Ein Tag auf dem Hof Basta – Solidarische Landwirtschaft zum Anfassen

CC BY-NC-SA 2.0 , by @langziehohr

Meine Eltern würden lachen, könnten sie mich jetzt sehen. Es ist ein heißer Augustmittag. 30 Grad. Ich stehe barfuß und verschwitzt inmitten eines Kohlfelds und reiße hüfthohes Unkraut aus der Erde. Wenn bei meinen Eltern früher im Garten Jäten angesagt war, habe ich mich immer gedrückt – jetzt bin ich dafür sogar eineinhalb Stunden angereist.

GEMEINSAM FÜR UNABHÄNGIGES GEMÜSE

Meine Freundin Anni und ich haben uns gestern auf den Weg in den Oderbruch gemacht. Wir wollen hier mithelfen. Anna und Olli, die den Hof Basta betreiben, bauen nachhaltig Gemüse an. Dafür sind sie auf UnterstützerInnen angewiesen. Solidarische Landwirtschaft. So heißt das Konzept, unter dem sie den Hof führen.

Das Ziel dabei ist, einen Hof zu betreiben, der unabhänging vom Staat und der Marktlage ist. Das geht nur mithilfe einer Gemeinschaft von Menschen, die die Kosten eines solchen landwirtschaftlichen Betriebs mittragen und auch mithelfen auf dem Hof. Dafür bekommen sie dann ein Teil der Ernte. Anna und Olli liefern jeden Donnerstag so genannte Gemüsekisten nach Berlin – dort leben die meisten UnterstützerInnen. 

Aus diesen Berliner Gruppen kommt also monatlich Geld und teilweise auch Muskelkraft, die den Hof Basta unterstützen. Anni und ich sind noch gar nicht Teil einer Gruppe, sondern einfach mal angereist, um mitzuhelfen. Außerdem träume ich seit Kindesbeinen heimlich von einem eigenen Bauernhof und von Selbstversorgung. Irgendwann in der Zukunft einfach alles liegenlassen, Arbeit kündigen, rausziehen aufs Land und Gemüse anbauen. Bisher hab ich diesen rosaroten Traum noch nicht ernsthaft getestet, immer nur ausgemalt. Heute stelle ich ihn zum ersten Mal auf die Probe.

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KAROTTENFELDER, GEWÄCHSHÄUSER UND JEDE MENGE ARBEIT

Als wir am Hof in der Bastaer Straße – daher der Name – ankommen, begrüßt uns als erstes Judith, die als Minijobberin auf dem Hof arbeitet. Sie koordiniert die HelferInnen und gibt uns einen kleinen Rundgang. Neben dem backsteinernen Hauptgebäude, in dem Anna und Olli mit ihrer kleinen Tochter wohnen, gibt es noch Nebengebäude, in dem Kühlräume eingebaut sind und weitere Übernachtungsmöglichkeiten; Bauwagen und eine kleine Zeltwiese. Drumherum Felder, die bewirtschaftet werden.

Auf dem Weg treffen wir Fernando, der gerade aus Spanien zu Besuch ist und schon auf verschiedenen Höfen gearbeitet hat, die ebenfalls Solidarische Landwirtschaft betreiben. Jetzt sucht er gerade Material für eine neue Sitzbank, die er bauen will. Die alte ist schon lange kaputt. Wir schlendern weiter über die Felder, wo Karotten angebaut werden, Zwiebeln, Kohl, Lauch und Kartoffeln. Unser Rundgang endet bei den zwei Gewächshäusern, die nahe am Haus stehen. Dort tümmeln sich Paprika, Gurken und Kräuter. Drinnen ist es unglaublich heiß und so feucht, dass meine Kamera beschlägt.

Nachdem wir unsere Sachen ins Haus gebracht haben – geschlafen wird auf Matratzen, die wir aus den Bauwagen ins gemeinschaftliche Wohnzimmer schleppen -, wird die Arbeit verteilt. Wir können uns aussuchen, was wir machen wollen. Das finde ich toll – es wird nichts vorgeschrieben, sondern alles in Selbsverantwortung entschieden. Die Hof-Familie ist heute ausgeflogen, und verbringt einen raren Tag in Berlin. “Normalerweise muss auch immer jemand auf die Kleine aufpassen”, erzählt mir Anni. Ich will heute kochen und melde mich fürs Abendbrot. Ich werde noch einen bunten Salat beisteuern. Dafür darf ich alles nehmen, was auf dem Hof wächst – möglichst was mit Druckstellen, das nicht mehr für die Gemüsekisten verwendet werden kann, die nach Berlin geliefert werden.

