Warum mich Psapp zum Glühen bringt

Foto , CC BY-NC-ND 2.0 , by yeled

Psapp ist meine Lieblingsband. Es gibt eigentlich kein Lied von ihnen, das ich nicht mag. Höre ich Psapp, geht es mir gut. Es ist die Art von Band, die man so gern hat, dass man nicht oft von ihr spricht, weil man sie ganz für sich allein behalten möchte. Ich breche heute also heute mein Schweigen für euch.

Psapp, das sind Galia Durant und Carim Clasmann aus London. Zusammen schrieben und komponierten sie mittlerweile vier Alben, ein Mini-Album und einige E.P.s. Der merkwürdige Name Psapp (ungefähr „Säpp“ ausgesprochen) kommt von dem Geräusch, das eine mit Eiswürfeln gefüllte Plastiktüte angeblich macht, wenn man sie von einem Dach auf einen Karton wirft. Und diese seltsame Lautmalerei passt zu Psapp, wenn man ihre Musik hört: Galia und Carim sammeln Geräusche aus dem Alltag – z. B. das Miauen von Katzen, das Quietschen eines Gummi-Entchens, das Klacken eines Drehaschenbechers – loopen und verzerren sie, verbinden sie mit weiteren Instrumenten (mal selbstgemacht und obskur, mal klassisch und bekannt) und äußerst poetischen und komplexen Lyrics. Zusammengehalten wird das Ganze einerseits von den starken Melodien, die trotz allem, was da kreucht und schallt, zum Mitsummen einladen, und andererseits von Galia Durants samtiger Stimme. Bekannt ist Psapp vor allem durch das preisgekrönte Intro der amerikanischen Serie „Grey’s Anatomy“, das von ihnen stammt:

Psapps Stil ist schwer zu beschreiben, aber unverkennbar, wenn man einmal zugehört hat. Wegen der Vorliebe zu Spielzeugen (ihr mechanisches Huhn Brunhilda ist bereits eine kleine Berühmtheit) wird Psapp auch oft das Musikgenre toytronica zugeschrieben – ein Begriff, den die Band nie wieder los wird. Die Quirligkeit und Detailverliebtheit der Songs spiegelt sich auch im Artwork oder in den Videos wider: Nicht wenig davon wurde von Galia Durant gemacht, die Cover und Poster in der Regel selbst zeichnet. Auf Konzerten werden wahlweise kleine Katzen gebastelt oder selbstgebastelte Katzen im Publikum verteilt. Oder eben einen Jutebeutel voller Instrumente, damit das Publikum gleich mitmachen kann beim nächsten Song. Dass das Ganze trotz aller Herzallerliebstigkeit nicht den Weg ins Radio findet, sagt natürlich mehr über die deutsche Radiolandschaft aus als über die Qualität von Psapp-Songs. Aber selbst bei meinen musikverschlingenden Freund_innen ist Psapp oft nicht bekannt. Dabei sollte doch schon ihre Katzenobsession ausreichen, um sie sympathisch zu machen: So heißt ihr erstes Album „Tiger, My Friend“, sie zieren das Cover des zweiten Albums „The Only Thing I Ever Wanted“ oder treten auf im Video zur Single „The Monster Song“:

Von Knochen und Mehlwürmern

Nach dem dritten Album „The Camel’s Back“ ließen sich Psapp fünf lange Jahre Zeit, um mit Knochen und Mehlwürmern zu rasseln, die auch ihren Weg auf das letzte Woche erschienene neuste Œuvre fanden. „What Makes Us Glow“ hat 12 Tracks (die Deluxe-Edition hat noch zwei Bonustracks mehr, die sich lohnen, aber dazu später mehr) und im Vorhinein wurde bereits der Track „Everything Belongs To The Sun“ gratis als Lockstoff zur Verfügung gestellt. Am 13. November wurde das Album dann offiziell mit einem geheimen Gig in London (für den man aber vorher Tickets kaufen konnte) veröffentlicht, bei dem mal wieder Katzen gebastelt wurden – und einiges anderes. Leadsingle des Albums ist „Wet Salt“, das wieder mit einem für Psapp sehr typischen Video daherkommt:

Das Album beginnt mit dem siebzehnsekündigen „Life Hums“, das aus Geschirr-Geklapper und Kuh-Muhen besteht und eigentlich nur das verlängerte Intro von „Wet Salt“ ist. Die Single gefiel mir beim ersten Hören zwar, brauchte jedoch einige Male, um wirklich bei mir zu zünden. Es klimpert und klappert wie ein Motor, der erst anspringen muss und dann übernehmen die orgeligen Akkorde, die die Melodie vorantreiben. Gleichzeitig legt „Wet Salt“ ein bisschen das Setting des Albums fest: Nach und nach setzt sich im Laufe des Albums das zersplitterte Bild einer Beziehung zusammen, die mal eine glückliche war, jetzt aber auseinanderbricht wie mit zu altem Leim geschmiert. Das wird dann auch recht deutlich im düsteren „The Cruel, the Kind, and the Bad“, dessen dunkler Walzer aus schrägen Bläsern und Trommeln in der Zeile kulminiert: „Today will be the day you dry your eyes and walk away.“ Galia Durant steht im Rampenlicht eines Zirkusses aus der Schattenwelt oder ist eine traurige Figur in der „Dreigroschenoper“ — so ist jedenfalls die Atmosphäre.

