ unter den Feiertagen.

In seiner unfassbar drögen Vorhersehbarkeit zwischen Blumen, Schokolade und vielleicht noch schick essen gehen, hecheln Paare einer Vorstellung von Romantik hinterher, die sie vor allem von Filmen und einer damit einhergehenden rosarotfarbenen industriellen Inszenierung aufgedrückt bekommen haben. Dabei kann Romantik gar nicht sein, was nach Fahrplan passiert oder an einem bestimmten Tag auf einer To-Do-Liste abgehakt werden möchte. Zu individuell sind all die Beziehungen und damit auch viel zu einzigartig, um in ein herzförmiges Schema gepresst zu werden: Wahre Passion sieht anders aus und ist vor allem nicht käuflich zu erwerben.

Und doch machen so viele, wie beim „Tatort“, mit und ergeben sich freiwillig der unbefriedigenden Langeweile – aus einem seltsam kollektiven Traditionsgefühl heraus, „weil man das halt als Paar so macht“ resp. „weil man das halt Sonntagabend in Deutschland so macht“. In solchen Drehbüchern hat wahre Kreativität natürlich keinen Raum, sondern drückt sich lediglich darüber aus, durch welche deutsche Stadt man gerade im Polizeiauto gurkt. Für den Valentinstag heißt das, sich in der Darstellung stets auf Mann-Frau-Paarbeziehungen zu beschränken und vollkommen auszublenden, dass Zwischenmenschlichkeit so viel mehr Ausdrucksformen hat.

Jedes Jahr soll uns aufs Neue glauben gemacht werden, dass Knutschen und Händchenhalten exklusiv zwischen Frau und Mann stattfindet, dass Menschen überhaupt nur in solcher Zweisamkeit echtes Glück erfahren und geliebt werden. Da können Singles sich zum Beispiel noch so gut in einem großen Kreis liebevoller Freundinnen und Freunde aufgehoben fühlen: Statt Schoki erhalten sie am Valentinstag erst recht mitleidige Blicke, wenn sie als alleine (sprich: einsam) wahrgenommen werden. In einer Welt, die immer noch nicht verstanden hat, dass Hochzeiten eben nicht das höchste der Gefühle sind, was zwischenmenschliche Beziehungen zu bieten haben und die den selbst geheiligten Bund der Ehe auch noch nicht einmal allen Menschen zugesteht, zeichnet der Valentinstag ein beschränktes Bild von Liebe, obwohl er diese doch angeblich zelebrieren will.

Das Problem bei all der Romantik-Tristesse: Komplett entziehen kann man kann sich natürlich auch nicht. Ganz wie im Fall der nächsten „Tatort“-Folge. Nun werden mich da immerhin nicht die gruseligen Augen aus dem Intro in jedem Supermarkt mit rosaroten Spezialangeboten nerven, aber ich weiß trotzdem jedes Mal, ohne den Fernseher anzustellen, was wieder furchtbar Beklopptes in Dingsbumshausen passiert. („Danke“, Twitter!)

Keine Ahnung, was schneller kommen wird: Der „Tatort“, der endlich die Bezeichnungen spannend und innovativ verdient oder ein Valentinstag, der es schafft, alle liebevollen Zwischenmenschlichkeiten abzubilden und nicht über ausgegebenes Geld zu definieren. Bis Letzteres so weit ist, sage ich jedenfalls: Occupy Vday!

11 Antworten zu “Ach du lieber Valentin”

  1. Dieser Beitrag eignet sich genau so gut wie *alle anderen* in diesem Blog für die Feststellung, was für eine Bereicherung kleinerdrei für die Bloglandschaft ist. Danke euch allen!

  2. taraia sagt:

    Am Valentinstag erzähle ich gern die Anekdote über die Trennung meiner Eltern, die meine Mutter versehentlich auf diesen Tag legte und dies nicht bemerkte bis ich verwirrt nachfragte. Dazu passend die Schulfreundin, die noch ein paar Tage bis zum 14. wartete, um sich von ihrem Freund zu trennen.

    Etwas wirklich Romantisches habe ich tatsächlich noch nicht miterlebt. Versteckt sich sicherlich auch gut hinter den ganzen pinken Plastikherzen.

  3. giliell sagt:

    Ich hab in den letzten Jahren festgestellt, dass sich der Valentinstag auch wandelt: Als Tag, an dem man seine lieben Freunde mit einer Tüte Gummibärchen, einer „Hallo wie geht es dir“ SMS oder auch tatsächlich einem Blümchen bedenkt. Das mag ich. Kein albernes Rumgeprotze à la „ich hab einen Mann und er kann sogar Orchideen kaufen“.

    • Anne Wizorek sagt:

      hach, das ist wirklich allerliebst. :) als anlass, einfach mal wieder allen eigenen lieblingsmenschen auch zu sagen, dass sie wunderbar sind, kann und will ich den tag ja auch gar nicht doof finden.

  4. Mmmatze sagt:

    Schöne Sache, das Prinzip: Drei Stimmen/Meinungen zu einem Thema. Würde ich gern öfter lesen hier. Denn auch wenn ich meine Meinung hier wiederfinde, ist es spannend, andere Ansichten zu lesen.

  5. Anne Wizorek sagt:

    da kann ich ja eigentlich gar nichts anderes mehr antworten als: <3

    schön, dass es dir hier gefällt. :)

  6. Liebe Juliane, du sagst es! Der Tag eignet sich auch perfekt dazu, um Dankesblumen an eine gute Freundin/einen guten Freund zu senden. Liebe Anne, das würde ich dir auch einmal empfehlen :-)

    • Anne Wizorek sagt:

      liebe katharina, das ist aber ja genau das, was mein text aussagt. ;) ich will eben gerade nicht, dass sich diese liebenswürdigkeiten auf mann-und-frau-paarbeziehungen beschränken.

  7. […] Ach du lieber ValentinFoto, CC BY 2.0 , by englishsnow Da ist er wieder: Valentinstag. Im Zusammenhang mit dem 14. Februar werden auch bei der kleinerdrei-Redaktion verschiedene Assoziationen wach und handeln von Rosen,… […]