HELDIN IM SCHLARAFFENLAND

 

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Wie ich so mit meinem Taschenmesser durch die Gewächshäuser streiche, fühle ich mich wie im Schlaraffenland. Hier eine Riesen-Paprika, da eine kringelige Gurke und reichlich frische Kräuter vom Feld. Während ich in der Küche stehe und mir heldinnenhaft vorkomme, weil ich ohne zu Kreischen die Ohrenkneifer (!) aus den Paprikaschoten entferne, hat sich Anni eine Hacke geschnappt und ist aufs angrenzende Feld gezogen. Jäten geht immer.

Eine Stunde – und ungefähr 20 Ohrenkneifer später – ist das Abendbrot fertig und wir treffen uns alle am Tisch. Neben Anni, Judith, Fernando und mir macht zur Zeit noch Phillip sein SchülerInnenpraktikum hier. Ich merke, dass schon allein das konzentrierte Vorbereiten von Essen und die Umgebung mich beruhigen. Ich atme durch. Schön hier.

 

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Nachdem vom Abendbrot alles weggefuttert ist – selbstgeerntetes Gemüse schmeckt wirklich wahnsinnig gut – sitzen wir draußen noch ein bisschen zusammen und hören den Grillen zu. Nichts sonst. Kein Flugzeug, kein Auto, keine NachbarInnenmusik. Sonnenuntergang. Nachdem wir abgeräumt haben, geht Philip noch die Schweine vom Nachbarn füttern. Anni und ich verziehen uns ins Wohnzimmer und schlafen bei Grillenzirpen in Ruhe ein.

RETTET DEN KOHL

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Am nächsten Morgen steht Judith früh auf und zaubert selbstgebackene Brötchen und Brot für uns, die himmlisch schmecken. Oh wunderbares Leben! Nachdem wir uns den Bauch vollgeschlagen haben, fängt der Tag an.

Heute geht es auf: den Kohl retten! “In den letzten Wochen hatten wir leider nicht so viel Besuch von HelferInnen, deswegen musste vieles einfach liegen bleiben”. Judith zeigt auf die zugewachsenen Felder. Überall Unkraut! Wenn weniger Leute kommen und helfen, gibt es am Ende dann auch leider weniger Ernte. Das wirkt sich dann auch auf die Gemüsekisten aus.

Der Kohl zum Beispiel könnte wegfallen, wenn nicht bald was getan wird. Denn das Kohlfeld erkennt man vor lauter Unkraut schon nicht mehr und die kleinen Kohlköpfe muss man regelrecht suchen. Wir waten durch hüfthohes Unkrautgrün und weil es jetzt schon so hoch ist, kommt man auch mit Radhacken oder anderen Geräten leider nicht mehr voran.

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SCHWITZEN OHNE YOGA

Jetzt heißt es: Handschuhe an und ran an das Kraut. “Am besten mit der Wurzel rausreißen, sonst wachsen die ganz schnell nach” sagt Judith und hat schon drei in der Hand. Na dann, los geht’s! Anpacken, rausrupfen, Kohl festklopfen. Anpacken, rausrupfen, Kohl festklopfen. Anpacken, abrutschen, auf dem Hintern landen. Noch mal von vorn.

Bald stehe ich barfuß und komplett verschwitzt in der Mittagshitze und wünsche mich an meinen Schreibtisch zurück. Was für eine tolle Arbeit es doch ist, bei der man einfach dasitzen kann und nur die Finger bewegt. Und wo man zwischendurch zum Kühlschrank gehen kann, um sich ein Eis zu holen. Wo man nicht Unkraut so groß wie kleine Bäumchen aus steinhartem Boden reißen muss und einem die  Beine, der Rücken und die Knie weh tun. Und wo sich das Feld und die Arbeit endlos vor dir erstrecken.