Nur um dann wieder auf der Bühne im kleinen Nachtclub zu stehen, um „Seven“ zu singen. Fast schon jazzig kommen die Gitarre, der Bass und die gezupfte Violine daher, bis Galia zuletzt fragt: „How can I right your wrongs? / The list is just too long / How can I see the good in we’ve done?“ Harte Worte eingemummt in vielen Schichten aus Tönen und Noten. Im rhythmisch xylophonartig klimpernden „That’s the Spirit“ wird – später von einzelnen Klavier- und Orgeltasten unterstützt – die Verfallsgeschichte einer Liebe weiterbesungen („Hurry up and let me in, it’s freezing by the door / Why won’t you talk to me? That’s what I came here for“) und danach eröffnet „In the Black“ mit einem Plastikröhrensolo, bis es uns von Gitarre und Violine immer schneller zur Erkenntnis vorantreibt: „All we leave behind us is a pile of dirt beside us“. Die Halbzeit im Album markiert das stampfende „Everything Belongs To The Sun“, das vor allem durch seinen Rhythmus und seine Abstraktheit auffällt. Das Fundament ist etwas Getrommeltes, das gleichzeitig auch geklatscht sein könnte, und Galias Gesang, der wie ein Instrument eingesetzt wird. Später dann: katzenähnliches Miaue und Säuglingsgebrabbel. In diesem Song führen Psapp ihre akustische Zwiebeltechnik vor: Man weiß gar nicht, wohin man hören soll, so viel spielt sich im Einzelnen ab und verschmilzt gleichzeitig zu einem Melodiestrom. Diese Repetitivität zeigt sich auch in den Lyrics, die nur aus zwei Sätzen bestehen: „Everything belongs to the sun, but you don’t belong to anyone / It doesn’t matter how much you change, I will remember you being this way.“ Definitiv mein bisheriges Highlight des Albums.

„We are falling head first“

In „Bone Marrow“ wird die Spannung erstmal wieder abgebaut, nur um zum eingängigen Beat von „Your Hot Knife“ zu führen – mit Unterstützung einer Fahrradklingel. In „The Well and the Wall“ ziept und zirpt es im Hintergrund, während wir ungläubig gefragt werden: „Is this a test? / Did we already fail?“. Ein weiteres Highlight ist der Titeltrack „What Makes Us Glow“: Das betrunken-verschwurbelte, nach links gezogene und durchgezwirbelte Bläser-Grundthema setzt irgendwann so viele Geräusche an, dass ich bei jedem Mal Hören noch ein neues entdecke. „In and out“, der eigentliche Rausschmeißer des Albums, klingt nach Versöhnung: Wir hören ein Schnarchen und ein Knistern und auch die abzählreimartige Struktur der Lyrics erinnert mich an die Rausschmeißer „Tiger, My Friend“ und „Upstairs“ der vergangenen Alben. Und zum Schluss kehren wir zurück zum Geschirrgerassel des ersten Tracks.

Es sei denn, man hat die Deluxe-Edition des Albums, die leider – soweit ich weiß – bisher nur bei iTunes verfügbar ist. Der erste Bonus ist „Smallest War“, in dieser Form einer der fröhlichsten Songs des Albums, vor allem wegen dem elektrischen Geblubber in der Bridge und dem hymnischen Refrain. Und zu allerletzt mein drittes, wenn nicht doch sogar liebstes Highlight: In „A Pillow“ singt Galia Durant von verpassten Möglichkeiten und wie die Person, die man war und die man hätte sein können, so gar nicht mit mehr mit Realität und Gegenwart übereinstimmt. Dazu gibt es Geisterbahn-Athmosphäre: Gewimmer, Skelett-Geklapper, eine dumpfe Orgel und singende Säge – all das gegen das krächzenden Elektro-Thema, das sich komplett durchzieht. Und in Zusammenarbeit mit Klavier und dem Geräusch von Händen, die man aneinanderreibt, berichtet Galia von der letzten Geschichte auf „What Makes Us Glow“: „The girl you could have been / The girl that we could have known / A life in a happy home / Poor you“

Was uns zum Glühen bringt?

Psapp sind sich immer treu geblieben. Wenn andere Bands mit jedem Album ihren Stil ändern, haben Psapp einfach immer die Musik gemacht, die sie immer machen. Trotzdem fühlt sich „What makes us glow“ ein bisschen anders an, was sicherlich auch an der langen Pause liegt. Andererseits empfinde ich es homogener als die Alben und E.P.s zuvor, was an ähnlichen Instrument- bzw. eher Geräuschkompositionen der Songs liegt. Die alten Alben haben da eine größere Varianz, wo in „What Makes Us Glow“ die Harmonie und Freude über das Wiedersehen der alten Bekannten Klavier, Violine und Gitarre steckt. Die Lyrics – meiner Meinung nach das Herz jedes Psapp-Songs – sind dieses mal ein bisschen weniger kryptisch als sonst. Aber hier spreche auch ich als parteiischer Über-Fan, denn letztere Instrumente gab es auch immer auf den alten Alben und von akustischer Langeweile wird man bei „What Makes Us Glow“ ganz gewiss nicht heimgesucht. Stattdessen zieht es uns in den Bann und wächst mit jedem Hören von Innen heraus und macht uns warm und rote Nasen, bis wir glühen und grinsen. Wie bei gutem Schnaps.

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