Ejakulieren lernen. Ein Erfahrungsbericht.

Foto , CC BY-NC 2.0 , by flickrofsumit

Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin. Es gab auf jeden Fall dieses diffuse Gefühl, da müsste doch noch mehr sein können, was ich mit meiner Vulva und meiner Vagina machen kann. Also habe ich angefangen, über das Thema zu lesen, das leider meistens mit dem transexklusiven Begriff “weibliche Ejakulation” betitelt wird. Obwohl es ja nicht nur weibliche Menschen sind, die eine Vulva haben und nicht alle Menschen, die eine Vulva haben, weiblich sind.

Auch sonst ist die Informationslage verwirrend: in vielen Artikeln lese ich, dass es bei der Ejakulation um etwas ginge, was mit Orgasmen verbunden ist. Dabei weiß ich aus eigener Erfahrung, dass Ejakulation und Orgasmus voneinander unabhängig auftreten, und das bei Menschen mit Vulva und bei Menschen mit Penis.

Der Wikipedia Artikel sagt aus, dass squirting und Ejakulation voneinander zu unterscheiden seien, da das eine mit Orgasmus auftritt und das andere ohne auftreten kann.

Und verschiedene Studien streiten, ob die Flüssigkeit, die bei der Ejakulation aus der Vulva ausgestoßen wird, Urin ist, Urin enthält oder hauptsächlich etwas ist, was ganz ähnlich wie Sperma aufgebaut ist. Entsprechend umstritten ist auch, ob die Flüssigkeit aus der Blase kommt, oder aus der (in diesem Zusammenhang wieder oft “weiblich” genannten) Prostata.

Bei längerer Recherche stellt sich aber heraus, dass es inzwischen doch einen gewissen wissenschaftlichen Konsens gibt, dass Ejakulation und pinkeln nicht das selbe ist, auch wenn vollständige Darstellungen der Schwellkörper und Drüsen im Körper von Menschen mit Vulva und Vagina oft noch vergeblich gesucht werden.

Workshops, Bücher, Selbermachen!

Für mein wissenschaftliches Interesse sind die Nachweise unter Laborbedingungen nicht so wichtig, auch wenn es mich ärgert, dass hier mal wieder die jahrelangen und generationsübergreifenden Erfahrungen von Frauen und Menschen, die von anderen als Frauen wahrgenommen werden, offenbar nicht ernst genommen und aus unserem kulturellen Wissensschatz gelöscht werden. Denn Beschreibungen von Vulva-Ejakulation gibt es seit sehr langer Zeit. Eine Zeit lang wurde geglaubt, dass beim Penetrationssex die Ejakulation von beiden Beteiligten nötig sei, um ein Kind zu zeugen.

Diese Leerstelle in unserem kulturellen Erfahrungswissen können wir nur auffüllen, indem wir es wieder ausprobieren. Ich will eigene Erfahrungen sammeln, wissen, wie sich das anfühlt und mit anderen darüber sprechen, die eigene Erfahrungen haben. Um es selbst zu lernen, gibt es Workshops, zum Beispiel bei Laura Méritt. Als ich mit meinem Versuch begann, habe ich mir  das Buch female ejaculation & the g-spot von Deborah Sundahl gekauft, in dem die Autorin ihre Workshops beschreibt. Diese Beschreibung hat mir als Anleitung gereicht, um  zum ersten Mal selbst zu ejakulieren.

Im Grunde geht es einfach nur darum, den G-Punkt so zu stimulieren, dass es sich gut anfühlt. Dieser Bereich schwillt dann an und es gibt oft ein drängendes Gefühl, ähnlich wie Harndrang. Das ist die Basis für die Ejakulation. Manche beschreiben, dass sie dann pressen, für mich ist es eher ein Loslassen. Die Flüssigkeit spritzt bei manchen, bei anderen läuft sie eher herunter. Das hat wohl auch mit der Anatomie zu tun. Teilweise ist es sehr viel Flüssigkeit.

Am wichtigsten ist, eine entspannte Situation zu finden, in der man sich keine Sorgen machen muss, etwas nass zu machen. Daher finde ich es gut, einen unempfindlichen Untergrund (z.B. Badewanne, oder eher Fußboden als Bett) oder eine wirklich dicke Lage Handtücher unter mir zu haben. Ich bin auch gerne sicher, dass meine Blase leer ist und gehe vorher nochmal pinkeln. Außerdem ist es gut, die anderen Beteiligten vorzuwarnen, wenn noch jemand dabei ist.

Das Anschwellen in der G-Punkt Region ist bei mir sehr stark, so dass es auch ein penetrierender Partner mit dem Penis spüren kann.

Deborah Sundahl schreibt, dass man lernen könne, die Ejakulation mit dem Orgasmus zu verbinden, das ist mir bisher nicht passiert. Es ist aber trotzdem ein nachhaltig befriedigendes Gefühl, das mich häufig mit einem breiten Grinsen zurück lässt. Für mich ist meine Ejakulation auch etwas sehr intimes, was ich nur mit sehr vertrauten Personen teilen mag. Schließlich mute ich ihnen ja auch zu, dass ich sie nass mache. So ist das Ejakulieren beim Sex mit anderen gleichzeitig etwas Spektakuläres, wo meine Partner_in einen sichtbaren Effekt bei mir auslösen kann, und etwas, was Nähe ausdrückt und schafft.

Sehr lehrreiche Vorträge zu diesem Thema macht Diana J. Torres, wie z.B. hier beschrieben. Sie nennt es Vajaculation, eine Kombination aus Vagina und Ejakulation.

Ich möchte euch sehr ermutigen, Ejakulation selbst auszuprobieren, wenn ihr es noch nicht kennt. Und gerne auch mit anderen darüber zu sprechen. Ich glaube, dass ich meine Ejakulation schon viel früher entdeckt und als schön erlebt hätte, wenn es nicht so etwas allgemein eher Unbekanntes gewesen wäre, was als ungewöhnlich gilt, vielleicht mit Angst und Scham besetzt ist.

Wer weiß, vielleicht würden Menschen mit Vulva ebenso oft ejakulieren wie Menschen mit Penis, wenn wir das als Gesellschaft für normal und gut halten würden?

Eine Antwort zu “Ejakulieren lernen. Ein Erfahrungsbericht.”

  1. Klaus-Peter sagt:

    > Obwohl
    es ja nicht nur weibliche Menschen sind, die eine Vulva haben und nicht
    alle Menschen, die eine Vulva haben, weiblich sind.

    Das ist zwei mal der gleiche Fall. Es fehlt dieser:

    „… und nicht alle weiblichen Menschen, eine Vulva haben“