Trotzdem ist es irgendwie befriedigend, sich so zu verausgaben. Sich dreckig zu machen, zu schwitzen, echten Körpereinsatz zu zeigen und zu sehen, wie man im Kampf “Unkraut vs. Kohl” tatsächlich langsam voran kommt. Am Ende hab ich einige Kohlköpfe gerettet, unzählige Unkrauthaufen errichtet und mit Sonnenbrand auf dem Nacken und schweren Armen mache ich Schluss. Ich kann nicht mehr. 

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Während Anni und Judith noch weiterschuften, mache ich mich ans Mittag. Genauso wichtig, aber weniger Knochenarbeit. Pasta mit frischen Paprika und Zucchini. Nach und nach treffen alle wieder im Garten ein und versammeln sich um den Tisch. Fernando und Phillip haben tatsächlich eine Sitzbank gebaut. Gemütlich ist sie auch – ich bin hingerissen.

MIT DRECKFÜSSEN NACH BERLIN

Nach dem Mittagessen heißt es für Anni und mich schon wieder Sachen packen und auf den Rückweg machen: Unser Kurzlandurlaub ist zu ende.

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Weil auch die Hartgesottensten bei 30 Grad kaum noch lange auf dem Feld arbeiten können, beschließen Judith und Fernando, schnell an den See zu fahren und reinzuhüpfen. Einmal Pause machen und abkühlen. “Morgen früh geht’s dann wieder um 6 Uhr raus – dann können wir heute schon mal ne längere Pause machen.” sagt Judith und packt ihre Badesachen ein. Als wir ins Auto steigen, rattern die beiden auf einem Mofa an uns vorbei und winken.

 Anni und ich machen uns wieder auf den Weg in die Stadt, zurück zum Alltag. Eineinhalb Stunden später sind wir wieder in der Zivilisation angekommen. Zerstochen, verschwitzt und mit Dreckfüßen steigen wir aus dem Auto. Im Rucksack habe ich eines der von Judith gebackenen Brote, das ich wie einen Schatz behüte.

DER TRAUM VOM LAND

Meine Zukunftsträumerei vom “irgendwann will ich mal von meinem Gemüse leben” ist allerdings erstmal geplatzt. Dieses harte Leben und die Knochenarbeit wären auf Dauer echt nichts für mich. Ich will und brauche Kopfarbeit. Hut ab vor Anna und Olli, die selber gar nicht etwa aus Bauernfamilien kommen, sondern studiert haben und aus politischen Gründen unabhängig leben wollen. Seit 4 Jahren ziehen sie das schon durch, haben alles neu gelernt und arbeiten von früh um 6 Uhr, bis kurz vor Mitternacht. Ich könnte das nicht, muss ich mir eingestehen. 

Aber die Erfahrung, was es heißt, körperlich zu arbeiten, was es braucht, etwas Essbares anzubauen – weit weg von meinem behüteten Balkon mit den drei Paprikapflänzchen –  was es heißt, in der Hitze zu arbeiten und fernab von Yoga-Studios und Fitnessgeräten zu schwitzen, so richtig k.o. zu sein und etwas geleistet zu haben, was man angucken kann und anfassen, riechen und schmecken. Das ist unbezahlbar. Für mich ist es wichtig, so einen Draht zu haben, der mich erdet und mich mal rausreißt aus Cafés mit Echtholztischen, rein in das rustikale Leben. Das ist nicht einfach, aber wichtig für mich.

Anni und ich haben schon mal in den Kalender geschaut und unseren nächsten Besuch auf dem Hof eingetragen. Ich will gucken, wie es meinen Kohlköpfen geht und dieses Mal mindestens eine Reihe mehr retten. Basta!

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2 Antworten zu “Ein Tag auf dem Hof Basta – Solidarische Landwirtschaft zum Anfassen”

  1. Bastian Albers sagt:

    In diesem Zusammenhang würde ich gerne das schöne (ehrenamtliche) Projekt https://ernte-teilen.org/ erwähnen, bei dem Landwirte und Verbraucher zusammenfinden, die sich an Solidarischer Landwirtschaft beteiligen möchten.

  2. […] Kleinerdrei geht es um solidarische Landwirtschaft und um Arbeit auf dem Acker – ein Erfahrungsbericht. Und der liest sich umso interessanter, je mehr man sich bewusst macht, auf welch falschem Weg die […]