Parenthood – Eine Serie für alle, die erwachsen sein anstrengend finden

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Es gibt verschiedene Gründe, Serien und Filme zu lieben. Es gibt Zuschauer_innen, die sich an Spezialeffekten erfreuen, komplizierten Storytwists oder Insiderjokes. Starauftritte sind ein Grund einzuschalten oder die Art, wie kunstvoll eine Geschichte über Staffeln hinweg entwickelt wird, ohne an Spannung zu verlieren. Unterschiedliche Serien füttern unterschiedliche Bedürfnisse. Umso verständlicher scheint es, wenn ein Seriengeschmack die Galaxien zwischen Star Trek: Voyager (“Ich habe die Borg geschlagen. Mehrfach. Was haben Sie in letzter Zeit so getrieben?”) und Arrested Development (“I´ve made a huge mistake”) überspannt, wie es bei mir der Fall ist. Ich machte mir das folgendermaßen plausibel: Ich bin ein Fan der Darstellung menschlicher Beziehungen und es ist mir egal, ob sie im Weltall oder an einem Frozen Banana Stand in Kalifornien ausgehandelt werden.

Ich liebe es, dabei zusehen, wie Menschen Beziehungen knüpfen, an ihnen scheitern, an diesem Scheitern wachsen, lernen zu hassen oder mit Leidenschaft für ihre Liebe zu kämpfen. Dabei war ich immer ein größerer Fan der Darstellung von Freundschaft und Kameradschaft im besten Sinne als klassischen Liebesgeschichten. Weil das so ist, liebe ich Parenthood und ich finde, ihr solltet das auch tun.

Ein Familienstammbaum mit vielen Ästen

Parenthood kreist um den Clan der Bravermans, den Kindern und Enkelkindern des Ehepaars Zeek und Camille Braverman, die auf den ersten Blick wie ein glückliches, lang verheiratetes Paar wirken, aber unter dieser Oberfläche ganz reale Probleme in ihrer Beziehung angehen müssen, um zusammen bleiben zu können. Da ist Adam (gespielt von Peter Krause, bekannt aus Six Feet Under) mit seiner Frau Kristina und den Kindern Haddie und Max. In der ersten Staffel erfahren wir, dass Max Autist ist, Haddie verliebt sich in einen Jungen, der sich später für ihre Cousine Amber (gespielt von Mae Whitman, der Ann Veal aus Arrested Development) entscheidet. Amber ist das Kind von Sarah Braverman, gespielt von Lauren Graham (Lorelai Gilmore in den Gilmore Girls). Auch Sarah hat einen Sohn, sein Name ist Drew. Zu Beginn der Serie sehen wir Sarah pleite aus Fresno zurück zu ihren Eltern und dem Rest ihrer Familie ziehen.

Zur besseren Erkläuterung: Der Stammbaum der Bravermans.

Der amerikanische Traum ist auch für das Familienoberhaupt Zeek schon in Staffel 1 ausgeträumt, wenn klar wird, dass er sich bei Immobiliengeschäften verspekuliert hat und drauf und dran ist, sein eigenes Haus zu verlieren. Parenthood spielt somit nicht im luftleeren Raum, sondern im Kontext der Folgen der landesweiten Wirtschaftskrise, die durch überbewertete Schrottimmobilien mitausgelöst wurde. Ihm zur Hilfe will Julia kommen, die zweite Tochter der alten Bravermans. Sie ist stolz, als erfolgreiche Anwältin den Lebensunterhalt für ihren Mann und die Tochter Sydney zu verdienen, hadert aber mit den Folgen, die ein Hausmann für sie hat: Der ständige Vergleich zu Hausfrauen, die zu Hause bleiben und ihr eigenes Bedürfnis, sich für ihre Entscheidung zu rechtfertigen und ihren Perfektionismus auf ihre Tochter zu übertragen.

Jüngster Braverman-Abkömmling ist Crosby Braverman, gespielt von Dax Shepard. Der anfangs als notorisch verantwortungslos Gezeichnete – so gibt er irgendwann zu, bis über sein 30. Lebensjahr hinaus jedes Stück seiner Wäsche von seiner Mutter waschen und bügeln zu lassen – macht die größte Wandlung der vier Geschwister durch. Er erfährt im Lauf der ersten Staffel, dass er Vater eines bereits fünfjährigen Sohnes ist und muss einen Weg finden, die Art von väterlicher Verantwortung zu übernehmen, zu der er sich bis dato gar nicht berufen fühlte.

Kinder zu haben, bedeutet nicht, den perfekten Dreh rauszuhaben

Gilmore Girls und Parenthood haben mehr gemeinsam als eine Hauptdarstellerin. Die Komplexität des Begriffs Familie, die Art, wie wir Menschen gleichzeitig lieben und hassen können, wie uns unsere Nähe irritiert und wie wir sie gleichzeitig brauchen, um unsere eigene Identität zu spüren, das ist beiden Serien gemeinsam. Ein Familienessen bei den Bravermans kann intensiver und anstrengender sein, als eine halbe Stunde Schlachtengetümmel in einer Historienserie. Parenthood tut so gut, weil es mit dem Mythos der Perfektion von Elternschaft aufräumt. Nur, weil wir uns fortpflanzen, bedeutet das nicht, dass wir automatisch zu besseren, gar perfekten Menschen werden. Wir sind weiter ängstlich, neidisch, unerfahren, erschrocken und selbstsüchtig. Das ist in Ordnung, solange wir uns dies eingestehen und versuchen, unsere Baustellen nicht zu denen unserer Kinder und Enkelkinder zu machen – so interpretiere ich die Botschaft von Parenthood. Vielleicht gibt es Serien, die einen zu verschiedenen Zeiten des eigenen Lebens anders ansprechen oder überhaupt den Weg zu einem finden. Als ich mit meinem Studium rang und nicht wusste, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, waren da Lorelai und Rory Gilmore. Sie waren sarkastisch, sie waren nicht perfekt und sie waren zäh. Das gab mir Trost. Eine Lebensphase später scheinen alle um mich herum in größere Projekte und Pläne verstrickt. Kinder, Jobs, eigene Unternehmen. Die Themen werden größer, aber unsere Sicherheit, immer das richtige zu tun, wird es nicht. Weil wir über 30 sind oder über 40 oder über 50, heißt das nicht, dass uns Dinge nicht ängstigen können, die wir nie zuvor getan haben oder von denen wir immer dachten, dass wir sie wollten. Im Moment des Erreichens stellen wir manchmal fest, dass uns niemand auf diesen Augenblick vorbereitet hat. Und dann?

Der Punkt ist: Erwachsensein kann einem ganz schön Angst einjagen. Es kann dich einsam machen, es kann dich traurig machen, es kann dich vor Absurdität auch zum Lachen bringen. Was dir helfen kann, sind die Menschen, die noch da sind, wenn das Gelände schwieriger wird. Bizarrerweise sind das die gleichen Menschen, die in anderen Momenten das Gelände erst schwierig machen. Das zeigt sich, wenn Sarah ihr Leben als Barfrau mit abgebrochener akademischer Karriere verflucht und damit indirekt ihren Kindern Schuldgefühle ob ihrer Existenz macht. Andererseits sind es gerade ihre Kinder und speziell die oft verschlossene, laute oder ignorante Amber, die Sarah um jeden Preis verteidigt und der gegenüber sie auch Schwäche zeigen kann.

Familie ist anstrengend, aber (manchmal) ganz schön toll

Die gleiche Ambivalenz hat die Beziehung zwischen Adams auf den ersten Blick perfekter Ehefrau Kristina und seiner Schwester Sarah. Während die Frauen nicht unterschiedlicher sein könnten, was ihren Weg angeht – Sarah heiratete einen Rocker, ließ sich scheiden und brachte zwei Kinder mit dem Job in der Bar durch, Kristina heiratete einen Schuhunternehmer und beendete ihre Karriere als politische Beraterin, um ihre Kinder zu betreuen – sind sie sich in den Konflikten, die sie haben, ähnlich und unterstützen sich darin, Antworten auf Fragen zu finden, wie: Was bedeutet es, eine gute Mutter zu sein? Wie können wir vermeiden, unsere eigenen Wünsche und Identitäten auf unsere Kinder zu projizieren? Wie jonglieren wir unsere Beziehungen und unser Ich, ohne dass eins dabei auf der Strecke bleibt?

Das Schöne an der Serie ist, dass sie diesen Kampf um das eigene Rollenverständnis nicht nur den Frauenfiguren zugesteht, sondern auch in den Männern der Familie anlegt. Was bedeutet es, ein guter Vater zu sein? Was bedeutet Männlichkeit? Julias Mann Joel lebt als Hausmann ein anderes Leben als Adam, der zwischen klassischer Versorgerrolle und dem Versuch, der perfekte Vater für ein Kind mit Autismus zu sein, täglich Höchstleistungen vollbringt. Zeek bemerkt Jahre später, dass er seine distanzierte Art als Vater bereut, während Crosby lernen muss, verlässlich zu sein, um einen guten Vater abzugeben. Diese Eigenschaften sind flexibel, niemand wird als rundum glücklich oder selbstzufrieden dargestellt.

Parenthood ist eine perfekte Serie für Menschen, die verstanden haben, das Unperfekte menschlicher Beziehungen zu mögen. Die Charaktere und ihre Konflikte geben Trost in Mitten der eigenen Zweifel, was das denn nun bedeutet: Gut zu leben. Ihr werdet Parenthood lieben, wenn ihr Gilmore Girls, Six Feet Under, Ally McBeal oder Malcolm in the Middle mochtet. Es ist mehr auf der dramatischen als der klamaukigen Seite, berührt und amüsiert euch zugleich. Wenn ihr nach dem richtigen Zeitvertreib für nasskalte Herbstabende sucht, sei euch die Serie ans Herz gelegt. In den Staaten beginnt gerade ihre sechste und letzte Staffel.

Parenthood gibt es in Deutschland ab Staffel 2 auf iTunes, ab Staffel 1 auf Amazon.

5 Antworten zu “Parenthood – Eine Serie für alle, die erwachsen sein anstrengend finden”

  1. frauke sagt:

    ach ich mag die Serie auch so gern. schon auch beeindruckend wie es jede folge hinkriegen, dass man heulen muss – große gefühle, schöne geschichten

  2. LexasLeben . sagt:

    Danke für den Tipp. Klingt richtig vielversprechend.

  3. Sabrina sagt:

    ich mag die Serie super gern, aber weißt du zufällig, ob man Staffel 3-6 auf deutsch kaufen kann?

  4. Nelikaful sagt:

    Ich hab die Serie auf couchtuner wiederentdeckt. Ist allerdings im Originalton. Als sie im Dt Fernsehen raus kam, hab ich sie nicht so verfolgen können, wie ich wollte.
    Jetzt aber schon und mit Begeisterung.
    Kann jeden deiner Sätze unterschreiben. Du drückst sehr gut aus, was auch für mich an der Serie den Reiz ausmacht – überhaupt bei Serien und Filmen. DANKE dafür!!!